Theon

Unleugbar handelte es sich um eine Schönheit. Aber dein erstes Schiff ist immer eine Schönheit, dachte Theon Greyjoy.

«Nun, das ist mal ein hübsches Grinsen«, sagte eine Frauenstimme hinter ihm.»Dem Lord gefällt, was er sieht, nicht wahr?«

Theon drehte sich um und schenkte der Frau ein beifälliges Lächeln. Ihm gefiel tatsächlich, was er sah. Auf den Iron Islands geboren, das erkannte er auf den ersten Blick; schlank und langbeinig, kurzgeschnittenes schwarzes Haar, wettergegerbte Haut, kräftige, geschickte Hände, ein Dolch an ihrem Gürtel. Ihre Nase war zu groß und zu scharf für das schmale Gesicht, aber ihr Lächeln wog das auf. Sie mochte einige Jahre älter sein als er, jedoch höchstens fünfundzwanzig. Und ihren Bewegungen zufolge war sie es gewöhnt, ein Deck unter den Füßen zu haben.

«Ja, ein lieblicher Anblick«, sagte er,»wenn auch nicht halb so lieblich wie Ihr.«

«Oho. «Sie grinste.»Ich sollte mich hüten. Des Lords Zunge trieft von Honig.«

«Probiert sie und findet es selbst heraus.«

«Demnach trügt mich mein Verdacht nicht?«erwiderte sie und betrachtete ihn kühn. Auf den Iron Islands gab es Frauen — nicht viele, aber immerhin einige — , die zusammen mit ihren Männern auf Langschiffen anheuerten, und es hieß, Salz und Meer veränderten sie und weckten einen mannhaften Appetit in ihnen.»Wart Ihr solange auf See, Lord? Oder gab es dort, wo Ihr herkommt, keine Frauen?«

«Frauen genug, doch keine glich Euch.«

«Und woher wollt Ihr das wissen?«

«Meine Augen können Euer Gesicht sehen. Meine Ohren hören Euer Lachen. Und mein Gemächt ist so hart wie ein Mast.«

Die Frau trat vor und legte eine Hand in seinen Schritt.»Nun, ein Lügner seid Ihr nicht«, sagte sie und drückte zu.»Tut es sehr weh?«

«Fürchterlich.«

«Armer Lord. «Sie ließ ihn los und trat zurück.»Leider bin ich eine verheiratete Frau, und zudem jüngst schwanger geworden.«

«Die Götter sind gütig«, sagte Theon.»Auf diese Weise kann ich Euch keinen Bastard anhängen.«

«So oder so, mein Gemahl würde es Euch nicht danken.«

«Nein, aber Ihr vielleicht.«

«Und aus welchem Grund sollte ich das tun? Lords hatte ich schon zuvor. Sie sind aus dem gleichen Holz geschnitzt wie andere Männer auch.«

«Hattet Ihr schon einmal einen Prinzen?«fragte er.»Wenn Ihr runzlig und ergraut seid und Eure Brüste Euch bis zum Bauch hängen, könnt Ihr den Kindern Eurer Kinder erzählen, daß Ihr einst einen König liebtet.«

«Oh, jetzt reden wir schon von Liebe? Und ich dachte, nur von Gemächt und Scham.«

«Steht Euch der Sinn nach Liebe?«Er entschied, daß ihm dieses Mädchen gefiel, wer auch immer sie sein mochte; ihr scharfer Witz war eine willkommene Abwechslung zu der feuchten Düsternis von Pyke.»Soll ich mein Langschiff nach Euch benennen, und die Harfe für Euch spielen, und Euch im Turmzimmer meiner Burg einsperren, wo Ihr nur Juwelen tragen dürft, ganz wie jene Prinzessin aus den Liedern?«

«Ihr solltet das Schiff tatsächlich nach mir nennen«, gab sie zurück und ging auf den Rest nicht ein.»Schließlich habe ich

es gebaut.«

«Sigrin hat es gebaut. Der Schiffsbauer meines Vaters.«

«Ich bin Esgred. Ambrodes Tochter, Sigrins Frau.«

Er hatte nicht gewußt, daß Ambrode eine Tochter hatte oder Sigrin ein Weib… aber dem jüngeren Schiffbauer war er nur einmal begegnet, während er sich an den älteren kaum noch erinnerte.»Wenn Ihr bei Sigrin lebt, ist das eine Verschwendung.«

«Oho. Sigrin sagt, dieses schöne Schiff an Euch zu geben, sei Verschwendung.«

Theon fuhr auf.»Wißt Ihr, wer ich bin?«»Prinz Theon aus dem Hause Greyjoy. Wer sonst? Sagt mir die Wahrheit, Mylord, wie groß ist Eure Liebe für Eure neue Braut? Sigrin möchte es wissen.«

Das neue Langschiff roch nach Pech und Harz. Sein Onkel Aeron würde es morgen segnen, aber Theon war von Pyke herübergeritten, um es sich vor dem Stapellauf anzuschauen. Es war nicht so groß wie Lord Balons Krake oder die Eiserner Sieg seines Onkel Victarion, immerhin sah es schlank und schnell aus, wenn es auch noch auf dem Strand lag; der schwarze Rumpf war gute dreißig Meter lang, ein einzelner Mast reckte sich in die Höhe, fünfzig Ruder fanden unter Deck und hundert Mann auf Deck Platz… und vorn am Bug eine große Eisenramme in Form einer Pfeilspitze.»Sigrin hat mir gute Dienste geleistet«, gab er zu.»Ist es so schnell, wie es aussieht?«

«Schneller — wenn der Kapitän sein Handwerk versteht.«»Ich bin schon seit einigen Jahren nicht mehr auf einem solchen Schiff gesegelt. «Und noch nie zuvor habe ich eines befehligt, um bei der Wahrheit zu bleiben.»Trotzdem, ich bin ein Greyjoy und ein Eisenmann. Das Meer liegt mir im Blut.«

«Und Euer Blut wird ins Meer fließen, wenn Ihr so segelt, wie Ihr redet«, sagte sie.

«Eine so holde Jungfrau würde ich niemals falsch behandeln.«»Holde Jungfrau?«Sie lachte.»Eher ist sie eine Seehure.«»Da, nun habt Ihr den Namen gefunden. Seehure. «Das belustigte sie; ihre dunklen Augen funkelten.»Und Ihr wolltet sie nach mir benennen«, erwiderte sie und legte Gekränktheit in ihre Stimme.

«Das habe ich auch getan. «Er ergriff ihre Hand.»Helft mir, Mylady. In den grünen Landen glaubt man, eine Frau, die ein Kind trägt, bringe jedem Mann Glück, der mit ihr ein Bett besteigt.«

«Und was wissen sie dort über Schiffe? Oder über Frauen, was das betrifft? Außerdem habt Ihr Euch das ausgedacht.«

«Wenn ich es Euch gestehe, werdet Ihr mich dann noch lieben?«»Noch? Wann habe ich Euch je geliebt?«»Niemals«, gab er zu,»aber ich gebe mir alle Mühe, diesen Mangel zu beheben, meine holde Esgred. Der Wind ist kalt. Kommt an Bord meines Schiffes und laßt Euch von mir wärmen. Morgen wird mein Onkel Aeron den Bug mit Meerwasser bespritzen und dem Ertrunkenen Gott ein Gebet schicken, doch lieber würde ich sie mit der Milch meiner und Eurer Lenden segnen.«»Dem Ertrunkenen Gott könnte das mißfallen.«»Soll der Ertrunkene Gott sich doch selbst… Ach, wenn er uns Schwierigkeiten macht, werde ich ihn einfach noch einmal ersäufen. In vierzehn Tagen ziehen wir in den Krieg. Wollt Ihr mich in die Schlacht schicken, nachdem ich vor Sehnsucht kein Auge zutun konnte?«

«Mit Freuden.«

«Welch grausame Maid. Mein Schiff trägt den richtigen Namen. Falls ich es in meiner Verzweiflung auf die Klippen steuere, müßt Ihr Euch die Schuld geben.«

«Wollt Ihr damit steuern?«Esgred strich abermals über das Vorderteil seiner Hose und lächelte, während ihr Finger die eisenharten Umrisse seiner Männlichkeit nachzeichneten.

«Kommt mit mir nach Pyke«, schlug er plötzlich vor und dachte: Was wird Lord Balon sagen? Ach, wen kümmert das? Ich bin ein erwachsener Mann, und wenn ich mit einem Mädchen das Bett teilen möchte, geht es niemanden etwas an.

«Und was soll ich in Pyke tun?«Ihre Hand verharrte, wo sie war.»Mein Vater speist heute abend mit seinen Kapitänen. «Das tat er jeden Abend, solange sie auf die Nachzügler warteten, doch wozu sollte Theon ihr das erklären.

«Würdet Ihr mich für heute nacht zu Eurem Kapitän ernennen, Mylord Prinz?«Ein derart verderbtes Grinsen hatte er noch bei keiner Frau gesehen.

«Das könnte sein. Wenn Ihr wüßtet, wie Ihr mich sicher in den Hafen steuert?«

«Nun, ich weiß, welches Ende eines Ruders man in die See taucht, und niemand kennt sich besser mit Tauen und Knoten aus. «Mit einer Hand öffnete sie die Schnüre seiner Hose, grinste und wich ein wenig zurück.»Zu schade, daß ich eine verheiratete Frau bin und ein Kind trage.«

Errötend knüpfte Theon seine Hose wieder zu.»Ich muß zur Burg zurückkehren. Wenn Ihr mich nicht begleiten könnt, verirre ich mich unterwegs noch vor Kummer, und die Insel würde einen großen Verlust erleiden.«

«So etwas darf man nicht zulassen… leider habe ich kein Pferd, Mylord.«

«Ihr könntet Euch des Tiers meines Knappen bedienen.«

«Damit Euer Knappe den weiten Weg nach Pyke zu Fuß gehen muß?«

«Dann teilt Euch den Sattel mit mir.«

«Das würde Euch gewiß gefallen. «Wieder dieses Lächeln.»Nun, würde ich vor Euch oder hinter Euch sitzen?«

«Sitzt, wo immer Ihr mögt.«

«Am liebsten oben.«

Wo war dieses Mädchen bloß mein Leben lang?» Die Halle meines Vaters ist düster und feucht; Esgred würde die Feuer aufflammen lassen.«

«Des Lords Zunge trieft wahrlich von Honig.«

«Haben wir nicht an dieser Stelle begonnen?«

Sie warf die Hände in die Höhe.»Und hier werden wir auch enden. Esgred gehört Euch, süßer Prinz. Bringt mich zu Eurer Burg. Zeigt mir Eure stolzen Türme, die sich aus dem Meer erheben.«

«Ich habe mein Pferd beim Gasthaus abgestellt. Kommt. «Seite an Seite gingen sie den Strand entlang, und als Theon den Arm um sie legte, entzog sie sich ihm nicht. Ihm gefiel die Art, wie sie ging; in ihren Schritten lag Verwegenheit, halb schlenderte sie, halb wiegte sie sich, und genauso verwegen würde sie sich auch unter der Bettdecke erweisen.

Lordsport war so dicht bevölkert, wie er den Ort noch nie erlebt hatte. Dort trieben sich Mannschaften der Langschiffe herum, die auf dem Kiesstrand oder draußen im Wasser vor der Brandung lagen. Eisenmänner beugten das Knie oft #(nicht?)noch gern, aber Theon fiel auf, daß die Ruderer und Stadtbewohner verstummten, wenn sie vorbeigingen, und respektvoll den Kopf vor ihm neigten. Endlich wissen sie, wer ich bin, dachte er. Das wurde auch höchste Zeit.

Lord Goodbrother von Great Wyk war in der vergangenen Nacht mit seiner Hauptstreitmacht, fast vierzig Langschiffen, eingetroffen. Seine Männer, die man leicht an den gestreiften Ziegenhaarschärpen erkennen konnte, waren überall. Über das Gasthaus sagte man, daß Otter Gimpknees Huren von bartlosen Knaben mit Schärpen krummbeinig gestoßen wurden. Soweit es Theon betraf, konnten die Jungen sie ruhig haben. Eine üblere Höhle voller Schlampen hatte er nie zuvor gesehen. Seine gegenwärtige Gefährtin war mehr nach seinem Geschmack. Daß sie mit dem Schiffsbauer seines Vaters verheiratet und gerade erst geschwängert worden war, verlieh ihr nur zusätzlichen Reiz.

«Haben Mylord bereits begonnen, eine Mannschaft zusammenzustellen?«fragte Esgred auf dem Weg zum Stall.»Ho, Blauzahn«, rief sie einem der vorbeigehenden Seefahrer zu, einem großen Mann in Bärenfelljacke und Helm mit Rabenschwingen.»Wie geht es Eurer Braut?«

«Wird dick vom Kind und redet von Zwillingen.«

«Jetzt schon?«Esgred setzte dieses verderbte Lächeln auf.»Ihr habt Euer Ruder rasch ins Wasser getaucht.«

«Aye, und gerudert, gerudert, gerudert«, brüllte der Mann.

«Ein großer Kerl«, bemerkte Theon.»Blauzahn, nanntet Ihr ihn? Sollte ich ihn vielleicht mit auf die Seehure nehmen?«

«Nur, wenn Ihr ihn beleidigen wollt. Blauzahn hat ein eigenes Schiff.«

«Ich war zu lange fort, um alle Männer zu kennen«, entschuldigte Theon sich. Er hatte nach einigen der Freunde gesucht, mit denen er als Kind gespielt hatte, doch entweder waren sie unauffindbar, tot oder zu Fremden geworden.»Mein Onkel Victarion leiht mir seinen Steuermann.«

«Rymolf Sturmtrinker? Ein guter Mann, wenn er nüchtern ist. «Sie sah weitere bekannte Gesichter und rief drei Männern zu:»Uller, Qarl. Wo ist Euer Bruder, Skyte?«

«Der Ertrunkene Gott braucht wohl einen kräftigen Ruderer, fürchte ich«, erwiderte der stämmige Kerl mit den weißen Streifen im Bart.

«Er meint, Eldiss hat zuviel getrunken und sein fetter Bauch ist geplatzt«, sagte der rotwangige Junge neben ihm.»Was tot ist, kann niemals sterben«, sagte Esgred.»Was tot ist, kann niemals sterben. «Theon murmelte die Worte mit ihnen.»Ihr scheint recht bekannt zu sein«, bemerkte er, nachdem die Männer vorbeigegangen war ren.

«Jeder Mann mag die Frau des Schiffsbauers. Das sollte er auch, wenn er nicht will, daß sein Schiff sinkt. Wenn Ihr Männer für Eure Ruderbänke braucht, könntet Ihr Euch schlechtere aussuchen als diese drei.«

«In Lordsport mangelt es nicht an kräftigen Armen. «Theon hatte sich über diese Frage noch nicht viele Gedanken gemacht. Er wollte Krieger und Männer, die ihm treu ergeben waren, und nicht seinem Vater oder seinen Onkeln. Im Augenblick spielte er die Rolle eines pflichtbewußten Prinzen, zumindest so lange, bis Lord Balon ihm alle seine Pläne offenbarte. Sollte sich dann jedoch herausstellen, daß ihm diese nicht gefielen, nun…

«Kraft allein genügt nicht. Die Ruder eines Langschiffs müssen sich wie eins bewegen, wenn es seine größte Geschwindigkeit erreichen soll. Wählt Leute aus, die schon früher zusammen gerudert haben. Das wäre weise.«

«Danke für den Rat. Vielleicht könntet Ihr mir helfen, die richtigen zu finden.« Mag sie ruhig glauben, mir wäre an ihrer Meinung gelegen, Frauen schmeichelt das.

«Gewiß. Wenn Ihr mich gut behandelt.«

«Wie denn sonst?«

Theon beschleunigte seine Schritte, als sie sich der Myraham näherten, die am Kai im Wasser schaukelte. Der Kapitän hatte schon vor zwei Wochen versucht, in See zu stechen, doch Lord Balon gestattete es ihm nicht. Keinem der Kaufleute war erlaubt worden, Lordsport zu verlassen; sein Vater hatte nicht gewollt, daß Nachrichten über die versammelte Flotte das Festland erreichten, bevor man zum Überfall bereit war.

«Mylord«, rief eine flehende Stimme vom Bug des Handelsschiffs. Die Tochter des Kapitäns beugte sich über die Reling und schaute ihm nach. Ihr Vater hatte ihr verboten, an Land zu gehen, aber wann immer Theon nach Landsport kam, sah er sie einsam auf dem Deck umherwandern.»Mylord,

einen Augenblick, wenn es Mylord gefällt… «

«War sie…«, fragte Esgred, derweil Theon an der Kogge vorbeieilte,»… Mylord zu Gefallen?«

Er sah keinen Sinn darin, sich vor ihr zu zieren.»Eine Zeitlang. Jetzt möchte sie mein Salzweib werden.«

«Oho. Nun, ein wenig Salz könnte ihr nicht schaden. Sie ist zu weich und mild. Oder täusche ich mich?«

«Nein. «Weich und mild. Genau. Woher wußte sie das? Er hatte Wex aufgetragen, im Gasthaus zu warten. Der Schankraum war so überfüllt, daß Theon sich durch die Tür hineindrängeln mußte. An Bänken und Tischen war kein einziger Platz mehr frei. Seinen Knappen sah er auch nicht.»Wex!«rief er über den Lärm hinweg. Wenn er sich mit einer dieser verseuchten Huren eingelassen hat, ziehe ich ihm das Fell über die Ohren, dachte er, bevor er den Jungen entdeckte. Er würfelte am Kamin und gewann offensichtlich sogar, wenn man den Stapel der Münzen vor ihm betrachtete.

«Zeit zu gehen«, rief Theon ihm zu. Da der Junge nicht auf ihn achtete, packte Theon ihn am Ohr und zog ihn vom Spiel fort. Wex schnappte sich eine Handvoll Kupferstücke und folgte ihm ohne ein Wort des Widerspruchs. Diese Eigenschaft mochte Theon am liebsten an ihm. Die meisten Knappen hatten lose Maulwerke, Wex hingegen war stumm geboren worden… was ihn nicht daran hinderte, genauso schlau zu sein wie jeder andere Zwölfjährige. Er war der uneheliche Sohn eines der Halbbrüder von Lord Botley. Ihn als Knappen in seinen Dienst zu nehmen, war Teil des Preises, den Theon für sein Pferd bezahlt hatte.

Wex erblickte Esgred und machte große Augen. Man möchte meinen, er habe noch nie eine Frau gesehen.»Esgred reitet mit uns nach Pyke. Sattle die Pferde, und beeil dich.«

Der Junge war auf einem Pony aus Lord Balons Stall hergeritten, aber Theons Reittier war von einer ganz anderen

Sorte.»Wo habt Ihr denn dieses Höllenpferd gefunden?«fragte Esgred, als sie es sah, doch an der Art, wie sie lachte, erkannte Theon, daß sie beeindruckt war.

«Lord Botley hatte es letztes Jahr in Lannisport gekauft, aber ihm war es offensichtlich zu temperamentvoll, und deshalb hat er es mir mit Vergnügen verkauft. «Die Iron Islands waren zu felsig und karg bewachsen, um gute Pferde zu züchten. Die meisten Inselbewohner waren allenfalls mäßige Reiter und fühlten sich an Deck eines Langschiffs wesentlich wohler als im Sattel. Selbst die Lords ritten nur kleine Pferde, und Ochsenkarren waren verbreiteter als Kutschen. Das gemeine Volk war für das eine wie das andere zu arm und mußte den Pflug selbst durch den dünnen, steinigen Boden ziehen.

Aber Theon hatte zehn Jahre in Winterfell verbracht, und er beabsichtigte nicht, ohne ein gutes Reittier in den Krieg zu ziehen. Lord Botleys falsche Einschätzung des Pferdes war sein Glück: das Temperament des Hengstes war ebenso schwarz wie sein Fell, er war größer als ein Jagdpferd und doch nicht ganz so riesig wie die meisten Streitrösser. Da Theon kleiner war als die meisten Ritter, kam ihm das nur gelegen. In den Augen des Tieres loderte Feuer.

Als es seinen neuen Besitzer kennengelernt hatte, hatte es die Lippen zurückgezogen und wollte Theon beißen.

«Hat er einen Namen?«fragte Esgred, während Theon aufstieg.

«Smiler. «Lächler. Er reichte ihr die Hand und zog sie vor sich hinauf, damit er sie beim Reiten mit den Armen festhalten konnte.»Ich kannte mal einen Mann, der mir sagte, ich würde über die falschen Dinge lächeln.«

«Hatte er recht?«

«Nur aus der Sicht derjenigen, die über gar nichts lächeln. «Er dachte an seinen Vater und seinen Onkel Aeron.

«Lächelt Ihr jetzt, mein Prinz?«»Oh ja. «Theon langte um sie herum und ergriff die Zügel. Im Sitzen war sie fast so groß wie er. Ihr Haar hätte eine Wäsche vertragen können, und auf dem hübschen Hals zeichnete sich rosa eine verblaßte Narbe ab, doch ihr Duft gefiel ihm: Salz und Schweiß und Frau.

Der Ritt zurück nach Pyke versprach wesentlich interessanter zu werden als der Hinritt.

Nachdem sie Lordsport hinter sich gelassen hatten, legte Theon eine Hand auf ihre Brust. Esgred packte sie und zog sie weg.»Ich würde die Hände nicht von den Zügeln nehmen, sonst wirft uns Eure schwarze Bestie noch ab und zertrampelt uns.«

«Das habe ich ihm abgewöhnt. «Belustigt benahm sich Theon eine Weile lang anständig, plauderte über das Wetter (grau und wolkenverhangen, seit er eingetroffen war, mit gelegentlichem Regen) und erzählte ihr über die Männer, die er im Flüsterwald getötet hatte. An der Stelle angelangt, wo er beinahe sogar gegen den Königsmörder gekämpft hatte, legte er seine Hand wieder auf ihren Busen. Ihre Brüste waren klein, aber ihm gefiel ihre Festigkeit.

«Das solltet Ihr lieber nicht tun, Mylord Prinz.«

«Oh, aber ich tue es. «Theon drückte leicht zu.

«Euer Knappe beobachtet Euch.«

«Mag er. Er wird kein Wort darüber verlauten lassen, das schwöre ich.«

Esgred zog seine Finger von ihrer Brust, diesmal mit Nachdruck.

Sie hatte kräftige Hände.

«Mir gefallen Frauen mit hartem Griff.«

Sie schnaubte.»Das hätte ich kaum gedacht, angesichts dieses Mädchens am Hafen.«

«Ihr dürft mich nicht nach ihr beurteilen. Sie war die einzige

Frau auf dem Schiff.«

«Erzählt mir von Eurem Vater. Wird er mich freundlich auf seiner Burg willkommen heißen?«

«Warum sollte er? Er hatte selbst mich kaum willkommen geheißen, den Erben von Pyke und den Iron Islands.«

«Seid Ihr das?«fragte sie milde.»Es heißt, Ihr habt Onkel, Brüder und eine Schwester.«

«Meine Brüder sind schon lange tot, und meine Schwester… nun, man sagt, ihr Lieblingskleid sei ein Kettenhemd, das ihr bis über die Knie hängt, und darunter trägt sie gehärtetes Leder. Trotzdem macht sie das Gewand eines Mannes noch lange nicht zum Mann. Ich werde sie verheiraten, um ein Bündnis zu besiegeln, nachdem wir den Krieg gewonnen haben, falls ich einen Mann für sie finde. In meiner Erinnerung hat sie eine Nase wie ein Aasgeier, fürchterlich viele Pickel und eine Brust wie ein Knabe.«

«Eure Schwester könnt Ihr verheiraten«, wandte Esgred ein,»aber nicht Eure Onkel.«

«Meine Onkel…«Theons Anspruch hatte Vorrang vor dem der drei Brüder seines Vaters, aber die Frau hatte den Finger nichtsdestotrotz auf einen wunden Punkt gelegt. Auf den Inseln hatte man durchaus schon erlebt, daß ein starker, ehrgeiziger Onkel seinen Neffen um sein Recht brachte und ihn dabei für gewöhnlich ermordete. Aber ich bin nicht schwach. Und ich beabsichtige, noch stärker zu sein, wenn mein Vater stirbt.»Meine Onkel stellen für mich keine Bedrohung dar«, verkündete er.»Aeron ist trunken von Heiligkeit und Meerwasser. Er lebt nur für seinen Gott — «

«Seinen Gott? Nicht den Euren?«

«Natürlich ist es auch meiner. Was tot ist, kann niemals sterben.«

Er lächelte dünn.»Solange ich mich fromm genug zeige, wird Feuchthaar mir keine Schwierigkeiten machen. Und mein Onkel Victarion — «

«Lord Kapitän der Eisernen Flotte ist er, und ein furchterregender Krieger. Ich habe gehört, wie sie ihn in den Bierschenken preisen.«

«Während der Rebellion meines Vaters ist er nach Lannisport gesegelt, wo er zusammen mit meinem Onkel Euron die Flotte der Lannisters niederbrannte«, erinnerte sich Theon.»Der Plan stammte allerdings von Euron. Victarion ist ein großer Ochse, kräftig und unermüdlich und pflichtbewußt, doch wird er vermutlich niemals ein Rennen gewinnen. Ohne Zweifel wird er mir genauso treu dienen wie zuvor meinem Hohen Vater. Ihm mangelt es sowohl an Verstand als auch an Ehrgeiz, um ein Komplott zu schmieden.«

«Euron Krähenauge fehlt es nicht an Verschlagenheit. Ich habe üble Dinge über ihn gehört.«

Theon rutschte im Sattel hin und her.»Meinen Onkel Euron hat man auf den Inseln seit fast zwei Jahren nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er längst tot. «Wenn das stimmte, wäre es das beste. Lord Balons ältester Bruder hatte die alten Sitten und Gebräuche niemals aufgegeben, nicht einmal für einen einzigen Tag. Seine Schweigen mit den schwarzen Segeln und dem dunkelroten Rumpf war in allen Häfen von Ibben bis Asshai berüchtigt.

«Möglicherweise ist er tot«, stimmte Esgred zu,»und wenn nicht, hat er soviel Zeit auf See verbracht, daß man ihn hier wie einen Fremden betrachten wird. Die Menschen von den Iron Islands würden keinen Fremden auf dem Meersteinstuhl sitzen lassen.«

«Das glaube ich auch nicht«, erwiderte Theon, ehe ihm einfiel, daß man ihn ebenfalls als Fremden bezeichnen könnte. Er runzelte die Stirn. Zehn Jahre sind eine lange Zeit, aber jetzt bin ich zurück, und mein Vater wird noch eine Weile leben. Mir

bleibt genug Zeit, mich zu beweisen.

Er überlegte, ob er nochmals Esgreds Brust streicheln sollte, doch vermutlich würde sie seine Hand erneut zur Seite schieben, und dieses Gerede über seine Onkel hatte ihm irgendwie die Lust verdorben. Außerdem würde sich ihm in der Abgeschiedenheit seiner Gemächer ausreichend Gelegenheit dazu bieten.»Ich werde mit Helya sprechen, sobald wir Pyke erreicht haben, und dafür sorgen, daß man Euch auf dem Fest einen ehrenvollen Platz zuweist«, sagte er.»Ich muß auf dem Podest sitzen, zur Rechten meines Vaters, doch nachdem er die Halle verlassen hat, werde ich mich zu Euch gesellen. Der alte Mann hält meist nicht lange aus. Sein Magen macht das Trinken nicht mehr mit.«

«Es ist schmerzlich, wenn ein großer Mann alt wird.«»Lord Balon ist nur der Vater eines großen Mannes.«»Welche Bescheidenheit Ihr an den Tag legt, Mylord.«»Nur ein Narr demütigt sich selbst, wo es in der Welt von jenen wimmelt, die das für ihn tun möchten. «Er küßte sie sanft in den Nacken.

«Was soll ich zu diesem großen Fest tragen?«Sie griff nach hinten und schob sein Gesicht weg.

«Ich werde Helya auftragen, Euch behilflich zu sein. Eines der Kleider meiner Hohen Mutter sollte genügen. Sie ist auf Harlaw, und niemand rechnet im Augenblick mit ihrer Rückkehr.«

«Die kalten Winde haben ihr zugesetzt, habe ich gehört. Werdet Ihr sie nicht besuchen? Harlaw erreicht man an einem Tag, und gewiß sehnt sich Lady Greyjoy danach, ihren Sohn ein letztes Mal zu sehen.«

«Ich wünschte, das wäre möglich. Doch leider habe ich hier zu viel zu tun. Im Frieden vielleicht…«

«Eure Gegenwart könnte ihr Frieden bringen.«»Jetzt hört Ihr Euch an wie eine Frau«, beschwerte sich Theon.»Ich gestehe es: Ich bin eine.. und ich trage seit kurzem ein Kind.«

Dieser Gedanke erregte ihn.»Das behauptet Ihr, aber Eurem Körper läßt es sich nicht anmerken. Wie wollt Ihr es beweisen? Bevor ich Euch glaube, muß ich sehen, wie Eure Brüste anschwellen, und von der Muttermilch kosten.«

«Was wird mein Gemahl dazu sagen? Eures Vater Vasall und treuer Diener.«

«Wir geben ihm so viele Schiffe zu bauen, daß er Eure Abwesenheit nicht einmal bemerken wird.«

Sie lachte.»Welch grausamer Lord hat mich da in seine Gewalt gebracht. Wenn ich Euch verspreche, Euch eines Tages beim Stillen zuschauen zu lassen, werdet Ihr mir dann mehr über Euren Krieg erzählen, Theon aus dem Haus Greyjoy? Noch liegen viele Meilen vor uns, und ich würde gern etwas über diesen Wolfskönig erfahren, dem Ihr gedient habt, und über die goldenen Löwen, die er bekämpft.«

Natürlich wollte Theon ihr zu Gefallen sein, und so kam er ihrem Wunsch nach. Der Rest des langen Ritts verflog im Nu, während er ihren hübschen Kopf mit Erzählungen über Winterfell und den Krieg füllte. Manches an seinem Bericht erstaunte ihn selbst. Man kann so wunderbar mit ihr sprechen, die Götter mögen sie segnen, dachte er. Ich fühle mich, als würde ich sie schon seit Jahren kennen. Falls dieses Mädchen beim Spiel zwischen den Kissen nur halb so begabt ist wie ihr Verstand, darf ich sie nicht mehr hergeben. Er dachte an Sigrin den Schiffsbauer, einen fetten, dummen Kerl mit flachsblondem Haar, und schüttelte den Kopf. Was für eine Verschwendung. Tragisch. Und schon hatten sie die große Außenmauer von Pyke erreicht. Das Tor stand offen. Theon gab Smiler die Sporen und ritt im raschen Trab hindurch. Die Hunde stimmten ein wildes Gebell an, als er Esgred aus dem Sattel half. Mehrere stürmten mit wedelndem Schwanz auf sie zu. Sie schossen an ihm vorbei und hätten seine Begleiterin fast umgeworfen, sprangen an ihr hoch und leckten ihr die Hände.»Weg!«brüllte Theon und trat vergeblich nach einer großen braunen Hündin, aber Esgred lachte nur und rang spielerisch mit den Tieren.

Ein Stallbursche rannte den Hunden hinterher.»Nimm das Pferd«, befahl Theon,»und schaff diese verfluchten Viecher fort — «Der Mann zollte ihm keinerlei Beachtung. Auf seinem Gesicht zeigte sich ein breites Lächeln.»Lady Asha. Ihr seid zurück.«

«Seit gestern abend«, antwortete sie.»Ich bin mit Lord Goodbrother von Great Wyk gekommen und habe die Nacht im Gasthaus verbracht. Mein kleiner Bruder war so freundlich, mich auf seinem Pferd von Lordsport mitzunehmen. «Sie küßte einen der Hunde auf die Nase und grinste Theon an.

Der stand mit offenem Mund da und starrte sie an. Asha. Nein. Das kann nicht Asha sein. Plötzlich wurde ihm bewußt, daß es in seinem Kopf zwei Ashas gab. Die eine war das kleine Mädchen, das er in seiner Kindheit gekannt hatte. Von der anderen hatte er nur eine vage Vorstellung, in der sie ihrer Mutter glich. Keine der beiden hatte jedoch Ähnlichkeit mit dieser… dieser…

«Die Pickel sind verschwunden, als ich Brüste bekam«, erklärte sie, während sie sich mit einem der Hunde balgte,»aber den Geierschnabel habe ich noch immer.«

Theon fand endlich seine Stimme wieder.»Warum hast du mir das nicht gesagt?«

Asha ließ den Hund los und richtete sich auf.»Ich wollte zuerst sehen, wer du bist. Und das habe ich gesehen. «Sie verneigte sich spöttisch vor ihm.»Und nun, kleiner Bruder, entschuldige mich bitte. Ich muß baden und mich für das Fest umkleiden. Ich frage mich, ob ich das Kettenhemd wohl noch habe, das ich immer über meiner Lederunterwäsche trage?«Sie grinste ihn boshaft an und überquerte die Brücke mit diesem Gang, der ihm so gut gefallen hatte, halb schlendernd, halb wiegend.

Als er sich umdrehte, feixte Wex ihn an. Er versetzte dem Jungen eine kräftige Maulschelle.»Das ist für deine Schadenfreude. «Und eine zweite, härtere Ohrfeige folgte.»Und das dafür, daß du mich nicht gewarnt hast. Nächstes Mal läßt du dir eine Zunge wachsen.«

Seine Gemächer im Gästeturm waren ihm nie zuvor so kalt vorgekommen, obwohl die Kohlenpfannen brannten. Theon schleuderte seine Stiefel durch den Raum, ließ den Mantel zu Boden fallen, schenkte sich einen Becher Wein ein und erinnerte sich an ein schlaksiges Mädchen mit krummen Beinen und Pickeln… Sie hat meine Hose aufgeschnürt, ging es ihm wütend durch den Sinn, und sie hat gesagt… oh, Götter, und ich habe gesagt… Er stöhnte. Einen größeren Narren hätte er kaum aus sich machen können.

Nein. Sie war es, die mich zum Narren gemacht hat. Diese gemeine Hure muß sich die ganze Zeit köstlich amüsiert haben. Und wie sie mir dauernd zwischen die Beine gegriffen hat…

Er nahm seinen Wein, setzte sich auf die Fensterbank und blickte hinaus aufs Meer, derweil draußen die Sonne unterging. Hier gibt es keinen Platz für mich, überlegte er sich, und Asha ist der Grund dafür, mögen die Anderen sie holen! Das Wasser unten wandelte sich von grün zu grau zu schwarz. Dann hörte er von ferne Musik, und er wußte, daß er sich jetzt für das Fest umziehen mußte.

Er wählte einfache Stiefel und ein noch einfacheres Gewand in düsteren Grau- und Schwarztönen, um seiner Stimmung Ausdruck zu verleihen. Kein Schmuck; schließlich hatte er nichts mit Eisen erkauft. Ich hätte diesem Wildling, den ich getötet habe, um Bran Stark zu retten, etwas abnehmen können, aber er hatte nichts Wertvolles bei sich. Das ist mein verfluchtes Schicksal, ich töte die Armen.

Die lange, rauchgefüllte Halle war von den Lords und Kapitänen seines Vaters bevölkert, als er eintrat; insgesamt hatten sich fast vierhundert versammelt. Dagmer Spaltkinn war noch nicht mit den Stonehouses und Drumms von Old Wyk zurückgekehrt, doch der Rest von ihnen war erschienen — Harlaws von Harlaw, Blacktydes von Blacktyde, Sparrs, Merlyns und Goodbrothers von Great Wyk, Saltcliffes und Sunderlys von Saltcliffe, und Botleys und Wynches von der anderen Seite Pykes. Die Hörigen schenkten Bier aus, und Fiedeln und Trommeln sorgten für Musik. Drei kräftige Männer führten den Fingertanz auf, wobei sie Äxte mit kurzem Griff nacheinander schleuderten. Der Trick bestand darin, die Axt zu fangen oder darüberzuspringen, ohne aus dem Takt zu kommen. Fingertanz hieß dieser Reigen, weil er gewöhnlich endete, wenn einer der Tänzer einen davon verlor… oder zwei oder fünf.

Weder die Tanzenden noch die Trinkenden schenkten Theon große Beachtung, als er sich zum Podest begab. Lord Balon saß auf dem Meersteinstuhl, der aus einem riesigen Block glatten schwarzen Felses gemeißelt war und die Form eines großen Kraken besaß. Der Legende zufolge hatten die Ersten Menschen ihn bei ihrer Ankunft auf den Iron Islands an der Küste von Old Wyk gefunden. Zur Linken seines Vaters hatten Theons Onkel Platz genommen. Asha hatte man zur Rechten seines Vaters gesetzt, auf den Ehrenplatz.»Du kommst spät, Theon«, bemerkte Lord Balon.

«Ich bitte um Verzeihung. «Theon setzte sich auf den Stuhl neben Asha. Er beugte sich zu ihr hinüber und zischte ihr ins Ohr:»Du sitzt auf meinem Platz.«

Sie wandte sich ihm mit unschuldigem Blick zu.»Bruder, du irrst dich. Dein Platz ist in Winterfell. «Ihr Lächeln traf ihn tief.»Und wo sind deine hübschen Kleider? Mir wurde gesagt, du trügest Samt und Seide. «Sie selbst hatte ein einfach geschnittenes Kleid aus weicher grüner Wolle angelegt, welches ihren schlanken Körper betonte.

«Dein Kettenhemd ist offenbar verrostet, Schwester«, entgegnete er.»Wie schade. Ich würde dich zu gern in Eisen sehen.«

Asha lachte lediglich.»Das wirst du vielleicht noch, kleiner Bruder… falls du der Meinung bist, deine Seehure könnte mit meiner Schwarzer Wind mithalten. «Einer der Hörigen seines Vaters trat mit einem Krug Wein hinzu.»Trinkst du heute abend Bier oder Wein?«Sie neigte sich zu ihm heran.»Oder möchtest du deinen Durst noch immer mit meiner Muttermilch löschen.«

Er errötete.»Wein«, sagte er zu dem Diener. Asha wandte sich ab, schlug auf den Tisch und verlangte lauthals ein Bier.

Theon schnitt einen Laib Brot in zwei Hälften, höhlte eine davon aus und rief einen Koch, der sie ihm mit Fischeintopf füllte. Der Geruch der dicken Suppe verursachte ihm Übelkeit, aber er zwang sich zum Essen. Dabei trank er genug Wein für zwei Mahlzeiten. Wenn ich mich übergebe, dann wenigstens auf sie.»Weiß Vater, daß du diesen Schiffsbauer geheiratet hast?«

«Weder er noch Sigrin selbst. «Sie zuckte mit den Schultern.

«Esgred war das erste Schiff, das er gebaut hat. Er hat es nach seiner Mutter benannt. Es ist schwer zu sagen, wen von beiden er mehr liebt.«

«Du hast mich also mit jedem Wort belogen?«

«Nicht mit jedem Wort. Erinnerst du dich, daß ich sagte, ich möchte am liebsten oben sitzen?«

Das fachte seinen Zorn nur noch weiter an.»Aber daß du verheiratet und schwanger bist, war nicht die Wahrheit…«

«Oh, das stimmt fast. «Asha sprang auf.»Rolfe, hier«, rief sie einem der Fingertänzer zu und hob die Hand. Er bemerkte sie, drehte sich, und plötzlich löste sich die Axt aus seiner Hand und wirbelte durch das Fackellicht. Theon blieb gerade noch Zeit, den Mund aufzusperren, als Asha die Axt aus der

Luft schnappte und sie in den Tisch krachen ließ, wobei sie seinen Teller spaltete und seinen Mantel mit Fischsuppe bespritzte.»Hier ist mein Hoher Gemahl. «Seine Schwester griff in ihr Kleid und zog einen Dolch zwischen ihren Brüsten hervor.»Und hier ist mein süßes kleines Kind.«

Er konnte sich nicht vorstellen, wie er in diesem Moment aussah, doch plötzlich hörte Theon Greyjoy das schallende Gelächter in der Großen Halle, das allein ihm galt. Sogar sein Vater grinste, mögen die Götter verdammt sein, und sein Onkel Victarion kicherte. Und er war nur zu einer einzigen Erwiderung imstande, zu einen unbehaglichen Lächeln. Wir werden ja sehen, wer am Ende lacht, Miststück.

Begleitet von Pfiffen und lautem Grölen zog Asha die Axt aus dem Tisch und warf sie den Tänzern zu.»Du solltest beherzigen, was ich dir über die Auswahl einer Mannschaft gesagt habe. «Ein Diener hielt ihnen eine Platte mit gesalzenem Fisch hin, und sie spießte ein Stück mit ihrem Dolch auf und aß es von der Klinge.»Hättest du dir die Mühe gemacht, etwas über Sigrin zu erfahren, hätte ich dich niemals auf den Arm nehmen können. Zehn Jahre lang warst du ein Wolf, dann landest du hier und hältst dich für den Prinzen der Inseln, dabei weißt du nichts über sie und kennst die Menschen hier nicht. Warum sollten Männer für dich in den Kampf ziehen und sterben?«

«Ich bin ihr rechtmäßiger Prinz«, sagte Theon steif.

«Den Gesetzen der grünen Lande nach vielleicht. Aber wir haben hier unser eigenes Recht, schon vergessen?«

Mit finsterer Miene richtete Theon seinen Blick auf den zerbrochenen Teller vor ihm. Bald würde ihm die Suppe auf den Schoß tropfen. Er rief einen Hörigen herbei, um den Tisch zu säubern. Mein halbes Leben habe ich meine Heimkehr ersehnt, und wofür? Spott und Mißachtung? Dieses Pyke war nicht mehr das, woran er sich erinnerte. Oder täuschte er sich?

Man hatte ihn in so jungem Alter als Geisel entführt.

Das Festmahl war eine dürftige Angelegenheit, neben der Fischsuppe und schwarzem Brot wurde fader Ziegenbraten gereicht. Am besten schmeckte Theon noch der Zwiebelkuchen. Bier und Wein flossen weiter, nachdem der letzte Gang längst wieder abgeräumt war.

Lord Balon erhob sich von dem Meersteinstuhl.»Trinkt aus und begleitet mich in mein Solar«, befahl er seinen Gefährten auf dem Podest.»Wir müssen über unsere Pläne beraten. «Ohne ein weiteres Wort ging er mit zwei seiner Wachen hinaus. Theon machte Anstalten, sich zu erheben und ihm zu folgen.

«Mein kleiner Bruder hat es aber eilig. «Asha hob ihr Trinkhorn und verlangte mehr Bier.

«Unser Hoher Vater wartet.«

«Das tut er schon seit vielen Jahren. Und ein paar Minuten länger werden ihn nicht schmerzen… wenn du jedoch seinen Zorn auf dich lenken willst, renn ihm hinterher. Du solltest ja keine Schwierigkeiten haben, unsere Onkel zu überholen. «Sie lächelte.»Der eine ist trunken von Meerwasser, der andere ein großer grauer Ochse mit so schwachem Verstand, daß er sich vermutlich verirren wird.«

Theon richtete sich verärgert auf.»Ich renne niemandem hinterher.«

«Männern nicht, aber wie steht es mit Frauen?«

«Ich habe dir nicht an den Schwanz gegriffen.«

«Ich habe auch keinen, oder? Dafür hast du mich ansonsten ausgiebig betätschelt.«

Erneut stieg ihm die Röte ins Gesicht.»Ich bin ein Mann mit dem Appetit eines Mannes. Was für ein widernatürliches Wesen bist du?«

«Nur eine schamhafte Jungfrau. «Asha griff hinüber und drückte sein Gemächt. Theon wäre beinahe aufgesprungen.»Was, willst du mich nicht in deinen Hafen steuern, Bruder?«

«Heiraten ist nichts für dich«, entschied Theon.»Sobald ich auf dem Thron sitze, werde ich dich zu den Schweigenden Schwestern schicken. «Er stand auf und trat unsicheren Fußes den Weg zu seinem Vater an.

Es regnete, als er die schwankende Brücke erreichte, die hinaus zum Seeturm führte. Sein Magen rumorte wie die Wellen unter ihm, und wegen des Weins war er wackelig auf den Beinen. Theon biß die Zähne zusammen, und während er die Brücke überquerte, packte er das Seil mit festem Griff und stellte sich vor, es sei Ashas Hals, den er umklammerte.

Im Solar war es so feucht und zugig wie immer. In seiner Robe aus Seehundfell saß sein Vater vor dem Kohlebecken. Seine Brüder hatten rechts und links von ihm Platz genommen. Victarion redete bei Theons Eintritt über Gezeiten und Winde, doch Lord Balon gebot ihm mit einem Wink Schweigen.»Ich habe meine Pläne bereits gemacht. Es ist an der Zeit, daß Ihr sie hört.«

«Ich habe einige Vorschläge — «warf Theon ein.

«Sollte ich deinen Rat brauchen, werde ich dich darum bitten«, erwiderte sein Vater.»Von Old Wyk ist ein Vogel eingetroffen. Dagmer kommt mit den Stonehouses und Drumms. Wenn der Gott uns gute Winde beschert, werden wir in See stechen, sobald sie hier sind… oder besser gesagt, du. Du sollst den ersten Schlag führen, Theon. Mit acht Langschiffen ziehst du nach Norden — «

«Acht?«Sein Gesicht wurde rot.»Was kann ich mit acht Schiffen schon ausrichten?«

«Du sollst das Stony Shore plündern, die Fischerdörfer überfallen und jedes Schiff versenken, auf das du stößt. Vielleicht kannst du damit ein paar Lords des Nordens aus ihren Mauern hervorlocken. Aeron wird dich begleiten, und

außerdem Dagmer Spaltkinn.«

«Möge der Ertrunkene Gott unsere Schwerter segnen«, sagte der Priester.

Theon fühlte sich, als habe man ihm eine Ohrfeige versetzt. Er wurde losgeschickt, um die Arbeit des Schnitters zu übernehmen, er sollte die Hütten der Fischer niederbrennen und ihre häßlichen Töchter vergewaltigen, und dennoch traute ihm Lord Balon nicht einmal dies zu. Schlimm genug, daß er Feuchthaars finstere Miene und seine Ermahnungen ertragen mußte. Wenn Dagmer Spaltkinn ebenfalls mit von der Partie war, würde er nur dem Namen nach der Befehlshaber sein.

«Asha, meine Tochter«, fuhr Balon fort, und Theon sah, als er sich umdrehte, daß seine Schwester in aller Stille eingetreten war,»du führst dreißig Langschiffe mit ausgewählten Männern nach Sea Dragon Point. Lande nördlich von Deepwood Motte. Schlagt rasch zu, und du hast die Burg eingenommen, bevor sie euch überhaupt bemerkt haben.«

Asha lächelte wie eine Katze, die in die Sahne gefallen ist.»Ich habe mir schon immer eine Burg gewünscht«, antwortete sie honigsüß.

«Dann nimm dir eine.«

Theon biß sich auf die Zunge. Deepwood Motte war die Feste der Glovers. Da Robett und Galbart im Süden Krieg führten, war sie vermutlich nur schwach bemannt, und wenn sie einmal gefallen war, hatten die Eisenmänner einen sicheren Brückenkopf im Herzen des Nordens. Ich sollte derjenige sein, der Deepwood erobert. Er kannte Deepwood Motte, weil er die Glovers zusammen mit Eddard Stark mehrmals besucht hatte.

«Victarion«, wandte sich Lord Balon nun an seinen Bruder,»an dir wird es sein, den Hauptstoß auszuführen. Nachdem meine Söhne zugeschlagen haben, muß Winterfell handeln. Du dürftest auf keinen großen Widerstand treffen, wenn du nach Saltspear segelst und von dort den Fever hinauffährst. Von der

Quelle aus werden es nur noch zwanzig Meilen bis Moat Cailin sein. Der Neck ist der Schlüssel zum Königreich. Wir beherrschen bereits das Meer im Westen. Wenn wir erst in Moat Cailin sitzen, wird der Welpe nicht in der Lage sein, den Norden zurückzuerobern… und falls er dumm genug ist, es trotzdem zu versuchen, werden seine Feinde ihm von hinten in den Rücken stoßen, und dieser Knabe Robb wird wie eine Ratte in der Falle sitzen.«

Theon konnte nicht länger schweigen.»Ein verwegener Plan, Vater, aber die Lords in ihren Burgen — «

Lord Balon schnitt ihm das Wort ab.»Die Lords sind alle im Süden bei dem Welpen. Jene, die zurückgeblieben sind, sind Feiglinge, alte Männer und unerfahrene Jungen. Entweder ergeben sie sich oder fallen einer nach dem anderen. Winterfell mag uns ein Jahr lang widerstehen, gut, und wenn schon? Der Rest wird uns in die Hände fallen, die Wälder, die Felder, die Hallen, und wir werden das Volk zu unseren Hörigen und die Frauen zu unseren Salzweibern machen.«

Aeron Feuchthaar hob die Arme.»Und die Fluten des Zorns werden steigen, und der Ertrunkene Gott wird sein Reich über die grünen Lande ausdehnen.«

«Was tot ist, kann niemals sterben«, verkündete Victarion. Lord Balon und Asha wiederholten seine Worte, und Theon blieb nicht anderes übrig, als sie ebenfalls zu murmeln. Damit war die Versammlung beendet.

Draußen regnete es inzwischen heftiger. Die Hängebrücke drehte und wand sich unter seinen Füßen. Theon Greyjoy blieb in der Mitte stehen und betrachtete die Felsen unter sich. Die Weller brüllten und tosten, und er spürte die salzige Gischt auf der Lippen. In einer plötzlichen Windböe rutschte er aus und landete auf den Knien.

Asha half ihm auf.»Wein kannst du auch nicht vertragen, Bruder.«

Theon lehnte sich auf ihre Schulter und ließ sich von ihr über die glatten Bretter führen.»Esgred hat mir besser gefallen«, sagte er vorwurfsvoll.

Sie lachte.»Das ist nur gerecht. Ich habe dich auch lieber gemocht, als du noch neun warst.«

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