Tyrion

Durch die Tür hörte er den sanften Klang der Harfe, in den sich trillernde Flöten mischten. Die Stimme des Sängers wurde durch die dicken Wände gedämpft, aber Tyrion kannte den Vers. Ich liebte ein Mädchen, war blond wie der Sommer, erinnerte er sich, mit Sonnenschein im Haar…

Ser Meryn Trant bewachte heute abend die Tür der Königin. Sein gemurmeltes» Mylord «erschien Tyrion widerwillig, nichtsdestotrotz öffnete er die Tür. Das Lied brach sofort ab, als er das Schlafgemach seiner Schwester betrat.

Cersei hatte sich auf einen Stapel von Kissen zurückgelehnt. Ihre Füße waren nackt, ihr goldenes Haar kunstvoll zerzaust, die Robe aus schwerer, golddurchwirkter grüner Seide schimmerte im Licht der Kerzen. Sie blickte auf.»Liebe Schwester«, sagte Tyrion,»wie schön du heute abend aussiehst. «Er wandte sich an den Sänger.»Und Ihr ebenfalls, Vetter. Ich hatte keine Ahnung, welch liebliche Stimme Ihr besitzt.«

Angesichts dieses Kompliments schmollte Ser Lancel; vielleicht fühlte er sich verspottet. Seit der Junge den Ritterschlag erhalten hatte, schien er um drei Zoll gewachsen zu sein. Lancel hatte dichtes aschblondes Haar, die grünen Lannisteraugen und weichen blonden Flaum auf der Oberlippe. Im Alter von sechzehn Jahren war er mit der Sicherheit der Jugend geschlagen, bar jeder Spur von Humor oder Selbstzweifel, und mit jener Arroganz vermählt, die jenen, die blond und stark und stattlich geboren wurden, so natürlich zufällt. Seine jüngste Beförderung hatte das alles nur noch verschlimmert.»Hat Ihre Gnaden nach Euch rufen lassen?«wollte der Junge wissen.

«Nicht, daß ich mich erinnerte«, gestand Tyrion.»Es betrübt mich, Eure Lustbarkeiten zu stören, Lancel, doch leider hat sich die Notwendigkeit ergeben, eine wichtige Angelegenheit mit meiner Schwester zu besprechen.«

Cersei beäugte ihn mißtrauisch.»Falls du wegen dieser Bettelbrüder hier bist, Tyrion, erspare mir die Vorwürfe. Ich lasse nicht zu, daß sie noch länger ihre Unflat in den Straßen verbreiten. Sie können sich gegenseitig im Kerker Predigten halten.«

«Und sich dabei glücklich schätzen, weil sie eine so freundliche Königin haben«, fügte Lancel hinzu.»Ich würde ihnen die Zungen herausschneiden.«

«Einer wagte sogar zu behaupten, die Götter würden uns bestrafen, weil Jaime den rechtmäßigen König ermordet hat«, verkündete Cersei.»Solche Lügen werde ich nicht dulden, Tyrion. Ich habe dir ausreichend Gelegenheit gegeben, dieser Läuse Herr zu werden, aber du und dieser Ser Jacelyn, ihr habt nichts dagegen getan, daher habe ich Vylarr befohlen, sich dieser Sache anzunehmen.«

«Das habe ich wohl bemerkt. «Tyrion hatte es tatsächlich geärgert, daß die Rotröcke ein halbes Dutzend dieser Schandmäuler von Propheten in die Verliese gesperrt hatten, ohne ihn zuvor davon in Kenntnis zu setzen, aber sie waren nicht wichtig genug, um deswegen Streit anzufangen.»Zweifelsohne ist die Ruhe auf den Straßen für uns alle besser. Deswegen bin ich nicht hier. Ich habe Neuigkeiten, die du gewiß gern erfahren möchtest, Schwester, aber am liebsten würde ich sie unter vier Augen mit dir besprechen.«

«Sehr wohl. «Der Harfespieler und der Flötist verneigten sich und eilten hinaus, derweil Cersei ihren Vetter mit einem keuschen Kuß auf die Wange verabschiedete.»Verlaßt uns, Lancel. Mein Bruder ist harmlos, wenn er allein ist. Hätte er seine Haustierchen mitgebracht, würden wir sie schon riechen.«

Der junge Ritter bedachte seinen Vetter mit einem bösen Blick und ließ die Tür hinter sich ins Schloß knallen.»Habe ich dich eigentlich wissen lassen, daß ich Shagga vor vierzehn Tagen zu einem Bad überredet habe?«fragte Tyrion.

«Du bist ungeheuer zufrieden mit dir, nicht wahr, warum?«»Warum nicht?«erwiderte Tyrion. Tag und Nacht hallte die Stählerne Gasse von den Hämmerschlägen wider, und die große Kette wurde länger und länger. Er hüpfte auf das Himmelbett.»Ist Robert in diesem Bett gestorben? Du hast es behalten? Das überrascht mich.«

«Es sorgt für süße Träume«, antwortete sie.»Jetzt spuck aus, was du auf dem Herzen hast, und troll dich, Gnom.«

Tyrion lächelte.»Lord Stannis ist von Dragonstone aufgebrochen.«

Cersei sprang auf.»Und du sitzt hier und grinst wie ein Erntefestkürbis? Hat Bywater die Stadtwache in Alarmbereitschaft versetzt? Wir müssen sofort einen Vogel nach Harrenhal schicken. «Jetzt lachte er. Sie packte ihn bei den Schultern und schüttelte ihn.»Hör auf. Bist du verrückt? Oder betrunken? Hör auf!«

Es gelang ihm, einige Worte hervorzustoßen.»Ich kann nicht«, keuchte er.»Es ist zu… zu komisch… Stannis…«»Was ist?«

«Er ist nicht auf dem Weg zu uns«, brachte Tyrion heraus.»Er belagert Storm's End. Renly marschiert gegen ihn.«

Die Fingernägel seiner Schwester krallten sich in seinen Arm. Einen Augenblick lang starrte sie ihn ungläubig an, als würde er plötzlich in Zungen reden.»Stannis und Renly bekämpfen sich gegenseitig?«Auf sein Nicken hin begann Cersei zu kichern.»Bei allen guten Göttern«, keuchte sie,»ich glaube langsam, Robert war der klügste von den dreien.«

Tyrion warf den Kopf in den Nacken und brüllte. Sie lachten zusammen. Cersei zog ihn vom Bett, wirbelte ihn im Kreis und schloß ihn sogar in die Arme. Einen Moment lang gebärdete sie sich wie ein kleines Mädchen. Schließlich ließ sie ihn los, und Tyrion war außer Atem und benommen. Er taumelte zur Anrichte und stützte sich mit einer Hand daran ab.

«Glaubst du wirklich, sie werden sich eine Schlacht liefern? Wenn sie zu einer Vereinbarung gelangen — «

«Bestimmt nicht«, widersprach Tyrion.»Sie sind zu verschieden und sich gleichzeitig zu ähnlich, und keiner von beiden kann den anderen ausstehen.«

«Und Stannis fühlte sich schon immer um Storm's End betrogen«, sagte Cersei nachdenklich.»Der alte Sitz des Hauses Baratheon gehörte dem Rechte nach ihm… du ahnst nicht, wie oft er zu Robert kam und sich in seiner gekränkten Art darüber beschwerte. Als Robert die Burg an Renly gab, hat Stannis so heftig mit den Zähnen geknirscht, daß sie beinahe geborsten wären.«»Er hat es vermutlich als Herabsetzung aufgefaßt.«»So war es auch gemeint«, sagte Cersei.»Wollen wir einen Becher auf die brüderliche Liebe heben?«»Ja«, antwortete sie atemlos.»Oh, bei den Göttern, ja. «Er wandte ihr den Rücken zu, während er zwei Becher mit süßem Roten füllte. Es war die leichteste Sache der Welt, eine Prise feinen Pulvers in den ihren zu schütten.»Auf Stannis!«sagte er und reichte ihr den Wein. Harmlos, wenn ich allein bin? Tatsächlich?

«Auf Renly«, erwiderte sie und lachte.»Möge die Schlacht hart werden und lange dauern, und mögen die Anderen sie beide holen!«

Ist dies die Cersei, die Jaime sieht? Als sie lächelte, fiel ihm auf, wie schön sie wahrhaftig war. Ich liebte ein Mädchen, war blond wie der Sommer, mit Sonnenschein im Haar… Fast hatte er ein schlechtes Gewissen, weil er sie vergiftet hatte.

Am nächsten Morgen beim Frühstück traf ihr Bote ein. Die Königin sei unpäßlich und könne ihre Gemächer nicht verlassen. Wohl eher: kann ihr Klosett nicht verlassen. Tyrion ließ eine angemessen mitfühlende Antwort ausrichten und beschwor seine Schwester, sich auszuruhen. Er würde mit Ser Cleos wie geplant verfahren.

Der Eiserne Thron von Aeron dem Eroberer war ein Gewirr häßlicher Widerhaken und scharfkantiger Metallzähne. Man mußte ein Narr sein, glaubte man, darauf bequem sitzen zu können, und schon auf den Stufen verkrampften sich seine kurzen Beine, während er an den absurden Anblick denken mußte, den er gewißlich bot. Eins durfte man über den Thron jedoch sagen: Er war hoch.

Die Wachen der Lannisters in ihren blutroten Mänteln und den Halbhelmen standen schweigend auf der einen Seite des Saales. Ser Jacelyns Goldröcke hatten auf der anderen ihren Platz gefunden. Die Stufen zum Thron flankierten Ser Preston von der Königsgarde und Bronn. Höflinge füllten die Galerie, in der Nähe der hohen Türen aus Eiche und Bronze drängten sich Bittsteller. Sansa Stark sah heute morgen besonders liebreizend aus, wenngleich auch ihr Gesicht bleich wie Milch war. Lord Gyles hustete, während der arme Vetter Tyrek seinen Bräutigamsmantel aus #(Fell?)Feh und Samt trug. Seit seiner Heirat mit Lady Ermesande vor drei Tagen nannten ihn die anderen Knappen» Amme «und fragten ihn ständig, welche Art von Windeln seine Braut in der Hochzeitsnacht getragen habe.

Tyrion blickte auf sie alle herab, und stellte fest, daß ihm das gefiel.»Laßt Ser Cleos Frey vortreten. «Seine Stimme hallte von den Steinwänden zurück und trug durch den ganzen langen Saal. Auch dies gefiel ihm. Zu schade, daß Shae das nicht miterleben kann. Sie hatte darum gebeten, ebenfalls erscheinen zu dürfen, doch war dies unmöglich.

Ser Cleos brachte den Weg zwischen den Goldröcken und den Rotröcken hinter sich und sah weder nach links noch nach rechts. Als er niederkniete, bemerkte Tyrion, daß sich das Haar

seines Vetters lichtete.

«Ser Cleos«, sagte Littlefinger, der am Tisch des Rates saß,»habt Dank für die Übermittlung des Friedensangebotes von Lord Stark.«

Grand Maester Pycelle räusperte sich.»Die Königliche Regentin, die Rechte Hand des Königs und der kleine Rat haben die Bedingungen bedacht, welche dieser selbsternannte König des Nordens stellt. Leider sind sie nicht akzeptabel, und diese Antwort müßt Ihr den Nordmännern überbringen, Ser.«

«Hier sind unsere Bedingungen«, sagte Tyrion.»Robb Stark muß das Schwert niederlegen, uns die Treue schwören und nach Winterfell zurückkehren. Er muß meinen Bruder unverzüglich freilassen und sein Heer unter dessen Befehl stellen, damit es gegen die Rebellen Renly und Stannis Baratheon marschieren kann. Jeder der Stark-Vasallen muß uns einen Sohn als Geisel überstellen. Eine Tochter wird dort angenommen, wo es keine Söhne gibt. Sie werden gut behandelt und erhalten einen hohen Rang am Hofe, solange ihre Väter sich nicht abermals des Hochverrats schuldig machen.«

Cleos Frey war sichtlich erschüttert.»Mylord Hand«, erwiderte er,»diesen Bedingungen wird Lord Stark niemals zustimmen.«

Das haben wir auch nicht erwartet, Cleos.»Sagt ihm, wir haben in Casterly Rock ein neues großes Heer ausgehoben, welches bald von Westen her auf ihn zumarschieren wird, derweil mein Hoher Vater von Osten heranzieht. Er steht allein und darf auf keinerlei Hilfe hoffen. Stannis und Renly Baratheon führen Krieg gegeneinander, und der Prinz von Dorne hat sich entschlossen, seinen Sohn Trystane mit Prinzessin Myrcella zu vermählen. «Freudiges Murmeln und Worte der Verblüffung wurden auf der Galerie aus dem hinteren Teil des Saales laut.

«Was meine Vettern betrifft«, fuhr Tyrion fort,»so bieten wir Harrion Karstark und Ser Wylis Manderly zum Austausch gegen Willem Lannister an, und Lord Cerwyn und Ser Donnel Locke für Euren Bruder Tion. Sagt Stark, daß zwei Lannisters in jedem Fall vier Nordmänner wert sind. «Er wartete ab, bis sich das Gelächter gelegt hatte.»Die Gebeine seines Vaters soll er als Zeichen von Joffreys gutem Willen umsonst erhalten.«

«Lord Stark fordert auch seine Schwestern und das Schwert seines Vaters«, erinnerte Ser Cleos ihn.

Ser Ilyn Payne stand stumm da, und das Heft von Eddard Starks Schwert ragte aus der Scheide, die er auf dem Rücken trug.»Ice«, sagte Tyrion.»Er wird die Waffe bekommen, sobald er Frieden geschlossen hat, eher nicht.«

«Wie Ihr wünscht. Und die Schwestern?«

Tyrion blickte zu Sansa und empfand plötzlich Mitleid für sie.

«Solange mein Bruder Jaime nicht freigelassen wurde, bleiben sie unsere Geiseln. Wie gut sie behandelt werden, hängt allein von Lord Stark ab. «Und falls die Götter uns wohlgesonnen sind, findet Bywater Arya lebendig, ehe Robb erfährt, daß sie verschwunden ist.

«Ich werde ihm Eure Botschaft überbringen, Mylord.«

Tyrion zupfte an einer der verdrehten Klingen der Armlehne des Throns. Und jetzt der eigentliche Stoß.»Vylarr«, rief er.

«Mylord.«

«Starks Männer reichen zweifelsohne aus, um Lord Eddards Gebeine zu eskortieren, aber ein Lannister sollte von Lannisters begleitet werden«, verkündete er.»Ser Cleos ist der Vetter der Königin, und zudem der meine. Wir würden ruhiger schlafen, wenn Ihr persönlich für seine sichere Rückkehr nach Riverrun sorgen würdet.«

«Wie Ihr befehlt. Wie viele Männer soll ich mitnehmen?«

«Nun, alle.«

Vylarr erstarrte, als hätte man ihn in Stein verwandelt. Schließlich erhob sich Grand Maester Pycelle und stieß hervor:»Mylord Hand, das kann nicht… Euer Vater, Lord Tywin selbst, hat diese Männer in unsere Stadt geschickt, damit sie Königin Cersei und ihre Kinder bewachen… «

«Die Königsgarde und die Stadtwache sind Schutz genug. Die Götter mögen Euch eine rasche Reise bescheren, Vylarr.«

Am Ratstisch lächelte Varys wissend, Littlefinger gab sich gelangweilt, und Pycelle schnappte bleich und verwirrt nach Luft wie ein Fisch auf dem Trockenen. Ein Herold trat vor.»Wenn jemand der Anwesenden der Rechten Hand des Königs eine weitere Angelegenheit vorzutragen hat, so laßt ihn jetzt sprechen.«

«Ich will gehört werden. «Ein schlanker Mann in schwarzer Kleidung drängte sich zwischen den Redwyne-Zwillingen vor.

«Ser Alliser!«rief Tyrion.»Ich hatte keine Ahnung, daß Ihr an den Hof gekommen seid. Ihr hättet mir Bescheid geben sollen.«

«Das habe ich getan, wie Ihr sehr wohl wißt. «Thorne war ein hagerer Mann von fünfzig Jahren mit einem scharfgeschnittenen Gesicht, harten Augen und harten Händen. Sein schwarzes Haar war mit grauen Strähnen durchsetzt.»Man hat mich wie einen gemeinen Dienstboten gemieden, ignoriert und warten lassen.«

«Wirklich? Bronn, das war nicht recht. Ser Alliser und ich sind alte Freunde. Wir sind schon zusammen auf der Mauer gewandelt.«

«Werter Ser Alliser«, murmelte Varys,»Ihr dürft nicht zu schlecht von uns denken. So viele ersuchen um Joffreys Gnade in diesen unruhigen und aufrührerischen Zeiten.«

«Unruhiger als Ihr glaubt, Eunuch.«

«Wenn er dabei ist, nennen wir ihn Lord Eunuch«, witzelte Littlefinger.

«Auf welche Weise können wir Euch behilflich sein, guter Bruder?«fragte Grand Maester Pycelle beschwichtigend.

«Der Lord Commander hat mich zu Seiner Gnaden dem König geschickt«, antwortete Thorne.»Die Angelegenheit ist zu ernst, um sie mit seinen Lakaien zu besprechen.«

«Der König spielt mit seiner neuen Armbrust«, erwiderte Tyrion. Um Joffrey loszuwerden, hatte er ihm bloß eine klobige Armbrust aus Myr schenken müssen, die drei Bolzen zugleich abschoß, und natürlich wollte der König sie auf der Stelle ausprobieren.»Ihr müßt mit seinen Lakaien vorlieb nehmen oder schweigen.«

«Wie Ihr wünscht«, sagte Ser Alliser, und in jedem seiner Worte schwang Unwillen mit.»Ich wurde geschickt, um Euch zu berichten, daß wir zwei Grenzer gefunden haben, die seit langem vermißt wurden. Sie waren tot, und wir haben ihre Leichen hinter die Mauer geschafft, wo sie in der Nacht zu neuem Leben erwachten. Einer tötete Ser Jaremy Rykker, der andere hat versucht, den Lord Commander zu ermorden.«

Irgendwo hörte Tyrion jemanden kichern. Will er mich mit diesem Unfug verspotten? Er rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her und sah hinunter zu Varys, Littlefinger und Pycelle. Welche Rolle spielten sie in dieser Geschichte? Ein Zwerg genoß nur einen geringen Grad an Würde. Sobald Hof und Königreich einmal begannen über ihn zu lachen, war sein Schicksal besiegelt. Und dennoch… und dennoch…

Tyrion erinnerte sich an eine kalte Nacht unter Sternen, in der er neben dem jungen Jon Snow und dem großen weißen Schattenwolf auf der Mauer am Ende der Welt gestanden und hinaus in die Dunkelheit geblickt hatte. Er hatte etwas gespürt, doch was? Einen Schrecken, der ihn durchfuhr wie der frostige Nordwind. In dieser Nacht hatte ein Wolf geheult, und dieser

Klang hatte ihm einen Schauder über den Rücken laufen lassen.

Sei kein Narr! schalt er sich selbst. Ein Wolf, ein Wind, ein dunkler Wald, das hat nichts zu bedeuten. Und dennoch… Er hatte während seines Besuchs auf Castle Black Gefallen an dem alten Jeor Mormont gefunden.»Ich hoffe, der Alte Bär hat den Angriff überlebt.«

«Das hat er.«

«Und Eure Brüder haben diese, äh, diese Toten getötet?«»Das haben sie.«

«Seid Ihr sicher, daß sie diesmal wirklich tot sind?«fragte Tyrion milde. Als Bronn daraufhin schnaubend lachte, wußte er, wie er weiter vorgehen mußte.»Wirklich, wirklich tot?«

«Sie waren bereits beim ersten Mal tot«, fauchte ihn Ser Alliser an.»Bleich und kalt, und sie hatten schwarze Hände und Füße. Ich habe Jareds Hand mitgebracht, die der Wolf des Bastards ihm abgebissen hatte.«

Littlefinger rührte sich.»Und wo ist dieses hübsche Geschenk?«

Unbehaglich runzelte Ser Alliser die Stirn.»Sie… ist verrottet, während ich ungehört warten mußte. Jetzt sind nur mehr Knochen übrig.«

Kichern hallte durch den Saal.»Lord Baelish«, rief Tyrion Littlefinger zu,»kauft unserem tapferen Ser Alliser hundert Spaten, die er mit zur Mauer zurücknehmen kann.«

«Spaten?«Ser Alliser kniff mißtrauisch die Augen zusammen.

«Wenn Ihr Eure Toten begrabt, werden sie nicht herumlaufen«, erklärte Tyrion ihm, und der Hof lachte schallend.»Spaten werden Eure Schwierigkeiten lösen, und ein paar kräftige Kerle, die damit schaufeln. Ser Jacelyn, laßt den guten Bruder Männer aus den Verliesen aussuchen.«

Ser Jacelyn Bywater erwiderte:»Wie Ihr wünscht, Mylord, aber die Kerker sind fast leer. Yoren hat die meisten Männer schon mitgenommen.«

«Dann verhaftet weitere«, forderte Tyrion ihn auf.»Oder verbreitet das Gerücht, auf der Mauer gebe es Brot und Steckrüben, dann gehen sie freiwillig. «Die Stadt mußte zu viele Hungrige füttern, und die Nachtwache brauchte immer Männer. Auf Tyrions Zeichen hin beendete der Herold die Audienz, und der Saal begann sich zu leeren.

Ser Alliser Thorne ließ sich nicht so einfach abweisen. Er wartete am Fuß des Throns auf Tyrion.»Glaubt Ihr, ich sei den weiten Weg von Eastwatch-by-the-Sea hergesegelt, um mich von jemandem wie Euch verhöhnen zu lassen?«Er kochte vor Zorn und verstellte Tyrion den Weg.»Das ist kein Scherz. Ich habe sie mit eigenen Augen gesehen. Ich sage Euch, die Toten wandeln umher.«

«Ihr solltet versuchen, sie gründlicher zu töten. «Tyrion drängte sich an ihm vorbei. Ser Alliser wollte ihn am Ärmel packen, aber Preston Greenfield stieß ihn zur Seite.»Keinen Schritt näher, Ser.«

Thorne war nicht so dumm, einen Ritter der Königsgarde herauszufordern.»Ihr seid ein Narr, Gnom«, schrie er Tyrion hinterher.

Der Zwerg drehte sich um.»Ich? Wirklich? Weshalb haben dann alle über Euch gelacht, frage ich mich?«Er lächelte matt.»Ihr seid gekommen, weil Ihr Männer braucht, nicht wahr?«

«Die kalten Winde erheben sich. Die Mauer muß gehalten werden.«

«Und dazu braucht Ihr Männer, welche ich Euch zugestanden habe… wie Ihr vielleicht bemerkt habt, wenn Eure Ohren außer Beleidigungen noch etwas zur Kenntnis genommen haben. Sucht sie Euch zusammen, bedankt Euch bei mir und verschwindet, bevor ich Euch Beine mache.

Überbringt Lord Mormont meine besten Empfehlungen… und auch Jon Snow. «Bronn griff Ser Alliser am Ellbogen und führte ihn resolut aus dem Saal.

Grand Maester Pycelle war bereits davongeeilt, aber Varys und Littlefinger hatten die Auseinandersetzung beobachtet.»Ich bewundere Euch von Tag zu Tag mehr, Mylord«, gestand der Eunuch ein.»Ihr besänftigt den Stark-Jungen mit den Gebeinen seines Vaters und nehmt Eurer Schwester ihre Bewacher, und beides mit einem Streich. Ihr gebt dem schwarzen Bruder die Männer, die er sucht, und befreit die Stadt von hungrigen Mäulern, und trotzdem laßt Ihr es als Spott erscheinen, so daß niemand dem Zwerg nachsagen kann, er fürchte sich vor Snarks und Grumkins. Oh, geschickt eingefädelt.«

Littlefinger strich sich durch den Bart.»Wollt Ihr wirklich Eure ganze Wache fortschicken, Lannister?«»Nein, nur die Garde meiner Schwester.«»Die Königin wird das nicht zulassen.«

«Oh, ich denke doch. Ich bin schließlich ihr Bruder, und wenn Ihr mich erst länger kennt, werdet Ihr lernen, daß ich alles so meine, wie ich es sage.«»Sogar die Lügen?«

«Vor allem die Lügen. Lord Petyr, ich habe das Gefühl, Ihr seid ein wenig unglücklich über meine Entscheidung.«

«Nicht mehr als sonst, Mylord. Dennoch finde ich keinen Gefallen daran, mich zum Narren halten zu lassen. Wenn Myrcella Trystane Martell heiratet, könnt Ihr sie wohl kaum auch noch mit Robert Arryn vermählen, nicht wahr?«

«Nicht ohne einen großen Skandal zu verursachen«, stimmte Tyrion zu.»Ich bedaure meine kleine List, Lord Petyr, doch als wir uns darüber unterhalten haben, konnte ich nicht wissen, ob man in Dorne mein Angebot annehmen würde.«

Littlefinger war noch immer nicht besänftigt.»Ich mag es nicht, wenn man mich belügt, Mylord. Aus Eurem nächsten

Täuschungsmanöver haltet mich bitte heraus.«

Nur, wenn Ihr das gleiche auch für mich tut, dachte Tyrion und betrachtete den Dolch an Littlefingers Gürtel.»Sollte ich Euch beleidigt haben, tut es mir ausgesprochen leid. Jeder weiß, wie sehr wir Euch schätzen, Mylord. Und wie sehr wir Euch brauchen.«

«Dann vergeßt das nicht. «Damit verließ Littlefinger sie.

«Begleitet mich ein Stück, Varys«, sagte Tyrion. Sie gingen durch die Tür des Königs hinter dem Thron hinaus, wobei die Pantoffeln des Eunuchen leise über den Steinboden schlurften.

«Lord Baelish hat recht, die Königin wird niemals zustimmen, wenn Ihr ihre Garde fortschicken wollt.«

«Das wird sie schon tun. Darum werdet Ihr Euch kümmern.«

Ein Lächeln verzog Varys' volle Lippen.»Werde ich das?«

«Oh, ganz gewiß. Ihr werdet Ihr sagen, das gehöre zu meinem Plan, Jaime zu befreien.«

Varys strich sich über die gepuderte Wange.»Dabei werdet Ihr sicherlich diese vier Kerle ins Spiel bringen, die Euer Bronn so eifrig in den heruntergekommensten Vierteln der Stadt zusammengesucht hat. Einen Dieb, einen Giftmischer, einen Schauspieler und einen Mörder.«

«Steckt sie in rote Mäntel und Löwenhelme, und sie werden sich nicht von den anderen Wachen unterscheiden. Ich habe lange nach einer List gesucht, wie ich sie nach Riverrun hineinschmuggeln könnte, bis mir einfiel, sie dadurch zu verstecken, daß ich sie offen zeige. Sie werden unter den Bannern der Lannisters durchs Haupttor einreiten und Lord Eddards Gebeine begleiten. «Er lächelte schief.»Vier Männer allein würden aufmerksam beobachtet werden. Vier unter hundert können sich davonstehlen. Daher muß ich die echte Garde mitschicken… und so werdet Ihr es auch meiner Schwester erklären.«

«Um ihres geliebten Bruders willen wird sie trotz ihrer Bedenken zustimmen. «Sie gingen eine verlassene Kolonnade entlang.»Dennoch wird der Verlust der Rotröcke sie beunruhigen.«

«Ich mag es, wenn sie beunruhigt ist«, erwiderte Tyrion.

Ser Cleos Frey brach noch an diesem Nachmittag auf und wurde von Vylarr und einhundert Mann der Lannistergarde eskortiert. Die Männer von Robb Stark gesellten sich vor dem Königstor für den langen Ritt nach Westen zu ihnen.

Tyrion fand Timett in der Kaserne, wo er mit den Burned Men würfelte.»Komm um Mitternacht in mein Solar. «Timett starrte ihn mit seinem einen Auge an und nickte knapp. Er machte niemals viele Worte.

An diesem Abend speiste er mit den Stone Crows und den Moon Brothers im Kleinen Saal, obwohl er diesmal auf Wein verzichtete. Er wollte seinen Verstand nicht trüben.»Shagga, welche Mondphase haben wir?«

Wenn Shagga die Stirn runzelte, konnte man es mit der Angst zu tun bekommen.»Schwarz, glaube ich.«

«Im Westen nennen sie das einen Verrätermond. Betrinkt Euch heute nacht nicht zu sehr und achtet darauf, daß Eure Axt scharf ist.«

«Die Axt eines Stone Crow ist immer scharf, und Shaggas Axt ist die schärfste weit und breit. Einmal habe ich einem Mann den Kopf abgeschlagen, und er hat es erst gemerkt, als er sich kämmen wollte. Dabei ist er runter gefallen.«

«Kämmst du dich deshalb nie?«Die Stone Crows heulten vor Lachen und stampften mit den Füßen, wobei Shagga selbst am lautesten brüllte.

Um Mitternacht herrschten in der Burg Stille und Finsternis. Zweifellos hatten ein paar Goldröcke gesehen, wie die Männer den Turm der Hand verließen, doch hatte sie niemand angerufen. Er war die Rechte Hand des Königs, und wohin er ging, war allein seine Sache.

Die dünne Holztür splitterte unter Shaggas kräftigem Fußtritt. Die Trümmer flogen nach innen, und Tyrion hörte den Angstschrei einer Frau. Shagga räumte die Reste der Tür mit drei Axthieben aus dem Weg und trat hindurch. Timett folgte ihm und dann Tyrion. Das Feuer war bis auf ein paar glühende Kohlen niedergebrannt, und das Schlafzimmer lag im Schatten. Als Timett die schwere Decke vom Bett riß, starrte ihn ein Dienstmädchen mit weitaufgerissenen Augen an.»Bitte, Mylords«, flehte sie,»tut mir nichts!«Sie wich vor Shagga an die Wand zurück, errötete und versuchte ihre Reize mit den Händen zu verdecken, wobei ihr eine fehlte.

«Geh«, befahl Tyrion ihr.»Auf dich haben wir es nicht abgesehen.«

«Shagga will sie haben.«

«Shagga will jede Hure in dieser Stadt der Huren haben«, beschwerte sich Timett, Sohn des Timett.

«Ja«, erwiderte Shagga ohne einen Anflug von Scham.»Shagga würde ihr ein kräftiges Kind machen.«

«Wenn sie ein kräftiges Kind will, weiß sie, an wen sie sich wenden muß«, beendete Tyrion den Streit.»Timett, bring sie raus… und bitte sanft.«

Der Burned Man zog das Mädchen vom Bett und zerrte sie aus dem Zimmer. Shagga blickte ihnen mit traurigen Augen nach wie ein Welpe. Die junge Frau stolperte über die Trümmer der Tür hinaus in den Gang, und Timett half mit einem kräftigen Schubs nach. Über ihren Köpfen krächzten die Raben.

Tyrion zog die weiche Decke vom Bett und brachte Grand Maester Pycelle darunter zum Vorschein.»Sagt mir, Maester, heißt die Citadel es gut, wenn Ihr Euch mit den Dienstmädchen einlaßt?«

Der alte Mann war ebenso nackt wie das Mädchen, obgleich er einen deutlich weniger hübschen Anblick bot. Zum ersten Mal sah Tyrion die sonst unter gesenkten, schweren Lidern halb verborgenen Augen weit aufgerissen.»W-was hat das zu bedeuten? Ich bin ein alter Mann, Euer ergebener Diener…«

Tyrion setzte sich aufs Bett.»So ergeben, daß Ihr einen meiner Briefe an Doran Martell meiner Schwester überreicht habt.«

«N-nein«, kreischte Pycelle.»Nein, das ist die Unwahrheit, ich schwöre, ich war es nicht. Varys, es war Varys, die Spinne, ich habe Euch vor ihm gewarnt — «

«Lügen alle Maester so erbärmlich schlecht? Ich habe Varys erzählt, ich würde Prinz Doran meinen Neffen Tommen als Mündel überlassen. Ich sagte Littlefinger, ich hätte vor, Myrcella mit Lord Robert von der Eyrie zu vermählen. Niemandem hingegen habe ich anvertraut, daß ich Myrcella in Dorne angeboten habe… dies stand allein in dem Brief, den ich Euch anvertraute.«

Pycelle griff nach einer Ecke der Decke.»Vögel können verloren gehen, die Botschaften werden gestohlen oder verkauft… Varys war es, ich könnte Euch Geschichten über diesen Mann berichten, daß Euch das Blut in den Adern gefrieren würde…«

«Meiner Lady gefalle ich heißblütig besser.«

«Täuscht Euch nicht, für jedes Geheimnis, welches Euch der Eunuch ins Ohr flüstert, hält er sieben zurück. Und Littlefinger…«

«Ich weiß alles über Lord Petyr. Ihm darf man fast so wenig Vertrauen schenken wie Euch. Shagga, schneide ihm seine Männlichkeit ab und verfüttere sie an die Ziegen.«

Shagga packte die riesige Axt mit der Doppelklinge.»Halbmann, hier gibt's keine Ziegen.«

«Laß dir etwas einfallen.«

Brüllend sprang Shagga vor. Pycelle kreischte und näßte sein Bett; Urin spritzte in alle Richtungen, während er zu flüchten versuchte. Der Wildling packte ihn am Ende seines wallenden weißen Bartes und trennte mit einem einzigen Hieb der Axt drei Viertel davon ab.

«Timett, glaubst du, unser Freund wird sich zuvorkommender verhalten, nachdem er sich nun nicht mehr hinter seiner Gesichtszierde verstecken kann?«Tyrion wischte sich mit dem Bettlaken die Pisse von den Stiefeln.

«Bald wird er die Wahrheit sagen. «Die leere Höhle von Timetts ausgebranntem Auge war ein finsteres Loch.»Ich kann riechen, wie er nach Angst stinkt.«

Shagga warf die Handvoll Haare auf die Binsen am Boden und griff nach dem Rest des Bartes.»Haltet still, Maester«, drängte ihn Tyrion.»Wenn Shagga wütend ist, zittern seine Hände.«

«Shaggas Hände zittern nie«, widersprach der riesige Mann, hielt Pycelle die halbmondförmige Klinge unter das bibbernde Kinn und säbelte Pycelle ein paar weitere Bartsträhnen ab.

«Wie lange spioniert Ihr schon für meine Schwester?«fragte Tyrion.

Pycelle atmete flach und in kurzen Stößen.»Was ich getan habe, geschah nur zum Wohle des Hauses Lannister. «Schweiß bedeckte die Stirn des alten Mannes, und weiße Haare klebten auf seiner runzligen Haut.»Immer… schon seit Jahren… fragt Euren Hohen Vater, ich war stets sein treuer Diener… ich war es, der Aerys veranlaßt hat, die Tore zu öffnen…«

Das überraschte Tyrion allerdings. Er war noch ein häßlicher Junge auf Casterly Rock gewesen, als die Stadt fiel.»Die Plünderung von King's Landing war somit Euer Werk?«

«Für das Reich! Nachdem Rhaegar tot war, fand der Krieg ein Ende. Aerys war verrückt, Viserys zu jung, Prinz Aegon ein Säugling, aber das Reich brauchte einen König… ich betete zu den Göttern, sie sollten Euren guten Vater dazu machen, aber Robert war zu mächtig, und Lord Stark hat zu schnell gehandelt… «

«Wie viele habt Ihr verraten, frage ich mich? Aerys, Eddard Stark, mich… König Robert ebenfalls? Lord Arryn, Prinz Rhaegar? Wo fängt es an, Pycelle?«Wo es endete, wußte er.

Die Axt kratzte über den Kehlkopf des Grand Maesters, strich sanft über die weiche Haut am Kinn und schabte die letzten Haare ab.»Ihr… wart nicht hier«, keuchte er, während die sich Klinge zu seinen Wangen hinaufbewegte.»Robert… seine Wunden… hättet Ihr sie gesehen… gerochen, Ihr hättet keinen Zweifel gehabt… «

«Oh, ich weiß, daß der Keiler Euch die Arbeit abgenommen hat… aber er hat sie nicht ganz erledigt, und so mußtet Ihr zweifelsohne nachhelfen.«

«Er war ein miserabler König… eitel, trunksüchtig, lüstern… er wollte Eure Schwester verstoßen, seine eigene Königin… bitte… Renly wollte die Jungfrau aus Highgarden an den Hof bringen, die seinen Bruder verführen sollte… bei den Göttern, es ist die Wahrheit…«

«Und was plante Lord Arryn?«

«Er wußte Bescheid«, sagte Pycelle,»über… über…«

«Ich weiß, was er wußte«, fauchte Tyrion, der nicht erpicht darauf war, daß Shagga und Timett es ebenfalls erfuhren.

«Er hat seine Gemahlin zurück auf die Eyrie geschickt und seinen Sohn als Mündel nach Dragonstone… er wollte handeln… «

«Deshalb habt Ihr ihn zuerst vergiftet.«

«Nein!«Pycelle wehrte sich schwach. Shagga knurrte und packte seinen Schädel. Der Mann hatte so riesige Pranken, daß er den Schädel des Maester wie eine Eierschale hätte zerdrücken können.

Tyrion schnalzte abfällig mit der Zunge.»Ich habe die Tränen von Lys unter Euren Tränken entdeckt. Und Ihr habt Lord Arryns eigenen Maester fortgeschickt und den Mann selbst behandelt, damit Ihr seines Todes auch ganz sicher sein konntet.«

«Eine Lüge!«

«Rasier ihn noch ein bißchen«, schlug Tyrion vor.»An der Kehle.«

Die Axt glitt wieder nach unten und schabte über die Haut. Pycelles Speichel bildete Bläschen auf seinen Lippen.»Ich

habe wirklich versucht, Lord Arryn zu retten. Ich schwöre es -

«

«Vorsichtig, Shagga, jetzt hast du ihn geschnitten!«

Shagga grunzte.»Dolf hat einen Krieger großgezogen, keinen Barbier.«

Als der alte Mann das Blut spürte, das an seinem Hals hinablief, erzitterte er, und die letzten Kräfte verließen ihn. Er wirkte geschrumpft, kleiner und gebrechlicher.»Ja«, winselte er,»ja, Colemon hat ein Brechmittel benutzt, deshalb habe ich ihn hinausgeschickt. Für die Königin war es wichtig, daß Lord Arryn starb, doch sprach sie es nicht laut aus, denn das war ihr unmöglich, weil Varys lauschte, er lauschte immer, aber ein Blick in ihr Gesicht genügte mir. Trotzdem habe nicht ich ihm das Gift verabreicht, das schwöre ich. «Der alte Mann weinte.»Varys wird es Euch bestätigen, es war der Junge, der Knappe, Hugh hieß er, bestimmt war er es, fragt Eure Schwester, fragt sie.«

Tyrion wandte sich angewidert ab.»Fesselt ihn und bringt ihn fort«, befahl er.»Werft ihn in eine der schwarzen Zellen.«

Sie zerrten ihn durch die zerbrochene Tür hinaus.

«Lannister«, jammerte der Maester,»es geschah alles im Namen des Hauses Lannister… «

Nachdem er fort war, durchsuchte Tyrion die Gemächer des alten Mannes und nahm einige weitere Gefäße vom Regal. Die Raben murmelten derweil über seinem Kopf eigentümlich friedfertig vor sich hin. Er würde jemanden finden müssen, der sich um die Vögel kümmerte, bis die Citadel Ersatz für Pycelle geschickt hatte.

Er war der einzige, von dem ich hoffte, ich könnte ihm vertrauen. Varys und Littlefinger waren keine Spur verläßlicher, vermutete er… nur gingen sie vorsichtiger zu Werke, was sie um so gefährlicher machte. Vielleicht sollte er es so halten, wie sein Vater es getan hätte: Ilyn Payne rufen und alle drei Köpfe über dem Tor aufspießen lassen, und damit Schluß. Und wäre das nicht ein hübscher Anblick, dachte er.

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