14. Kapitel - Vergangenheit


8. Dezember 1998

Der Friede der vergangenen Tage und die Grabesruhe von Stans Drive-In täuschten - sie sahen mehr und mehr die Spuren schwerer Kämpfe, je weiter sie ins Landesinnere vordrangen, und allein während des nächsten Tages wurden sie zweimal direkt angegriffen - von einem Insektenmonster, das zum Glück viel langsamer war als der Helikopter; Mike wich dem ersten Angriff des fliegenden Scheusals aus und gab dann einfach Gas. Das zweite Mal hatten sie weniger Glück - Mike bemerkte die Gefahr zu spät, und sie fanden sich unversehens in einem Schwärm faustgroßer, schwarzbrauner Tiere, die sich gleich zu Tausenden auf den Helikopter stürzten. Sie waren nicht schnell und nicht widerstandsfähig genug, etwa die Plexiglaskanzel zu zerschlagen, aber sie prasselten wie Maschinengewehrfeuer auf den kleinen Hubschrauber herab.

Hinterher kam es Charity fast wie ein Wunder vor, dass Mike die Maschine überhaupt in der Luft hatte halten können.

Aber sie mussten landen. Der Motor begann zu stottern, und die Kanzel war so verschmiert mit den zermalmten Resten der Insekten, dass sie beinahe blind waren. Sie flogen noch ein Stück - zehn, vielleicht zwölf Meilen, von denen Charity inbrünstig hoffte, dass sie ausreichten, sie aus der Reichweite des fliegenden Schwarmes zu bringen, dann zog Mike die Maschine herunter. Ein paar Meilen abseits der Straße blinkte ein kleiner See in der Vormittagssonne, an dessen Ufer sie landeten.

Während Charity mit einem ihrer Uniformhemden und reichlich Wasser aus dem See versuchte, die klebrigen Reste der Rieseninsekten von der Kanzel zu wischen, kletterte Mike auf die Maschine hinauf und untersuchte den Motor.

Charity hörte ihn gedämpft fluchen.

»Was ist los?« fragte sie.

»Was los ist?« Mike fluchte erneut. »Komm rauf und schau dir die Schweinerei an, dann weißt du, was los ist«, fauchte er. »Diese verdammte Scheiße verkleistert den ganzen Motor! Ich brauche mindestens eine Stunde, um den Dreck herunterzubekommen. Wenn ich es überhaupt schaffe!«

Trotz allem konnte Charity ein Lächeln nicht unterdrücken. Mike hörte sich an wie jemand, der gerade entdeckt hat, dass der Nachbarsjunge mit einem Nagel den Lack seines neuen Wagens verziert hatte. Vielleicht, dachte sie spöttisch, war das ihr Untergang gewesen: die Außerirdischen hätten nicht die menschliche Rasse, sondern ihre Autos angreifen sollen. Möglicherweise hätte sich der gerechte Zorn einer ganzen Welt voller Autofahrer erhoben und sie wieder zurück in die Galaxis gefegt.

Sie schüttelte - noch immer lächelnd - den Kopf, trat einen Schritt vom Hubschrauber zurück und blinzelte zu Mike hinauf.

»Kriegst du es hin?«

»Ich hoffe es«, grollte Mike. »Ich ...«

Er sprach nicht weiter, und obwohl Charity ihn nur als schwarzen Umriss gegen die Sonne erkennen konnte, sah sie doch, wie er erschrocken aufsah und nach Süden blickte.

»Da kommt jemand«, sagte er. »Ein... ein Wagen!«

Charity drehte sich herum und hob die Hand über die Augen. Ein schwarzer Punkt kroch auf sie zu und zog eine gewaltige Staubwolke hinter sich her. Mike kletterte umständlich vom Hubschrauber herunter, während sich Charity in die Kanzel beugte und ihr Gewehr holte.

Es war ein schwarzer Trans-Am, der sich über die Steppe zu ihnen quälte. Er fuhr schnell, und mehr als einmal rechnete Charity ernsthaft damit, dass der flache Sportwagen einfach in einem Schlagloch stecken bleiben oder sich die Achsen brechen würde.

Aber nichts davon geschah - der Wagen kam näher und blieb schließlich vor dem Hubschrauber stehen. Charity erkannte die Silhouette einer einzelnen Person hinter der abgedunkelten Frontscheibe.

Sie gab Mike ein Zeichen, zurückzubleiben, nahm das Gewehr in einer nur scheinbar lässigen Haltung in die Armbeuge und ging auf den Wagen zu. Das Fenster wurde heruntergelassen, als sie noch zwei Schritte davon entfernt war.

Ein sehr blasses, sehr erschrockenes Gesicht blickte zu ihr auf.

»Gott sei Dank, Sie sind ein Mensch«, sagte der junge Mann.

Charity hatte selten eine solche Erleichterung in der Stimme eines Menschen gehört.

»Sollten wir etwas anderes sein?« fragte sie verwirrt.

Der Fahrer des Trans-Am antwortete nicht darauf, sondern öffnete die Tür und stieg umständlich aus dem Wagen. Seine Bewegungen wirkten erschöpft, und Charity sah erst jetzt, dass er eine völlig zerfetzte Uniform trug. Über seiner rechten Hüfte war ein großer, kaum eingetrockneter Blutfleck. Sein Blick flackerte.

Er schien halb verrückt vor Angst zu sein.

»Wer sind Sie?« fragte Charity noch. »Und was ist passiert?«

»Harker«, antwortete der Soldat. »Sergeant Jonathan Harker, 7. Panzerbataillon. Und wahrscheinlich der einzige, der noch lebt.« Er begann nervös auf der Stelle zu treten und sah sich immer wieder um, als fürchte er, die Fremden könnten jeden Moment hinter ihm aus dem Boden wachsen. »Ich habe Ihren Hubschrauber gesehen und gehofft, dass Sie landen«, fuhr er fort. »Und Gott sei Dank haben Sie es getan. Ich habe kaum noch Benzin. Bitte - Sie müssen mir helfen! Sie töten uns. Ich... ich glaube nicht, dass einer der anderen noch lebt. Ich bin nur entkommen, weil... weil ich dieses Ding hier gefunden habe.« Er deutete auf den Trans-Am. »Aber sie sind hinter mir her.« Charity verbiss sich die Frage, wieso der Trans-Am überhaupt noch fuhr.

»Sie können ein paar Gallonen Benzin von uns haben«, sagte Mike, der mittlerweile ebenfalls herangekommen war. »Aber jetzt erzählen Sie erst einmal, was überhaupt passiert ist, Mann. Sie wurden angegriffen?«

»Angegriffen?« Harker kreischte fast. »Sie haben uns aufgerieben! Ich ... ich habe nie so etwas erlebt. Es ... es müssen Millionen sein. Und es werden immer mehr. O Gott, sie ... sie vernichten alles. Sie töten jeden, den sie sehen.«

Mike wollte Harker erneut unterbrechen, aber Charity warf ihm einen raschen, warnenden Blick zu.

Sie spürte, dass der junge Soldat ganz kurz vor dem Zusammenbruch stand. Ein falsches Wort, und sie würden überhaupt nichts mehr erfahren.

»Jetzt beruhigen Sie sich erst einmal, John«, sagte sie. »Im Moment sind Sie nicht in Gefahr.« Sie deutete auf den Helikopter.

»Wir sind den ganzen Morgen über geflogen, ohne auch nur einen einzigen Außerirdischen zu sehen.«

»Sie kommen«, beharrte Harker.

»Das mag ja sein«, sagte Charity, eine Spur härter. »Aber nicht jetzt. Sie werden sich jetzt verdammt noch mal beruhigen und uns dann erzählen, was passiert ist.«

Mike verdrehte ungeduldig die Augen, aber Charity machte abermals eine warnende Geste. Harker war halb verrückt vor Angst.

Sie konnten schon froh sein, wenn er überhaupt sprach.

Harkers Augen waren voller Panik, aber er beruhigte sich tatsächlich ein wenig.

Trotzdem dauerte es noch fast fünf Minuten, ehe er sich wieder so weit in der Gewalt hatte, mit dem geforderten Bericht zu beginnen.

»Wir waren drüben in Colinsville stationiert«, begann er, »als das Licht ausging. Ein kleines Kaff, vielleicht fünfzig Meilen von hier. Kein Mensch wusste, was überhaupt passiert war, verstehen Sie? Zuerst dachten wir, dass die Bomben gefallen wären, aber nach und nach erfuhren wir dann die Wahrheit. Viele sind einfach abgehauen. Desertiert, verstehen Sie? Wollten nach Hause zu ihren Familien.«

»Und dann kamen die Fremden?« fragte sie behutsam.

Harker schüttelte den Kopf. »Nicht gleich. Zuerst war alles friedlich. Wir hörten von Kämpfen, weiter im Osten und im Norden, aber bei uns ... tat sich nichts. Es sieht so aus, als würden sie nur das Militär angreifen. Flughäfen, Basen, die Magazine der Nationalgarde ...«

Harker trat nervös von einem Fuß auf den anderen. Sein Blick irrte zwischen dem Hubschrauber und den Hügeln im Norden hin und her. Er war ein Kind, dachte Charity, halb mitleidig, halb verärgert. Man sollte Kinder nicht in Uniformen stecken und dann von ihnen erwarten, die Arbeit von Männern zu tun.

»Haben Sie ... eine Zigarette?« fragte Harker plötzlich. Charity schüttelte den Kopf, aber Mike griff in die Jackentasche und förderte ein noch nicht angebrochenes Päckchen Marlboro zutage.

»Behalten Sie sie«, sagte er. »Aber seien Sie sparsam. So etwas wird heute nicht mehr hergestellt. Vorkriegsware.«

Harker lächelte pflichtschuldig, griff nach den Zigaretten und senkte die andere Hand in die Tasche, um ein Feuerzeug herauszuziehen.

Wenigstens war es das, was Charity glaubte.

Aber er zog kein Feuerzeug hervor, sondern eine Pistole, und er griff auch nicht nach der Zigarettenpackung, sondern nach Mikes Handgelenk, schnell und hart und mit einem Male gar nicht mehr nervös, sondern mit solcher Kraft, dass Mikes instinktive Abwehrbewegung zu spät kam. Mike schrie auf, brach in die Knie, als Harker seinen Arm rasch und brutal verdrehte, und versuchte vergeblich, seinen Griff zu sprengen.

Charity ließ sich einfach zur Seite fallen, kam mit einer blitzschnellen Rolle wieder auf die Füße und federte auf Harker zu.

Ein Schuss krachte. Zehn Zentimeter vor Charitys Füßen spritzte der Sand auf, und sie erstarrte mitten in der Bewegung. Ganz langsam hob sie die Hände, starrte Harker einen Moment lang fassungslos an und drehte sich dann ganz langsam zur Seite.

Es war nicht Harker, der geschossen hatte. Der Kofferraum des Trans-Am hatte sich geöffnet, und zum Vorschein kam ein grün uniformierter GI, dessen Mio-Gewehr drohend auf Charitys Magen wies. Sie konnte sein Gesicht nicht genau erkennen, aber sie war ziemlich sicher, dass der nächste Schuss nicht nur den Sand vor ihr treffen würde.

»Sehr gut«, sagte eine Stimme auf der anderen Seite des Wagens.

Vorsichtig, um den Mann mit dem Gewehr - und vor allem seinen Zeigefinger - nicht noch nervöser zu machen, als er ohnehin schon war, drehte sie sich herum und erkannte einen dritten Uniformierten, der sich ohne sichtbare Hast hinter dem Wagen aufrichtete. Auch in seiner Hand lag eine Pistole, aber er hielt die Waffe sehr nachlässig.

Charity fragte sich, wo er hergekommen war. Der Kofferraum des Trans-Am war nicht groß genug, gleich zwei Männer zu verstecken.

Er musste hinter den Sitzen gelegen haben. In Gedanken verfluchte sie sich für ihren eigenen Leichtsinn, sich den Wagen nicht genauer angesehen zu haben.

»Gut, dass Sie vernünftig sind, Captain«, sagte der Mann, während er langsam um den Wagen herum auf sie zukam. »Wenn Sie es auch bleiben, werden wir uns sicher verstehen. Wenn nicht, wird Mark Sie erschießen. Klar?«

Charity nickte. »Klar«, sagte sie gepresst. Jetzt, als er näher kam, sah sie, dass er die Uniform eines Generals trug. »Wer sind Sie?« fragte sie. »Barton?«

»General Barton, um genau zu sein, Captain. Aber sonst stimmt es.« Barton wandte sich an den Jungen, der Mike überwältigt hatte.

»Sie kommen klar, Harker?«

Harker lächelte wortlos.

Der Mann mit dem Gewehr kletterte umständlich aus dem Kofferraum des Wagens heraus, ohne sie allerdings dabei auch nur eine halbe Sekunde aus dem Visier zu lassen, und Barton richtete seine Pistole auf Mike.

»Lassen Sie ihn los, Harker«, befahl er. »Aber vorsichtig.«

Harker gehorchte, sprang rasch einen Schritt zurück und drückte den Lauf seiner Pistole gegen Mikes Schläfe, als er sich erhob. Mike ballte hilflos die Fäuste und erstarrte zur Reglosigkeit.

»Verdammt, Barton, was soll das bedeuten?« fragte Charity, »Wir stehen auf derselben Seite!«

»Habe ich das Gegenteil behauptet?« fragte Barton.

»Dann nehmen Sie diese verdammte Pistole herunter!« verlangte Charity.

»Sofort«, sagte Barton. »Sobald Sie Ihre Waffe weggelegt und mir Ihr Ehrenwort als Offizier gegeben haben, keine Dummheiten zu machen.«

»Sind Sie völlig verrückt geworden?« keuchte Charity. »Wovon reden Sie überhaupt? Was soll dieser Überfall?!«

»Begreifst du es immer noch nicht?« sagte Mike leise.

»Was?« Charity funkelte ihn und Barton abwechselnd an.

»Sie wollen den Hubschrauber«, sagte Mike. »Nicht wahr, General?«

Barton nickte. Er lächelte noch immer.

Zumindest in einem Punkt hatte Harker die Wahrheit gesagt, dachte Charity wütend - Colinsville war ein Kaff, ein Nest, das normalerweise wahrscheinlich nicht einmal tausend Einwohner hatte und die Bezeichnung Ortschaft nur mit sehr viel gutem Willen verdiente. Aber immerhin - es hatte ein eigenes Gefängnis, das nur aus einem einzigen, großen Raum bestand, der von einem Gitter aus daumendicken Eisenstäben in zwei gleichgroße Hälften geteilt wurde. Barton war sogar zuvorkommend genug gewesen, Mike und ihr Einzelzimmer zuzuweisen: Sie war in die rechte und er in die linke der beiden Gitterkäfige gesperrt worden.

Seither waren fünf oder sechs Stunden vergangen. Gegen Mittag war einer von Bartons Männern gekommen und hatte ihr und Mike einen Becher mit kaltem Tee und ein paar lieblos geschmierte Sandwiches durch das Gitter gereicht, während ein zweiter GI mit entsichertem Gewehr dabeistand und aufpaßte, dass sie nicht versuchten, durch die Gitterstäbe zu schlüpfen oder ihn mit dem Sandwich zu erschlagen. Zwei weitere Bewaffnete hielten draußen auf dem Gang Wache.

Charity bewegte sich unruhig auf dem harten Bett. Sie hatte versucht, es Mike gleichzutun und die Zeit wenigstens zu nutzen, um zu schlafen, aber sie konnte es nicht. Der Gedanke, dass ihre Reise nach allem hier enden sollte, trieb sie fast zur Raserei. Und sie verzieh es sich einfach nicht, sich auf so plumpe Art von Barton und Harker überrumpelt haben zu lassen. Sie mussten hier heraus, ganz egal, wie!

Das Geräusch eines Schlüssels, der im Schloss gedreht wurde, riss sie aus finsteren Überlegungen. Sie sah auf, stemmte sich gemächlich auf die Ellenbogen hoch und stand mit einem Ruck auf, als sie Barton erkannte.

Er hatte sich verändert, und es war keine Veränderung, die Charity gefiel. Barton hatte seine Generalsuniform gegen einen schmucklosen Kampfanzug getauscht, und sein Gesicht war zum Teil mit Ruß geschwärzt. Über seiner rechten Schulter hing eine Maschinenpistole; drei Handgranaten baumelten von seinem Gürtel herab.

Charity zog die linke Augenbraue hoch. »Wollen Sie Krieg spielen, General?« fragte sie spöttisch.

»Nein«, antwortete Barton gelassen. »Ich werde das tun, was Sie und all diese anderen Idioten im Pentagon versäumt haben, Captain. Ich sprenge diese verdammten Aliens dorthin zurück, wo sie hergekommen sind.«

»Ich fürchte nur, dazu brauchen Sie mehr als drei Handgranaten«, sagte Mike.

Charity hatte nicht einmal gehört, dass er aufgestanden war.

Wütend trat er an das Gitter heran und schloss die Hände um die rostigen Stäbe. Barton wich einen halben Schritt zurück, obwohl er nicht einmal in Mikes Reichweite war.

»Das haben wir, Lieutenant, das haben wir«, versicherte er. »Wir sind nicht ganz so wehrlos, wie diese Biester glauben.« Er legte den Kopf auf die Seite, als lausche er, und deutete zum Fenster. »Hören Sie das?«

Charity konzentrierte sich einen Moment, und sie hörte tatsächlich etwas - sehr weit entfernt, aber eindeutig: das Geräusch eines schweren Dieselmotors, der langsam auf Touren kam.

Barton lächelte triumphierend. »Sie hören recht, Captain. Ich habe ein paar begabte Techniker unter meinen Jungs. Dieses Pack wird sich wundern, wenn es in die Läufe unserer Panzer blickt. Aber nicht lange.«

»Panzer?« Es gelang Mike nicht ganz, seine Überraschung zu verbergen, was den Ausdruck von Triumph auf Bartons Gesicht noch verstärkte.

»Nicht sehr viele«, gestand er. »Und auch nicht unbedingt die neuesten Modelle. Aber genug, um mit ein paar größenwahnsinnigen Ameisen fertig zu werden, glauben Sie mir.«

»Sie sind ja verrückt«, sagte Mike. »Sie werden nicht einmal in ihre Nähe kommen!«

»O doch«, widersprach Barton. »Nicht zuletzt wegen Ihres Hubschraubers. Wir wissen jetzt wenigstens genau, wo sie sind. Und wie viele es sind. In ein paar Stunden ist der ganze Spuk vorbei.«

»Und Sie lassen uns frei und geben uns den Helikopter zurück«, sagte Charity.

Barton zog eine Grimasse. »Seien Sie nicht albern, Captain Laird. Ich werde ... über Ihre Freilassung nachdenken, sobald ich zurück bin, aber der Helikopter ...« Er seufzte und breitete in einer entschuldigenden Geste die Hände aus. »Ich fürchte, wir brauchen ihn ein wenig dringender als Sie.«

»Das glaube ich nicht«, sagte Mike, mühsam beherrscht. »Wir fliegen nicht zu unserem Privatvergnügen durch die Gegend, General. Wir ...«

»Ich weiß«, unterbrach ihn Barton hart. Plötzlich klang seine Stimme verändert.

»Halten Sie mich für einen Idioten, Wollthorpe?« fragte er scharf. »Verdammt, ich weiß genau, wer Sie sind. Und ich kann mir ganz gut denken, warum Sie unterwegs sind. Wahrscheinlich werden die Dienste von euch unersetzlichen Raumfahrern irgendwo ganz dringend gebraucht. Doch wozu? Um die Idioten, die für diesen Schlamassel hier verantwortlich sind, in Sicherheit zu bringen?«

Er lachte schrill. »Tut mir leid, Lieutenant, da spiele ich nicht mit.«

»Diese Idioten, General«, sagte Charity vorsichtig, »sind die gleichen Leute, denen Sie den Treueid geleistet haben.«

»Unsinn!« widersprach Barton. »Ich habe diesem Land die Treue geschworen. Ich habe geschworen, es mit meinem Leben zu verteidigen, und genau das werde ich tun.« Wütend trat er dichter an das Gitter heran und deutete mit einem anklagend ausgestreckten Zeigefinger auf Mike und sie. »Sie«, sagte er, »haben ihre Chance gehabt, Captain. Sie hätten dieses verdammte Ding in die Luft sprengen sollen, solange sie es noch konnten! Statt dessen habt ihr es hierher geholt! Ihr ...« Er brach ab, biss sich auf die Unterlippe und ballte die Fäuste.

Dann beruhigte er sich so schnell wieder, wie er in Zorn geraten war.

»Sie hatten Ihre Chance«, sagte er noch einmal.

Charity starrte ihn betroffen an. »Glauben Sie das wirklich?« fragte sie. »Dass wir sie geholt haben?«

»Jedenfalls haben Sie nichts getan, um sie fernzuhalten«, antwortete Barton. »Sie hatten alle Möglichkeiten dazu, oder nicht? Sie hätten dieses Ding in den Kosmos sprengen können, mit ihrem Schiff. Aber Sie haben nichts getan.«

Mike seufzte. »Niemand wusste, was passieren würde«, sagte er.

In Bartons Augen blitzte es auf. »O doch«, widersprach er heftig. »Ich wusste es und andere auch. Ich habe versucht, diese Narren im Generalstab zu warnen, aber sie haben nicht auf mich gehört.« Er lachte bitter. »Sie haben mich ausgelacht, diese Narren, und auf die großen Brüder aus dem Weltraum gewartet. Und jetzt sind sie da.«

»Und Sie glauben wirklich, sie vertreiben zu können?« fragte Charity. »Mit einem Hubschrauberwrack und ein paar alten Panzern?«

Einen Moment lang schien Bartons Selbstsicherheit wirklich erschüttert. Dann schüttelte er trotzig den Kopf. »Natürlich nicht«, sagte er. »Aber ich kann tun, wofür ich bezahlt werde. Ich kann mich wehren. Und ich bin nicht der einzige. Wir werden mit ihnen fertig, auch ohne eure Hilfe.«

»Was Sie tun, ist glatte Befehlsverweigerung, General«, sagte Charity. »Ist Ihnen das klar?«

Barton lachte. »Befehl?« wiederholte er. »Wessen Befehl, Captain? Sie haben mir nichts zu befehlen.« Er deutete mit einer Kopfbewegung auf ihre Uniform. »Ich gehöre zur Army, nicht zur Space Force.«

Charity schüttelte den Kopf. »Aber Sie unterstehen ebenso dem Präsidenten.«

Barton wurde merklich unsicher. Eine halbe Minute lang starrte er sie nur an, und sie konnte regelrecht sehen, wie es hinter seiner Stirn arbeitete. Und wenn es ihr gelungen wäre, in diesem Moment die richtigen Worte zu finden, hätte sie ihn sogar zur Vernunft bringen können.

Aber sie fand sie nicht, und der Moment verstrich ungenutzt.

Nach ein paar Sekunden schüttelte Barton abermals den Kopf. »Ich weiß nicht, ob Sie die Wahrheit sagen oder nicht, Captain«, sagte er. »Aber wahrscheinlich stimmt es sogar. Sie sind unterwegs zu Ihrem Schiff, nicht wahr?«

Charity nickte. Es brachte nichts ein, Barton zu belügen.

»Ein Präsident, der sein Volk im Stich lässt, verdient keine Loyalität«, erklärte Barton.

»Das ist doch Unsinn«, widersprach Charity sanft. »Niemand spricht davon, irgend jemanden im Stich zu lassen, General. Aber Lieutenant Wollthorpe und ich sind wahrscheinlich die einzigen, die das Raumschiff fliegen können. Und wir brauchen es. Mit einem einzigen Schiff wie der CONQUEROR können wir tausendmal so viel ausrichten wie Sie mit Ihren Soldaten. Vielleicht... können wir sogar das Mutterschiff zerstören.«

Barton presste die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen.

»Wieso sollte Ihnen jetzt gelingen, was Sie vorher nicht konnten?« fragte er misstrauisch.

»Weil sie nicht damit rechnen«, antwortete Mike an Charitys Stelle. »Es ist eine Chance, General. Sie können nicht wissen, dass das Schiff noch einsatzfähig ist.«

Barton überlegte einen Moment. »Der Versuch war es wert, Lieutenant«, sagte er dann. »Aber trotzdem - nein. Vielleicht lasse ich Sie frei, wenn wir zurück sind. Vielleicht gebe ich Ihnen sogar einen Wagen.« Er grinste. »Sie sollten mir Glück wünschen.«

Mikes Miene verdüsterte sich. »Wollen Sie wirklich wissen, was ich Ihnen wünsche, General?« fragte er.

Barton blickte ihn einen Moment lang mit steinerner Miene an.

Dann schüttelte er den Kopf, wandte sich wortlos um und verließ die Zelle. Sie erfuhren nicht einmal, warum er überhaupt gekommen war.

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