Zwei Wochen später
Betreff: Lebenszeichen
Hallo Emmi, wie geht es dir? (Dass man da nicht einmal eine andere Formulierung verwenden kann. Aber welche?) Mir würde es verdammt guttun zu wissen, dass es dir halbwegs gut geht. Ich denke oft an dich. Immer wenn (…), ich glaube, du weißt, was ich meine. Danke dafür! Leo.
Drei Tage später
RE:
Hallo Leo, nett von dir zu hören. War dir danach? War dir denn wirklich danach? Oder war das nur die übliche Schweigebrechens-, Trennungsmitleids-, Gewissenberuhigungs-, Distanzüberwindungs-Floskel? Ja, Leo, es geht mir halbwegs gut. (Warum gehst du eigentlich davon aus, dass es mir höchstens »halbwegs« gut gehen kann?) Jedenfalls geht es mir tatsächlich nicht gut genug, dich im Gegenzug zu fragen, wie es dir geht. Ich will's nicht hören. Mir würde es nämlich gar nicht so verdammt guttun, wüsste ich, dass es dir doppelt so gut wie »halbwegs gut« ginge. Und davon gehe ich aus. Gruß aus der Ferne. Emmi.
Eine Woche später
Betreff: Jetzt
Liebe Emmi, ja, doch, mir war gerade ziemlich danach! Gute Nacht. Leo.
Einen Tag später
RE:
Freut mich! Nacht. Emmi.
Zwei Wochen später
Betreff: So ein Zufall aber auch schon
Hi Leo. Kann es sein, dass »Pam« so eine große blonde schlanke langbeinige Hübsche ist, so ein Typ wie deine Schwester Adrienne? Etwa in meinem Alter? Vielleicht zwei, drei Jahre jünger? Mein Steuerberater hat nämlich bei dir um die Ecke sein Büro. (Nein, Leo, er ist nicht deshalb mein Steuerberater!) Und wie ich bei deinem Haustor vorbeigehe, schießt so eine dieser langen, ich meine eine dieser eher groß gewachsenen, gutaussehenden, blass geschminkten Frauen heraus, wie sie im Versandhauskatalog oft die Winterkollektion präsentieren. Die war durch und durch nordamerikanisch, der lange Hals, die hellbraunen Schuhe, die eckige Handtasche, das tornadogeeichte kantige Kinn und ihre Kieferbewegungen, die Art und Weise, wie sie Kaugummi gekaut hat. So lernt man es garantiert in Boston. Das muss »Pam« gewesen sein. Na ich war vielleicht überrascht! Was sagst du, ist die Welt nicht klein? LG, Emmi.
Drei Tage später
Betreff: Sauer?
Bist du sauer, Leo? Zu deiner Beruhigung: Den nächsten Termin beim Steuerberater habe ich erst in sechs Monaten.
Eine Stunde später
AW:
Liebe Emmi, ich habe dir natürlich nichts vorzuschreiben. Aber ich würde dich bitten, deine auf Zufall und Steuerberatung aufgebauten Erkundungstrips in meiner Wohngegend zu unterlassen. Was soll das bringen? Liebe Grüße, Leo.
PS: Pamela kaut niemals Kaugummi, weder nordamerikanisch noch südamerikanisch noch sonstwie.
Drei Stunden später
RE:
Dann hatte sie eben gerade einen Bissen Cheeseburger im Mund. Leo, sei ein bisschen cooler. Du verstehst überhaupt keinen Spaß! Was ist denn schon dabei, wenn ich »Pam« erkenne? Oder kenne? Vielleicht mögen wir uns, werden eines Tages dicke Freundinnen, machen gemeinsame Urlaube, vergleichen unsere Tagebuchaufzeichnungen über Leo Leike. Und dann gründen wir eine Dreier-WG. Oder eine Fünfer-WG, und ich passe am Abend auf die beiden Kinder auf. (…) Okay, ich höre schon auf. Ich glaube, du findest das nicht besonders lustig. Ich eigentlich auch nicht, je mehr ich darüber nachdenke. Angenehme, ungestörte Feiertage mit ausgiebigen Terrassenaufenthalten auf Top 15, wünscht euch Emmi. Ich verreise!
Eine Woche später
Betreff: Die siebente Welle
Hallo Leo. Ich sitze auf meinem Balkon in Playa de Alojera auf La Gomera und blicke über die Steinbucht mit ihren dunklen Sandflecken und schäumend weißen Salzzungen tief hinein ins Meer und weiter, bis hin zu der waagrechten Linie, die hellblau von dunkelblau, Himmel von Wasser trennt. Weißt du, wie schön es hier ist? Da müsst ihr unbedingt einmal herfliegen. Dieser Ort hier ist wie geschaffen für Frischverliebte.
Warum ich dir schreibe? Weil mir danach ist. Und weil ich nicht wortlos auf die siebente Welle warten will. Ja, hier erzählt man sich die Geschichte von der unbeugsamen siebenten Welle. Die ersten sechs sind berechenbar und ausgewogen. Sie bedingen einander, bauen aufeinander auf, bringen keine Überraschungen. Sie halten die Kontinuität. Sechs Anläufe, so unterschiedlich sie aus der Ferne betrachtet auch wirken, sechs Anläufe — und immer das gleiche Ziel.
Aber Achtung vor der siebenten Welle! Sie ist unberechenbar. Lange Zeit ist sie unauffällig, spielt im monotonen Ablauf mit, passt sich an ihre Vorgängerinnen an. Aber manchmal bricht sie aus. Immer nur sie, immer nur die siebente Welle. Denn sie ist unbekümmert, arglos, rebellisch, wischt über alles hinweg, formt alles neu. Für sie gibt es kein Vorher, nur ein Jetzt. Und danach ist alles anders. Ob besser oder schlechter? Das können nur jene beurteilen, die von ihr erfasst worden sind, die den Mut gehabt haben, sich ihr zu stellen, sich in ihren Bann ziehen zu lassen.
Nun sitze ich seit gut einer Stunde hier, zähle die Wellen ab und beobachte, was jeweils die siebenten treiben. Noch ist keine von ihnen ausgebrochen. Aber ich bin im Urlaub, ich bin geduldig, ich kann warten. Ich gebe die Hoffnung nicht auf! Hier über der Westküste bläst starker warmer Südwind. Emmi.
Fünf Tage später
Betreff: Zurück?
Hallo Emmi, ich danke dir für deine Meeres-E-Mail. Und? Ist sie ausgebrochen, die siebente Welle? Hast du dich von ihr erfassen lassen? Alles Liebe, Leo.
Drei Tage später
Betreff: Alle sieben Wellen
Mir kam deine Geschichte irgendwie bekannt vor und so habe ich über die siebente Welle nachgelesen, liebe Emmi. Der ehemalige Strafgefangene Henri Carriere hat sie in seinem biographischen Roman »Papillon« beschrieben. Nachdem er auf der Teufelsinsel vor der Küste Französisch-Guayanas gestrandet war, beobachtete er wochenlang das Meer und bemerkte, dass jede siebente Welle höher war als die anderen. Von so einer siebenten — er taufte sie »Lisette« — ließ er sein Kokosnussfloß schließlich auf die See hinaustreiben, was seine Rettung bedeutete.
Aber eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass du mir fehlst, Emmi.
Einen Tag später
Kein Betreff
Und eigentlich müsstest du längst wieder zurück sein. Oder?
Sechs Tage später
Betreff: Windstille
Liebe Emmi, ich will nur wissen, ob mit dir alles in Ordnung ist. Du musst mir nicht schreiben, wenn dir nicht danach ist. Schreib mir bitte nur, dass dir nicht danach ist, mir zu schreiben, falls dir nicht danach ist. Und falls dir zufällig doch danach ist, so schreibe mir! Das würde mich freuen, sehr sogar! Hier bei mir gibt es keine Wellen, nicht die ersten sechs. Und schon gar nicht die siebente. Das Meer ist ruhig. Sein Spiegel glänzt, die Sonne blendet. Ich warte auf nichts. Alles ist da, alles nimmt seinen Lauf. Keine Veränderung in Sicht. Windstille. Emmi, wenigstens ein paar Worte von dir. Bitte! Leo.
Drei Stunden später
RE:
Alles in Ordnung, Leo! In ein paar Tagen schreibe ich dir mehr dazu. Ich habe mir einiges vorgenommen. Emmi.
Acht Tage später
Betreff: Neubeginn
Lieber Leo, Bernhard und ich probieren es noch einmal miteinander. Wir hatten einen schönen, ja harmonischen gemeinsamen Urlaub. Einen wie früher, so ähnlich, nein, eigentlich ganz anders, aber egal. Wir wissen, was wir einander bedeuten. Wir wissen, was wir aneinander haben. Wir wissen, dass es nicht alles ist. Wir wissen jetzt aber auch, dass es nicht alles zu sein braucht. Alles kann einem ein einziger Mensch offenbar nicht geben. Man kann natürlich sein Leben danach ausrichten, darauf zu warten, dass so ein Mensch kommt, der einem alles gibt. Da hat man dann diese wunderbare, betörende, aufwühlende, Herzklopfen verursachende Alles-Illusion, die es einem erträglich macht, in chronischen Mangelerscheinungen dahinzuleben, bis man sie aufgebraucht hat, die Illusion. Dann spürt man nur noch den Mangel. Dieses Gefühl kenne ich nun zur Genüge. Das ist nichts mehr für mich. Ich strebe nicht mehr nach dem Idealen. Ich will aus etwas Gutem das Beste machen, das genügt mir für mein Glück.
Ich werde wieder nach Hause zu Bernhard ziehen. Im nächsten Jahr wird er viel unterwegs sein, auf großen Konzerttourneen. Er ist international sehr gefragt. Da brauchen mich die Kinder. (Oder brauche ich die Kinder? Sind es denn noch Kinder? Ganz egal.) Meine kleine Wohnung behalte ich mir als Rückzugsgebiet für mein »Ich alleine«.
Was uns beide betrifft, Leo? Ich habe viel darüber nachgedacht. Ich habe auch mit Bernhard darüber gesprochen, ob es dir recht ist oder nicht. Er weiß, wie wichtig du für mich bist. Er weiß, dass wir uns mittlerweile ein paar Mal kurz getroffen haben. Er weiß, dass du mir gefällst, ja, auch so, so ganz normal, physisch, unvirtuell, so mit Händen und Füßen. Er weiß, dass ich mir alles Mögliche mit dir vorstellen hätte können. Und er weiß, dass ich mir alles Mögliche mit dir vorgestellt habe. Er weiß auch, wie sehr ich noch immer an deinen Worten hänge und wie groß mein Bedürfnis ist, dir zu schreiben. Ja, er weiß, dass wir uns noch immer schreiben. Er weiß nur nicht, WAS wir uns schreiben. Ich werde es ihm nicht verraten, denn das geht nur uns beide und sonst keinen etwas an. Aber ich will, dass es ihm zumutbar wäre, wüsste er, was wir uns mitteilen, worüber wir uns austauschen. Ich will ihn nicht mehr betrügen mit meinen unerfüllten Sehnsüchten, mit meinen Alles-Illusionen. Leo, ich will mein Inseldasein mit dir beenden. Ich will, was du, wenn du ehrlich zu dir bist, immer schon wolltest: Ich will — jetzt bin ich neugierig, ob ich es schaffe, das herauszubringen — ich will, ich will, ich will, (…) dass wir Freunde bleiben. (Geschafft!) Schreibfreunde. Verstehst du mich? Kein Herzklopfen mehr. Kein Bauchweh mehr. Kein Bangen. Kein Zittern. Kein Hoffen. Kein Wünschen. Kein Warten. Einfach E-Mails von meinem Freund Leo. Und wenn ich sie nicht kriege, dann geht davon die Welt nicht unter. Das will ich! Keine wöchentlichen Weltuntergänge mehr. Verstehst du? Alles Liebe, Emmi.
Zehn Minuten später
AW:
Hat dich also doch die siebente Welle erfasst!
Vier Minuten später
RE:
Nein, Leo, im Gegenteil. Sie ist ausgeblieben. Eine Woche habe ich auf sie gewartet. Sie ist nicht gekommen. Und soll ich dir sagen, warum? Weil es sie gar nicht gibt. Sie war nur eine »Alles-Illusion«. Ich glaube nicht an sie. Ich brauche keine Wellen, nicht die ersten sechs, und schon gar nicht die siebente. Ich halte es lieber mit Leo Leike: »Das Meer ist ruhig. Sein Spiegel glänzt, die Sonne blendet. Ich warte auf nichts. Alles ist da, alles nimmt seinen Lauf. Keine Veränderung in Sicht. Windstille.« So lässt es sich leben. So lässt es sich zumindest besser schlafen.
Drei Minuten später
AW:
Erwarte dir nicht zu viel davon, Emmi. Für den leichten Seegang muss man der richtige Typ sein. Die einen erleben Windstille als innere Ruhe, die anderen als ewige Flaute.
Zwei Minuten später
RE:
Du schreibst gerade so, als wärest du der Flauten-Typ, mein Guter.
Eine Minute später
AW:
Ich habe dabei eher an dich gedacht, meine Gute.
Zwei Minuten später
RE:
Das ist lieb, Leo. Aber vielleicht solltest du insgesamt eher mehr an dich denken. An dich und ( »…«). Apropos: Seit zehn Wochen führst du ein völlig neues Leben, ein Leben zu zweit. Du hast mir noch kein Wort davon erzählt. Kein Wort von eurer Beziehung! EINE GUTE SCHREIBFREUNDIN ERWARTET SICH DAS ABER! Schönen Abend. Emmi.
Fünf Minuten später
AW:
Du verlangst viel von mir, Emmi. Dir ist vermutlich gar nicht bewusst, WIE VIEL DU VON MIR VERLANGST! Leo.
Vier Tage später
RE:
Offenbar zu viel!
Drei Tage später
Betreff: Komm, Leo!
Komm, Leo! Reiß dich zusammen, gib dir einen Ruck. Erzähle mir von dir und Pamela. Bitte, bitte, bitte! Wie ist es mit ihr? Wie ist das Zusammenleben? Hat sie sich schon eingewöhnt? Fühlt sie sich wohl auf Top 15? Frühstückt sie Müsli oder fette Thunfischbrote? Schläft sie rechts oder links, auf dem Bauch oder auf dem Rücken? Wie geht es ihr im Job? Was erzählt sie von ihren Arbeitskollegen? Was unternehmt ihr an den Wochenenden? Wie verbringt ihr die Abende? Trägt Sie Tangas oder Bostoner Großmutter-Unterwäsche? Wie oft habt ihr Sex? Wer fängt meistens an? Wer hört früher auf und warum? Was ist ihr Handicap? (Ich meine beim Golfspielen.) Was treibt ihr sonst? Isst sie gerne Schnitzel und Apfelstrudel? Was sind ihre Hobbys? Stabhochsprung? Was trägt sie sonst noch für Schuhe? (Außer die hellbraunen aus Boston.) Wie lange fönt sie an ihren blonden Haaren? In welcher Sprache unterhaltet ihr euch? Schreibt sie dir E-Mails auf Englisch oder Deutsch? Bist du sehr verliebt in sie?
Einen Tag später
AW:
Zum Frühstück trinkt sie Alt-Bostoner Milchkaffee mit viel Wasser und Milch und Zucker, aber ohne Kaffee. Und sie isst Wachauer Marillenmarmelade auf Brot ohne Butter. Sie schläft auf ihrer rechten Wange und träumt zum Glück noch nicht vom Job. Aber das interessiert dich ja alles nur eher notdürftig. Stimmt's? Kommen wir also gleich zum Höhepunkt: Wie oft wir Sex haben? Andauernd, Emmi, ich sage dir, pffffffffff, andauernd! Meistens fangen wir in der Früh (gleichzeitig) an und hören einfach nicht mehr auf, zum Beispiel seit einer Woche. Gar nicht einfach, daneben noch platonische E-Mails an Emmi zu verfassen. Die Frage nach der Unterwäsche erübrigt sich also. Und in den raren Sexpausen fönt sie ihre bis du den Kniekehlen wallenden blonden Haare. Schönen Nachmittag, Schreibfreundin! Leo.
Acht Minuten später
RE:
Die Antwort war irgendwie gut, Leo. Die hat Pfiff gehabt! Na also, du kannst es ja noch! Ebenfalls schönen Nachmittag, wünscht Emmi. Ich gehe jetzt Hosen kaufen. Leider mit Jonas. Leider für Jonas! Es ist schon unfair mit der Mode: Die, die neue Hosen brauchen, wollen keine (Jonas). Die, die neue Hosen wollen, brauchen keine. (Ich.)
PS: Ob ihr eure E-Mails in Englisch oder Deutsch verfasst, weiß ich allerdings noch immer nicht.
Fünf Stunden später
AW:
Weder noch.
Am nächsten Tag
RE:
Russisch?
Zehn Stunden später
AW:
Wir schreiben uns keine E-Mails. Wir telefonieren.
Drei Minuten später
RE:
Oh!!!
Fünf Tage später
Betreff: Hallo Leo!
Eine reine Schreibfreundschaft ohne prickelnde Zwischentöne ist dir zu langweilig, stimmt's?
Zwei Tage später
Betreff: Hallo Emmi!
Nein, da irrst du, liebe Emmi. Seit ich weiß, dass deine Welt nicht untergeht, wenn ich dir nicht schreibe, bin ich nicht mehr so oft online. Das ist der Grund für die längeren Intervalle. Ich bitte um Verständnis und jeweils etwas Geduld.
Drei Minuten später
RE:
Du hast mir also zwei Jahre lang nur geschrieben, damit meine Welt nicht untergeht?
Acht Minuten später
AW:
Mich wundert, dass ich es wieder eine volle Woche ohne deine atemberaubenden Umkehrschlüsse ausgehalten habe, meine Liebe!
Ich habe übrigens eine Gegenfrage zu deiner ersten Frage. Sie lautet: Die Windstille ist dir ein bisschen langweilig geworden, stimmt's?
Vier Minuten später
RE:
Nein, da irrst du, lieber Leo. Da irrst du gewaltig! Ich bin völlig entspannt und genieße die Ruhe, den inneren Frieden und Fettucine mit Flusskrebsen in Mandeloberssauce. Ich habe bereits acht Kilo zugenommen. (Oder zumindest 0,8.) Also: Bist du sehr verliebt in sie?
Eine Minute später
AW:
Warum beschäftigt dich das so sehr, Schreibfreundin?
50 Sekunden später
RE:
Es beschäftigt mich nicht, es interessiert mich nur. Man wird an den gewichtigen emotionellen Grundbefindlichkeiten seines Schreibfreundes ja wohl noch interessiert sein dürfen, oder?
40 Sekunden später
AW:
Und wenn ich sage: »Ja, ich bin sehr verliebt in sie!«?
30 Sekunden später:
RE:
Dann sage ich: »Freut mich für dich! Für dich und für sie!«
40 Sekunden später
AW:
Die Freude würde aber nicht echt klingen.
50 Sekunden später
RE:
Über die Echtheit des Klanges meiner Freude musst du dir wirklich keine Gedanken machen, mein Lieber! Also: Bist du sehr verliebt in sie?
Zwei Minuten später
AW:
Das sind Emmi'sche Verhörmethoden, meine Liebe! So kriegst du keine Antwort von mir.
Aber wir können gerne irgendwann wieder einmal auf einen Kaffee gehen und über die Dinge plaudern, die uns trotz Windstille bewegen.
Eine Minute später
RE:
Du willst mich treffen?
Drei Minuten später
AW:
Ja. Warum nicht? Wir sind Freunde.
Zwei Minuten später
RE:
Und was erzählst du »Pam«?
50 Sekunden später
AW:
Gar nichts.
30 Sekunden später
RE:
Warum nicht?
50 Sekunden später
AW:
Weil sie nichts von uns weiß, wie du weißt.
Eine Minute später
RE:
Das weiß ich zwar. Aber was gibt es da mittlerweile nicht zu wissen? Was darf sie nicht wissen? Dass wir Schreibfreunde sind?
Zwei Minuten später
AW:
Dass es eine Frau gibt, der ich solche Fragen beantworte.
50 Sekunden später
RE:
Du beantwortest sie ohnehin nicht.
Eineinhalb Minuten später
AW:
Emmi, warum, glaubst du, sitze ich hier seit knapp einer halben Stunde an meinem Computer?
30 Sekunde später
RE:
Gute Frage. Warum?
50 Sekunden später
AW:
Um mich mit dir auszutauschen.
Eine Minute später
RE:
Stimmt. Das würde »Pam« nicht verstehen. Sie würde fragen: »Warum telefoniert ihr nicht? Da könntet ihr euch vier Fünftel der Zeit ersparen.«
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und ich könnte nach solchen Meldungen ungeniert den Hörer auflegen.
50 Sekunden später
RE:
Stimmt. E-Mails sind geduldiger als Telefone. Das ist mein Glück!
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und bei E-Mails verbringt man auch die Zeit dazwischen miteinander.
30 Sekunden später
RE:
Stimmt. Das ist das Gefährliche.
40 Sekunden später
AW:
Stimmt. Und das Süchtigmachende zugleich.
50 Sekunden später
RE:
Stimmt. Zum Glück bin ich erfolgreich auf Entzug. In diesem Sinne: Tschüss für heute, lieber Schreibfreund. Bernhard kocht, ich werde ihm auf die Finger schauen. Mach's gut! Emmi.