Logik bleibt Logik

George gehörte nicht zu jenen feigen Geschöpfen, die der Meinung sind, daß sie ein Essen, das sie nicht bezahlen, auch nicht kritisieren dürfen. Für gewöhnlich brachte er mir gegenüber seine Enttäuschung mit soviel Feingefühl zum Ausdruck, wie ihm zu Gebote stand - oder wie er glaubte, mir zuliebe aufbringen zu müssen, was natürlich nicht ganz das gleiche ist.

»Dieses Smörgasbord«, sagte er, »läßt sehr zu wünschen übrig. Die Fleischbällchen sind nicht heiß genug, der Hering ist nicht salzig genug, die Garnelen sind nicht knusprig genug, und der Käse ist nicht reif genug, an den Teufelseiern fehlt Pfeffer und -«

Ich sagte: »Aber George, das ist der dritte Teller, den du davon verschlungen hast. Noch ein Bissen, und du mußt dir den Magen aufschneiden lassen, damit noch etwas hineinpaßt. Warum ißt du soviel davon, wenn es dir nicht schmeckt?«

George lachte herablassend. »Soll ich etwa meinen Gastgeber beleidigen, indem ich sein Essen verschmähe?«

»Das ist nicht mein Essen, es wurde vom Koch des Restaurants zubereitet.«

»Ich meinte ja auch den Besitzer dieser armseligen Kaschemme. Sag mal, alter Freund, warum gehörst du eigentlich keinem guten Klub an?«

»Ich? Soll ich einen Haufen Geld für etwas bezahlen, das nur zweifelhaften Gewinn verspricht?«

»Ich meine einen wirklich guten Klub, den ich dann als dein Gast mit meiner Anwesenheit beehren könnte, im Austausch für ein üppiges Mahl. Aber nein«, fügte er mißmutig hinzu, »das ist natürlich nur ein verrückter Traum. Welcher gute Klub würde sein Ansehen gefährden wollen, indem er dich als Mitglied aufnimmt?«

»Jeder Klub, der dich als Gast akzeptiert, würde sicher auch mich -«, setzte ich an, doch George war bereits tief in Gedanken versunken.

»Ich erinnere mich«, sagte er mit glänzenden Augen, »daß ich eine Zeitlang mindestens einmal im Monat in einem Klub gespeist habe, der das verschwenderischste und aufwendigste Büfett anrichtete, das seit Lukullus' Zeiten die ächzenden Tische geziert hat.«

»Ich nehme an, du hast dich von jemandem einladen lassen?«

»Ich weiß nicht, wie du auf diese. Schlußfolgerung kommst, aber rein zufällig hast du recht. Alistair Tobago Crump VI. war das eigentliche Mitglied dieses Klubs, und was noch wichtiger war, er hat mich hin und wieder eingeladen, ihn dorthin zu begleiten.«

»George«, sagte ich, »wird das wieder so eine Geschichte, in der du gemeinsam mit Azazel irgendeine arme Seele in die Abgründe des Elends und der Verzweiflung stürzt, in einem irregeleiteten Versuch, ihm zu helfen?«

»Ich weiß nicht, worauf du anspielst. Wir haben ihm gegeben, was er sich wünschte, und zwar aus reiner Freundlichkeit und einer grundsätzlichen Liebe zur Menschheit - und meiner etwas weltlicheren Liebe zum Büfett. Aber laß mich dir die Geschichte von Anfang an erzählen.«

Alistair Tobago Crump VI. war von Geburt an Mitglied des Klubs Eden, denn sein Vater Alistair Tobago Crump V. hatte den Namen seines Sohnes in die Mitgliederliste eingetragen, sobald er sich mit eigenen Augen davon überzeugt hatte, daß der Arzt das Geschlecht des Neugeborenen richtig bestimmt hatte. Alistair Tobago Crump V. war ebenfalls von seinem Vater in die Liste eingetragen worden. Diese Tradition ließ sich bis in jene Zeit zurückverfolgen, als Bill Crump aus einem Rausch aufwachte, nur um festzustellen, daß er sich als Matrose auf einem Schiff der britischen Marine befand und zu jener Flotte gehörte, die 1664 New Amsterdam von den Holländern befreite.

Zufälligerweise ist Eden der exklusivste Klub des nordamerikanischen Kontinents. Er ist so vornehm, daß nur seine Mitglieder und einige wenige Gäste überhaupt von seiner Existenz wissen. Nicht einmal ich weiß, wo er sich befindet, denn auf dem Weg dorthin wurden mir stets die Augen verbunden, und ich fuhr in einem Einspänner mit Milchglasfenstern. Ich kann dir lediglich sagen, daß die Hufe des Pferdes kurz vor der Ankunft über ein Stück Kopfsteinpflaster klapperten.

Niemand konnte Mitglied des Eden werden, dessen Herkunft sich nicht auf beiden Seiten der Familie bis in die Kolonialzeit zurückverfolgen ließ. Und nicht nur die Herkunft spielte eine Rolle. Man mußte eine makellos weiße Weste haben. George Washington wurde mit einstimmigem Beschluß ausgeschlossen, da er unleugbar gegen seinen königlichen Herrscher aufbegehrt hatte. Dieselben Anforderungen wurden auch an alle Gäste gestellt, und davon blieb ich natürlich nicht verschont. Im Unterschied zu dir bin ich nicht gerade erst aus Dobrudja oder Herzegowina oder irgendeinem anderen abgelegenen Ort in dieses Land eingewandert. An meiner Herkunft ist nicht zu rütteln, da all meine Vorfahren seit dem 17. Jahrhundert diese Nation unsicher gemacht haben. Außerdem haben sie alle wie ein Mann die Sünden von Rebellion, Illoyalität und unamerikanischem Handeln vermieden, indem sie im Unabhängigkeits- und Bürgerkrieg stets für beide Seiten gleichzeitig gejubelt haben.

Mein Freund Alistair war über alle Maßen stolz auf seine Mitgliedschaft. Häufig sagte er zu mir (denn er war einer jener klassischen Langeweiler, die sich ständig selbst wiederholen): »George, der Klub Eden ist Nerv und Sehne meines Wesens, das Herz meines Daseins. Wenn ich alles besäße, was Reichtum und Macht mir beschaffen können, und hätte Eden nicht, so wäre ich doch nichts.«

Natürlich besaß Alistair alles, was Reichtum und Macht ihm beschaffen konnten, denn eine weitere Bedingung für die Mitgliedschaft im Eden war großer Reichtum. Schon allein die jährlichen Beiträge machten das unabdingbar. Doch auch das war nicht genug. Der Reichtum mußte durch Erbschaft erworben worden sein, er durfte nicht verdient werden. Jedes Anzeichen dafür, daß man tatsächlich einer bezahlten Arbeit nachging, schloß eine Mitgliedschaft grundsätzlich aus. Nur der Umstand, daß mein Vater es versäumt hatte, mir mehrere Millionen Dollar zu hinterlassen, verwehrte mir den Zugang zum Klub, obwohl ich niemals soweit gesunken bin, für mein Einkommen zu - Sag nicht: »Ich weiß«, alter Freund. Woher solltest du das wohl wissen?

Natürlich war nichts dagegen einzuwenden, wenn ein Mitglied sein Einkommen durch interessante Methoden vermehrte, die keine bezahlte Arbeit einschlössen. Immerhin blieben solche Möglichkeiten wie Börsenspekulation, Steuerhinterziehung und Schiebung, die den Reichen im Blute liegen.

All das wurde von den Mitgliedern des Eden sehr ernst genommen. Es hat Mitglieder gegeben, die in einem unerklärlichen Anfall von vorübergehender Ehrlichkeit all ihr Geld verloren hatten und lieber eines langsamen Hungertodes starben, als sich Arbeit zu suchen und dadurch ihre Mitgliedschaft im Klub zu verlieren. Ihre Namen werden immer noch in ehrfurchtsvollem Tonfall erwähnt, und im Klubhaus finden sich Plaketten zu ihren Ehren.

Nein, natürlich hätten sie sich kein Geld von den anderen Mitgliedern leihen können. Typisch, daß du so etwas vorschlägst. Jedes Klubmitglied weiß, daß man von einem Reichen kein Geld leiht, solange es unzählige arme Menschen gibt, die nur darauf warten, betrogen zu werden. Selbst in der Bibel steht: »Denn die Armen habt ihr allezeit bei euch«, und wer wollte behaupten, daß die Mitglieder des Eden nicht fromme Christen sind.

Und dennoch war Alistair nicht vollkommen glücklich, denn die Klubmitglieder neigten leider dazu, ihm aus dem Weg zu gehen. Ich habe dir ja schon erzählt, daß er ein Langeweiler war. Weder verfügte er über die Fähigkeit, eine Unterhaltung interessant zu gestalten, noch über Intellekt oder eine eigenständige Meinung. Ja, selbst in einem Klub, dessen Mitglieder sich hinsichtlich Witz und Originalität auf dem Niveau von Viertklässlern befanden, stach er als besonders stumpfsinnig heraus.

Du kannst dir vorstellen, wie sehr es ihn verdroß, Abend für Abend im Eden zu sitzen und inmitten einer Menschenmenge allein zu sein. Die Wellen der Unterhaltung brandeten über ihn hinweg, benetzten ihn jedoch nicht. Dennoch ließ er nie einen Klubabend aus. Selbst als er einmal starken Durchfall hatte, ließ er sich dorthin fahren, um seinen Ruf als »der eiserne Crump« nicht zu verlieren. Dies trug ihm durchaus die Bewunderung der anderen Klubmitglieder ein, wenn sie es auch aus irgendeinem Grund nicht richtig zu würdigen wußten.

Natürlich war es ihm hin und wieder vergönnt, mich als seinen Gast zum Klubabend mitzunehmen. Meine Herkunft war tadellos, meine aristokratische Tradition als überzeugter Nicht-Verdiener wurde von allen bewundert, und als Dank für das beste Essen und die gediegenste Atmosphäre auf Crumps Kosten ließ ich mich dazu herab, mich mit ihm zu unterhalten und über seine unsäglichen Witze zu lachen. Und bald wurde mir klar, daß ich den Ärmsten aus den tiefsten Tiefen meines großen Herzens bedauerte.

Es mußte irgendeinen Weg geben, um ihn zum Mittelpunkt des Abends zu machen, zur Krone des Eden, zu dem Mann, mit dem jedes Klubmitglied seine Zeit verbringen wollte. Ich stellte mir vor, wie sich alte und ehrwürdige Klubmitglieder mit arthritischen Fäusten um die Ehre prügelten, beim Abendessen neben ihm sitzen zu dürfen.

Schließlich war Alistair die Anständigkeit in Person, in jeder Beziehung ein Mitglied des Eden: Er war groß, schlank, sein Gesicht besaß den Ausdruck eines wiederkäuenden Pferdes, er hatte strähniges blondes Haar, blaßblaue Augen und den trüben Blick konservativer Rechtschaffenheit eines Mannes, dessen Vorfahren stets große Stücke auf sich gehalten haben und innerhalb der eigenen Sippe heirateten. Alles, was ihm fehlte, war auch nur der Anschein davon, daß er irgendetwas Interessantes sagen oder tun könnte.

Doch dem ließ sich sicherlich abhelfen. Es war ein Fall für Azazel.

Zum ersten Mal war Azazel nicht verärgert darüber, daß ich ihn aus seiner mystischen Welt herbeigerufen hatte. Anscheinend hatte er sich gerade auf irgendeinem Festessen befunden und war an der Reihe gewesen, die Rechnung zu begleichen. Fünf Minuten bevor diese Rechnung eintreffen sollte, hatte ich ihn herbeigerufen. Er kicherte mit seinem Fistelstimmchen, denn wie du weißt, ist er nur zwei Zentimeter groß.

Er sagte: »Wenn ich in fünfzehn Minuten zurückkehre, wird sich schon jemand anderes dazu bereit gefunden haben, diese Rechnung zu bezahlen.«

Ich sagte: »Wie wirst du ihnen deine Abwesenheit erklären?«

Er richtete sich zu seiner ganzen winzigen Größe auf, und sein Schwanz zuckte. »Ich werde ihnen die Wahrheit erzählen: Daß ich zu einem Treffen mit einem extragalaktischen Ungeheuer von außergewöhnlicher Dummheit gerufen wurde, das dringend meiner Intelligenz bedurfte. Was willst du denn dieses Mal?«

Ich erzählte es ihm, und zu meiner Überraschung brach er in Tränen aus. Jedenfalls strömten winzige rote Tropfen aus seinen Augen. Ich vermute, daß das Tränen waren. Eine geriet mir in den Mund, und sie schmeckte furchtbar -wie billiger Rotwein. Zumindest glaube ich das, denn ich bin nie soweit gesunken, billigen Rotwein zu trinken.

»Wie traurig«, sagte er. »Ich kenne auch ein ehrenwertes Wesen, das ständig von anderen vor den Kopf gestoßen wird, die ihm weit unterlegen sind. Ich finde, es gibt kaum etwas Tragischeres.«

»Und wer ist das? Dieses Wesen, das die anderen vor den Kopf stoßen, meine ich.«

»Na, ich«, sagte er und schlug sich so heftig gegen die Brust, daß ein Quieksen daraus hervordrang.

»Das kann ich mir nicht vorstellen«, erwiderte ich. »Du?«

»Kaum zu glauben, ich weiß«, sagte er, »aber es ist dennoch wahr. Verfügt dein Freund über irgendeine Fähigkeit, die vielversprechend wäre?«

»Nun, er erzählt Witze. Oder er versucht es zumindest. Sie sind furchtbar. Er leiert sie herunter, zögert die Pointe grundlos hinaus und vergißt sie dann. Ich habe schon oft gesehen, wie einem starken Mann angesichts seiner Witze die Tränen kamen.«

Azazel schüttelte den Kopf. »Schlimm. Sehr schlimm. Zufälligerweise bin ich ein sehr guter Witzeerzähler. Habe ich dir schon einmal davon erzählt, wie ein Plocks und ein Dschinniram gerade miteinander andesantorierten, und der eine von ihnen sagt -«

»Ja, hast du«, log ich schnell, »aber laß uns zu Crumps Fall zurückkehren.«

Azazel fragte: »Gibt es eine einfache Technik, mit der man das Erzählen eines Witzes verbessern kann?«

»Eine gewisse Zungenfertigkeit natürlich«, erwiderte ich.

»Natürlich«, sagte Azazel. »Eine einfache Divalinierung der Stimmbänder sollte diesen Zweck erfüllen - vorausgesetzt, ihr Barbaren besitzt Stimmbänder.«

»In der Tat. Und dann natürlich die Fähigkeit, verschiedene Akzente zu imitieren.«

»Akzente?«

»Sprachvarianten, die nicht der Hochsprache entsprechen. Ausländer, die eine Sprache nicht im Kindesalter, sondern erst später in ihrem Leben lernen, machen unweigerlich Fehler bei der Aussprache der Vokale, bei der Wortstellung, der Grammatik und so weiter.«

Azazels winziges Gesicht verzog sich zu einem Ausdruck blanken Entsetzens. »Aber das ist eines der schlimmsten Vergehen«, sagte er.

»Nicht auf unserer Welt«, erwiderte ich. »Obwohl es dazu erklärt werden sollte.«

Azazel schüttelte traurig den Kopf. »Hat dein Freund schon einmal von diesen grausigen Dingen gehört, die du Akzente nennst?«

»Sicher. Jeder, der in New York lebt, hört die ganze Zeit über die unterschiedlichsten Akzente. Korrektes Englisch wie das meine hört man dagegen fast nie.«

»Ah«, sagte Azazel. »Ich muß also lediglich sein Gedächtnis skapulieren.«

»Was willst du mit seinem Gedächtnis tun?«

»>Skapulieren<, das bedeutet >schärfen<. Es geht auf das Wort >Skapos< zurück, das den Zahn eines Sum-fressenden Diridschinn bezeichnet.«

»Und das wird ihn in die Lage versetzen, beim Witzeerzählen einen Akzent zu imitieren?«

»Es funktioniert nur mit Akzenten, die er im Laufe seines Lebens schon einmal gehört hat. Schließlich, haben meine Kräfte ihre Grenzen.«

»Na dann skapulier ruhig los.«

Eine Woche später traf ich Alistair Tobago Crump VI. an der Ecke Fifth Avenue und dreiundfünfzigste Straße und suchte in seinem Gesicht vergeblich nach Anzeichen eines kürzlich errungenen Triumphs.

»Alistair«, sagte ich, »hast du in letzter Zeit mal ein paar Witze erzählt?«

»George«, erwiderte er, »niemand hört mir zu. Manchmal glaube ich, daß meine Witze kaum besser sind als die eines jeden Durchschnittsmenschen.«

»Nun, dann hör mir mal zu. Begleite mich in ein kleines Etablissement, das ich kenne. Ich werde dich auf lustige Art und Weise ankündigen, und dann stehst du auf und sagst einfach, was dir gerade in den Kopf kommt.«

Ich kann dir versichern, alter Freund, es war nicht leicht, ihn dazu zu überreden. Ich mußte meine ganze unwiderstehliche Persönlichkeit in die Waagschale werfen. Schließlich hatte ich jedoch Erfolg.

Ich brachte ihn in eine ziemlich miese Spelunke, die ich durch Zufall kenne. Um dir eine Vorstellung davon zu geben, wie heruntergekommen sie ist: Sie hat eine gewisse Ähnlichkeit mit den Restaurants, in die du mich zum Essen einlädst.

Zufälligerweise kenne ich auch den Manager dieser Spelunke, was durchaus von Vorteil war, und ich überredete ihn zu einem kleinen Experiment.

Um 23:00 Uhr, als die Stimmung ihren Höhepunkt erreichte, erhob ich mich von meinem Platz und brachte das Publikum durch mein würdevolles Auftreten zum Verstummen. Es waren nur elf Personen anwesend, doch ich glaubte, daß dies für mein Experiment ausreichen würde.

»Meine Damen und Herren«, sagte ich, »unter uns befindet sich ein Herr von großem Verstand, ein Meister unserer Sprache, den Sie sicher alle sehr gern kennenlernen würden. Sein Name ist Alistair Tobago Crump VI., und er ist Englischprofessor am Columbia College und Autor des Buches >Der Weg zum perfekten Englische Professor Crump, dürfte ich Sie bitten, aufzustehen und einige Worte an die hier versammelten Intellektuellen zu richten?«

Crump erhob sich, blickte sich ein wenig verwirrt um und sagte dann: »Gut'n Abeend. Isch dank' Ihn alle recht scheen.«

Nun, mein alter Freund, ich habe dich schon des öfteren Witze in einem vorgeblich jiddischen Akzent erzählen hören, aber im Vergleich zu Crump würde man dich für einen Harvard-Ab solventen halten. Crump sah nämlich genau so aus, wie man sich einen Englischprofessor vorstellt. Und daß dieses jämmerliche inzestuöse Gesicht plötzlich einen Satz im reinsten jiddischen Akzent hervorbrachte, verschlug den Anwesenden einfach die Sprache. Man meinte sogar, ein Aroma von eingelegten Zwiebeln zu riechen - es war einfach unglaublich. Dann brachen alle in brüllendes Gelächter aus, das sich bis zur Hysterie steigerte.

Crump wirkte ein wenig überrascht. In einem wunderbaren schwedischen Singsang, den ich hier nicht wiedergeben kann, sagte er zu mir: »Normalerweise reagieren die Leute nicht ganz so heftig auf meine Witze.«

»Egal«, sagte ich, »red einfach weiter.«

Dazu mußte er erst einmal warten, bis sich das Gelächter gelegt hatte, und das dauerte eine Weile. Dann erzählte er Witze in irischem und schottischem Akzent, in Cockney, Mitteleuropäisch, Spanisch und Griechisch. Seine Spezialität war jedoch eindeutig der Brooklyner Dialekt - jene edle Sprache, mein alter Freund, die beinahe deine Muttersprache ist.

Danach ließ ich ihn jeden Abend ein paar Stunden im Eden verbringen, und nach dem Essen brachte ich ihn in den Nachtklub. Das sprach sich schnell herum. Wie gesagt, in der ersten Nacht war das Publikum eher klein, doch im Handumdrehen war der Klub von Menschen umlagert, die hinein wollten - und das vergeblich.

Crump blieb bei alledem ganz gelassen. Tatsächlich schien er sogar ein wenig niedergeschlagen zu sein. Er sagte: »Es hat doch keinen Sinn, mein herausragendes Talent auf gewöhnliche Bauerntölpel zu verschwenden. Ich möchte meine Fähigkeiten den Mitgliedern des Eden vorführen. Sie haben meine Witze bisher ignoriert, weil ich nicht auf den Gedanken gekommen bin, sie in einem bestimmten Akzent zu erzählen. Eigentlich wußte ich nicht einmal, daß ich dazu in der Lage bin. Und das ist nur ein Beweis für die unglaubliche Selbstunterschätzung, zu der ein eher zurückhaltender, humorvoller und witziger Kerl wie ich verleitet wird. Nur weil ich nicht laut bin und mich nicht ständig in den Vordergrund dränge -«

Er sprach in reinstem Brooklyner Dialekt, der jedem empfindlichen Ohr schmerzt, wenn ich das so sagen darf, und deshalb beeilte ich mich, ihm zu versichern, daß ich mich um alles kümmern würde.

Ich erzählte dem Manager des Nachtklubs vom Reichtum der Mitglieder des Eden und verschwieg dabei, daß sie ebenso reich wie geizig sind. Dem Manager lief das Wasser im Munde zusammen, und er schickte ihnen kostenlose Eintrittskarten, um sie in sein Lokal zu locken. Die Idee stammte von mir, denn ich wußte nur zu gut, daß sich kein Mitglied des Eden eine kostenlose Show entgehen lassen würde, besonders da ich das Gerücht in die Welt gesetzt hatte, daß schlüpfrige Filme gezeigt werden würden.

Die Klubmitglieder erschienen zahlreich, und Crump wurde bei ihrem Anblick deutlich zuversichtlicher. »Jetzt kann ich mein wahres Talent zeigen«, sagte er. »Ich habe da einen koreanischen Akzent, der sie umhauen wird.«

Sein Repertoire umfaßte außerdem einen schleppenden südlichen Dialekt und einen näselnden Tonfall, wie er in Maine gesprochen wird - das mußte man einfach gehört haben, um es zu glauben.

Die Mitglieder des Eden saßen einige Minuten in eisigem Schweigen da, und ich befürchtete schon, sie würden Crumps subtilen Humor nicht verstehen. Doch sie waren lediglich gelähmt vor Verwunderung, und als sie sich etwas erholt hatten, begannen sie zu lachen.

Runde Bäuche wackelten, Kneifer fielen zu Boden, und weiße Koteletten flatterten. Jedes nur vorstellbare widerliche Geräusch - vom trockenen hohen Gackern bis hin zum öligen tiefen Brummen - drang an meine gepeinigten Ohren.

Crump reckte angesichts dieser angemessenen Würdigung stolz die Brust, und der Manager, der sich auf der Schwelle zu unermeßlichem Reichtum wähnte, eilte in der Pause zu Crump hinüber und sagte: »Mein junge, mein Junge, ich weiß, daß du nur darum gebeten hast, deine Kunst zur Schau stellen zu dürfen und daß du über den Schmutz erhaben bist, den die Leute Geld nennen, aber das kann ich nicht länger zulassen. Nenn mich einen Narren. Nenn mich einen Irren. Aber hier, hier, mein Junge, nimm diesen Scheck. Du hast ihn dir verdient, jeden Cent davon. Mach damit, was du willst.« Und mit der typischen Großzügigkeit des Unternehmers, der mit einem Gewinn in Millionenhöhe rechnet, drückte er Crump einen Scheck über fünfundzwanzig Dollar in die Hand.

Nun, meiner Meinung nach war das erst der Anfang. Crump wurde glücklich und berühmt, ein Star aller Nachtklubs, bewundert von allen, die ihn sahen. Er wurde mit Geld überschüttet, und da er aufgrund der Erbschaftsschwindeleien seiner Vorfahren bereits reicher war als Krösus, benötigte er keinen Cent davon. Er reichte deshalb alles an seinen Manager weiter - nämlich an mich. Innerhalb eines Jahres war ich Millionär! So viel zu deiner blödsinnigen Theorie, Azazel und ich würden nur Unglück verbreiten.

Ich blickte George spöttisch an. »Da dir einige Millionen Dollar zum Millionär fehlen, George, wirst du mir wohl gleich erzählen, daß alles nur ein Traum gewesen ist.«

»Keineswegs«, erwiderte George herablassend. »Die Geschichte ist vollkommen wahr, wie überhaupt jedes Wort, das ich von mir gebe. Und das Ende, das ich dir gerade erzählt habe, wäre genau so geschehen, wenn Alistair Tobago Crump VI. nicht ein solcher Narr gewesen wäre.«

»Ach, schau einer an.«

»Sicher. Ob du's glaubst oder nicht. Vor lauter Stolz über den großzügigen Fünfundzwanzig-Dollar-Scheck, den er erhalten hatte, rahmte er ihn ein, brachte ihn mit ins Eden und zeigte ihn törichterweise überall herum. Was blieb den Klubmitgliedern da anderes übrig? Er hatte Geld verdient. Er war für Arbeit bezahlt worden. Sie mußten ihn einfach ausschließen. Und als Crump sich seiner Mitgliedschaft im Klub beraubt sah, traf er den unklugen Entschluß, einen Herzinfarkt zu erleiden. Und weder Azazel noch ich waren daran schuld.«

»Aber wenn er sich den Scheck eingerahmt hat, hat er doch eigentlich gar kein Geld angenommen.«

George hob gebieterisch die Hand, während er mit der anderen die Rechnung für das Abendessen in meine Richtung schob. »Es geht um's Prinzip. Ich habe dir erzählt, daß die Klubmitglieder sehr religiös waren. Als Adam aus Eden verbannt wurde, hat Gott zu ihm gesagt, daß er von nun an für sein Überleben arbeiten mußte. Ich glaube, die genauen Worte lauteten: >Im Schweiße eures Angesichts sollt ihr künftig euer Brot essen<. Daraus folgt, daß man umgekehrt von Eden ausgeschlossen bleiben muß, wenn man sich seinen Lebensunterhalt mit Arbeit verdient. Logik bleibt Logik.«

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