Tyrion

Sie hatten ihn gewarnt, er solle sich warm anziehen. Tyrion Lannister nahm sie beim Wort, und so hatte er eine schwere, gesteppte Hose und ein Wollwams angelegt und darüber das Schattenfell aus den Mondbergen geworfen. Der Mantel war ihm viel zu lang, da er für einen doppelt so großen Mann angefertigt worden war. Saß er nicht zu Pferde, konnte er ihn nur tragen, indem er ihn sich mehrmals um den Bauch schlang, und dann sah er aus wie eine gestreifte Fellkugel.

Gleichwohl, er war froh, daß er den Rat beherzigt hatte. Die Kälte in dem langen, feuchten Gewölbe kroch ihm sofort in die Knochen. Timett war deswegen augenblicklich nach oben zurückgekehrt. Sie befanden sich irgendwo unter dem Hügel von Rhaenys, hinter der Gildenhalle der Alchimisten. Die nassen Steinwände waren mit Salpeter gesprenkelt, und das einzige Licht ging von einer geschlossenen Lampe aus Eisen und Glas aus, die Hallyne, der Pyromantiker, überaus behutsam trug.

Behutsam, gewiß… und in diesen Gefäßen lagert, was ebenfalls behutsam behandelt werden muß. Tyrion nahm eines in die Hand und betrachtete es. Es war rund und rötlich, eine dicke Pampelmuse aus Ton. Ein wenig zu groß für seine Hand, aber in die eines normalen Mannes würde es bequem passen. Die Keramik war dünn, so zerbrechlich, daß man ihn gewarnt hatte, nicht zu fest zuzudrücken, damit sie nicht in seiner Faust zerbreche. Der Ton fühlte sich rauh an. Hallyne sagte, das sei Absicht.»Ein glattes Gefäß würde beim Werfen leichter aus der Hand rutschen.«

Das Seefeuer floß träge auf die Öffnung des Tonbehälters zu, als Tyrion ihn kippte und hineinschaute. Dunkelgrün war es, das wußte er, doch im schwachen Licht hier unten ließ sich das

nicht bestätigen.»Dickflüssig«, merkte er an.

«Wegen der Kälte, Mylord«, erklärte Hallyne, ein blasser Mann mit weichen feuchten Händen und einer unterwürfigen Art. Er war in eine schwarz-rot gestreifte Robe gekleidet, die am Saum mit Zobel abgesetzt war, aber über den Pelz waren schon viele Motten hergefallen.»Sobald es sich erwärmt, fließt es besser, ähnlich wie Lampenöl.«

Unter den Pyromantikern hieß das Seefeuer die Substanz. Nun, untereinander redeten sie sich mit Weisheit an, und das ärgerte Tyrion fast ebensosehr wie ihre Gewohnheit, beiläufig immenses geheimes Wissen anzudeuten, von dem er glauben sollte, daß sie es besaßen. Einst waren sie eine mächtige Gilde gewesen, in den letzten Jahrhunderten jedoch hatten die Maester aus der Citadel die Alchimisten fast überall verdrängt. Nun bestanden nur noch einige der älteren Orden, und sie behaupteten nicht länger, sie könnten unedles Metall in Gold verwandeln…

…doch immerhin konnten sie Seefeuer herstellen.»Wasser vermag es nicht zu löschen, hat man mir gesagt.«

«Das stimmt. Aus diesem Grund heißt es Seefeuer. Fängt die Substanz einmal Feuer, brennt sie, bis sie vergangen ist, selbst auf Wasser. Und darüber hinaus sickert sie in Stoff, Holz, Leder und sogar Stahl ein, so daß diese Materialien ebenfalls brennen.«

Tyrion erinnerte sich an den roten Priester Thoros von Myr und sein flammendes Schwert. Schon eine dünne Schicht Seefeuer brannte eine Stunde lang. Thoros hatte nach dem Buhurt jedesmal eine neue Waffe gebraucht, Robert jedoch hatte der Mann gefallen, und er hatte ihm immer wieder eine zur Verfügung gestellt.»Warum zieht es nicht in den Ton ein?«

«Oh, das tut es«, versicherte Hallyne.»Unter diesem Gewölbe gibt es ein weiteres, in dem wir die alten Töpfe lagern. Sie stammen aus den Tagen von König Aerys. Es war seine Idee, die Gefäße in Form von Früchten zu gestalten. Höchst gefährliche Früchte, gewiß, Mylord Hand, und, hmmm, sie sind heute reifer denn je zuvor, wenn Ihr versteht, was ich meine. Wir haben sie mit Wachs versiegelt und das untere Gewölbe voll Wasser gepumpt, und trotzdem… eigentlich hätten sie längst zerstört werden müssen, doch da während der Plünderung von King's Landing so viele unserer Meister ermordet wurden, blieben nur einige Gehilfen übrig, die mit dieser Aufgabe überfordert waren. Und vieles von den Vorräten, die wir für Aerys angelegt hatten, ging verloren. Erst letztes Jahr hat man in einem Lager unter der Großen Septe von Baelor zweihundert Gefäße entdeckt. Niemand konnte sich mehr an sie erinnern, und bestimmt könnt Ihr Euch vorstellen, wie erschrocken der Hohe Septon war. Ich selbst habe dafür gesorgt, daß man sie vorsichtig geborgen hat. Dazu ließ ich einen Karren mit Sand füllen und schickte unsere besten Gehilfen los. Wir arbeiteten nur des Nachts — «

«Ihr habt zweifellos hervorragende Arbeit geleistet. «Tyrion stellte das Gefäß, das er in der Hand hielt, zu den anderen zurück. Sie bedeckten den ganzen Tisch und standen in ordentlichen Viererreihen, die sich in der unterirdischen Dunkelheit verloren. Überall sah er weitere Tische, viele Tische.»Diese Früchte des alten Königs Aerys, kann man sie noch benutzen?«

«Oh ja, gewiß… doch nur mit größter Vorsicht, Mylord, höchst behutsam. Je älter die Substanz wird, desto, hmmm, launischer, möchte ich sagen, wird sie. Jedes Flämmchen kann sie entzünden. Ein Funke genügt. Zuviel Hitze führt zur Selbstentzündung. Sie dem Sonnenlicht auszusetzen, auch nur für kurze Zeit, ist sehr unklug. Einmal in Brand geraten, dehnt sich die Substanz stark aus, und das Gefäß zerplatzt. Falls dann andere Gefäße in der Nähe stehen, entzünden sie sich ebenfalls, und so — «»Wie viele habt Ihr zur Zeit?«

«Heute morgen berichtete Weisheit Munciter, insgesamt besäßen wir siebentausendachthundertundvierzig. Darin enthalten sind viertausend aus König Aerys' Zeiten.«»Unsere überreifen Früchte?«Hallyne nickte heftig.»Weisheit Malliard glaubt, wir werden bald mit zehntausend Stück dienlich sein können, wie wir es der Königin versprochen haben. Ich stimme dem zu. «Der Pyromantiker wirkte unverschämt zufrieden bei dieser Aussicht.

Falls unsere Feinde Euch genug Zeit lassen. Die Pyromantiker hielten ihre Rezepte für Seefeuer geheim, aber Tyrion wußte, daß es in einem langwierigen, gefährlichen und zeitaufwendigen Verfahren gewonnen wurde. Er hatte die Zahl von zehntausend Stück für reine Prahlerei gehalten, etwa so, wie viele Vasallen schworen, zehntausend Krieger für den Lord in den Krieg zu führen, um schließlich am Tag der Schlacht mit einhundertundzwei aufs Feld zu marschieren. Sollte es ihnen gelingen, tatsächlich diese zehntausend Stück zu liefern…

Er wußte nicht, ob ihn diese Vorstellung entzückte oder erschreckte. Vielleicht ein bißchen von beiden.»Ich hoffe, Eure Gildenbrüder werden sich nicht zu unvorsichtiger Hast verleiten lassen, Weisheit. Wir wollen schließlich nicht zehntausend Gefäße mit fehlerhaftem Seefeuer; ja, eins wäre schon zuviel… und vor allem wünschen wir keine Unglücke.«

«Es wird keine Unglücke geben, Mylord Hand. Die Substanz wird von erfahrenen Gehilfen hergestellt, in kahlen Steinzellen, und jedes Gefäß wird sofort von einem Lehrling hier herunter ins Gewölbe gebracht. Die Räume über den Zellen sind bis obenhin mit Sand gefüllt. Ihre Böden sind mit einem Schutzzauber belegt, hmmm, einem sehr mächtigen. Ein Feuer in einer Zelle bringt die Decke zum Einsturz, und der Sand erstickt die Flammen.«

«Nicht zu vergessen den achtlosen Gehilfen. «Hinter dem Wort Zauber vermutete Tyrion eher einen klugen Trick. Gern hätte er sich eine der Zellen mit diesen Decken angeschaut, hingegen blieb ihm dazu jetzt keine Zeit. Vielleicht, nachdem der Krieg gewonnen war.»Meine Brüder sind niemals achtlos«, entgegnete Hallyne.»Wenn ich so, hmmm, offen sein darf…«»Oh, bitte.«

«Die Substanz fließt durch meine Adern und lebt im Herzen eines jeden Pyromantikers. Wir respektieren ihre Kraft. Aber der gewöhnliche Soldat, hmmm, die Besatzung eines der Geschütze der Königin, sagen wir einmal, könnte in der Hitze des Gefechts… nun, jeder winzige Fehler vermag eine Katastrophe auszulösen. Darauf kann man nicht oft genug hinweisen. Mein Vater hat dies häufig König Aerys gegenüber betont, und sein Vater erklärte es dem alten König Jaehaerys.«

«Offensichtlich haben sie darauf gehört«, erwiderte Tyrion.»Denn wenn die Stadt in jener Zeit einmal abgebrannt wäre, hätte es mir gewiß jemand mitgeteilt. Euer Rat lautet also: Wir sollten vorsichtig sein?«

«Sehr vorsichtig«, sagte Hallyne.»Sehr, sehr vorsichtig.«

«Diese Tongefäße… stehen Euch davon ausreichend viele zur Verfügung?«

«Ja, Mylord, danke der Nachfrage.«

«Es würde Euch demnach nichts ausmachen, wenn ich ein paar mitnehme. Einige Tausende.«»Einige Tausende?«

«Oder wie viele auch immer Eure Gilde erübrigen kann, ohne daß die Herstellung ins Stocken gerät. Ich will lediglich leere Gefäße, versteht Ihr. Laßt sie an die Hauptmänner jedes Stadttores schicken.«

«Das werde ich tun, Mylord, doch weshalb…«Tyrion lächelte zu ihm auf.»Wenn Ihr mir sagt, ich solle mich warm anziehen, ziehe ich mich warm an. Wenn Ihr mir zur Vorsicht ratet, nun…«Er zuckte die Achseln.»Ich habe genug gesehen. Vielleicht seid Ihr so gut und geleitet mich zurück zu meiner Sänfte?«

«Das wäre mir ein großes, hmmm, Vergnügen, Mylord. «Hallyne nahm die Lampe und ging zur Treppe voraus.»Es war weise von Euch, uns einen Besuch abzustatten. Eine große Ehre, hmmm. Seit langem schon hat uns keine Hand des Königs mehr mit ihrer Gegenwart beehrt. Der letzte war Lord Rossart, und er gehörte selbst unserem Orden an. Das war in König Aerys' Tagen. König Aerys interessierte sich sehr für unsere Arbeit.«

König Aerys hat Euch benutzt, um seine Feinde so lange zu rösten, bis ihnen das Fleisch von den Knochen fiel. Sein Bruder Jaime hatte ihm einige Geschichten über den Irren König und seine Lieblinge, die Pyromantiker, erzählt.»Joffrey wird gewiß ebenfalls Interesse daran zeigen, davon bin ich überzeugt. «Und aus diesem Grund werde ich mein Möglichstes tun, ihn von Euch fernzuhalten.

«Unsere größte Hoffnung ist es, daß der König selbst der Gildenhalle vielleicht einen Besuch abstatten könnte. Ich habe darüber bereits mit Eurer königlichen Schwester gesprochen. Ein großes Fest… «

Auf dem Weg nach oben wurde es zunehmend wärmer.»Seine Gnaden hat alle Feierlichkeiten untersagt, bis dieser Krieg gewonnen ist. «Auf mein Drängen hin.»Der König hält es für unpassend, Festgelage zu veranstalten, während das Volk auf den Straßen kein Brot hat.«

«Eine höchst, hmmm, liebenswerte Geste, Mylord. Vielleicht könnten statt dessen einige der unsrigen im Red Keep empfangen werden. Eine kleine Demonstration unserer Künste mag Seine Gnaden für einen Abend von seinen Sorgen ablenken. Seefeuer ist lediglich eines der gefährlichsten Geheimnisse unseres Ordens. Es gibt viele wundersame Dinge, die wir Euch gern vorführen würden.«

«Ich werde es meiner Schwester vorschlagen. «Gegen ein paar magische Tricks hatte Tyrion nichts einzuwenden, aber

Joffs Vorliebe dafür, Männer bis zum Tod gegeneinander kämpfen zu lassen, war bereits schlimm genug; er trug sich nicht mit der Absicht, dem Jungen auch noch zu zeigen, wie er sie bei lebendigem Leibe verbrennen konnte.

Als sie endlich oben angekommen waren, zog Tyrion das Schattenfell aus und legte es über dem Arm zusammen. Die Gildenhalle der Alchimisten war ein beeindruckendes Labyrinth aus schwarzem Stein, doch Hallyne führte ihn durch die Windungen und Biegungen der Gänge, bis sie die Galerie der Eisenfackeln erreichten, einen langen Saal, wo grünes Feuer schwarze, sechs Meter hohe Metallsäulen enthüllte. Geisterhaft schimmerten die Flammen auf dem polierten schwarzen Marmor der Wände und des Bodens und tauchten die Halle in einen smaragdgrünen Schein. Tyrion wäre noch beeindruckter gewesen, hätte er nicht gewußt, daß man diese großen Eisenfackeln erst heute morgen zu Ehren seines Besuches entzündet hatte und daß man sie löschen würde, sobald sich die Tür hinter ihm schloß. Seefeuer war zu teuer, um es zu vergeuden.

Sie traten auf die breite geschwungene Treppe hinaus, die auf die Straße der Schwestern führte, und befanden sich nahe dem Fuße von Visenyas Hügel. Tyrion verabschiedete sich von Hallyne und watschelte zu seiner Eskorte hinunter, die aus Timett, Sohn des Timett, und einigen Burned Men bestand. Dem heutigen Anlaß entsprechend hatte er sie als eine besonders angemessene Leibwache betrachtet. Außerdem jagten ihre Narben allen Stadtbewohnern große Angst ein. Das war in diesen Zeiten nicht zu verachten. Erst vor drei Nächten hatte sich wieder eine Menschenmenge vor den Toren des Red Keep versammelt und lauthals Lebensmittel gefordert. Joff hatte einen Pfeilhagel auf sie abfeuern lassen, in dem vier Menschen starben, und dann hinuntergebrüllt, sie hätten seine Erlaubnis, diese Toten zu essen. Er gibt sich solche Mühe, uns Freunde zu gewinnen.

Tyrion war überrascht, als er auch Bronn neben der Sänfte erblickte.»Eisenhand wünscht Euch am Göttertor zu sehen. Warum, hat er mir nicht gesagt. Und zu Maegors Bergfried wurdet Ihr ebenfalls gerufen.«

«Gerufen?«Er kannte nur einen Menschen, der dieses Wort benutzen würde.»Und was will Cersei von mir?«

Bronn zuckte die Achseln.»Die Königin befiehlt Euch, sofort in die Burg zurückzukehren und sie in ihren Gemächern aufzusuchen. Dieses Jüngelchen, Euer Vetter, hat eine Nachricht überbracht. Vier Haare hat er auf der Lippe, und schon hält er sich für einen Mann.«

«Vier Haare und einen Ritterschlag. Er heißt jetzt Ser Lancel, vergiß das nicht. «Tyrion wußte, daß Ser Jacelyn ihn nicht zu sich bitten würde, solange es sich nicht um eine Angelegenheit von äußerster Dringlichkeit handelte.»Ich werde wohl besser erst einmal schauen, was Bywater will. Sag meiner Schwester, ich würde sie sofort nach meiner Rückkehr aufsuchen.«»Das wird ihr nicht gefallen«, warnte Bronn.»Gut. Je länger Cersei wartet, desto wütender wird sie, und in ihrer Wut wird sie dumm. Wut und Dummheit sind mir lieber als Beherrschtheit und Verstand. «Tyrion warf den zusammengefalteten Mantel in die Sänfte, und Timett half ihm beim Einsteigen.

Der Marktplatz am Tor der Götter, auf dem sich in normalen Zeiten Bauern drängten, um ihr Gemüse zu verkaufen, war nahezu verlassen. Ser Jacelyn empfing ihn am Tor und hob die eiserne Hand zum Gruß.»Mylord. Euer Vetter Cleos Frey ist hier. Er ist unter dem Banner des Waffenstillstands aus Riverrun gekommen und überbringt einen Brief von Robb Stark.«

«Bedingungen für Friedensverhandlungen?«

«Das behauptet er jedenfalls.«

«Mein liebreizender Vetter. Bringt mich zu ihm.«

Die Goldröcke hatten Ser Cleos in einem fensterlosen Wachraum des Torhauses untergebracht. Bei Tyrions Eintritt erhob er sich.»Tyrion, Ihr seid ein höchst willkommener Anblick.«

«Solche Worte höre ich nicht allzu oft, Vetter.«

«Ist Cersei nicht bei Euch?«

«Meine Schwester ist anderweitig beschäftigt. Ist das der Brief von Stark?«Er nahm ihn vom Tisch.»Ser Jacelyn, würdet Ihr uns bitte allein lassen?«

Bywater verneigte sich und ging hinaus.»Mir wurde aufgetragen, das Angebot der Königlichen Regentin persönlich zu überbringen«, sagte Ser Cleos, nachdem die Tür geschlossen war.

«Ich werde das übernehmen. «Tyrion betrachtete die Karte, die Robb Stark dem Schreiben beigefügt hatte.»Alles zu seiner Zeit. Setzt Euch. Ruht Euch aus. Ihr macht einen erschöpften und ausgezehrten Eindruck. «In Wirklichkeit sah er sogar viel übler aus.

«Ja. «Ser Cleos ließ sich auf eine Bank nieder.»In den Flußlanden steht es schlimm, Tyrion. Um God's Eye herum, und besonders entlang der Kingsroad. Die Flußlords verbrennen ihre eigene Ernte und versuchen, uns auszuhungern, und die Vorreiter Eures Vaters zünden jedes Dorf an, das sie erobern, und erschlagen das gemeine Volk.«

So war es eben im Krieg. Das gemeine Volk wurde niedergemetzelt, während man die Hochgeborenen als Geiseln nahm. Erinnert mich daran, den Göttern zu danken, daß ich als Lannister geboren wurde. Ser Cleos fuhr sich mit der Hand durch das dünne braune Haar.»Selbst unter dem Banner des Waffenstillstands wurden wir zweimal angegriffen. Wölfe in Kettenhemden, so hungrig, daß sie über jeden herfallen, der schwächer ist. Die Götter allein mögen wissen, auf welcher Seite sie einst gestanden haben, jetzt kämpfen sie nur noch für sich selbst. Wir haben drei Mann verloren, doppelt so viele sind verwundet.«

«Welche Neuigkeiten gibt es vom Feind?«Tyrion wandte seine Aufmerksamkeit wieder Starks Bedingungen zu. Allzuviel will der Junge ja gar nicht. Nur das halbe Reich, die Freilassung unserer Gefangenen und Geiseln, das Schwert seines Vaters… ach ja, und seine Schwestern.

«Der Junge sitzt untätig in Riverrun herum«, berichtete Ser Cleos.»Ich glaube, er fürchtet sich, Eurem Vater im Felde gegenüberzutreten. Sein Heer schwindet von Tag zu Tag. Die Flußlords verlassen ihn, um jeder sein eigenes Land zu verteidigen.«

Hat Vater dies beabsichtigt? Tyrion rollte Starks Karte zusammen.»Mit diesen Bedingungen wird er nichts erreichen.«

«Werdet Ihr zumindest zustimmen, die Mädchen der Starks gegen Tion und Willem auszutauschen?«erkundigte sich Ser Cleos flehentlich.

Tion Frey war Ser Cleos' jüngerer Bruder, erinnerte sich Tyrion.»Nein«, antwortete er milde,»doch werden wir einen Gegenvorschlag zum Austausch der Gefangenen unterbreiten. Zunächst muß ich die Angelegenheit jedoch mit Cersei und dem Rat besprechen. Wir schicken Euch mit unseren Bedingungen nach Riverrun zurück.«

Offensichtlich munterte diese Aussicht sein Gegenüber nicht auf.»Mylord, ich glaube kaum, daß Robb Stark sich so einfach ergeben wird. Lady Catelyn ist diejenige, die Frieden will, nicht der Junge.«

«Lady Catelyn will ihre Töchter. «Tyrion schob sich von der Bank und hielt Brief und Karte in den Händen.»Ser Jacelyn wird Euch mit Essen und einem warmen Platz zum Schlafen versorgen. Ihr seht aus, als brauchtet Ihr dringend Ruhe, Vetter. Ich werde Euch benachrichtigen, sobald wir mehr wissen.«

Tyrion fand Ser Jacelyn draußen auf dem Wehrgang, wo er mehrere hundert Rekruten beobachtete, die auf dem Feld unten gedrillt wurden. Da so viele Menschen in King's Landing Zuflucht suchten, gab es ausreichend willige Männer, die für einen vollen Bauch und eine Strohmatratze in der Kaserne der Stadtwache beitraten, allerdings gab sich Tyrion keinerlei Illusionen hin, was den Kampfesmut dieses zerlumpten Haufens betraf, sollte es zur Schlacht kommen.

«Ihr habt recht getan, mich zu holen«, lobte Tyrion.»Ich werde Ser Cleos in Euren Händen lassen. Behandelt ihn mit aller gebührenden Gastfreundschaft.«

«Und seine Eskorte?«wollte der Kommandant wissen.»Versorgt sie mit Essen und frischer Kleidung, und die Verwundeten soll sich ein Maester anschauen. Auf keinen Fall dürfen sie auch nur einen Fuß in die Stadt setzen, verstanden?«Es wäre nicht gut, wenn Robb Stark in Riverrun über die wahren Zustände in King's Landing Bescheid wüßte.»Sehr wohl, Mylord.«»Ach, und noch etwas. Die Alchimisten werden einen großen Vorrat Töpfe an jedes Stadttor liefern. Ihr werdet sie einsetzen, um damit die Leute auszubilden, welche die Feuerspeier, die Geschütze, bedienen. Füllt die Gefäße mit grüner Farbe und laßt sie damit Laden und Schießen üben. Jeder Mann, der etwas verschüttet, wird ausgewechselt. Wenn sie mit den Farbtöpfen umgehen können, ersetzt die Farbe durch Öl. Dieses sollen sie anzünden und damit schießen. Nachdem sie gelernt haben, sich dabei nicht zu verbrennen, können sie vielleicht auch das Seefeuer handhaben.«

Ser Jacelyn kratzte sich die Wange mit der eisernen Hand.»Eine weise Maßnahme. Obwohl ich nicht viel für diese Alchimistenpisse übrig habe.«

«Ich auch nicht, doch muß ich mit dem vorlieb nehmen, was ich bekommen kann.«

Wieder in seiner Sänfte, zog Tyrion die Vorhänge zu und schob sich ein Kissen unter den Ellbogen. Cersei würde nicht erfreut darüber sein, daß er Starks Brief abgefangen hatte, aber sein Vater hatte ihn geschickt, damit er regierte, nicht um seiner Schwester zu gefallen.

Seiner Meinung nach hatte Robb Stark ihnen eine Chance gegeben, die Gold wert war. Mochte der Junge in Riverrun warten und von einem leichten Friedensschluß träumen. Tyrion würde ihm eigene Bedingungen stellen und ihm den Königstitel des Nordens und einiges andere zugestehen, gerade genug, um bei ihm Hoffnung keimen zu lassen. Ser Cleos würde sich seinen knochigen Freyhintern dabei plattreiten, Angebote und Gegenangebote hin und her zu tragen. Unterdessen würde ihr Vetter Ser Stafford die neue Armee, die er in Casterly Rock ausgehoben hatte, bewaffnen und drillen. War er erst einmal bereit, konnten er und Lord Tywin die Starks zwischen sich zermalmen.

Wären Roberts Brüder doch nur ebenso entgegenkommend. Wenn auch langsam wie ein Gletscher, so kroch Renly Baratheon mit seinem riesigen Heer im Süden doch immer weiter nach Nordosten vor, und kaum eine Nacht verging, in der Tyrion nicht fürchtete, von der Nachricht geweckt zu werden, daß Lord Stannis mit seiner Flotte den Blackwater Rush hinaufsegelte. Nun, wir haben einen hübschen Vorrat an Seefeuer, jedoch…

Der Lärm eines Tumults auf der Straße riß ihn aus seinen Sorgen. Tyrion spähte vorsichtig durch den Vorhang hinaus. Sie überquerten gerade den Schusterplatz, wo sich eine ansehnliche Menge unter den ledernen Vordächern versammelt hatte, um den Tiraden eines Propheten zu lauschen. Seine ungefärbte Wollrobe, die von einem Hanfseil zusammengehalten wurde, wies ihn als einen der Bettelbrüder aus.

«Verderbtheit!«schrie der Mann schrill.»Das ist die Warnung. Seht des Vaters Geißel!«Er zeigte auf die verschwommene rote Wunde im Himmel. Von diesem Standpunkt aus ragte die ferne Burg auf Aegons Hohem Hügel genau hinter ihm auf, und der Komet hing unheilverkündend über ihren Türmen. Er hat seine Bühne klug gewählt, dachte Tyrion.»Wir sind fett geworden, aufgeblasen, faul. Brüder verbinden sich mit ihren Schwestern in den Betten der Könige, und die Frucht ihrer Inzucht tanzt zur Pfeife eines verkümmerten Affendämons durch den Palast. Hochgeborene Damen huren mit Narren und setzen Ungeheuer in die Welt! Sogar der Hohe Septon hat die Götter vergessen! Er badet in wohlriechendem Wasser und wird fett von Lachs und Lamm, während sein Volk Hungers stirbt! Eitelkeit steht vor dem Gebet, Maden im Speck regieren unsere Burgen, und Gold ist alles, was zählt… aber nicht länger! Der Sommer der Verderbtheit hat ein Ende, der Hurenkönig wird gestürzt! Als der Keiler ihm den Bauch aufriß, erhob sich ein großer Gestank zum Himmel, und tausend Schlangen krochen aus seinem Wanst und zischten und bissen um sich!«Er reckte den Arm in Richtung des Kometen und der Burg.»Dort steht der Vorbote! Schwöret der Sünde ab! Badet im Wein der Gerechtigkeit, oder ihr werdet im Feuer gebadet! Im Feuer!«

«Feuer!«antworteten andere Stimmen, doch das johlende Gelächter übertönte sie. Dieser Umstand tröstete Tyrion. Er gab den Trägern den Befehl, weiterzugehen, und die Sänfte schaukelte wie ein Schiff auf rauher See, derweil die Burned Men den Weg freimachten. Verkümmerter Affendämon, also wirklich. Was den Hohen Septon anging, so hatte der Prophet sicherlich recht. Was hatte Mondbub kürzlich über ihn gesagt. Ein höchst frommer Mann, der die Sieben mit solcher Inbrunst verehrt, daß er bei allen Mahlzeiten eine Portion für jeden von ihnen verspeist. Bei der Erinnerung an den Scherz des Narren lächelte Tyrion.

Zu seiner Freude erreichte er den Red Keep ohne weitere Zwischenfälle. Er stieg die Treppe zu seinen Gemächern hinauf und fühlte sich schon ein wenig zuversichtlicher als noch in der Morgendämmerung. Zeit, das ist alles, was ich brauche, Zeit, alles zusammenzustückeln. Wenn die Kette erst fertig ist… Er öffnete die Tür zu seinem Solar.

Cersei wandte sich vom Fenster ab und drehte sich mit wirbelnden Röcken zu ihm um.»Wie kannst du es wagen, dich mir zu widersetzen, wenn ich dich rufe?«

«Wer hat dich in meinen Turm eingelassen?«»Deinen Turm? Dies ist meines Sohnes königliche Burg.«»Das habe ich auch gehört. «Tyrion war ganz und gar nicht belustigt. Und Crawn würde das gewißlich auch nicht sein, wenn er ihn sich erst einmal vorgenommen hatte. Seine Moon Brothers waren heute mit der Wache an der Reihe.»Ich wollte zufällig gerade zu dir kommen.«»Tatsächlich?«

Er warf die Tür hinter sich zu.»Zweifelst du an meinen Worten?«»Gewiß, und das mit gutem Grund.«

«Das verletzt mich. «Tyrion watschelte zu dem niedrigen Schrank hinüber, um sich einen Becher Wein zu holen. Er kannte nichts, was ihm größeren Durst verursachte, als mit Cersei zu reden.»Falls ich dich beleidigt habe, wüßte ich gern, wodurch.«

«Was für ein widerlicher kleiner Wurm du bist! Myrcella ist meine einzige Tochter. Hast du dir tatsächlich eingebildet, ich würde zulassen, daß du sie wie einen Sack Hafer verschacherst?«

Myrcella, schoß es ihm durch den Sinn. Nun, das Ei wäre gelegt und ausgebrütet. Wollen wir doch mal sehen, welche Farbe das Küken hat.

«Kaum wie einen Sack Hafer. Myrcella ist eine Prinzessin. Manch einer würde sagen, für ein solches Schicksal wurde sie geboren. Oder hattest du die Absicht, sie mit Tommen zu vermählen?«

Sie schlug ihm den Weinbecher aus der Hand.»Ob du mein

Bruder bist oder nicht, dafür sollte ich dir die Zunge herausreißen lassen. Ich bin Joffreys Regentin, nicht du, und ich sage, daß Myrcella nicht auf die gleiche Weise zu diesem Mann aus Dorne verfrachtet wird, auf die man mich Robert Baratheon auslieferte. «Tyrion schüttelte sich den Wein von den Fingern und seufzte.»Warum nicht? In Dorne wäre sie wesentlich sicherer als hier.«

«Bist du wirklich so dumm oder einfach nur verstockt? Die Martells haben keinen Grund, uns zu mögen.«

«Die Martells haben sogar guten Grund, uns zu hassen. Nichtsdestotrotz erwarte ich ihr Einverständnis. Prinz Dorans Groll auf das Haus Lannister reicht eine Generation zurück, doch gegen Storm's End und Highgarden führt man in Dorne bereits seit tausend Jahren Krieg, und Renly ist sich der Unterstützung Dornes gewiß. Myrcella ist neun, Trystane Martell elf. Ich habe vorgeschlagen, sie mögen vermählt werden, sobald das Mädchen ihr vierzehntes Jahr erreicht hat. Bis dahin würde sie unter Prinz Dorans Schutz als Ehrengast auf Sunspear leben.«

«Als Geisel«, widersprach Cersei und kniff die Lippen zusammen.

«Als Ehrengast«, beharrte Tyrion,»und ich vermute, Martell wird Myrcella nicht so unfreundlich behandeln wie Joffrey Sansa Stark. Mir schwebt vor, sie von Ser Arys Oakheart begleiten zu lassen. Mit einem Ritter der Königsgarde an der Seite wird niemand vergessen, wer und was sie ist.«

«Ser Arys wird wenig ausrichten können, falls Doran Martell beschließt, mit dem Tod meiner Tochter wäre der Tod seiner Schwester beglichen.«

«Martell ist zu sehr Ehrenmann, um ein neunjähriges Mädchen zu ermorden, insbesondere ein so süßes und unschuldiges. So lange er sie in Händen hält, darf er beruhigt sein, daß wir von unserer Seite der Abmachung treu bleiben, und unser Angebot ist zu gut, um es abzulehnen. Myrcella ist nur ein kleiner Teil davon. Ich habe ihm zusätzlich den Mörder seiner Schwester, einen Sitz im Rat und ein paar Burgen in den Marschen versprochen… «

«Zuviel. «Cersei schritt ruhelos wie eine Löwin auf und ab, ihre Röcke wirbelten.»Du hast ihm viel zuviel angeboten, noch dazu ohne meine Erlaubnis.«

«Wir sprechen über den Prinzen von Dorne. Hätte ich ihm weniger geboten, würde er mir vermutlich ins Gesicht spucken.«

«Zuviel!«wiederholte Cersei und fuhr zu ihm herum.

«Was hättest du ihm denn angetragen, das Loch zwischen deinen Beinen?«fragte Tyrion, den nun langsam ebenfalls die Wut packte.

Diesmal sah er die Ohrfeige kommen. Der Schlag riß ihm den Kopf herum.»Liebe, süße Schwester«, sagte er,»eins will ich dir versprechen: gerade hast du mich zum letzten Mal geschlagen.«

Sie lachte.»Droh mir nicht, kleiner Mann. Glaubst du, Vaters Briefe beschützen dich? Sie sind nur Papier. Eddard Stark hatte ebenfalls ein Stück Papier, und was hat es ihm genutzt?«

Eddard Stark hatte die Stadtwache nicht, dachte Tyrion, nicht meine Männer aus den Mondbergen, und auch nicht die Söldner, die Bronn angeheuert hat. Jedenfalls hoffte er das. Er vertraute auf Varys, auf Ser Jacelyn Bywater, auf Bronn. Wahrscheinlich hatte sich Lord Stark ähnlichen Illusionen hingegeben.

Dennoch erwiderte er nichts. Ein weiser Mann gießt kein Seefeuer in ein Kohlebecken. Statt dessen schenkte er sich einen neuen Becher Wein ein.»Wie sicher, meinst du, wird Myrcella hier sein, falls King's Landing tatsächlich fallen sollte? Renly und Stannis werden ihren Kopf neben deinem

aufspießen. «Und Cersei begann zu weinen.

Wäre Aegon der Eroberer persönlich auf einem Drachen in den Raum geplatzt und hätte mit Zitronenküchlein jongliert, hätte Tyrion Lannister nicht erstaunter sein können. Seit ihrer gemeinsamen Kindheit auf Casterly Rock hatte er seine Schwester nicht mehr weinen sehen. Unbeholfen trat er einen Schritt auf sie zu. Wenn deine Schwester weint, solltest du sie trösten… aber dies hier war Cersei! Versuchsweise streckte er die Hand nach ihrer Schulter aus.

«Rühr mich nicht an!«fauchte sie und entzog sich ihm. Es hätte nicht weh tun sollen, dennoch schmerzte diese Geste mehr als jede Ohrfeige. Rot vor Wut und Kummer rang sie um Atem.»Schau mich nicht an… nicht so… nicht du.«

Höflich kehrte ihr Tyrion den Rücken zu.»Ich wollte dich nicht erschrecken. Myrcella wird nichts zustoßen, das verspreche ich dir.«

«Lügner«, sagte sie hinter ihm.»Ich bin kein Kind, das man mit leeren Versprechungen trösten kann. Du hast mir auch versichert, du würdest Jaime befreien. Nun, wo ist er?«

«In Riverrun, würde ich meinen. Gut bewacht, bis ich eine Möglichkeit finde, ihn dort herauszuholen.«

Cersei schnaubte.»Wäre ich bloß als Mann geboren worden! Dann brauchte ich keinen von euch. Nichts von alldem wäre geschehen. Wie konnte sich Jaime nur von diesem Knaben gefangennehmen lassen? Und Vater; ich Närrin habe mein Vertrauen in ihn gesetzt, und wo ist er jetzt, da ich ihn brauche? Was tut er?«»Er führt Krieg.«

«Hinter den Mauern von Harrenhal?«erwiderte sie höhnisch.»Eine eigenartige Art zu kämpfen. Es sieht mir verdächtig nach Verstecken aus.«

«Sieh lieber noch einmal genau hin.«

«Wie würdest du es denn nennen? Vater sitzt in der einen

Burg, Robb Stark in der anderen, und niemand handelt.«

«Es gibt solche und solche Arten von Sitzen«, erklärte ihr Tyrion.»Jeder wartet auf den Zug des Gegners, doch der Löwe wartet still, zum Sprung bereit und mit zuckendem Schwanz, während das Kitz vor Angst erstarrt ist und mit weichen Knien dasteht. Der Löwe wird das Kitz reißen, wohin es auch zu fliehen versucht, und das weiß er auch.«

«Bist du sicher, daß Vater der Löwe ist?«Tyrion grinste.»Das Tier findet sich jedenfalls auf unseren Bannern.«

Sie ging über den Scherz hinweg.»Wenn Vater der Gefangene wäre, würde Jaime nicht untätig herumsitzen, das verspreche ich dir.«

Jaime würde sein Heer vor den Mauern von Riverrun zu blutigen Fetzen aufreiben, und die Anderen sollen die Vernunft holen. Niemals hat er auch nur einen Hauch Geduld gezeigt, nicht mehr als du, süße Schwester.»Wir können nicht alle so verwegen sein wie Jaime, und außerdem gibt es mehrere Möglichkeiten, einen Krieg zu gewinnen. Harrenhal ist stark und liegt günstig.«

«Und King's Landing nicht, das weißt du, und das weiß ich auch. Während Vater mit dem Starkknaben Löwe und Kitz spielt, marschiert Renly die Roseroad hinauf. Er kann jeden Tag vor unseren Toren eintreffen!«

«Die Stadt wird nicht in einem Tage eingenommen. Von Harrenhal ist es nur ein kurzer, rascher Marsch über die Kingsroad hierher. Renly wird seine Belagerungsmaschinen noch gar nicht aufgebaut haben, wenn Vater ihm in den Rücken fällt. Vaters Heer wird der Hammer sein, und die Stadtmauer der Amboß. Was für ein hübsches Bild.«

Cersei durchbohrte ihn mit ihren grünen Augen und hungerte doch nach den Versicherungen, die er ihr hinwarf.»Und was geschieht, wenn Robb Stark sich in Bewegung setzt?«

«Harrenhal liegt nahe genug an den Furten des Tridents, und deshalb kann Roose Bolton den nördlichen Teil des Heeres nicht herüberbringen und sich mit dem Jungen Wolf vereinen. Stark kann nicht nach King's Landing marschieren, ehe er Harrenhal eingenommen hat, und selbst mit Bolton zusammen fehlt ihm dazu die Stärke. «Tyrion setzte sein gewinnendstes Lächeln auf.»Inzwischen mästet sich Vater an den Flußlanden, während unser Onkel Stafford auf dem Rock frische Rekruten aushebt.«

Seine Schwester starrte ihn mißtrauisch an.»Woher weißt du das alles? Hat dir Vater seine Absichten verraten, bevor er dich hergeschickt hat?«

«Nein. Ich habe auf eine Karte geschaut.«

Ihre Miene wurde verächtlich.»Demnach entstammt jedes Wort, das du gerade gesagt hast, allein deinem grotesken Kopf, Gnom?«

Tyrion schnalzte kurz mit der Zunge.»Süße Schwester, ich frage dich, wenn wir nicht dem Sieg nahe wären, hätten die Starks uns dann Frieden angeboten?«Er zog den Brief hervor, den Ser Cleos Frey gebracht hatte.»Der Junge Wolf schickt uns seine Bedingungen. Nicht annehmbar, gewiß, und doch ein Anfang. Möchtest du sie dir ansehen?«

«Ja.«Überraschend schnell verwandelte sie sich wieder in die Königin.»Wie bist du an diesen Brief gekommen? Er hätte mir übergeben werden sollen.«

«Wozu ist eine Hand da, wenn nicht dazu, Dinge auszuhändigen?«Tyrion reichte ihr den Brief. Seine Wange brannte noch immer von Cerseis Ohrfeige. Mag sie mir die Haut vom halben Gesicht reißen, es wäre ein geringer Preis für ihre Zustimmung zu der dornischen Heirat. Jetzt würde er sie bekommen, das spürte er.

Und dazu sichere Erkenntnisse über einen gewissen Spitzel… nun, das war die Rosine, die er sich aus dem Kuchen picken würde.

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