Der schnellste Reisende

Ich war gerade von einer Reise nach Williamsburg, Virginia, zurückgekehrt, und in meine Erleichterung darüber, an meine geliebte Schreibmaschine und meinen Computer zurückkehren zu können, mischte sich noch immer ein wenig Bedauern, daß ich überhaupt hatte verreisen müssen.

Daß George sich gerade auf meine Kosten durch die Speisekarte eines guten Restaurants gegessen hatte, war für ihn jedoch kein Grund, mir sein Mitgefühl auszusprechen.

Nachdem er die Faser eines Steaks aus seinen Zähnen gepult hatte, sagte er: »Ich verstehe wirklich nicht, alter Freund, was dich daran stört, daß eigentlich recht angesehene Organisationen bereit sind, Tausende von Dollar zu bezahlen, nur um dich eine Stunde lang reden zu hören. Da ich dich selbst schon das eine oder andere Mal habe reden hören, hätte ich es für wahrscheinlicher gehalten, daß du ohne Bezahlung sprichst und einfach nicht aufhörst, bevor sie dir nicht Tausende von Dollar gezahlt haben. Letzteres ist sicher eine effektivere Methode, um Leuten Geld abzuknöpfen - aber ich will deine Gefühle nicht verletzen, vorausgesetzt du hast welche.«

»Wann hast du mich denn jemals reden gehört?« fragte ich. »Die kurzen Pausen in deinem Redefluß lassen doch wohl kaum mehr als zwei Dutzend Wörter zu.« (Natürlich achtete ich darauf, meine Frage in genau vierundzwanzig Wörtern zu formulieren.)

Wie ich mir schon gedacht hatte, ignorierte George meine Bemerkung. »Es ist eine deiner besonders unangenehmen Eigenschaften«, sagte er, »daß du in deiner verrückten Gier nach dem Firlefanz, den man >Geld< nennt, so häufig und bereitwillig die Strapazen einer Reise auf dich nimmst, obwohl du das angeblich verabscheust. Das erinnert mich ein wenig an die Geschichte von Sophokles Moskowitz, der sich ebenso ungern aus seinem Sessel erhob wie du, es sei denn daraus resultierte ein weiteres Anwachsen seines ohnehin schon gut gefüllten Bankkontos. Diese Faulheit nannte er beschönigend eine >Abneigung gegen das Reisen<. Für meinen Freund Azazel war es jedoch ein leichtes, das zu beheben.«

»Laß deinen zwei Zentimeter großen Desaster-Dämon ja nicht auf mich los«, sagte ich beunruhigt. Meine Besorgnis war ebenso groß, wie wenn ich Grund zu der Annahme hätte, daß Georges Phantasiewesen tatsächlich existierte.

George ignorierte mich auch weiterhin.

Eigentlich [sagte George] war es eines der ersten Male, daß ich Azazel zu Hilfe gerufen habe. Das ist schon etwa dreißig Jahre her, mußt du wissen. Ich hatte gerade erst herausgefunden, wie man das kleine Wesen aus seiner Welt herbeiholt, und ich wußte noch nicht, über welche Kräfte es tatsächlich verfügte.

Natürlich prahlte er damit, aber welches lebende Wesen - von mir einmal abgesehen - übertreibt nicht ständig, wenn es von seinen Kräften und Fähigkeiten erzählt?

Ich war damals mit einer hinreißenden jungen Frau namens Fifi befreundet, die ein Jahr zuvor beschlossen hatte, Sophokles Moskowitz als notwendiges Übel in Kauf zu nehmen, um an sein Geld heranzukommen.

Selbst nachdem sie verheiratet war, führte Fifi unsere Freundschaft insgeheim fort, auch wenn sie dabei unbegreiflicherweise sittsam blieb. Trotz ihrer Tugendhaftigkeit freute ich mich immer, sie zu sehen, was du verstehen wirst, wenn ich dir erzähle, daß ihre Figur einfach unbeschreiblich war. In ihrer Gegenwart erinnerte ich mich stets mit asketischer Zufriedenheit an gewisse liebevolle Taktlosigkeiten, die wir einmal gemeinsam ausgetauscht hatten.

»Bumm-Bumm«, sagte ich, denn ich konnte es mir einfach nicht abgewöhnen, sie mit ihrem Künstlernamen anzusprechen, den ihr die ehrfürchtigen Zuschauer ihrer interessanten Darbietungen einhellig verliehen haben, »du siehst gut aus.« Ich sagte das ohne Zögern, denn so bin ich nun einmal.

»Ach ja?« sagte sie auf diese unbekümmerte Weise, in der stets die Straßen New Yorks in all ihrer blechernen Pracht mitschwingen. »Ich fühl' mich aber gar nicht gut.«

Ich nahm ihr das nicht einen Augenblick lang ab, denn wenn mich meine Erinnerung nicht trog, fühlte sie sich schon seit ihrer frühen Jugend ziemlich gut. Aber ich sagte: »Was hast du denn, mein starrköpfiger Liebling?«

»Es ist Sophokles, dieser Widerling.«

»Du ärgerst dich doch nicht etwa über deinen Ehemann, Bumm-Bumm. Über einen Mann, der so reich ist, kann man sich einfach nicht ärgern.«

»Was du nicht sagst, du Wichtigtuer! Hör mal, erinnerst du dich noch, wie du mir erzählt hast, Sophokles wäre so reich wie dieser Typ names Krösus, von dem ich noch nie gehört hatte? Nun, wieso hast du mir nicht gesagt, daß dieser Krösus auch ein unglaublicher Geizkragen gewesen sein muß?«

»Sophokles ist ein Geizkragen?«

»Und was für einer! Ist das denn zu fassen? Was nützt es, einen reichen Kerl zu heiraten, wenn er sich als Geizkragen entpuppt?«

»Bumm-Bumm, sicher kannst du ihm ein wenig Geld entlocken, indem du ihm vage Versprechungen hinsichtlich nächtlicher Verlustigungen machst?«

Fifi runzelte leicht die Stirn. »Ich weiß nicht, was du damit meinst, aber ich kenne dich, also rede nicht so unanständiges Zeug. Außerdem habe ich ihm schon angedroht, daß er nicht mehr bekommt, wovon du gerade geredet hast, wenn er nicht ein wenig spendabler wird, aber er hält lieber seine Geldbörse umklammert als mich. Und wenn ich so darüber nachdenke, ist das an sich schon ziemlich beleidigend.« Die Ärmste schluchzte leise.

Ich drückte ihr die Hand - so wenig brüderlich, wie es mir auf die Schnelle möglich war.

Voller Leidenschaft rief sie: »Als ich diesen Nichtsnutz geheiratet habe, dachte ich mir: >Fifi, jetzt kommst du nach Paris und an die Rivira, nach Bonus Aires und Casablanca und all das.« - Hah! Schön wär's!«

»Erzähl mir bitte nicht, dieser Hund fahrt nicht mit dir nach Paris.«

»Er fahrt nirgendwohin. Er sagt, er will Manhattan nicht verlassen. Er sagt, ihm gefallt es da draußen nicht. Und daß er keine Pflanzen mag, und Bäume und Tiere und Gras und Schmutz und Ausländer und andere Gebäude außer die in New York. Und ich frage ihn: >Wie wäre es mit einer netten Einkaufstour?<, aber das gefällt ihm auch nicht.«

»Warum fährst du nicht ohne ihn, Bumm-Bumm?«

»Das würde sicher mehr Spaß machen als mit ihm, darauf kannst du wetten. Aber womit? Der Kerl hat sich die Hosentaschen zunähen lassen, und darin stecken all seine Kreditkarten. Ich muß meine Einkäufe bei Macy's erledigen.« Ihre Stimme nahm einen schrillen Ton an. »Habe ich diesen Hohlkopf geheiratet, um bei Macy's einzukaufen?«

Ich warf einen vorsichtigen Blick auf verschiedene Körperpartien der Dame und bedauerte, daß ich sie mir nicht leisten konnte. Bevor sie geheiratet hatte, war sie hin und wieder bereit gewesen, mir einen kleinen Freundschaftsdienst zu erweisen, aber ich hatte das Gefühl, daß ihr gehobener Status als verheiratete Frau einen solchen Akt der Nächstenliebe nun nicht mehr zuließ. Du mußt wissen, daß ich damals noch leidenschaftlicher war als jetzt, da ich mich in meinen besten Jahren befinde. Dennoch blieb mir damals wie heute das Ziel meiner Wünsche verschlossen.

Ich sagte: »Was wäre, wenn ich ihn dazu überreden könnte, mehr zu reisen?«

»O Mann, ich wünschte, das würde jemandem gelingen.«

»Was, wenn es mir gelingen würde? Ich nehme an, du wärst dankbar.«

Sie blickte mich gedankenverloren an. »George«, sagte sie, »an dem Tag, an dem er mir sagt, daß er mit mir nach Paris fahren will, machen wir beide - du und ich - einen kleinen Ausflug nach Asbury Park. Erinnerst du dich noch an Asbury Park?«

Ob ich mich an dieses Seebad in New Jersey erinnerte? Wie könnte ich meine schmerzenden Muskeln vergessen? Beinahe jeder Teil meines Körpers war noch zwei Tage danach vollkommen steif gewesen.

Ich redete mit Azazel bei einem Bier über die ganze Sache - ein Krug für mich und einen Tropfen für ihn. Er fand den Hopfen angenehm belebend. Vorsichtig sagte ich zu ihm: »Azazel, können deine magischen Kräfte tatsächlich etwas vollbringen, das mich in Erstaunen versetzt?«

Er blickte mich mit einem benebelten Gesichtsausdruck an. »Sag mir einfach, was du willst. Sag mir, was du willst. Ich zeige dir, ob ich ein >alter Stümper< bin oder nicht. Ich werde es ihnen allen zeigen.«

Als er einmal ein wenig Möbelpolitur mit Limonenduft inhaliert hatte (er behauptete, das Limonenschalenaroma hätte eine bewußtseinserweiternde Wirkung), hatte er mir erzählt, daß ihn auf seiner eigenen Welt jemand mit diesem Ausdruck beleidigt hatte.

Ich spendierte ihm einen weiteren Tropfen Bier und sagte dann beiläufig: »Ich habe einen Freund, der nicht gerne reist. Ich nehme an, für jemanden mit deinen überlegenen Fähigkeiten wäre es ein leichtes, diese Abneigung in absolutes Reisefieber zu verwandeln.«

Zugegebenermaßen war seine Begeisterung sofort verflogen. »Ich hatte gedacht«, sagte er in seiner piepsigen Stimme mit dem merkwürdigen Akzent, »daß du um etwas Vernünftiges bitten würdest - etwa, daß ich allein mit der Kraft meines Geistes dieses häßliche Bild dort an der Wand geraderücke.« Das Bild bewegte sich, noch während er sprach, und neigte sich nun in die andere Richtung.

»Ja, aber warum sollte ich dich darum bitten, meine Bilder geradezurücken?« sagte ich. »Es kostet mich viel Mühe, sie in genau dem richtigen schiefen Winkel aufzuhängen. Es liegt mir dagegen viel daran, daß du Sophokles Moskowitz mit einer Reiselust erfüllst, die ihn ständig auf Wanderschaft gehen läßt, falls nötig sogar ohne seine Frau.« Den letzten Satz fügte ich hinzu, weil mir eingefallen war, daß es durchaus von Vorteil sein könnte, wenn Sophokles seine Frau hin und wieder allein in der Stadt zurückließe.

Azazel sagte: »Das ist nicht leicht. Eine tief verwurzelte Abneigung gegen das Reisen kann möglicherweise auf bestimmte Kindheitserinnerungen zurückgehen, die das Gehirn deformiert haben. Es würde die fortgeschrittenste Geistestechnik erfordern, um das zu beheben. Ich sage nicht, daß es unmöglich ist, denn der primitive menschliche Geist ist nicht so leicht zu beschädigen. Du müßtest mir allerdings die betreffende Person einmal zeigen, damit ich ihren Geist eingehend untersuchen kann.«

Nichts leichter als das. Ich bat Fifi, mich als einen alten Freund aus Collegezeiten zum Abendessen einzuladen.

(Sie hatte vor einigen Jahren ein wenig Zeit auf dem Campus eines Colleges verbracht, obwohl ich glaube, daß sie nie eine Vorlesung besucht hat. Außeruniversitäre Aktivitäten sagten ihr mehr zu.)

Ich nahm Azazel in meiner Jackentasche mit und vernahm hin und wieder, wie er leise quieksend komplizierte mathematische Formeln vor sich hin murmelte. Ich nahm an, daß er Sophokles Moskowitz Geist analysierte, und das war eine beeindruckende Leistung, denn ich mußte mich nur kurz mit ihm unterhalten, um festzustellen, daß es da nicht viel Raum für eine Analyse gab.

Als wir wieder zu Hause angekommen waren, fragte ich Azazel: »Und?«

Er wedelte mit seinem schuppigen kleinen Arm und sagte: »Kein Problem. Du hast nicht zufällig ein mehrphasiges, mentodynamisches Synaptometer zur Hand?«

»Leider nein«, erwiderte ich. »Ich habe es gestern einem Freund geliehen, der sich gerade auf dem Weg nach Australien befindet.«

»Wie dumm von dir«, schimpfte Azazel. »Das heißt, daß ich meine Berechnungen im Kopf anstellen muß.«

Auch nachdem er die Aufgabe (wie er behauptete) erfolgreich gelöst hatte, verbesserte sich seine Laune nicht.

»Es war nahezu unmöglich«, sagte er. »Nur jemand von meinen überragenden Fertigkeiten hätte das vollbringen können. Ich mußte seinen Geist mit riesigen Nägeln in der derzeitigen veränderten Form festklopfen.«

Ich nahm an, daß er das im metaphorischen Sinne meinte, und sagte ihm das auch.

Darauf erwiderte Azazel: »Nun, man könnte es durchaus auch als riesige Nägel beschreiben. Niemand wird mehr in der Lage sein, ihn von seinem Vorhaben abzubringen. Er wird mit einer solchen Entschlossenheit reisen wollen, daß er notfalls Himmel und Hölle in Bewegung setzen würde, um sein Ziel zu erreichen. Ich werde es ihnen schon zeigen, diesen -«

Es folgte eine lange Kette von schrillen Silben in seiner Muttersprache. Natürlich verstand ich nicht, was er sagte, aber daß hinterher die Eiswürfel in meinem Kühlschrank im Nachbarzimmer geschmolzen waren, läßt darauf schließen, daß es alles andere als schmeichelhaft war. Es handelte sich dabei wohl um eine Tirade auf jene Wesen in seiner Heimatwelt, die ihm einen Mangel an Geschicklichkeit vorgeworfen hatten.

Etwa drei Tage später rief mich Fifi an. Am Telefon war sie bei weitem nicht so umwerfend, wie wenn man ihr direkt gegenübersaß - aus offensichtlichen Gründen, die dir mit deiner angeborenen Unfähigkeit, die schönen Dinge des Lebens wahrzunehmen, vermutlich entgehen würden. Weißt du, eine leichte Härte in ihrer Stimme fällt einem eher auf, wenn man nicht durch weichere Formen an anderer Stelle abgelenkt wird.

»George«, sagte sie kichernd, »du mußt zaubern können. Ich weiß nicht, was du bei diesem Essen gemacht hast, aber es hat funktioniert. Sophokles fährt mit mir nach Paris. Er ist von selbst daraufgekommen und ist ganz aufgeregt. Ist das nicht toll?«

»Aber ja«, sagte ich mit verständlichem Enthusiasmus. »Das ist einfach phantastisch! Dann können wir jetzt das kleine Versprechen einlösen, das du mir gegeben hast. Laß uns noch einmal nach Asbury Park fahren und phantastisch einen draufmachen.«

Selbst dir dürfte schon aufgefallen sein, daß Frauen eine Abmachung keineswegs für bindend erachten. In dieser Hinsicht unterscheiden sie sich vollkommen von Männern. Sie verstehen nicht, wie wichtig es ist, ein einmal gegebenes Wort zu halten. Sie besitzen einfach kein Ehrgefühl.

Sie sagte: »Wir fahren schon morgen, George, ich habe also im Moment keine Zeit. Ich rufe dich an, wenn ich zurückkomme.«

Ohne ein weiteres Wort legte sie auf. Diese Frau hatte vierundzwanzig Stunden zu ihrer Verfügung, und ich hätte kaum die Hälfte davon in Anspruch genommen - aber sie fuhr einfach los.

Ich hörte tatsächlich von ihr, als sie zurückkehrte, doch das war sechs Monate später.

Sie riet mich erneut an, und im ersten Augenblick erkannte ich ihre Stimme nicht wieder. Sie klang irgendwie mitgenommen und erschöpft.

»Mit wem spreche ich bitte?« fragte ich in meinem üblichen würdevollen Tonfall.

Sie sagte matt: »Hier ist Fifi Laverne Moskowitz.«

»Bumm-Bumm«, rief ich. »Du bist wieder da! Wie wundervoll! Komm gleich zu mir rüber und laß uns -«

Sie sagte: »George, vergiß es! Wenn du derjenige bist, der ihn verhext hat, dann bist du ein jämmerlicher Idiot, und ich würde nicht mit dir nach Asbury Park fahren, selbst wenn du dich auf den Kopf stellen würdest.«

Ich war überrascht. »Ist Sophokles nicht mit dir nach Paris gefahren?«

»Doch. Jetzt trag mich, ob ich meine Einkaufstour machen konnte.«

Ich tat ihr den Gefallen. »Und, konntest du deine Einkaufstour machen?«

»Na, von wegen! Ich konnte nicht einmal damit anfangen. Sophokles hat einfach nicht angehalten!« Ihre Stimme verlor ihre Müdigkeit, und mit dem Aufwallen ihrer Gefühle steigerte sie sich zu einem Kreischen.

»Als wir Paris erreicht hatten, ist er einfach weitergefahren. Er hat mir ein paar Sehenswürdigkeiten gezeigt, während wir mit Höchstgeschwindigkeit daran vorbeirasten. >Dort ist der Eiffelturms sagte er und wies auf irgendein dummes Gebäude, an dem noch gebaut wurde. >Das dort ist Nötre Dame«, sagte er. Er wußte nicht einmal, wovon er sprach. Zwei Footballspieler haben mich einmal ins Nötre Dame hineingeschmuggelt, und das liegt nicht in Paris. Es liegt in South Bend, Indiana. Aber wen kümmert das? Wir fuhren weiter nach Frankfurt und Bern und Florenz, das diese dummen Ausländer Firenze nennen. Gibt es einen Ort namens Trist?«

»Du meinst sicher Triest«, erwiderte ich.

»Dann sind wir auch dort gewesen. Und wir haben nie in Hotels übernachtet, sondern in alten Bauernhöfen. Sophokles meint, daß das die richtige Art zu reisen sei.

Man sieht dann mehr von Land und Leuten, sagt er. Wer will Land und Leute sehen? Was wir nie zu Gesicht bekommen haben, war eine Dusche. Oder eine Toilette. Nach einer Weile fängt man an, unangenehm zu riechen. Und ich hatte ständig irgendwelches Zeug in den Haaren. Ich habe gerade fünfmal geduscht, und fühle mich immer noch schmutzig.«

»Komm doch zu mir rüber und dusche noch fünfmal«, bat ich sie so ruhig wie möglich, »und dann fahren wir nach Asbury Park.«

Sie schien mich nicht gehört zu haben. Erstaunlich, wie taub Frauen einfacher Vernunft gegenüber sein können. Sie sagte: »Nächste Woche fährt er wieder los. Er sagt, er will den Pazifik überqueren und Hongkong besuchen. Er fährt mit einem Ölfrachter. Das ist die Art, wie man den Ozean erleben sollte, säst er. Und ich sage zu ihm: >Hör zu, du hirnverbrannter Spinner, du bekommst mich nicht auf ein langsames Boot nach China, damit du mich ganz für dich alleine hast.<«

»Wie poetisch«, warf ich ein.

»Und weißt du, was er darauf geantwortet hat? Er hat gesagt: >Also gut, meine Liebe. Dann fahre ich eben ohne dich.< Dann hat er etwas Komisches gesagt, das gar keinen Sinn ergab. Er sagte: >Ob zu den Toren der Hölle, ob zum himmlischen Schrein, der reiset am schnellsten, wer reiset allein! Was soll das bedeuten? Was meint er mit den Toren der Hölle? Was hat das mit einem himmlischen Schrein zu tun? Hält er sich für den Allmächtigen persönlich?«

»Das ist Kipling«, erwiderte ich.

»Erzähl keinen Blödsinn. Ich habe nie gekippelt, also sag mir nicht, er hätte es getan. Er kann es ja kaum in der Missionarstellung. Ich habe ihm angedroht, mich von ihm scheiden zu lassen und ihn ordentlich abzuzocken. Und er sagte: >Wie du willst, mein grenzdebiler Liebling, aber du hast nichts gegen mich in der Hand und du wirst nichts bekommen. Das einzige, was für mich zählt, sind meine Reisen.< Ist das zu fassen? Und das mit dem >grenzdebil<. Er hat immer noch versucht, mir zu schmeicheln.«

Du mußt wissen, mein alter Freund, daß das einer meiner ersten Aufträge an Azazel gewesen ist, und dabei ist er noch ein wenig über das Ziel hinausgeschossen. Allerdings hatte ich tatsächlich darum gebeten, daß Sophokles hin und wieder ohne seine Frau verreisen würde.

Es blieben immer noch die Vorzüge einer solchen Situation, die ich von Anfang an vorausgesehen hatte. »Bumm-Bumm«, sagte ich, »laß uns über die Scheidung reden, wenn wir auf dem Weg nach Asbury -«

»Und du, du jämmerlicher Waschlappen. Ob du ihn verhext hast oder was auch immer, ist mir egal. Bleib mir vom Leib, denn ich kenne jemanden, der dich zu Brei zermanschen wird, wenn ich ihm nur ein Zeichen gebe. Und kippeln tut er auch, er kann nämlich alles.«

Ich fürchte, Bumm-Bumm war ein wenig Plem-Plem geworden, allerdings nicht auf die Weise, wie ich es mir gewünscht oder ihrer Figur und ihrem Stil gemäß erwartet hatte.

Ich rief Azazel herbei, doch alle Versuche, die Veränderungen rückgängig zu machen, schlugen fehl. Und er weigerte sich strikt, irgendetwas zu unternehmen, um mir Bumm-Bumm gewogener zu machen. Er sagte, das würde jeden überfordern. Ich weiß nicht, was er damit gemeint hat.

Allerdings behielt er Sophokles für mich im Auge. Die Reiselust des Mannes wuchs noch weiter an. Er überquerte zu Fuß die Rocky Mountains. Mit Wasserskiern fuhr er den Nil hinauf bis zum Viktoriasee. Dann überflog er die Antarktis mit einem Drachen.

Als Präsident Kennedy 1961 ankündigte, daß wir bis zum Ende des Jahrzehnts den Mond erreichen würden, sagte Azazel: »Das sind immer noch Auswirkungen meines kleinen Eingriffs.«

Ich sagte: »Du meinst, die Veränderungen, die du in seinem Gehirn vorgenommen hast, geben ihm Macht über den Präsidenten und das Raumfahrtprogramm?«

»Er macht das natürlich nicht absichtlich«, erwiderte Azazel, »aber ich habe dir ja gesagt, er würde Himmel und Hölle in Bewegung setzen.«

Und der Gute ist tatsächlich zum Mond geflogen. Erinnerst du dich noch an die Apollo 13, die 1970 angeblich auf dem Weg zum Mond eine Panne hatte, so daß die Mannschaft es beinahe nicht mehr zur Erde zurückgeschafft hätte? In Wirklichkeit war Sophokles als blinder Passagier mit an Bord gewesen und mit einem Teil des Schiffes zum Mond geflogen. Den Rest des Schiffes hat er der Mannschaft überlassen, damit diese mehr schlecht als recht zur Erde zurückkehren konnte.

Seither befindet er sich auf dem Mond und reist auf seiner Oberfläche umher. Zwar hat er keine Luft, keine Nahrung und kein Wasser, aber inzwischen muß er sich so sehr an das ständige Reisen gewöhnt haben, daß ihn das nicht mehr kümmert. Möglicherweise ist es ihm sogar schon gelungen, zum Mars weiterzureisen - oder irgendwo anders hin.

George schüttelte den Kopf. »Wie ironisch. Wie ironisch.«

»Was ist daran ironisch?« fragte ich.

»Verstehst du denn nicht? Der arme Sophokles Moskowitz! Er ist eine neue und verbesserte Version des Ewigen Juden, und dabei ist er noch nicht einmal orthodox.«

George legte sich eine Hand über die Augen und tastete mit der anderen nach seiner Serviette. Dabei griff er versehentlich nach dem Zehn-Dollar-Schein, den ich dem Kellner hingelegt hatte. Er wischte sich mit der Serviette die Augen - was mit dem Zehn-Dollar-Schein geschah, habe ich jedoch nicht gesehen. Als er immer noch schluchzend das Restaurant verließ, war der Tisch leer.

Ich seufzte und holte einen weiteren Zehn-Dollar-Schein aus meiner Tasche.

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