«Ich schlafe nicht mehr so gut wie ehedem«, erklärte Grand Maester Pycelle ihm als Entschuldigung für ihr frühes Treffen in der Morgendämmerung.»Dann stehe ich lieber auf, obwohl es noch dunkel ist, anstatt ruhelos dazuliegen und über unerledigte Arbeiten zu grübeln«, fügte er hinzu, wenngleich er mit seinen schweren Lidern sehr verschlafen wirkte.
In den hellen Gemächern unter dem Rabenschlag servierte ihnen sein Zimmermädchen gekochte Eier, Pflaumenkompott und Haferbrei, derweil Pycelle mit Belehrungen dienlich war.»In diesen traurigen Zeiten, da so viele Hunger leiden, halte ich es für angemessen, meinen Tisch karg zu decken.«
«Löblich«, befand Tyrion und schlug ein großes braunes Ei auf, daß ihn an Grand Maesters kahlen, gefleckten Schädel erinnerte.»Ich sehe das anders. Solange es etwas zu essen gibt, tue ich mich gütlich daran, denn morgen könnte es damit schon vorbei sein. «Er lächelte.»Sagt mir, sind Eure Raben ebenfalls Frühaufsteher?«
Pycelle strich sich über den schneeweißen Bart, der ihm bis auf die Brust fiel.»Gewiß doch. Soll ich nach dem Frühstück Feder und Tinte bringen lassen?«
«Nicht notwendig. «Tyrion legte die Briefe neben dem Haferbrei auf den Tisch, zwei gleiche Pergamente, die zusammengerollt und an beiden Enden mit Wachs versiegelt waren.»Schickt nur das Mädchen hinaus, so daß wir ungestört sprechen können.«
«Laß uns allein, Kind«, befahl Pycelle. Die Dienerin eilte hinaus.»Also, diese Briefe…«
«… sind allein für die Augen von Doran Martell, Prinz von Dorne bestimmt. «Tyrion pellte sein Ei und biß davon ab. Es schrie nach Salz.»Ein Brief, in zwei Abschriften. Schickt Eure schnellsten Vögel. Die Angelegenheit ist von äußerster Dringlichkeit.«
«Ich werde sie fliegen lassen, sobald wir gespeist haben.«
«Nein, sofort. Dem Pflaumenkompott droht keine unmittelbare Gefahr. Dem Reich dagegen doch. Lord Renly führt sein Heer über die Roseroad, und niemand kann wissen, wann Lord Stannis von Dragonstone aus in See sticht.«
Pycelle blinzelte.»Wenn Mylord es wünscht — «
«Ja, er wünscht es.«
«Ich bin hier, um zu dienen. «Der Maester erhob sich schwerfällig, seine Amtskette klingelte leise. Das schwere Ding bestand aus einem Dutzend Maesterketten, die miteinander verflochten und mit Edelsteinen verziert waren. Tyrion hatte den Eindruck, Gold, Silber und Platin seien weitaus häufiger vertreten als die unedleren Metalle.
Pycelle bewegte sich sehr langsam, und so hatte Tyrion Zeit, sein Ei aufzuessen und die Pflaumen zu kosten — zu zerkocht und wäßrig für seinen Geschmack — , ehe er das Geflatter hörte und sich erhob. Er sah den Raben, der sich schwarz vom Morgenhimmel abhob, und drehte sich rasch zu dem Labyrinth von Bücherregalen auf der anderen Seite des Raums um.
Die Arzneien des Maesters, die dort aufgereiht waren, beeindruckten ihn; Dutzende wachsversiegelter Töpfchen, Hunderte mit Korken verschlossener Phiolen und ebenso viele Fläschchen aus Milchglas, dazu eine endlose Anzahl von Gefäßen mit getrockneten Kräutern, von denen Pycelle jedes einzelne feinsäuberlich beschriftet hatte. Eine ordnungsliebende Seele, dachte sich Tyrion, und tatsächlich, nachdem man das System einmal durchschaut hatte, war leicht zu erkennen, daß jedes Mittel seinen Platz hatte. Und so interessante Sachen. Er entdeckte Schlafsüß und Nachtschatten, Mohnblumenmilch, die Tränen von Lys, Graukäppchenpulver, Eisenhut und Dämonentanz,
Basiliskengift, Blindaug, Witwenblut…
Indem er sich auf die Zehenspitzen stellte und sich reckte, gelang es ihm, ein kleines verstaubtes Fläschchen vom obersten Brett zu holen. Er las das Etikett, lächelte und ließ das Fläschchen in seinen Ärmel gleiten.
Als Grand Maester Pycelle schließlich die Stiege herunterkam, saß Tyrion bereits wieder am Tisch und pellte ein zweites Ei.»Es ist erledigt, Mylord. «Der alte Mann setzte sich.»Eine Angelegenheit wie diese besorgt man am besten unverzüglich, gewiß, gewiß… von großer Wichtigkeit, sagtet Ihr?«
«Oh ja. «Der Haferbrei war für Tyrions Geschmack zu zäh und hätte außerdem Butter und Honig vertragen können. Sicherlich gab es heutzutage in King's Landing nur selten Butter und Honig, obwohl Lord Gyles die Burg gut versorgte. Die Hälfte der Vorräte stammte entweder von seinem oder von Lady Tandas Land. Rosby und Stokeworth lagen im Norden, nahe der Stadt, und der Krieg hatte sie bisher nicht in Mitleidenschaft gezogen.
«An den Prinzen von Dorne persönlich. Dürfte ich fragen…«
«Lieber nicht.«
«Wie Ihr meint. «Pycelle platzte fast vor Neugier, ein kleiner Stich mit einer Nadel hätte genügt.»Vielleicht… der Rat des Königs… «
Tyrion klopfte mit dem Holzlöffel an den Rand der Schüssel.»Der Rat ist allein dazu da, dem König mit Rat zur Seite zu stehen, Maester.«
«Ebendies«, erwiderte Pycelle,»und der König — «
«- ist ein dreizehnjähriger Knabe. Ich spreche an seiner Statt.«
«Das tut Ihr. Gewiß. Des Königs Rechte Hand. Dennoch… Eure gnädigste Schwester, unsere Königliche Regentin, sie…«
«… sie trägt eine schwere Bürde auf ihren lieblichen weißen Schultern. Ich wünsche nicht, daß diese Last noch schwerer wird. Ihr etwa?«Tyrion legte den Kopf schief und starrte den Grand Maester forschend an.
Pycelle richtete den Blick wieder auf sein Frühstück. Tyrions ungleiche Augen, das eine schwarz, das andere grün, wichen die Menschen am liebsten aus; er war sich dessen bewußt und bediente sich dieser Wirkung gern.»Ach«, murmelte der alte Maester in seine Pflaumen,»zweifellos habt Ihr recht, Mylord. Es ist sehr rücksichtsvoll von Euch, ihr… diese Bürde… zu ersparen.«
«So bin ich eben. «Tyrion wandte sich wieder seinem faden Haferbrei zu.»Rücksichtsvoll. Immerhin ist Cersei meine Schwester.«
«Und zudem eine Frau«, fügte Grand Maester Pycelle hinzu.»Eine höchst ungewöhnliche Frau, und dennoch… es ist keine Kleinigkeit, sich aller Probleme des Reiches anzunehmen, vor allem, wenn man die Zartheit ihres Geschlechts bedenkt.«
O ja, sie ist eine zarte Taube, fragt nur Eddard Stark.»Es freut mich, daß Ihr meine Sorgen teilt. Und ich möchte mich für Eure Gastfreundschaft bedanken. «Er schwang die Beine herum und kletterte von seinem Stuhl.»Seid so gut und teilt mir unverzüglich mit, sobald eine Antwort aus Dorne eintrifft.«
«Wie Ihr wünscht, Mylord.«
«Und nur mir!«
«Äh… gewiß. «Pycelles altersfleckige Hand umklammerte seinen Bart wie ein Ertrinkender ein Tau. Der Anblick erfreute Tyrions Herz. Erster Streich, dachte er.
Er watschelte hinunter in den unteren Hof; seine verkümmerten Beine beschwerten sich über jede Stufe. Die Sonne stand inzwischen höher, und die Burg erwachte zum Leben. Auf den Mauern patrouillierten Gardisten; im Hof übten sich Ritter und ihre Männer mit stumpfen Waffen im
Kampfe. Ganz in der Nähe saß Bronn auf einem Brunnenrand. Zwei hübsche Mägde schlenderten vorbei und trugen zwischen sich einen Korb mit Binsen, doch der Söldner würdigte sie keines Blickes.»Bronn, an dir werde ich noch verzweifeln. «Tyrion deutete auf die jungen Frauen.»Da hast du zwei so liebreizende Wesen vor der Nase, und du hast allein Augen für einen Haufen Rüpel, die einen Riesenlärm veranstalten.«
«In dieser Stadt gibt es hundert Hurenhäuser, und mit einem einzigen Kupferstück kaufe ich mir jede Frau, die ich will«, antwortete Bronn,»aber eines Tages könnte mein Leben davon abhängen, wie genau ich Eure Rüpel beobachtet habe. «Er erhob sich.»Wer ist der Junge in dem blaukarierten Überwurf, mit den drei Augen auf dem Schild?«
«Irgendein landloser Ritter. Tallad nennt er sich. Wieso?«
Bronn strich sich eine Haarsträhne aus der Stirn.»Er ist der beste von ihnen. Aber seht ihn Euch an, er verfällt immer in einen bestimmten Rhythmus, teilt seine Hiebe bei jedem Angriff stets in der gleichen Reihenfolge aus. «Er grinste.»Das wird sein Tod sein, wenn er eines Tages mir gegenübersteht.«
«Er hat Joffrey den Treueeid geleistet; daher wirst du wohl kaum je gegen ihn kämpfen. «Sie überquerten den Hof, wobei Bronn seine langen Schritte den kurzen Tyrions anpaßte. In letzter Zeit wirkte der Söldner fast respektabel. Sein dunkles Haar war gewaschen und gekämmt, er hatte sich rasiert und trug den schwarzen Brustpanzer eines Offiziers der Stadtwache. Über die Schultern hing ihm ein Umhang im Purpurrot der Lannisters, der mit goldenen Händen gemustert war. Tyrion hatte ihm den Mantel geschenkt, als er ihn zum Hauptmann seiner persönlichen Leibgarde ernannte.»Wie viele Bittsteller sind es heute?«
«Ungefähr dreißig«, antwortete Bronn.»Die meisten wollen sich beschweren oder etwas von Euch erbetteln, wie immer. Euer Liebling war auch wieder da.«
Tyrion stöhnte.»Lady Tanda?«
«Ihr Page. Sie lädt Euch abermals zum Essen ein. Es gibt Hirschkeule, läßt sie ausrichten, gefüllte Gans mit Maulbeeren und — «
«- und ihre Tochter«, beendete Tyrion den Satz säuerlich. Seit dem Augenblick, als er im Red Keep eingetroffen war, pirschte sich Lady Tanda, bewaffnet mit einem endlosen Arsenal von Neunaugenpasteten, Wildschein und köstlichen Sahnesuppen, an ihn heran. Anscheinend hatte sie sich in die Vorstellung verrannt, daß ein zwergenhafter Lord der geeignete Gemahl für ihre Tochter Lollys wäre, ein großes, dickes Mädchen mit schwachem Verstand, das Gerüchten zufolge mit dreiunddreißig Jahren noch Jungfrau war.»Überbring ihr mein Bedauern.«
«Keine Lust auf gefüllte Gans?«Bronn grinste hinterhältig.
«Vielleicht solltest du die Gans essen und die Jungfrau ehelichen. Oder noch besser, schick Shagga.«
«Shagga würde vermutlich eher das Mädchen fressen und die Gans heiraten«, entgegnete Bronn.»Jedenfalls übertrifft Lollys ihn an Gewicht.«
«Das stimmt«, stimmte Tyrion zu, während sie einen überdachten Gang zwischen zwei Türmen entlangschritten.»Wer hat sich sonst noch angemeldet?«
Der Söldner wurde ernst.»Ein Geldverleiher aus Braavos, der einen Haufen Papiere in der Hand hält und den König wegen der Rückzahlung eines Darlehens sprechen will.«
«Als ob Joffrey weiter als bis zwanzig zählen könnte. Schick den Mann zu Littlefinger, der schafft es immer, sich herauszureden. Weiter?«
«Ein kleiner Lord vom Trident, der behauptet, die Männer Eures Vaters hätten seine Burg niedergebrannt, seine Frau geschändet und alle seine Bauern ermordet.«
«Ich glaube, das nennt man Krieg. «Das roch nach Gregor Cleganes Werk, dem von Ser Armory Lorch oder eines anderen der Höllenhunde seines Vaters, dem Qohorik.»Was will er von Joffrey?«
«Neue Bauern«, sagte Bronn.»Er ist den weiten Weg gelaufen, um seine Loyalität zu beteuern und um Entschädigung zu betteln.«
«Ich werde mir morgen Zeit für ihn nehmen. «Ob er nun wirklich ein treuergebener Mann war oder nur verzweifelt, ein willfähriger Flußlord könnte durchaus von Nutzen sein.»Kümmere dich darum, daß er ein bequemes Zimmer und eine warme Mahlzeit erhält. Schick ihm auch ein Paar neue Stiefel, und zwar gute, im Namen von König Joffrey. «Ein wenig Großzügigkeit konnte nicht schaden.
Bronn nickte knapp.»Außerdem hat sich eine Bande Bäcker, Fleischer und Gemüsehändler versammelt, die von Euch angehört werden wollen.«
«Ich habe ihnen doch schon letztes Mal erklärt, ich könne ihnen nicht helfen. «Nach King's Landing gelangten nur wenige Lebensmittel, von denen die meisten für die Burg und die Kasernen bestimmt waren. Die Preise für Gemüse, Rüben, Getreide und Obst waren ins Unermeßliche gestiegen, und Tyrion mochte sich gar nicht vorstellen, was für Fleisch zur Zeit in den Kesseln der Essensstände unten in Flea Bottom schmorte. Fisch, hoffte er. Schließlich waren ihnen der Fluß und das Meer geblieben… zumindest, bis Lord Stannis in See stach.
«Sie wollen Schutz. Letzte Nacht wurde ein Bäcker in seinem eigenen Ofen geröstet. Der Mob behauptete, er habe zuviel für sein Brot verlangt.«
«Und, hat er?«
«Er kann sich dazu nicht mehr äußern.«
«Aber sie haben ihn nicht verspeist, oder?«
«Davon ist mir wenigstens nichts zu Ohren gekommen.«
«Beim nächsten werden sie es vermutlich tun«, sagte Tyrion grimmig.»Ich werde ihnen soviel Schutz geben, wie ich vermag. Die Goldröcke — «
«Sie behaupten, die Goldröcke hätten sich der Menge angeschlossen«, erklärte Bronn.»Deshalb verlangen sie jetzt, mit dem König selbst zu sprechen.«
«Narren. «Tyrion würde sie fortschicken und ihnen sein größtes Bedauern versichern; sein Neffe dagegen würde sie mit Peitschen und Piken verjagen lassen. Halb war er versucht, ihnen die Erlaubnis zu erteilen… aber nein, das durfte er nicht wagen. Früher oder später würde eines der feindlichen Heere von King's Landing aufmarschieren, und dann wollte er keine willigen Verräter innerhalb der Stadtmauern wissen.»Sag ihnen, König Joffrey teile ihre Befürchtungen und werde alles in seiner Macht Stehende für sie tun.«
«Sie wollen Brot, keine Versprechungen.«
«Wenn ich ihnen heute Brot gebe, versammeln sich morgen doppelt so viele am Tor. Wer noch?«
«Ein schwarzer Bruder von der Mauer. Der Haushofmeister sagt, er habe eine verweste Hand in einem Gefäß mitgebracht.«
Tyrion lächelte matt.»Es überrascht mich, daß die noch niemand gegessen hat. Vermutlich sollte ich ihn empfangen. Es ist nicht zufällig Yoren?«
«Nein. Ein Ritter. Thorne.«
«Ser Allister Thorne?«Von allen schwarzen Brüdern, die Tyrion Lannister auf der Mauer kennengelernt hatte, konnte er Ser Allister Thorne am wenigsten leiden. Ein verbitterter, übelgelaunter Mann, der seinen eigenen Wert überschätzte.»Ich habe es mir überlegt. Eigentlich will ich Ser Allister im Augenblick nicht sehen. Such eine gemütliche Zelle für ihn, wo man die Binsen seit einem Jahr nicht gewechselt hat. Soll
diese Hand ruhig noch ein bißchen mehr verrotten.«
Bronn lachte und ging seines Weges, derweil Tyrion die serpentinenartige Treppe hinaufstieg. Während er über den äußeren Hof humpelte, hörte er, wie das Fallgitter rasselnd hochgezogen wurde. Seine Schwester und eine große Reiterschar warteten vor dem Haupttor.
Auf ihrem weißen Zelter thronte Cersei hoch über ihm, eine Göttin in Grün.»Bruder!«rief sie ihm zu, und nicht in herzlichem Ton. Der Königin hatte es nicht gefallen, auf welche Weise er mit Janos Slynt verfahren war.
«Euer Gnaden. «Tyrion verneigte sich höflich.»Ihr seht heute morgen bezaubernd aus. «Ihre Krone war golden, ihr Mantel aus Hermelin. Ihr berittenes Gefolge wartete hinter ihr: Ser Boros Blount von der Königsgarde, der einen weißen Schuppenpanzer am Leib und seine finstere Lieblingsmiene im Gesicht trug; Ser Balon Swann, der seinen Bogen an den mit Silber beschlagenen Sattel gehängt hatte; Lord Gyles Rosby, dessen röchelnder Husten schlimmer klang als je zuvor; Hallyne, der Pyromantiker aus der Alchimistengilde; und der neueste Liebling der Königin, ihr Vetter Ser Lancel Lannister, ein Knappe ihres verstorbenen Gemahls, der auf ihr Betreiben hin zum Ritter aufgestiegen war. Vylarr und zwanzig Gardisten bildeten die Eskorte.»Wohin wollt Ihr heute, Schwester?«fragte Tyrion.
«Ich werde eine Runde an der Stadtmauer machen und die Arbeiten an den Befestigungsanlagen in Augenschein nehmen. Ich will nicht den Anschein erwecken, daß jeder von uns der Verteidigung der Stadt so gleichgültig gegenübersteht wie Ihr. «Cersei fixierte ihn mit ihren grünen Augen, die selbst mit dem verächtlichen Blick wunderschön aussahen.»Man hat mir mitgeteilt, daß Renly Baratheon von Highgarden aufgebrochen ist. Er marschiert mit seiner ganzen Streitmacht die Roseroad entlang.«»Varys hat mir dasselbe berichtet.«»Er könnte bis Vollmond hier eingetroffen sein.«»Nicht, wenn er so gemächlich weiterzieht«, versicherte Tyrion ihr.»Er tafelt jeden Abend in einer anderen Burg und hält an jeder Kreuzung hof.«
«Und jeden Tag scharen sich mehr Männer unter seinem Banner. Sein Heer soll bereits hunderttausend Kämpfer zählen.«»Das erscheint mir ein wenig zu hoch gegriffen.«»Er hat die ganze Armee von Storm's End und Highgarden hinter sich, kleiner Narr!«fauchte ihn Cersei von oben an und verfiel in das vertrauliche Du, das sie für gewöhnlich nur benutzten, wenn sie unter sich waren.»Alle Vasallen der Tyrells, außer den Redwynes, und für diese darfst du dich bei mir bedanken. Solange sich diese beiden gräßlichen Zwillinge in meiner Hand befinden, wird Lord Paxter auf dem Arbor hocken bleiben und sich glücklich schätzen, weit von dem Geschehen entfernt zu sein.«
«Zu schade nur, daß dir der Ritter der Blumen durch die Finger geglitten ist. Aber wir sind nicht Renlys einzige Sorge. Da wäre noch unser Vater auf Harrenhal, Robb Stark auf Riverrun… wäre ich an seiner Stelle, würde ich das gleiche tun. Vormarschieren und dem Reich meine Macht zeigen, beobachten und abwarten. Sollen sich die Rivalen doch bekriegen, während er sich Zeit läßt. Wenn Stark uns besiegt, fällt Renly der Süden wie ein reifer Apfel der Götter in den Schoß, und er verliert nicht einen einzigen Mann. Sollte es andersherum ausgehen, kann er über uns herfallen, während wir geschwächt sind.«
Dieser Gedanke beschwichtigte Cersei keineswegs.»Ich möchte, daß du Vater dazu bringst, seine Armee nach King's Landing zu führen.«
Wo sie keinen anderen Zweck erfüllt, als dir ein Gefühl der Sicherheit zu geben.»Wann war ich je in der Lage, Vater zu irgend etwas zu bringen?«
Sie überging die Frage.»Und wann planst du, Jaime zu
befreien? Er ist soviel wert wie hundert von deiner Sorte.«
Tyrion grinste schief.»Erzähle das nur nicht Lady Stark, ich flehe dich an. Wir haben keine hundert von meiner Sorte, um diesen Tausch zu tätigen.«
«Vater muß verrückt gewesen sein, dich hierher zu schicken. Du bist vollkommen nutzlos. «Die Königin riß an den Zügeln und wendete ihren Zelter. Im raschen Trab ritt sie durch das Tor, und der Hermelinmantel wehte hinter ihr her. Ihr Gefolge eilte ihr nach.
Tatsächlich ängstigte Renly Baratheon Tyrion nicht halb sosehr wie sein Bruder Stannis. Renly war beim einfachen Volk beliebt, aber er hatte noch nie zuvor Männer in den Krieg geführt. Stannis dagegen war hart, kalt und unergründlich. Wenn sie doch nur wüßten, was auf Dragonstone vor sich ging… doch keiner der Fischer, die er bezahlt hatte, um die Insel auszuspionieren, war je zurückgekehrt, und sogar die Spitzel, die der Eunuch in Stannis' Haushalt untergebracht hatte, hüllten sich in bedrohliches Schweigen. Statt dessen waren die gestreiften Rümpfe der Kriegsgaleeren aus Lys vor der Küste gesichtet worden, und Varys hatte aus Myr Berichte erhalten, denen zufolge viele Kapitäne in die Dienste von Dragonstone getreten waren. Sollte Stannis von See her angreifen, während sein Bruder Renly die Tore erstürmte, würden sie Joffreys Kopf bald auf einen Spieß stecken. Schlimmer noch, meiner würde daneben landen. Ein niederschmetternder Gedanke. Am besten schmiedete er schon einmal einen Plan, wie er Shae aus der Stadt bringen könnte, wenn es zum Schlimmsten zu kommen drohte.
Podrick Payne stand vor der Tür seines Solars und studierte den Fußboden.»Er ist drinnen«, sagte er, an Tyrions Gürtelschnalle gewandt.»In Eurem Solar, Mylord. Entschuldigt.«
Tyrion seufzte.»Sieh mich an, Pod. Es macht mich nervös, wenn du mit meinem Hosenlatz redest, vor allem, wenn ich gar keinen trage. Wer ist in meinem Solar?«
«Lord Littlefinger. «Podrick wagte einen kurzen Blick auf Tyrions Gesicht und starrte sofort wieder zu Boden.»Ich wollte sagen, Lord Petyr. Lord Baelish. Der Meister der Münze.«
«Bei dir hört es sich an, als hätte sich da drin eine Menschenmenge versammelt. «Der Junge duckte sich, als wäre er geschlagen worden, und Tyrion fühlte sich eigentümlicherweise schuldig.
Lord Petyr saß auf der Fensterbank; er trug ein elegantes pflaumenfarbenes Samtwams und einen gelben Seidenumhang, und eine seiner behandschuhten Hände ruhte auf dem Knie.»Der König kämpft mit der Armbrust gegen Hasen«, sagte er,»und die Hasen gewinnen. Kommt und seht Euch das an.«
Tyrion mußte sich auf die Zehenspitzen stellen, um einen Blick auf das Schauspiel zu erhaschen. Unten im Hof lag ein toter Hase, ein zweiter stand kurz davor, an der Verletzung durch den Bolzen, der aus seiner Seite ragte, zu verenden. Verschossene Bolzen waren über die festgestampfte Erde verstreut wie Strohhalme nach einem Sturm.»Jetzt!«schrie Joffrey. Der Wildhüter ließ den Hasen los, den er hielt, und das Tier rannte los. Joff riß an dem Auslöser der Armbrust. Der Bolzen verfehlte sein Ziel um zwei Fuß. Der Hase stellte sich auf die Hinterläufe, wandte sich dem König zu und zuckte mit der Nase. Fluchend drehte Joff die Winde, um die Sehne zu spannen, aber das Tier war verschwunden, ehe er nachgeladen hatte.»Der nächste!«Der Wildhüter griff in den Stall. Dieser Hase schoß wie ein brauner Blitz an der Mauer entlang, und Joffreys hastiger Schuß hätte Ser Preston beinahe in die Lenden getroffen.
Littlefinger drehte sich um, und in seinen Augen lachte der Schalk.»Junge, magst du eingemachten Hasen?«fragte er
Podrick Payne.
Pod starrte auf die Füße des Besuchers, hübsche Stiefel aus rotgefärbtem Leder, die mit schwarzen Spiralen verziert waren.»Zum Essen, Mylord?«
«Kauf dir Töpfe«, riet ihm Littlefinger.»Die Burg wird bald von Hasen übervölkert sein. Wir werden sie dreimal am Tag auf den Tisch bekommen.«
«Besser als Ratten am Spieß«, meinte Tyrion.»Pod, laß uns allein. Es sei denn, Lord Petyr wünscht eine Erfrischung?«
«Danke, nein. «Littlefinger lächelte spöttisch.»Trink mit dem Zwerg, heißt es, und du wachst auf der Mauer wieder auf. Schwarz betont meine ungesunde Blässe so sehr.«
Nur keine Angst, Mylord, dachte Tyrion, die Mauer ist es nicht, die ich für Euch im Sinn habe. Er setzte sich auf einen hohen Stuhl, der mit Kissen gepolstert war.»Ihr seht heute sehr elegant aus, Mylord.«
«Ihr verletzt mich. Ich bemühe mich, jeden Tag elegant auszusehen.«
«Ist das ein neues Wams?«
«Ja. Ihr seid außerordentlich aufmerksam.«
«Pflaumenblau und gelb. Sind das die Farben Eures Hauses?«
«Nein. Aber es langweilt einen am Ende, wenn man tagein, tagaus dieselben Farben trägt, finde ich.«
«Ihr habt auch ein hübsches Messer.«
«Ja?«Erneut funkelten Littlefingers Augen belustigt. Er zog das Messer und betrachtete es beiläufig, als sähe er es zum ersten Mal.»Valyri scher Stahl und ein Heft aus Drachenknochen. Ein bißchen schlicht vielleicht. Es gehört Euch, wenn Ihr möchtet.«
«Mir?«Tyrion blickte ihn lange an.»Nein, ich glaube nicht. «Er weiß Bescheid, dieser unverschämte Kerl. Er weiß
Bescheid und außerdem weiß er, daß ich Bescheid weiß. Und er glaubt, ich könne ihm nichts anhaben.
Wenn sich jemals ein Mann in Gold gerüstet hatte, dann war es Petyr Baelish, nicht Jaime Lannister. Jaimes berühmte Rüstung bestand lediglich aus vergoldetem Stahl, aber Littlefinger, nun…
Tyrion hatte eine Menge Dinge über den liebenswerten Petyr erfahren, die ihm wachsendes Unbehagen bereiteten.
Vor zehn Jahren hatte Jon Arryn Lord Petyr ein kleines Lehen überlassen, in dem dieser sich bald dadurch hervorgetan hatte, daß er die dreifache Summe an Steuern eintrieb als die anderen Vasallen des Königs. König Robert war ein Verschwender gewesen. Ein Mann wie Petyr Baelish, der die Gabe besaß, zwei Golddrachen aneinanderzureihen und damit einen dritten hervorzuzaubern, war für seine Rechte Hand von unschätzbarem Wert. Littlefinger hatte einen pfeilschnellen Aufstieg hinter sich. Drei Jahre, nachdem er an den Hof geholt worden war, trug er den Titel Meister der Münze und war Mitglied des kleinen Rates, und heute waren die Einnahmen der Krone zehnmal so hoch wie unter seinem Vorgänger… allerdings waren auch die Schulden des Königs enorm gewachsen. Petyr Baelish war ein meisterhafter Jongleur.
Oh, und gerissen war er. Er sammelte das Gold nicht einfach nur ein und verschloß es hinter den Türen der Schatzkammer, nein. Er bezahlte die Schulden des Hofes mit Schuldscheinen und ließ das Gold des Königs arbeiten. Er erstand Wagen, Läden, Schiffe, Häuser. Er kaufte Getreide, wenn die Ernte reich ausfiel, und verkaufte Brot, wenn Mangel herrschte. Er deckte sich mit Wolle aus dem Norden, Leinen aus dem Süden und Seide aus Lys ein, lagerte sie ein, verschob sie hin und her, ließ sie färben, veräußerte sie. Die Golddrachen vermehrten sich, und Littlefinger lieh sie aus und holte sie mit Nachwuchs wieder heim.
Währenddessen brachte er seine eigenen Männer in Position. Alle vier Hüter der Schlüssel waren ihm treu ergeben. Den Zahlmeister und den Wiegemeister des Königs hatte er ernannt. Dazu die Amtmänner aller drei Münzstätten. Hafenmeister, Steuereintreiber, Zollbeamte, Wollverwalter, Mauteintreiber, Weinverwalter; neun von zehn waren Littlefingers Leute. Im großen und ganzen handelte es sich um Männer von mittlerem Rang; Söhne von Kaufleuten, niedere Lords, manchmal sogar um Ausländer, doch maß man sie an den Ergebnissen, waren sie weitaus fähiger als ihre hochgeborenen Vorgänger.
Keiner hatte je daran gedacht, diese Berufungen in Frage zu stellen, und warum auch? Littlefinger bedrohte niemanden. Einen klugen, lächelnden, freundlichen Kerl wie ihn, der mit jedem Freundschaft schloß und stets das Gold heranschaffte, das der König oder die Hand brauchten, und der trotzdem von so niederer Geburt war, brauchte man nicht zu fürchten. Er hatte keine Fahnen, zu denen er rufen konnte, keine Armeen und keine Gefolgsleute, keine große Festung und keine nennenswerten Ländereien, keine Aussichten, eine gute Partie zu machen.
Aber würde ich mich an ihn heranwagen? fragte sich Tyrion. Selbst, wenn er ein Verräter ist? Er war sich durchaus nicht sicher, jedenfalls im Augenblick nicht, während der Krieg tobte. Wenn er genug Zeit hätte, könnte er Littlefingers Männer an den wichtigsten Stellen durch seine eigenen ersetzen, doch…
Vom Hof hallte ein Ruf herauf.»Ach, Seine Gnaden hat einen Hasen erlegt«, merkte Baelish an.
«Zweifelsohne einen langsamen«, erwiderte Tyrion.»Mylord, Ihr wurdet auf Riverrun aufgezogen. Wie ich hörte, standet Ihr den Tullys nahe.«
«So kann man es ausdrücken. Besonders den Mädchen.«
«Wie nahe?«
«Ich habe sie ihrer Jungfräulichkeit beraubt. Ist das nah genug?«Die Lüge — es war eine Lüge, dessen war sich Tyrion sicher — ging seinem Gegenüber mit solchem Gleichmut über die Lippen, daß er sie beinahe geglaubt hätte. Könnte Catelyn Stark diejenige gewesen sein, die gelogen hatte? Über ihre Entjungferung, und auch über den Dolch? Je länger er lebte, desto mehr begriff Tyrion eines: Nichts war jemals einfach und nur sehr wenig wahr.»Lord Hosters Töchter mögen mich nicht besonders«, gestand er.»Ich bezweifele, ob sie einen Vorschlag anhören würden, den ich unterbreite. Kommt er allerdings von Euch, würden die gleichen Worte in ihren Ohren möglicherweise süßer klingen.«
«Das hinge von den Worten ab. Falls Ihr Sansa im Tausch gegen Euren Bruder anbieten wollt, verschwendet Ihr nur die Zeit aller Beteiligten. Joffrey würde sein Spielzeug niemals herausrücken, und Lady Catelyn ist keine Närrin, den Königsmörder für ein kleines Mädchen laufen zu lassen.«
«Ich will auch Arya tauschen. Ich lasse nach ihr suchen.«
«Suchen heißt nicht, daß Ihr sie auch findet.«
«Das werde ich mir merken, Mylord. Jedenfalls hoffte ich sowieso eher, Ihr könntet Lady Lysa erweichen. Für sie habe ich ein verlockendes Angebot.«
«Lysa ist sicherlich leichter zu überreden als Catelyn, ja… aber sie ist auch ängstlicher, und nach dem, was ich gehört habe, haßt sie Euch.«
«Sie glaubt, allen Grund dafür zu haben. Als ich ihr Gast auf der Eyrie war, hat sie behauptet, ich hätte ihren Gemahl ermordet, und sie wollte meinen Widerspruch nicht zur Kenntnis nehmen. «Er beugte sich vor.»Falls ich ihr Jon Arryns wahren Mörder übergebe, würde sie vielleicht freundlicher über mich denken.«
Littlefinger setzte sich auf.»Den wahren Mörder? Ich gestehe, Ihr weckt meine Neugier. Wen habt Ihr im Verdacht?«
Nun war es an Tyrion zu lächeln.»Meinen Freunden mache ich Geschenke aus freien Stücken. Das müßte man Lysa Arryn natürlich erklären.«
«Wollt Ihr ihre Freundschaft oder ihre Schwerter?«
«Beides.«
Littlefinger strich sich über den sauber getrimmten spitzen Bart.»Lysa hat selbst genug Sorgen. Die Clans aus den Mondbergen überfallen ihr Land in größerer Zahl als je zuvor… und sind besser bewaffnet.«
«Ärgerlich«, sagte Tyrion Lannister, der ihnen die Waffen verschafft hatte.»Ich könnte ihr dabei helfen. Ein Wort von mir… «
«Und was würde sie dieses Wort kosten?«
«Ich möchte, daß Lady Lysa und ihr Sohn Joffrey als König anerkennen, ihm die Treue schwören und — «
«- gegen die Starks und Tully in den Krieg ziehen?«Littlefinger schüttelte den Kopf.»Da haben wir das Haar in der Suppe, Lannister. Lysa würde ihre Ritter niemals gegen Riverrun entsenden.«
«Und darum würde ich auch niemals bitten. Uns mangelt es nicht an Feinden. Ich könnte ihre Streitmacht gebrauchen, um sie gegen Lord Renly einzusetzen, oder gegen Lord Stannis, sollte der sich von Dragonstone in Marsch setzen. Im Gegenzug werde ich ihr die Bestrafung von Jon Arryns Mörder und Frieden im Grünen Tal versprechen. Ich werde sogar ihr entsetzliches Kind zum Wächter des Ostens ernennen, wie es sein Vater vor ihm war. «Ich will ihn fliegen sehen, flüsterte die Stimme eines Jungen leise in seinen Erinnerungen.»Und um den Handel zu besiegeln, werde ich ihr meine Nichte überlassen.«
Endlich hatte er das Vergnügen, in Petyr Baelishs graugrünen Augen echte Überraschung zu entdecken.»Myrcella?«
«Wenn sie das rechte Alter erreicht hat, kann sie den kleinen Lord Robert heiraten. Bis dahin wird sie Lady Lysas Mündel auf der Eyrie sein.«
«Und was hält Ihre Gnaden, die Königin, von diesem Plan?«Als Tyrion nur mit den Schultern zuckte, brach Littlefinger in schallendes Gelächter aus.»Das dachte ich mir. Ihr seid ein gefährlicher kleiner Mann, Lannister. Ja, ich könnte Lysa dieses Lied wohl vorsingen. «Das verschlagene Lächeln und der Schalk in seinen Augen kehrten zurück.»Falls mir daran gelegen wäre.«
Tyrion nickte und wartete; er wußte, daß Littlefinger langes Schweigen nicht ertragen konnte.
«Also«, fuhr Lord Petyr nach einer Pause gänzlich ungeniert fort,»was findet sich in Eurem Topf für mich?«
«Harrenhal.«
Es war interessant, sein Gesicht zu betrachten. Lord Petyrs Vater war der kleinste aller kleinen Lords gewesen, sein Großvater ein landloser Ritter; von Geburt her besaß er lediglich ein paar steinige Morgen Land an der windumtosten Küste der Finger. Harrenhal war eines der reichsten Güter der Sieben Königslande; es besaß große, fruchtbare Ländereien, seine riesige Burg war prächtiger als alle anderen im Reiche… ja, sie stellte sogar Riverrun in den Schatten, wo Petyr Baelish vom Hause Tully aufgezogen worden war, um schließlich hinausgeworfen zu werden, weil er Lord Hosters Tochter unmißverständliche Blicke zuwarf.
Littlefinger nahm sich die Zeit, seinen Umhang zu glätten, doch Tyrion hatte die Gier in diesen hinterlistigen Katzenaugen bemerkt. Ich habe ihn an der Angel.»Harrenhal ist verflucht«, sagte Lord Petyr dann und versuchte gelangweilt zu klingen.
«Dann schleift es bis auf die Grundmauer und baut es neu auf, wie es Euch gefällt. Es wird Euch nicht an Geld mangeln. Ich beabsichtige, Euch zum obersten Lehnsherrn am Trident zu machen. Diese Flußlords haben gezeigt, daß man ihnen nicht über den Weg trauen kann. Sollen sie Euch die Treue schwören.«
«Sogar die Tullys?«
«Falls es noch Tullys gibt, wenn dieser Krieg zu Ende ist.«
Littlefinger sah aus wie ein Junge, der gerade von einer Honigwabe gekostet hatte. Er hielt ängstlich Ausschau nach den Bienen, aber der Honig war einfach zu süß.»Harrenhal, mit allen Ländereien und Einkünften«, grübelte er.»Mit einem Streich würdet Ihr mich zu einem der größten Lords des Reiches machen. Ich will nicht undankbar sein, Mylord, aber — warum?«
«Ihr habt meiner Schwester bei den Auseinandersetzungen um die Thronfolge gut gedient.«
«Das hat Janos Slynt auch getan. Dem dieselbe Burg erst kürzlich zuteil wurde — nur, damit man sie ihm gleich wieder abnahm, nachdem er nicht mehr von Nutzen war.«
Tyrion lachte.»Da habt Ihr mich an meinem wunden Punkt getroffen, Mylord. Was soll ich darauf erwidern? Ich brauche Euch, um meine Nachricht an Lady Lysa zu überbringen. Janos Slynt habe ich nicht gebraucht. «Er zuckte mit den Schultern.»Lieber lasse ich Euch in Harrenhal sitzen als Renly auf dem Eisernen Thron. Was wäre einfacher?«
«Ja, was? Euch ist doch klar, daß ich mich möglicherweise abermals in Lysa Arryns Bett begeben muß, wenn ich ihr Einverständnis zu dieser Heirat erlangen will?«
«Zweifelsohne seid Ihr dieser Aufgabe gewachsen.«
«Ich habe Ned Stark einmal erklärt, daß man, wenn man sich nackt neben einer häßlichen Frau wiederfindet, nur die Augen schließen und den Dingen ihren natürlichen Lauf lassen kann. «Littlefinger verschränkte die Finger und blickte Tyrion in die ungleichen Augen.»Gebt mir zwei Wochen, um meine
Geschäfte hier abzuschließen und mir ein Schiff nach Gulltown zu suchen.«
«Das wäre leicht einzurichten.«
Sein Gast erhob sich.»Dies war ein höchst erfreulicher Morgen, Lannister. Und sehr einträglich… für uns beide, nehme ich an. «Er verneigte sich, und während er zur Tür schritt, bauschte sich der gelbe Umhang hinter ihm auf.
Zweiter Streich, hakte Tyrion ab.
Er ging in sein Schlafzimmer, wo er auf Varys warten wollte, der bald erscheinen würde. Bei Einbruch der Dunkelheit, vermutete er. Spätestens bei Mondaufgang, obgleich er das nicht hoffte. Denn eigentlich wollte er heute nacht Shae besuchen. So war er erfreut, als ihm Galt von den Stone Crows eine Stunde später die Ankunft des gepuderten Mannes verkündete.»Ihr seid ein grausamer Mensch, den Maester in solche Bedrängnis zu bringen«, schalt der Eunuch.»Der Ärmste kann Geheimnisse nicht ertragen.«
«Nennt da die Krähe den Raben schwarz? Oder möchtet Ihr lieber nicht hören, was ich Doran Martell vorgeschlagen habe.«
Varys kicherte.»Vielleicht haben es mir meine kleinen Vögel bereits zugeflüstert.«
«Haben sie?«Das wollte er gern wissen.»Fahrt fort.«
«Die Männer aus Dorne haben sich bisher aus diesem Krieg herausgehalten. Doran Martell hat zwar zu den Fahnen gerufen, mehr aber nicht. Sein Haß auf das Haus Lannister ist weithin bekannt, und überall vertritt man die Meinung, er werde sich Lord Renly anschließen. Ihr wollt ihn überreden, dies nicht zu tun.«
«Dies alles ist offensichtlich«, sagte Tyrion.
«Fragt sich lediglich, was Ihr ihm für dieses Bündnis angeboten habt. Der Prinz ist ein sentimentaler Mann, und er trauert noch immer um seine Schwester Elia und ihren
Säugling.«
«Mein Vater erklärte mir einmal, ein Lord lasse niemals zu, daß seine Gefühle seinem Ehrgeiz im Weg stehen… und zufällig haben wir einen leeren Platz im kleinen Rat, jetzt, da Lord Janos das Schwarz angelegt hat.«
«Einen Sitz im Rat darf man nicht verachten«, gestand Varys ein,»jedoch: wird ein stolzer Mann darüber den Mord an seiner Schwester vergessen?«
«Warum sollte er ihn vergessen?«Tyrion lächelte.»Ich habe ihm versprochen, ihm die Mörder seiner Schwester auszuhändigen, tot oder lebendig, ganz wie er wünscht. Allerdings erst nach dem Krieg.«
Varys sah ihn eindringlich an.»Meine kleinen Vögel haben mir verraten, daß Prinzessin Elia einen — einen bestimmten Namen gerufen hat… als man sie gefunden hat.«
«Bleibt ein Geheimnis ein Geheimnis, wenn ein jeder es kennt?«In Casterly Rock war allgemein bekannt, daß Gregor Clegane Elia und ihr Kind getötet hatte. Es hieß sogar, er habe die Prinzessin vergewaltigt, während noch das Blut und Hirn ihres Sohnes an seinen Händen klebte.
«Dieses Geheimnis ist Eures Hohen Vaters Vasall.«
«Mein Vater wäre der erste, der einen tollwütigen Hund gegen fünfzigtausend Krieger aus Dorne eintauschen würde.«
Varys strich sich über die gepuderte Wange.»Und wenn Prinz Doran nicht nur das Blut des Täters, sondern auch den Kopf des Lords verlangt, der den Befehl gegeben hat… «
«Robert Baratheon hat die Rebellion angeführt. Alle Befehle stammten letztendlich von ihm.«
«Robert hielt sich aber nicht in King's Landing auf.«
«Doran Martell ebenfalls nicht.«
«Also Blut für seinen Stolz, ein Stuhl im Rat für seinen Ehrgeiz. Gold und Land, das braucht man nicht erst hinzuzufügen. Ein wahrhaft süßes Angebot… dennoch können Süßigkeiten vergiftet sein. Wenn ich der Prinz wäre, würde ich einiges verlangen, bis ich nach der Honigwabe greife. Ein Pfand des Vertrauens, eine Absicherung gegen Verrat. «Varys setzte sein gerissenstes Lächeln auf.»Wen werdet Ihr ihm überlassen, frage ich mich?«Tyrion seufzte.»Ihr wißt es bereits, nicht?«»Da Ihr es so formuliert — ja. Tommen. Ihr könnt Myrcella schließlich kaum Doran Martell und Lady Arryn gleichzeitig anbieten.«
«Erinnert mich daran, diese Ratespiele nie wieder mit Euch zu treiben. Ihr spielt nicht ehrlich.«
«Prinz Tommen ist ein guter Junge.«
«Wenn ich ihn Cersei und Joffrey entreiße, solange er noch jung ist, wächst er vielleicht sogar zu einem guten Mann heran.«»Und zu einem guten König?«»Joffrey ist König.«
«Und Tommen sein Nachfolger, sollte Seiner Gnaden ein Unglück zustoßen. Tommen hatte einen so freundlichen Charakter, und er ist vor allem… fügsam.«
«Ihr seid überaus mißtrauisch, Varys.«
«Ich erachte das als Kompliment, Mylord. Auf jeden Fall wird sich Prinz Doran dieser großen Ehre kaum verschließen können. Einen winzigen Makel gibt es allerdings.«
Der Zwerg lachte.»Welcher auf den Namen Cersei hört.«»Was kann die Kunst der Staatsführung gegen die Liebe einer Mutter für die zarte Frucht ihres Leibes ausrichten? Vielleicht vermag man die Königin um des Ruhms ihres Hauses und der Sicherheit des Reiches willen davon zu überzeugen, Tommen oder Myrcella fortzuschicken. Aber beide? Gewißlich nicht.«»Was Cersei nicht weiß, macht mich nicht heiß.«»Und wenn Ihre Gnaden Eure Absichten entdeckt, ehe Ihr diesen Plan in die Tat umsetzen könnt?«
«Nun«, antwortete Tyrion,»dann wüßte ich, daß der Mann, der sie ihr verraten hat, mit Sicherheit mein Feind ist. «Und
während Varys kicherte, dachte er: Dritter Streich.