II Demonstration der Stärke

Bolitho hatte seine Kajüte verlassen und ging raschen Schrittes zum Achterdeck. Unter dem Schutz der Kampanje standen die beiden Rudergasten am mächtigen Doppelrad und nahmen dienstliche Haltung ein, als er vorbeikam. Doch er blieb nur kurz stehen, um einen Blick auf den Kompaß zu werfen. Nordost zu Nord. Die Kompaßrose schien seit Tagen in dieser Position festgeklemmt zu sein. In den acht langen Tagen seit Gibraltar war die Hyperion nur mühselig und langsam vorangekommen und hatte knapp einen Durchschnitt von drei Knoten* halten können. Zweimal hatten sie sogar in Flaute festgelegen. Seit dem Ankerlichten hatten sie alles in allem nur 520 Meilen** zurückgelegt.

Aber als er in das helle Sonnenlicht hinaustrat, konnte er den Unterschied nicht nur sehen, sondern auch fühlen. Vor ein paar Minuten war ein Midshipman atemlos in die Kajüte gerannt gekommen und hatte gemeldet, daß die schwache Brise endlich auffrische; und er sah selbst, wie der Wimpel im Masttopp peitschend ausschlug und die neugesetzten Segel sich mit frischen Kräften spannten.

Quarme drehte sich von der Achterdeckreling zu ihm um und faßte an den Hut.»Ich habe Bramsegel setzen lassen, Sir. Hoffen wir, daß der Wind sich hält. «Er sah überanstrengt aus.

«Er wird schon, Mr. Quarme. «Bolitho war ohne Rock und Hut. Er fühlte mit einer Art sinnlichem Behagen, wie der Wind sein Hemd aufplusterte und ihm die trockenen Lippen kühlte.»Wir können gleich auch noch die Royals setzen.»

Er stützte sich mit den Handflächen auf die von der Sonne ausgedörrte Reling und blickte auf das Hauptdeck hinunter. Die sechzehn Kanonen der Steuerbordbatterie waren ausgerannt, und die Geschützbedienungen, nackt bis zum Gürtel, waren beim Exerzieren. Vom unteren Geschützdeck her vernahm er das Quietschen und

Rumpeln der Lafetten, als die schweren Vierundzwanzigpfünder es den oberen Geschützen nachtaten. Ohne aufzublicken, sagte er:

«Fünfzehn Minuten haben Sie heute für >Klar Schiff< gebraucht -

das ist zu lange, Mr. Quarme.»

* Geschwindigkeitsbezeichnung = Seemeilen je Stunde.

** l Seemeile = 1,85 km.

«Die Männer sind müde, Sir. «Quarme bemühte sich, das möglichst beiläufig zu sagen.»Aber es ist schon etwas besser geworden, scheint mir.»

Da das Schiff schon so lange Dienst tat, immer mit der gleichen Besatzung, waren allgemeine Seemannschaft und Segeldrill in Ordnung. Das Segelsetzen und — bergen ging so flott, daß es für einen Binnenländer aussehen mußte, als sei gar nichts dabei. Bo-litho wußte aus Erfahrung, daß ein Kriegsschiff beim ersten Auslaufen normalerweise mehr gepreßte, ahnungslose Landratten als ausgebildete Seeleute an Bord hatte; daher war er froh, daß seine Leute schon so lange auf See dienten. Aber ein Linienschiff war keine Fregatte, es brauchte normalerweise nur genug Seemannschaft, um auf Position und am Feind zu bleiben; komplizierte Manöver waren nicht seine Sache. Erst wenn es in Schußposition und zu massiver Feindberührung kam, wenn es bis zum Sieg oder Untergang kämpfen mußte, erwies sich sein wahrer Wert. Und wie Quarmes Meinung darüber auch sein mochte — Bolitho wußte, daß die Geschützausbildung auf der Hyperion erschreckend unzulänglich war.

Tag für Tag hatte er mit den Geschützen jede nur denkbare Lage üben lassen. Von den Hauptbatterien bis zu den kurzrohrigen Karronaden, von den Zwölfpfündern des Achterdecks bis zu den Musketen der Seesoldaten hatte er Waffen und Männer schonungslos durchgearbeitet. Wenn dabei, wie Quarme behauptete, Verbesserungen erzielt worden waren, so befriedigten sie ihn keineswegs.

Schließlich sagte er:»Wir nehmen die Steuerbordbatterie nochmals vor. Sagen Sie es durch!»

Er ging nach Lee hinüber, während Quarme seinen Befehl über das Hauptdeck brüllte. Da das Schiff auf Backbordbug segelte und in der frischen Brise heftig krängte, mußten die Geschütze gegen die Schräglage des Decks in Position gebracht werden, ehe man mit dem eigentlichen Exerzieren anfangen konnte; und Bolitho bemerkte, wie einige Matrosen, die im Moment nicht so viel zu tun hatten, einen Augenblick Pause machten und zusahen.

Da war zum Beispiel Buckle, der grauhaarige Segelmacher, der mit seinen Leuten auf Deck hockte und die letzte Partie der schweren Schlechtwettersegel, die sie vor Brest gebraucht hatten, reparierte. Die Nadeln in den ledergeschützten Fäusten ruhten, die Männer hatten sich umgedreht und starrten hinüber. Sogar Gossett, der Master, in dessen riesiger Hand ein Sextant blinkte, hielt bei der geduldigen Belehrung inne, die er zwei Interesse heuchelnden Midshipmen erteilte, und runzelte die Stirn, als Leutnant Rookes Stimme über das Deck schallte:»Also aufgepaßt jetzt! Geschütze innenbords und klar zum Laden!«Er stand auf dem SteuerbordDecksgang, der oberhalb der Batterie entlanglief und das Achterdeck mit der Back verband. Wütend starrte er auf seine Männer hinunter, das Gesicht fleckig vor Hitze und Ungeduld.»Der nächste, der einen Rammstock fallen läßt oder über seine eigenen Füße stolpert, tanzt an der Gräting!«Er zog seine Uhr aus der Tasche.»Jetzt!»

Grunzend vor Anstrengung, auf den sandbestreuten Planken ausrutschend, warfen sich die Männer an die Geschütze; der Schweiß rann in glänzenden Bahnen über ihre Rücken, als sie die langen Rohre aus den offenen Stückpforten bis zum Anschlag der Gleitschienen zurückholten.

In den letzten acht Tagen hatte Bolitho ein wachsames Auge auf Rooke gehabt. Er schien seinen Dienst recht ordentlich zu versehen, hatte aber eine unangenehme Art und verlor leicht die Ruhe. Gestern erst hatte Bolitho einen Wettkampf zwischen den beiden Batterien des Hauptdecks arrangiert, und Backbord hatte mit drei Minuten Vorsprung gewonnen. Rooke war fast aus der Haut gefahren. Jetzt, als seine Männer über ihren Geschützen hockten, konnte Bolitho die Spannung direkt körperlich spüren.

«Laden!«brüllte Rooke. Ein wildes Durcheinander. Schimpfend trieb jeder Stückführer seine Männer an, die Übungskartuschen in die Mündungen stießen und das Laden mit Kugeln markierten, während andere, die Zugleinen in den Fäusten, darauf warteten, die Geschütze durch die offenen Stückpforten auszurennen.

«Besser diesmal, Sir«, murmelte Quarme. Bolitho sagte nichts dazu. Aber es hatte deutlich besser geklappt, trotz des Übereifers bei manchen jüngeren Matrosen. Er sah, wie Rooke an die Reling trat, als wolle er seine Leute noch mehr antreiben — er mußte ja wissen, daß sein Kommandant auf dem Achterdeck war.

«Ausrennen!«brüllte Rocke. Gehorsam quietschten die Lafetten über die zerfurchten Planken, fieberhaft stürzte jeder Stückführer vor, um den Entlüftungsstutzen zu verschrauben — da: ein scharfes Klirren und Klappern, die drei vordersten Schützen fielen lang hin. Alle anderen Stückführer hielten die Rechte hoch, nur beim ersten Geschütz herrschte totales Durcheinander.

«Was, zum Deibel!«kreischte Rooke.»Was ist das für eine blutiggottverdammte Sauerei?»

Auf dem Oberdeck grinsten ein paar Zuschauer unverhohlen, und als Bolitho sich umdrehte, sah er, wie der Wachoffizier, Leutnant Fowler, auf seine Füße starrte und sich das Taschentuch auf den Mund preßte.

Mit langen Schritten kam Rooke den Decksgang entlang, bis er direkt über dem Geschütz stand, das versagt hatte.»Bell, dafür will ich deine Rückenwirbel sehen! Ich lasse dich peitschen, bis…»

Der Stückführer starrte zu ihm hinauf und hob hilflos die Hände.

«War ich doch gar nich', Sir! War der junge Herr da!«Er zeigte auf Midshipman Seton, der sich eben zwischen zwei noch benommenen Matrosen hochrappelte.»Der is' über sein' Dolch gestolpert, Sir, und die ändern beiden sind über ihn gefallen!»

«Halt den Mund!«Rooke schien zu merken, daß aller Augen auf ihn gerichtet waren. Etwas leiser fragte er:»Und was haben Sie diesmal angestellt, Mister Seton

Der Junge hob seinen Hut auf und sah sich um wie ein Tier in der Falle.»Sir, ich. Ich. «Es dauerte ein paar Sekunden, bis er die Sprache wiederfand.»Ich wollte an der Zugleine mit anfassen, Sir.»

«Ach, tatsächlich?«Rooke sprach jetzt ganz leise. Er fuhr sich mit der Hand über den Mund.»Stehen Sie nicht da wie ein sabberndes altes Weib! Reißen Sie sich gefälligst zusammen, wenn ich mit Ihnen spreche!»

Bolitho wandte sich ab. Es war ihm unerträglich, Seton so leiden zu sehen, doch jede Einmischung hätte jetzt nur Rookes Autorität bei den Leuten untergraben.

Aber Rooke hatte noch nicht genug. Mit lauter Stimme fragte er:»Warum, in Gottes Namen, haben Ihre Eltern Sie bloß zur See geschickt, Mr. Seton? Es muß doch auch andere Berufe geben, wo Sie Schaden anrichten können!«Ein paar Matrosen lachten, und dann antwortete Seton heiser:»I. Ich habe keine, Sir. M. Meine Eltern sind. «Er konnte nicht weitersprechen.

Die Hände in die Hüften gestemmt, starrte Rooke verächtlich auf ihn hinunter.»Keinen Vater, keine Mutter, Mr. Seton? Da müssen Sie ja ein noch schäbigerer Bastard sein, als ich dachte!»

Bolitho fuhr herum.»Mr. Quarme, lassen Sie die Geschütze sichern und die Bedienungen wegtreten. «Er warf einen raschen Blick nach oben.»Der Wind hält sich. Sie können jetzt die Royals setzen. «Er wartete, bis die Bootsmannspfeifen den Befehl weitergegeben hatten und die Männer in dichtem Schwärm die Jakobsleitern aufenterten.»Und Mr. Rooke soll sich bei mir melden.»

Bolitho ging nach Luv hinüber und kreuzte die Hände auf dem Rücken. Wie die anlaufende Brise das blaue Wasser rippte, das hier und da schon weiße Kämme trug! Nach dem Mittagsbesteck mußten sie etwa dreißig Meilen südöstlich von Tarragona sein, aber so weit er sehen konnte, war die See leer. Doch seine Berechnungen waren bereits vom Ausguck im Großtopp bestätigt worden, der dort oben, fast zweihundert Fuß über Deck, auf seinem schwingenden, gefährlichen Sitz hockte. Er allein hatte bisher die fernen Berge Spaniens gesehen. Bolitho war froh, daß er sich entschlossen hatte, ausreichend Seeraum zu gewinnen und die seinem Kurs entgegenlaufende Küstenströmung zu meiden. Außerdem brachte ihm diese Entscheidung den günstigsten Wind; und wenn der sich hielt, würde er Hoods Schiffe um so schneller finden.

«Sie wollten mich sprechen, Sir?«Rooke sah ihn mißtrauisch an. Sein Atem ging noch rasch von der Anstrengung.

«Stimmt«, sagte Bolitho kühl.»Ihre Männer haben sich ganz gut gehalten. Mit etwas Übung wird das noch besser werden. «In Roo-kes Augen blitzte es auf — amüsiert oder verächtlich? Langsam fuhr Bolitho fort:»In Zukunft wollen Sie es sich bitte versagen, Mr. Seton so zu demütigen.»

Rookes Miene war wie aus Holz.»Er braucht Disziplin, Sir. Wie alle.»

«Völlig meine Meinung. Aber Disziplin ist eines, und Schikane ist etwas anderes, Mr. Rooke. «Sein Ton war scharf.»Es fördert die Disziplin nicht, wenn Sie einen Midshipman vor jenen Leuten beleidigen, die vielleicht eines Tages in der Schlacht von ihm abhängen.»

«Ist das alles, Sir?«Rookes Hände zitterten an seinen Hosennähten.

«Im Moment ja. «Bolitho blickte nach oben, wo eben die letzten Royals flappten und sich dann unter dem Druck des Windes härteten. Gegen den Himmel glänzte die volle Besegelung wie weiße Pyramiden.»Sie werden mehr erreichen, wenn Sie den Leuten ein gutes Beispiel geben, Mr. Rooke«, sagte er noch. Stirnrunzelnd sah er hinter dem Leutnant her, der steifbeinig zum Decksgang schritt. Er hatte sich Rooke zum Feind gemacht — aber es war unwahrscheinlich, daß ein Mann seiner Art überhaupt jemandes Freund war.

Zögernd trat Quarme herzu.»Die Geschichte tut mir leid, Sir. Er wird manchmal ein bißchen deutlich.»

Bolitho blickte ihm ins Gesicht.»Schade, daß Sie nicht etwas deutlicher geworden sind, Mr. Quarme. Es paßt mir nicht, daß ich Ihre Arbeit tun muß.»

Quarme sah ihn an, als hätte er einen Schlag ins Gesicht bekommen.»Meine Arbeit, Sir?»

«Ja. Ich habe nicht erwartet, daß ich meinen Offizieren Menschenführung erst beibringen muß. Schließlich sind Sie Mr. Rookes unmittelbarer Vorgesetzter. «Er ließ die Worte wirken.»Erledigt«, schloß er dann.»Ich möchte nichts weiter dazu sagen. «Aber als er an der gegenüberliegenden Deckseite auf und ab schritt, wurde ihm klar, daß die Sache noch lange nicht erledigt war.

Die nächsten Tage unterschieden sich nur wenig von den vorangegangenen: Segel- und Geschützexerzieren hatten den Vorrang vor dem sonstigen Dienstbetrieb an Bord. Die Hyperion hatte den letzten Landvorsprung Kataloniens gerundet und kreuzte mit Nordostkurs in den Golfe du Lion. Es war eine monotone Etappe, wenig geeignet, die allgemeine Gereiztheit und Nervosität zu beheben. Während seiner täglichen Spaziergänge an Deck war sich Bolitho seiner Isolation bewußt und der Schranke, die er selbst zwischen sich und den Offizieren aufgerichtet hatte. Doch sie mußte sein, das war ihm jetzt klarer denn je. Wenn sie wollten, konnten sie ihn ablehnen, sogar hassen; aber sie mußten zusammengeschweißt, zu einer Waffe geschmiedet werden, die er gebrauchen konnte, wenn die Zeit kam.

Quarmes Haltung Rooke gegenüber begriff er immer noch nicht ganz. Sah er die beiden zusammen, dann kam ihm Quarme, der sonst in allen Dienstangelegenheiten sehr tüchtig und fleißig war, immer so merkwürdig nervös und unsicher vor. Vielleicht imponierte ihm Rookes adelige Herkunft. Es war sogar bei Stabsoffizieren (von ehrgeizigen Ersten Leutnants ganz zu schweigen) nichts Ungewöhnliches, daß sie sich bis zur Servilität von einem Untergebenen beeindrucken ließen, der vielleicht Einfluß bei Hofe oder im Parlament hatte und ihnen unter Umständen zu einer rascheren Beförderung verhelfen konnte. Aber das war hier wahrscheinlich nicht der Fall. Die beiden dienten zu lange auf dem gleichen Schiff, da hätte sich so etwas eigentlich schon ergeben müssen.

Bolitho saß an seinem Tisch und stocherte lustlos in dem von Gimlett servierten Essen herum. Durch die Heckfenster sah er ihr kurzes Kielwasser und hörte das Schlagen und Quietschen des Rudergeschirrs, während das Schiff schwerfällig vor dem stetigen Wind segelte, der keinen Strich abwich. In der Abendsonne tanzten Millionen Lichtreflexe auf der See, und beim Anblick der endlosen Reihen kleiner kabbliger, weißköpfiger Wellen fühlte er sich noch einsamer.

Da klopfte es an die Tür, und Midshipman Piper trat vorsichtig über das Süll in die Kajüte. Unter Vollzeug schien die Hyperion wie ein Brett mit immer gleicher Krängung zu liegen, so daß es gegen die offene Tür aussah, als stemme Piper sich schräg gegen einen starken Wind.»Mr. - Mr. Inch läßt respektvoll melden, er glaubt, daß wir das Geschwader gesichtet haben, Sir.»

«So — glaubt er das?«Bolitho spürte merkwürdige Erleichterung. Endlich passierte etwas, das die allgemeine Apathie brach.

«Sir?»

Bolitho lächelte. Inch war der jüngste Leutnant, ein eifriger, wenn auch wenig selbstsicherer junger Mann, der es natürlich vermied, sich eindeutig festzulegen.

«Wie hat sich Mr. Seton eingelebt?«fragte er.

Piper verzog das Gesicht, so daß er aussah wie ein runzliges Äff-chen.»Er fühlt sich nicht ganz wohl, Sir«, seufzte er.»Hat sich noch nicht an die Bordroutine gewöhnt.»

Bolitho verbarg ein Lächeln. Auch Piper war erst sechzehn, redete aber so selbstsicher wie ein Admiral.

Er schritt an dem Posten stehenden Seesoldaten vorbei auf das Achterdeck hinaus. Der Wind war immer noch sehr frisch; aber voraus war über dem stampfenden Bugspriet schon eine Landzunge zu erkennen. Sie hatten den ganzen Tag daraufzugehalten, einmal, als sie durch eine größere offene Bucht segelten, hatten sie sie aus dem Auge verloren, doch als sie das äußere Vorland gerundet hatten, war sie sofort wieder in Sicht gekommen.

«Ausguck meldet sechs Segel in Backbord voraus, Sir«, sagte Quarme förmlich. Über die Schulter des Ersten hinweg sah Bolitho Inchs langes Gesicht zu Quarmes Worten unbestimmt nicken.

«Recht so. Zwei Strich anluven, damit wir ihren Kurs schneiden.»

Er schritt über das Deck. Die Bootsmannsmaaten brüllten:»Alle Mann an die Brassen!«Und die Matrosen strömten aus dem Logis an Deck. Wie festgerammt stand Gossett neben dem Ruder und biß sich auf die Unterlippe, als die mächtigen Rahen rundkamen.»Stützen, Mann!«knurrte er den Rudergast an.»Voll und bei!«Dann warf er einen Blick nach oben auf die donnernden Segel, und langsam breitete sich ein Lächeln über seine Züge. Dieses Lächeln kannte Bolitho — Gossett war zufrieden.

Er nahm sein Teleskop und fing mit den Beinen das unregelmäßige Rollen des Schiffes ab, denn die Hyperion segelte jetzt höher am Wind, der peitschend übers Vorschiff fegte.

«Hinauf mit Ihnen, Mr. Piper«, blaffte Quarme,»und machen Sie gefälligst eine genaue Ansprache!»

Bolitho sah voraus die hohen, gleichmäßig verteilten Segelpyramiden wie polierte Muschelschalen im Sonnenlicht glänzen. Selbst von Deck aus waren sie nicht zu verkennen.

«Auf Signale achten und sofort Meldung machen!«befahl er.

Da tönte auch schon, vom Winde getragen wie ein Flötenton, Pipers Stimme vom Großmast herab:»Sechs Linienschiffe, Sir! Das vorderste führt die Admiralsflagge!»

Die sechs Schiffe lagen auf dem anderen Bug; Bolitho sah sie im Teleskop immer größer und in den Einzelheiten deutlicher werden, bis das vorderste, ein mächtiger Dreidecker mit der Admiralsflagge am Großtopp, die ganze Linse ausfüllte, so daß er den gischtbesprühten Rumpf mit der rot und goldenen Galionsfigur deutlich erkennen konnte. Angestrengt ausspähend, wartete er: an der Rah stiegen drüben winzige schwarze Bälle empor und öffneten sich dann flatternd zu bunten Streifen.

«Flaggschiff signalisiert, Sir!«rief Inch. Er hüpfte vor Aufregung, als hätte er persönlich das Geschwader an die Kimm gezaubert.

Caswell, der Signal-Midshipman, hockte bereits im Besan und hatte sein riesiges Glas auf einen Block gestützt, daß es so fest lag wie ein Kanonenrohr.»Sie setzt unser Rufzeichen, Sir!«Langsam bewegten sich seine Lippen, als er ablas: «Victory an Hyperion: Position in Luv einnehmen!»

Rasch warf Quarme ein:»Der Admiral wird Sie an Bord bestellen, Sir!»

«Glaube ich auch. «Bolitho preßte die Hände auf dem Rücken zusammen, um seine Erregung zu meistern.»Gehen Sie über Stag!«befahl er.»Dann lassen Sie mein Boot klarmachen.»

Quarme nickte, hob seine Sprechtrompete und befahl:»Achtung! Klar zur Wende!»

Vom Ruder her erklang Gossetts bellende Stimme:»Klar ist!«Und als die Matrosen an die Brassen rannten, befahl er:»Leeruder!«Im Vorschiff wurden die Brassen losgeworfen, und die Hyperion schwang langsam durch den Wind; jeder Block, jedes Segel schlug und killte wie in Wut über den plötzlichen Kurswechsel.

Vom Hauptdeck her erklang erst ein schmerzlicher Aufschrei und dann die scharfe Stimme eines Bootsmanns:»Beeilung, du Tölpel! Lord Hood sieht dir zu!»

Atemlos und stöhnend stemmten die Männer an den Brassen die Fersen ein und holten die mächtigen Rahen rund, immer weiter, immer mehr, bis die Segel mit jubilierendem Gebrüll überkamen und sich dann wieder füllten, während das Schiff unter ihnen sich langsam auf den anderen Bug legte. Bolitho sah Gossetts befriedigtes Grienen und sagte:»Sie reagiert gut, Mr. Gossett. Langsam, aber sehr zuverlässig. «Und zum Ersten Offizier gewandt:»Wir wollen die Royals wegnehmen, Mr. Quarme.»

Auf den neuen Befehl hin enterten noch mehr Matrosen auf, und während die Segel unter den Händen der Toppgasten kürzer wurden und schließlich verschwanden, rief Midshipman Caswell, der bei dem Manöver zur Gegenseite gerannt war:»Flaggschiff an

Hyperion' >Bitten Kommandanten baldmöglichst an Bord! <»

«Bestätigen!«bellte Bolitho.»Baldmöglichst «von einem Admi-ral bedeutete» sofort oder noch früher«.»Gig klar!«befahl Bolitho.

Während die sechs Schiffe näher kamen, drehte die Hyperion in den Wind. Donnernd protestierten die Segel, jedes einzelne Stag, alle Wanten vibrierten wie Cellosaiten.

Die Kommandantengig war bereits ausgeschwungen, und als Bo-litho seinen Degen aus den Händen des nervösen Gimlett entgegennahm, brüllte Allday:»Fier ab!«Als Bolitho an der Fallreepspforte stand, dümpelte das Boot schon längsseits, die weißen Riemen standen hoch wie zwei Reihen polierter Walrippen. Beinahe hätte er den richtigen Zeitpunkt verpaßt; aber als das Boot knirschend an der Bordwand scheuerte, sprang er und betete zu Gott, er möge richtig abgekommen sein.

Erleichtert atmete Allday aus.»Riemen bei! Zu. gleich!«Dann riß er die Pinne hart herum, und als Bolitho wieder zu Atem gekommen war, lag die Hyperion schon ein gutes Stück achteraus. Eben schwang sie noch einmal herum, um die richtige Position zum Flaggschiff einzunehmen, und als er sah, wie sich die Segel wieder füllten und die Bugwelle aufsprühte, konnte er einen Anflug von Stolz nicht unterdrücken. Er war erst knapp zwölf Tage an Bord, und doch konnte er sich kaum noch an die Zeit davor erinnern.

Nach einer weiteren beschwerlichen Kletterei zur Fallreepspforte des Flaggschiffs empor wurde Bolitho von dessen Kommandanten empfangen und nach kurzer formeller Begrüßung sofort in die große Heckkajüte geleitet. War Bolithos Quartier auf der Hyperion schon sehr geräumig, so logierte der Admiral in jeder Hinsicht noch großartiger.

Hood saß auf der Bank unter den Heckfenstern und hatte zu seiner Bequemlichkeit ein Bein auf einen Stuhl gelegt. Wie ein Schattenriß hob sich sein massiges Haupt ab, als er auf die Schiffe hinausstarrte, die langsam im Kielwasser der Victory folgten. Er stand nicht erst auf, sondern bedeutete Bolitho durch eine Handbewegung, sich auf den Stuhl neben den Schreibtisch zu setzen.»Freut mich sehr, daß Sie hier sind, Bolitho. Sie scheinen ganz gut über die Jahre gekommen zu sein.»

Vorsichtig nahm Bolitho Platz und studierte seinen Vorgesetzten mit Interesse und Bewunderung. Er wußte, daß Hood auf die Siebzig zuging; aber außer einem gewissen Ansatz zum Doppelkinn und einer etwas verlangsamten Sprechweise schien er sich in den elf Jahren seit ihrem letzten Zusammentreffen nicht viel verändert zu haben. Die buschigen Brauen und die große Adlernase dräuten noch wie damals. Und die Augen, die ihn jetzt aufmerksam und abschätzend über den Tisch hinweg musterten, glänzten klar wie bei einem jungen Mann.

Unvermittelt fragte der Admiral:»Wie gefällt Ihnen das Schiff, he? Gut genug für Sie?»

«Ich bin recht zufrieden, Sir. «Bolitho wußte, daß Lord Hood kaum Zeit mit unnötiger Konversation verschwendete, und daher wunderte ihn diese Frage. Vielleicht spürte Hood seine Jahre doch etwas. Wäre nicht Krieg gewesen, hätte er sich jetzt eines ruhigen Lebensabends erfreut, weit weg von den Sorgen eines Flottenkommandeurs.

Ohne Pause sprach Hood weiter:»Ich weiß über Sie Bescheid. Was Sie damals bei den Saintes gemacht haben, war großartig. «Er seufzte.»Ich wünschte, ich hätte die Barfleur, mein altes Flaggschiff, aber sie steht unter Lord Howe bei der Kanalflotte. «Er stemmte sich hoch und schritt schwerfällig durch die Kajüte.»Sie haben die Geheimdienstberichte gelesen, nehme ich an«, sagte er über die Schulter. Ohne eine Antwort abzuwarten, schritt er weiter. Er konnte voraussetzen, daß sich jeder Kommandant, der zu seiner Flotte stieß, vorher mit allen verfügbaren Informationen versorgt hatte — wenn er Kommandant bleiben wollte.»Dort drüben in Tou-lon liegen zwanzig französische Linienschiffe. Ich werde dafür sorgen, daß sie so lange nicht herauskommen, bis ich mich entschlossen habe, was als nächstes zu tun ist.»

Bolitho verarbeitete diese Information. Das britische Geschwader, das ständig vor der französischen Küste patrouillierte, wurde immer größer; daher wären die Franzosen verrückt gewesen, wenn sie ihre Schiffe in Toulon bei Ein- oder Auslaufversuchen exponiert hätten.

Und für Marseille galt das gleiche. Scharf sprach Hood weiter:»In einer Woche etwa habe ich einundzwanzig Schiffe unter meiner Flagge, und dann werde ich wissen, was ich tue. Comte Trogoff befehligt die französischen Schiffe in Toulon, und unsere Agenten dort haben bereits gemeldet, daß er zu Verhandlungen neigt. Wie viele in Toulon ist er königstreu gesinnt. Aber seine Lage wird gefährlich. Wenn er nicht der Unterstützung durch seine Landsleute absolut sicher sein kann, wird er uns nie gestatten, Soldaten zu landen und den Hafen zu besetzen.»

Nachdenklich erwiderte Bolitho:»Meiner Meinung nach hat er nicht mehr viel Zeit, sich zu entscheiden, Sir.»

Lord Hood zog eine Grimasse, die bei ihm ein Lächeln bedeutete.»Bei Gott, da haben Sie recht! Es liegen Berichte vor, daß der französische General Carteau bereits auf dem Marsch nach Süden ist. Hoffentlich weiß auch Trogoff davon, denn so oder so dürften seine Tage gezählt sein, wenn wir ihm nicht helfen. «Er fuhr sich mit der Hand quer über die Kehle.»Er dürfte nicht der erste französische Admiral sein, der aufs Schafott steigt. Nicht einmal einer vom ersten Dutzend!»

Bolitho versuchte, sich in die Lage des unglücklichen Admirals zu versetzen. Der mußte tatsächlich eine schwierige Entscheidung treffen.

Bolitho spürte, wie das mächtige Hundert-Kanonen-Flaggschiff jenseits der geschlossenen Tür vor Leben wimmelte, konnte das Knarren der Spieren und Blöcke, die dumpfen Befehle hören. Und drüben, auf seinem eigenen Schiff, warteten Quarme und die anderen gespannt, wie es weitergehen würde. Querpfeifen schrillten vom Oberdeck, er hörte Getrappel und Kommandos. Zweifellos kam noch ein Kommandant an Bord, von einem der achteraus liegenden Schiffe.

Gelassen fuhr der Admiral fort:»In dieser Situation kommt es darauf an, daß wir einen vertrauenerweckenden Beweis unserer Stärke liefern. Und das darf auf keinen Fall schiefgehen, besonders in diesem frühen Stadium nicht. «Er blickte Bolitho bedeutsam an.»Haben Sie schon von der Insel Cozar gehört?»

«Äh — jawohl, Sir. «Er sah die Ungeduld in Hoods Augen aufblitzen und fuhr rasch fort:»Wir haben sie in der Nacht zum Sechsten passiert.»

«Und das ist alles, was Sie von Cozar wissen, nehme ich an?«»Sie liegt vor der französischen Küste, Sir, gehört aber zu Spanien.»

«Na, das ist schon besser«, entgegnete der Admiral trocken.»Die Dinge liegen so, daß der hingerichtete König Louis den Spaniern die Insel gegen bestimmte Konzessionen in der Karibischen See überlassen hat. Cozar liegt etwa 125 Meilen westsüdwestlich von dem Stuhl, auf dem Sie jetzt sitzen. Ein elendes, sonnengedörrtes Stück Land, das die Spanier bis vor kurzem als Strafkolonie benutzten. Mit ihrer gewohnten Verachtung für Menschenleben haben sie erkannt, daß nur Skorpione und Sträflinge dort existieren können. «Unbeweglich stand Hood da und blickte auf Bolitho hinab.»Aber Cozar hat einen wesentlichen Vorzug«, fuhr er fort.»Nämlich einen großartigen natürlichen Hafen — und sonst überhaupt keine Ankergründe. An jedem Ende ist ein Kastell, und eine gutplazierte Batterie könnte eine ganze Flotte beliebig lange in Schach halten.»

Bolitho nickte.»So dicht vor der französischen Küste gelegen, ließe sich die Insel wie eine steinerne Fregatte verwenden. Unsere Schiffe hätten eine sichere Nachschubbasis und einen guten Unterschlupf bei Schlechtwetter und könnten von dort aus Vorstöße gegen die Küstenschiffahrt unternehmen.»

Hood schwieg dazu; und plötzlich wurde es Bolitho klar, was der Admiral mit seiner» vertrauenerweckenden Demonstration der Stärke «gemeint hatte. Ge lassen fuhr er fort:»Wir könnten von dort aus eine zweite Invasion starten, wenn sich die Aktion Toulon als erfolgreich erweisen sollte.»

Hood warf ihm einen grimmigen Blick zu.»Endlich haben Sie begriffen. Gut, Bolitho!«Er schritt wieder zum Fenster.»Unglücklicherweise könnte es den Franzosen bereits eingefallen sein, wie wichtig Cozar ist. Vor einer Woche habe ich die Schaluppe Fairfax hingeschickt, um zu rekognoszieren. Seitdem haben wir von ihr nichts mehr gesehen und gehört. «Er schlug wütend die Hände zusammen.»Spanien ist zwar neuerdings unser Alliierter, aber wer kann sagen, wie lange so eine Allianz Bestand hat, wenn Not am Mann ist?»

Ein nervöses Klopfen an der Tür, und Hoods Adjutant, ein Flaggleutnant, steckte ängstlich den Kopf herein. Hood warf ihm einen wütenden Blick zu.»Raus, zum Teufel!«Dann wandte er sich wieder an Bolitho.»Ich habe zur Zeit ein spanisches Geschwader bei mir. Falls wir Cozar attackieren und besetzen, muß der Hauptanteil daran scheinbar bei den Spaniern liegen. «Er zog die Brauen hoch.»Das wird unsere Beziehungen festigen und den Franzosen zeigen, daß wir mit Spanien nicht nur aus Angst verbündet sind, sondern auf Grund gegenseitigen Respekts. «Er lächelte grimmig.»So muß das also aussehen, eh?»

Bolitho rieb sich nachdenklich das Kinn.»Und Sie wollen, daß die Hyperion mit dabei ist, Sir.»

«Genau. Von allen meinen Kommandeuren sind Sie, glaube ich, am besten dazu geeignet. Ich erinnere mich, daß Sie damals in der Karibik einige sehr erfolgreiche Aktionen unternommen haben. Ihre Initiative und Phantasie sind genau das, was wir im Moment brauchen. «Etwas geniert blickte er zur Seite.»Sie segeln mit zwei spanischen Linienschiffen, aber die Aktion läuft unter dem Oberbefehl von Vizeadmiral Sir William Moresby. Kennen Sie ihn?»

Bolitho schüttelte den Kopf. Hoods Worte beschäftigten ihn noch intensiv. Von so weit war er gekommen und hatte gehofft, an wirklichen Kämpfen teilzunehmen — und nun das! Die Hyperion würde hin- und wieder zurücksegeln und nichts leisten außer einem obskuren Beitrag zu einem örtlich begrenzten Scharmützel. Saßen die Spanier erst einmal sicher auf ihrem eigenen Territorium, würden sie es sehr eilig haben, die Hyperion wieder loszuwerden — um Vizeadmiral Moresby würden sie sich dabei wenig scheren. Hood sah ihn ernsthaft an.»Moresby ist ein guter Flaggoffizier*. Er weiß Bescheid.»

Bolitho merkte, daß das Gespräch beendet war, und stand auf, wandte sich aber um, als Hood abschließend sagte:»Ich wollte mit Ihnen persönlich sprechen, damit Sie sich über die Bedeutung dieser Mission klar sind. Was auch passieren mag, ich bitte, dies wörtlich aufzufassen: die Insel muß ohne Verzögerung genommen werden. Wenn die Franzosen Zeit haben, dort eine richtige Garnison zu installieren, dann bekommen sie einen Versorgungsstützpunkt für ihre Flotte und können alles ausspionieren, was ich tue. Mein Geschwader ist sowieso schon bis an die Grenzen des Möglichen auseinandergezogen. Ich kann es mir nicht leisten, noch mehr Schiffe auszuschicken, um die Insel ständig zu kontrollieren. Ist das klar?»

Die Tür öffnete sich ein paar Zoll, und der Flaggleutnant sagte verzweifelt:»Entschuldigung, Mylord, aber der Kapitän der Agamemnon ist an Bord und bittet um eine Unterredung.»

Statt wie sonst wütend aufzufahren, lächelte Hood, was ziemlich selten vorkam.»Das ist der junge Captain Nelson; gleiches Dienstalter wie Sie, Bolitho. Na, diesmal wird er enttäuscht. «Seine halb beschatteten Augen funkelten.»Er wird von Cozar gehört haben. Auch er liebt es nämlich, gelegentlich auf eigene Faust zu handeln, genau wie Sie.»

Bolitho spielte mit dem Gedanken, einen Kommandowechsel vorzuschlagen, doch Hood sprach bereits weiter:»Aber seine Agamemnon ist ein schnelles Schiff. Ich brauche sie hier, falls etwas schiefgeht.»

«Jawohl, Sir. «Bolitho dachte an Rookes verächtliche Worte:»Sie ist so langsam wie eine alte Kuh«, und fuhr fort:»Die Hyperion wird schon zeigen, was sie kann.»

* Marineoffizier mit der Berechtigung zum Führen der Admiralsflagge.

Der Admiral sah ihm ins Gesicht.»Habe nie daran gezweifelt, mein Junge. «Er lachte in sich hinein, während Bolitho zur Tür schritt.»Und ich glaube kaum, daß der Krieg schon morgen zu Ende geht. Da wird es noch oft genug Gelegenheiten für Sie geben!»

Bolitho trat aus der Tür und prallte fast mit dem nervösen Flaggleutnant zusammen, der ihm sofort ein großes versiegeltes Kuvert in die Hand drückte und dabei murmelte:»Ihre Segelorder, Sir. In einer Stunde wird Vizeadmiral Sir William Moresby seine Flagge von der Cadmus auf die Hyperion überführen. Darf ich Ihnen empfehlen, daß Sie schnellstens wieder an Bord Ihres Schiffes gehen, Sir? Sir William legt, äh, großen Wert darauf, vorschriftsmäßig empfangen zu werden.»

Bolitho stieß einen Grunzer aus und eilte zur Fallreepspforte. Der Kopf schwirrte ihm von diesen Neuigkeiten und Ereignissen. Die Cadmus war ein großer Dreidecker. Zweifellos braucht Lord Hood sie ebenfalls, dachte er bitter.

Der Kapitän des Flaggschiffs wartete schon bei der zum Seitepfeifen angetretenen Abteilung und lächelte Bolitho sorgenvoll zu. Es mußte ziemlich schwierig sein, ein Schiff zu führen, das Lord Hood an Bord hatte.

Doch als Bolitho in seine wartende Gig kletterte, vergaß er Hood und beschäftigte sich mit dem Problem, aus der Hyperion ein Flaggschiff zu machen. Ein Dreidecker war sie nicht. Sir William würde sie etwas eng finden.

Das Boot stieß ab, und Bolitho merkte, daß Allday an der Pinne gespannt zu ihm herübersah. Dann blickte er sich nach der turmhohen Victory um — dort dachte vermutlich kein Mensch mehr an seinen kurzen Besuch an Bord. Doch als sein Blick auf das breite Achterdeck des Flaggschiffs fiel, sah er oben einen schlanken, beinahe schmächtigen Mann an den Finknetzen lehnen und zu ihm herunterschauen. Dessen Uniform war noch ausgeblichener als Bolithos eigene, und sein Haar war zu einem steifen, unmodernen Zopf gebunden. Als das Boot flott um das Heck der Victory schor, sah Bolitho, wie der Mann die Hand hob — es mochte ein Gruß sein oder auch eine Geste der Resignation. Bolitho hob zum Gegengruß die Hand an den Hut. Zweifellos Nelson von der Agamemnon, dachte er. Ein schmächtiges Kerlchen, gar nicht wie ein Linienschiffskapitän; und dort auf dem riesigen Achterdeck der Victory sah er ganz verloren und verlassen aus. Also, dieser Nelson hatte wirklich keinen Grund, neidisch zu sein, dachte er böse. Nur zu gern hätte er ihm die Aktion Cozar überlassen.

Allday senkte den Kopf und fragte leise:»Gute Nachrichten, Cap-tain? Bleiben wir beim Geschwader?»

Bolitho warf ihm einen wütenden Blick zu.»Kümmern Sie sich um Ihren Kram! Dieses Boot wackelt mit dem Hintern wie eine Hafenhure!»

Allday wartete, bis Bolitho sich wieder umgedreht hatte, und lächelte dann in sich hinein. Die ganzen letzten Monate hatte er sich um die Gesundheit seines Kapitäns Sorgen gemacht. Doch Ärger von oben war besser als jede Medizin, dachte er frohgemut. Nur — die Franzosen konnten sich jetzt auf etwas gefaßt machen!

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