EINTRAGUNG NR. 38

Übersicht: (Ich weiß nicht, welche. Vielleicht ist das die ganze Übersicht: Die weggeworfene Zigarette.)

Ich wachte auf — grelles Licht im Zimmer. Ich kniff die Augen zusammen; in meinem Kopf beißender blauer Rauch, alles wie Nebel. Durch den Nebel drang der Gedanke: »Ich habe ja kein Licht gemacht, wieso…« Ich fuhr auf. Am Tisch saß I, das Kinn in die Hand gestützt, und sah mich spöttisch an… An diesem Tisch sitze ich jetzt und schreibe. Die zehn oder fünfzehn Minuten, die sie hier war, sind längst vorbei, doch mir ist, als hätte sich erst eben die Tür hinter ihr geschlossen, als könnte ich sie noch einholen, ihre Hand nehmen und… vielleicht würde sie lachen und sagen…

I saß am Tisch. Ich sprang aus dem Bett: »Du, du! Ich war… ich habe dein Zimmer gesehen… ich dachte, du seiest…«

Auf halbem Wege stieß ich gegen ihre spitzen, unbeweglichen Wimpern und blieb stehen. Mir fiel ein, dass sie mich im Integral genauso angesehen hatte. Deshalb musste ich ihr sofort alles erzählen, so, dass sie es glaubte. »Höre, I, ich will dir alles sagen. Ich will nur vorher einen Schluck Wasser trinken.«

Mein Mund war so trocken, als wäre er mit Löschpapier ausgelegt. Ich goss mir Wasser ein und konnte nicht trinken. Ich stellte das Glas auf den Tisch und umklammerte die Karaffe mit beiden Händen.

Jetzt sah ich, dass der blaue Rauch von einer Zigarette kam. Sie tat einen tiefen Zug und sagte: »Lass doch. Schweig. Es ist alles gleich. Du siehst, ich bin trotzdem gekommen. Drunten warten sie auf mich, wir haben nur zehn Minuten …«

Sie warf die Zigarette auf den Boden und beugte sich über die Sessellehne nach hinten (dort an der Wand ist der Knopf, man kann ihn schwer erreichen), so dass der Sessel kippte und nur auf zwei Beinen stand. Dann schlossen sich die Vorhänge.

Sie trat auf mich zu und presste mich fest an sich. Die Berührung ihrer Knie war ein süßes Gift, über dem ich alles vergaß… Und plötzlich… Sie haben das gewiss schon einmal erlebt: Man liegt in tiefem Schlaf, und plötzlich zuckt man zusammen, richtet sich auf und ist wieder hellwach. So war es jetzt mit mir; ich dachte an den Buchstaben F und an irgendeine Zahl… Das alles ballte sich zum Klumpen in mir zusammen.

Nicht einmal jetzt kann ich sagen, was für ein Gefühl ich dabei empfand, jedenfalls drückte ich sie so fest an mich, dass sie vor Schmerz aufschrie.

Eine Minute später lag ihr Kopf mit geschlossenen Augen auf dem blendend weißen Kissen. Dies erinnerte mich die ganze Zeit an etwas, an das ich um keinen Preis denken durfte. Ich presste sie immer zärtlicher, immer leidenschaftlicher an mich und immer stärker zeichneten sich die blauen Flecken unter meinen Fingern ab… Ohne die Augen zu öffnen, sagte sie:

»Ich habe gehört, du seiest beim Wohltäter gewesen. Stimmt das?«

»Ja, es stimmt.«

Da schlug sie die Augen auf, und ich beobachtete entzückt, wie ihr Gesicht erblasste, erlosch, verschwand; nur die Augen blieben. Ich erzählte ihr alles. Nur eines verschwieg ich ihr — ich weiß nicht, warum, nein, das ist nicht wahr, ich weiß es — ich verschwieg ihr, was Er zuallerletzt gesagt hatte, dass sie mich nur brauchten, weil ich der Konstrukteur des Integral bin. Langsam, wie eine fotografische Platte im Entwickler, nahm ihr Gesicht wieder Gestalt an — die Wangen, der weiße Streifen der Zähne, die Lippen. Sie stand auf und ging zum Spiegelschrank. Mein Mund war trocken. Ich goss mir Wasser ein, mochte aber nicht trinken. Ich stellte das Glas auf den Tisch und fragte:

»Bist du nur gekommen, weil du alles erfahren wolltest?« Im Spiegel sah ich ihre spöttisch hochgezogenen Brauen. Sie wandte sich um, als wollte sie etwas sagen, doch sie sagte kein Wort. Ich wusste auch so alles. Sollte ich von ihr Abschied nehmen? Ich machte eine Bewegung; meine Beine, die nicht mir gehörten, wankten. Ich stieß gegen den Stuhl — er fiel um und blieb wie tot liegen. Ihre Lippen waren kalt — so kalt war einmal der Boden meines Zimmers gewesen, hier neben dem Bett.

Als sie gegangen war, hockte ich auf dem Boden und beugte mich über die Zigarette, die sie weggeworfen hatte.

Ich kann nicht mehr schreiben, ich will nicht mehr schreiben!

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