Kapitel 17

Vor der Holzhütte stieg Fidelma vom Pferd. Sie hatte den rath in unbestimmter Absicht verlassen. Bei Nennung des Namens Critan war ihr eine Zeile aus Ver-gils »Äneis« eingefallen: Dux femina facti! - Eine Frau führte zur Tat! Sie wußte nicht, weshalb sie immer wieder an diese Worte denken mußte, als sie den Weg zum Tal des Schwarzen Moors entlangritt und die kleine Hütte an der Flußbiegung erblickte.

Die Frau, die sie vor ein paar Tagen dort gesehen hatten, stand vor der Tür. Sie schaute Fidelma neugierig entgegen. Sie war nicht mehr jung, aber wohlgebaut, eine kleine rundliche Blondine mit hervortretenden Backenknochen. Ihre Kleidung verriet, daß sie grelle Farben mochte.

Fidelma band ihr Pferd an einen Pfahl.

»Guten Tag, Schwester«, sagte die Frau zur Begrüßung. »Du bist hier willkommen, aber ich sollte dich warnen: Weißt du, was dies für ein Haus ist?«

Fidelma lächelte leicht.

»Das Haus Clidnas, nehme ich an. Stimmt das nicht?«

»Ich bin Clidna, aber das Haus ist ein meirdrech loc«, erwiderte die Frau.

»Ein Bordell? Ja, davon habe ich gehört.«

»Frauen deines Berufs besuchen eine Frau mit Geheimnissen wie mich gewöhnlich nur, um sie zu einer anderen Lebensweise zu bekehren.«

Fidelma lächelte bei dem beschönigenden Ausdruck »Frau mit Geheimnissen« für eine Prostituierte, obwohl er in den fünf Königreichen weit verbreitet war. Hier schien er ihr sehr angebracht.

»Dux femina facti«, sagte sie laut. »Eben weil du so viele Geheimnisse hast, bin ich zu dir gekommen, Clidna.«

Die Prostituierte schaute einen Moment verwirrt drein.

»Würdest du es als Beleidigung auffassen, wenn ich dich in mein Haus und zu einer Erfrischung einlade?« fragte sie.

»Das würde ich nicht.«

»Dann tritt ein, Schwester. Ich kann dir etwas zu trinken anbieten. Bei meinen bescheidenen Mitteln wird es allerdings nicht köstlicher Wein oder süßer Met sein.«

Sie ging voran in die Hütte, bat Fidelma, sich zu setzen, und wandte sich dann einem Topf zu, der über einem Holzfeuer hing.

»Ich koche gerade Holzfällertee«, erklärte Clidna. »Vielleicht magst du ihn.«

»Wie machst du ihn?« fragte Fidelma und sog prüfend den Geruch ein, dem das Aroma des Waldes eigen war.

»Das ist ganz einfach«, lächelte die Frau. »Ich zapfe den Saft einer Birke ab und erhitze ihn zusammen mit Kiefernnadeln. Die heiße Flüssigkeit seihe ich durch Riedgrashalme.«

Sie reichte Fidelma einen irdenen Krug.

Fidelma nippte vorsichtig daran. Das Getränk schmeckte ungewöhnlich, aber nicht unangenehm.

»Sehr gut«, meinte sie nach einem kräftigen Schluck.

»Nicht zu vergleichen mit dem, was ihr im Palast von Cashel trinkt, nehme ich an?«

Fidelma zog eine Braue hoch.

»Du weißt also, wer ich bin?«

»Ich bin eine Frau mit Geheimnissen.« In Clidnas Augen funkelte der Schalk. »Wo sonst landen Geflüster und Gerüchte als in den Ohren von solchen wie ich?«

»Erzählst du mir etwas über dich? Wie bist du zu diesem Beruf gekommen?«

»Ich war die Tochter von Geiseln. Meine Eltern gehörten zu den Ui Fidgente und wurden nach der Schlacht an der Apfelfurt gefangengenommen, in der Dicuil, der Sohn des Fergus, von den Männern von Cashel erschlagen wurde.«

Geiseln hatten keine Rechte in der Gemeinschaft und mußten arbeiten, bis das Lösegeld gezahlt wurde oder die nächste Generation automatisch freikam.

»Ich wurde geboren, bevor meine Eltern gefangengenommen wurden«, fuhr Clidna fort. »Deshalb bin ich keine freie Frau. Ich hatte keine Rechte im Clan, und deshalb bin ich das, was du vor dir siehst: eine Frau mit Geheimnissen. Ohne Sühnepreis, ohne Status, ohne Brautpreis. Ohne Eigentum.«

»Wem gehört die Hütte hier?«

»Sie steht auf Agdaes Land.«

»Ach, Agdae vom Schwarzen Moor?«

Clidna lächelte leicht.

»Natürlich bezahle ich ihm Miete.«

»Natürlich.«

»Ich schäme mich nicht für das Leben, das ich führe.«

»Habe ich gesagt, daß du das tun solltest?«

»Leute deines Berufs, wie Pater Gormän zum Beispiel, möchten mich am liebsten auspeitschen und aus dem Lande jagen lassen.«

»Pater Gormän vertritt sehr extreme Ansichten.«

Clidna sah Fidelma einigermaßen überrascht an.

»Du willst mir doch nicht sagen, daß du das gutheißt, was ich bin?«

»Daß ich dich gutheiße oder deinen Beruf?«

»Läßt sich das trennen?«

»Das hängt vom Einzelfall ab. Mein Lehrer Morann von Tara hat mir beigebracht, ich solle nie andere Leute mit meiner eigenen Elle messen.« Fidelma hielt inne. »Ich bin aber nicht hergekommen, um mit dir über deine Lebensweise zu sprechen, Clidna. Ich bin gekommen, weil ich mich freuen würde, wenn du mir mit ein paar Auskünften helfen würdest.«

Die Frau zuckte die Achseln.

»Es gibt wenig in dieser Gegend, was ich nicht erfahre.«

»Eben. Dux femina facti! Du hast vielleicht Geheimnisse gehört, die in den Wind geflüstert wurden.«

»Aber nicht das Geheimnis, das du aufdecken möchtest. Es gibt zu viele Leute, die Eber haßten, die ihm alle möglichen Krankheiten wünschten. Aber ich wüßte nicht, wer so weit gehen würde, ihn zu ermorden.«

»Vielleicht hatte zum Beispiel Agdae einen hinreichenden Grund?«

Clidna errötete und schüttelte rasch den Kopf.

»Außerdem war er in Lios Mhor, als Eber umgebracht wurde. Das weißt du doch«, sagte sie.

Fidelma wußte das wohl, aber sie hatte Clidna prüfen wollen. Der Ton, in dem sie von Agdae als ihrem Wirt gesprochen hatte, ließ auf etwas mehr als eine rein geschäftliche Verbindung schließen.

»Er wäre auch nicht imstande, jemand anderen für den Mord zu dingen?«

»Das ist nicht seine Art. Er ist jähzornig, und die Anhänglichkeit an seinen Vetter Muadnat hat ihn manchmal auf Abwege geführt. Aber er ist nicht gewalttätig.«

»Trotzdem überlegt Agdae vielleicht jetzt, während wir uns unterhalten, wie er Archü aus der Welt schaffen könnte. Zumindest soll er damit gedroht haben.«

Clidna warf den Kopf zurück und lachte.

»Da hast du was falsch verstanden!«

»Bist du sicher?« fragte Fidelma.

Clidna erhob sich, immer noch lächelnd, und ging zu einer Tür an der Rückseite der Hütte, die in einen dunklen Raum führte. Sie winkte Fidelma, die ihr vorsichtig folgte. Clidna machte ihr ein Zeichen, in das Düster zu schauen, und legte den Finger an die Lippen.

Ein starker Geruch nach schalem Alkohol wehte ihr aus dem Raum entgegen, der offensichtlich als Schlafkammer diente. Sie hörte ein röchelndes Schnarchen und sah eine Gestalt auf einer hölzernen Pritsche ausgestreckt liegen.

Clidna ging geräuschlos durch den Raum und stieß einen Fensterladen auf, um Licht hereinzulassen. Die Gestalt stöhnte leise. Fidelma spähte hinüber. Mühelos erkannte sie Agdae. Clidna zog den Laden wieder zu, und beide verließen den Raum.

»Er ist seit dem Tode Muadnats hier und die ganze Zeit kaum nüchtern«, erklärte Clidna. »Der Tod seines Vetters hat ihn sehr mitgenommen. Er ist zu Gewalttaten nicht fähig. Soviel weiß ich.«

Fidelma nahm wieder Platz und nippte nachdenklich an ihrem Holzfällertee.

»Kam Eber auch manchmal her?«

Clidna lachte und setzte sich kopfschüttelnd. Sie lachte anscheinend gern.

»Ich war nicht nach seinem Geschmack, denn ich war weder ein junges Mädchen noch mit ihm verwandt«, antwortete sie. »Nein, er hatte andere Gelegenheiten.«

»Du sagtest, daß viele ihn haßten?«

»Er war für die Leute von Araglin, was ein Rabe für ein Aas ist«, meinte Clidna.

»Woher kam dann der Ruf von Freundlichkeit und Großzügigkeit, von Sanftmut und Ritterlichkeit, in dem er stand?«

»Eber bemühte sich um Einfluß in der Versammlung des Königs von Cashel. Er wollte alle zu Freunden machen und seinen Ruf verbessern, um einen Sitz im Rat zu erlangen.«

»Weh euch, wenn euch jedermann wohlredet!« murmelte Fidelma. Sie lächelte Clidna zu, die sie fragend anschaute. »Das steht im Evangelium des Lukas. Oder mit anderen Worten, wie es Aristoteles sagt, wer behauptet, viele Freunde zu haben, hat gar keinen Freund. Erzähl mir von den Leuten, die ihn haßten.«

»Und wo soll ich da anfangen?« fragte Clidna skeptisch.

»Warum nicht bei seiner Familie?«

»Eine gute Idee«, bestätigte sie. »Jeder seiner Angehörigen haßte ihn.«

»Jeder?« Fidelma beugte sich interessiert vor. »Dann erörtern wir das genauer. Auch seine Frau?«

»Cranat? Ja, sie haßte ihn. Daran gibt es keinen Zweifel. Wenn du mit ihr gesprochen hast, dann weißt du, daß sie sich schlecht behandelt fühlte. Daß sie sich unter ihrem Stand vermählt hat. Sie, eine Prinzessin der Deisi. Sie mochte nicht in Araglin leben. Sie hatte Eber nur des Geldes wegen geheiratet. Vorhin hast du eine Zeile Latein zitiert. Ich habe auch mal eine Zeile von einem« - sie zögerte und lächelte - »von einem Freund gelernt. Sie lautet: quaerenda pecunia primum est virtus post nummos

»Eine Zeile aus den Briefen des Horaz« - Fidelma kannte sie -, »die viel zitiert wird. >Zuerst muß man Reichtum erwerben; Geld geht noch über die Tu-gend.< Also heiratete Cranat Eber, um Reichtümer zu erwerben, weil sie wichtiger sind als Tugend?«

Clidna lächelte zustimmend.

»Ist Cron ihr einziges Kind von Eber?«

Clidna rieb sich die Nase und nickte: »Ja.«

»Seit wann wohnt Cranat von Eber getrennt?«

»Sie trennten sich, als Cron ungefähr zwölf oder dreizehn Jahre alt war. Es gab natürlich Gerede.«

»Gerede?«

»Daß Eber seine eigene Tochter der Gemeinschaft mit seiner Frau vorzog.«

Fidelma lehnte sich zurück und sah Clidna lange nachdenklich an.

»Noch mehr Tee?« fragte Clidna, ungerührt von der Wirkung ihrer Worte.

Fidelma nickte automatisch und hielt ihr ihren Krug hin.

»Reden wir also von Cron. Wie stand sie zu ihrem Vater?«

»Ich habe gehört, sie hatten ein enges Verhältnis. Sie kam gut mit ihm aus, und kaum hatte sie das Alter der Wahl erreicht, da wurde sie zur Tanist gemacht. Wir sind hier eine ländliche Gemeinschaft, Schwester. Das gab ziemlichen Ärger.« »Ärger?«

»O ja. Ein junges Mädchen wurde zur Nachfolgerin eines Fürsten gewählt.«

»Das ist nicht ungewöhnlich«, wandte Fidelma ein. »Frauen können sich um alle Ämter in den fünf Königreichen bewerben.«

»Aber in bäuerlichen Gegenden werden sie selten gewählt. Es gab jedoch noch ein anderes Problem. Muadnat war bereits zum Nachfolger gewählt.«

Fidelma versuchte ihre Überraschung zu verbergen.

»Muadnat?«

»Ja. Wußtest du nicht, daß er Ebers Vetter war und daß er, weil Eber keine unmittelbaren männlichen Erben hatte, schon vor langer Zeit zum Tanist ernannt worden war? Als Eber ihn absetzte und seine eigene Tochter zur Tanist wählen ließ, wurde gemunkelt, Eber habe sich die Unterstützung dafür mit viel Geld erkauft.«

Fidelmas Gedanken wirbelten.

»Wecke Agdae für mich!«

Clidna wollte protestieren, unterließ es aber angesichts Fidelmas entschlossener Miene.

Es dauerte etwas, bis Agdae zu sich kam. Er saß blinzelnd auf dem Bett und rieb sich die Augen. Nüchtern war er offensichtlich noch nicht.

»Hör zu, Agdae«, redete Fidelma ihn barsch an, »hör genau zu. Und sag mir die Wahrheit. Wenn du das nicht tust, könnte dein Leben in Gefahr geraten. Hast du mich verstanden?«

Agdae stöhnte.

»Wann wurde Muadnat von den derbfhine des Hauses der Fürsten von Araglin als Tanist abgesetzt?«

Agdae starrte sie mit leerem Blick an.

»Wann?« fragte Fidelma noch einmal.

»Wann?« wiederholte Agdae benommen. »Ach, vor drei Wochen.«

»Erst vor drei Wochen? Und gehörst du zu den derbfhine?«

Agdae fuhr sich durch sein wirres Haar und nickte widerwillig.

»Gib mir was zu trinken.«

»Gehörst du zu den derbfhine?« fragte Fidelma mit lauterer Stimme.

»Ja

»Hast du dafür gestimmt, daß Muadnat Tanist bleibt?«

»Natürlich, ich ...«

»Wer hat sonst noch für Muadnat gestimmt ... Wer noch?«

Agdaes Augen schlossen sich wieder, als sei er am Einschlafen.

»Wer außer dir hat Muadnat in der Versammlung unterstützt?«

Sie rüttelte ihn an den Schultern.

»Schon gut, schon gut!« protestierte er. »Nur Cra-nat, Teafa und ich ... ach, und Menma. Weiter keiner.«

»Also gehört Menma auch den derbfhine an?«

»Der Pferdewärter hat eine Stimme bei den derbfhine«, bestätigte Clidna.

Agdae sank wieder in Trunkenheit auf das Bett. Fidelma blieb einige Augenblicke nachdenklich stehen, ehe sie in den anderen Raum zurückkehrte. Clidna folgte ihr und schloß leise die Tür zur Schlafkammer. Fidelma setzte sich wieder. Vorsichtig folgte Clidna ihrem Beispiel.

»Also wurde Cron erst vor drei Wochen zur Tanist gewählt?« überlegte Fidelma. »Ich weiß, daß es eine Verbindung zwischen Cron und Duban gibt. Wie war das Verhältnis Dubans zu Eber?«

»Es heißt, daß Duban Eber haßte«, antwortete Clidna.

»Trotzdem befehligte er seine Leibwache. Wußte Eber von diesem Haß?«

»Eber war vollständig mit sich selbst beschäftigt. Er war empfänglich für Schmeicheleien, und wenn er auf Feinde traf, dann bestach er sie eben. Als Duban nach vielen Jahren nach Araglin zurückkehrte und Eber seine Dienste anbot, fühlte Eber sich geschmeichelt, daß ein Krieger, der sich im Kampf gegen die Ui Fid-gente Ruhm erworben hatte, bei ihm dienen wollte.«

»Ich verstehe«, sagte Fidelma nachdenklich.

Clidna las in ihrer Miene.

»Falls du Duban des Mordes an Eber verdächtigst, irrst du dich meiner Meinung nach. Duban ist ehrgeizig und zielbewußt, aber er besitzt den Ehrbegriff eines Kriegers. Er würde Eber im Zweikampf töten, aber sich niemals nachts zu ihm schleichen und ihm die Kehle durchschneiden.«

»Ich habe es erlebt, daß Menschen zu ganz unwahrscheinlichen Mitteln greifen, die überhaupt nicht zu ihnen passen.«

»Nun, ich würde sagen, daß von allen Menschen in Araglin Duban, trotz seines Hasses auf Eber, der letzte wäre, der einen Mord beginge.«

»Weißt du, weshalb Duban Eber haßte?«

»Ach, das ist eine alte Geschichte aus der Zeit, als Duban noch ein junger Mann war. Irgend etwas ver-anlaßte ihn damals, sich den Truppen der Könige von Cashel anzuschließen.«

»Du sagtest, du würdest eher anderen Leuten als Duban den Mord an Eber zutrauen. Wem zum Beispiel?«

Clidna lächelte verlegen.

»Du bist nicht gekränkt, wenn ich offen meine Meinung sage?«

»Weshalb sollte ich?«

»Vielleicht gefällt dir nicht, was ich zu sagen habe.«

»Es ist egal, ob es mir gefällt, wenn es mich auf den Weg zur Wahrheit bringt. Wir suchen die Wahrheit, wo sie auch liegen mag. Vincit omnia Veritas

»Pater Gorman haßte Eber. In allem, was er für Moral hält, ist er ein Fanatiker. Ständig droht er den Leuten mit der Hölle und dem ewigen Feuer. Er drohte auch Eber und Teafa.«

»Woher weißt du das?«

»Ich erfuhr es von dem eingebildeten kleinen Jungen, der so tut, als sei er ein Krieger. Er war oft hier.«

»Critan?«

»Genau der. Eines Abends betrank er sich hier, und in seinem Rausch erzählte er mir, daß Pater Gorman sowohl Eber als auch Teafa in heftigster Weise beschimpft habe. Eber habe er einen üblen Hurenbock genannt, der in der Hölle schmoren werde, und gemeint, Teafa sei nicht besser. Pater Gorman warf ihnen viele Sünden vor, so viele, daß er erklärte, die Hölle sei nicht heiß genug und die Ewigkeit nicht lang genug, um sie hinreichend zu bestrafen.«

»Wann war das?«

»Laut Critan vor zwei Wochen. Eber wurde so wütend auf Gorman, daß er ihn schlug.«

»Eber schlug den Priester?« Selbst Fidelma war überrascht.

»So war es.«

»Gab es Zeugen?«

»Critan sagt, er habe es selbst gesehen, weil es sich im Pferdestall abspielte. Sie bemerkten ihn nicht, denn er war auf dem Heuboden.«

»Worum ging es bei dem Streit?«

»Danach solltest du Critan fragen.«

»Ich glaube kaum, daß er es mir verraten würde. Mach dir keine Sorgen. Wenn du mir erzählst, was Critan gesagt hat, richte ich es so ein, daß dein Name nicht erwähnt wird, falls daraufhin etwas unternommen werden muß.«

»Critan lag auf dem Heuboden über dem Pferdestall, wahrscheinlich schlief er. Eine laute Auseinandersetzung weckte ihn. Gorman, Eber und Teafa waren im Stall. Er verstand nicht genau, worüber sie sich stritten, nur soviel, daß Pater Gorman den beiden unmoralisches Verhalten vorwarf. Critan meinte, daß Moen irgendwie erwähnt wurde. Dann schlug Eber tatsächlich den Priester.«

»Wie ging es weiter?« fragte Fidelma.

»Pater Gorman stürzte hin. Critan sagte, daß er etwas in der Art rief wie, für diesen Schlag werde Eber der Tod treffen.«

»Das hat er gesagt?«

»Laut Critan ja.«

»Was waren genau seine Worte?«

»Ich glaube, Critan sagte, daß Pater Gorman schrie: >Der Himmel wird dich töten für diesen Schlag< -oder so ähnlich.«

»Ach, der Himmel. Er hat nicht gesagt, daß er selbst den tödlichen Streich führen würde?«

Clidna schüttelte den Kopf.

»Nun gut, ich werde dich da heraushalten. Aber verrate mir noch eins«, Fidelma lächelte leicht, »ist Agdae ein guter Wirt?«

»Nicht besser und nicht schlechter als andere«, wich Clidna verlegen aus.

»Aber du magst ihn mehr als andere?«

»Es ist schön, wenn man von einem besseren Leben träumen kann«, gab sie zu.

»Was kannst du mir über Muadnat sagen?«

»Ein Hitzkopf. Er war es gewohnt, immer seinen Willen durchzusetzen.«

»Haben Muadnat und Agdae häufig dein . dein Haus besucht?«

Clidna lachte fröhlich.

»Sie und halb Araglin. Ich schäme mich nicht. Ich lebe davon.«

»Hast du mal gehört, daß einer von beiden von einem Bergwerk sprach?«

»Einem Bergwerk? Meinst du hier in Araglin?«

»Ja. Oder im Schwarzen Moor, auf Muadnats Land zum Beispiel.«

»Nein, auch nicht woanders in dieser Gegend. Aber weißt du ... vielleicht hat es nichts zu bedeuten ...«

Fidelma schwieg erwartungsvoll.

»Menma sagte mal was. Er sagte was von einem Mann, der Steine gefunden hatte, die ihn reich machen würden.«

»Wie?«

»Ich verstand es damals nicht, und ich verstehe es auch jetzt nicht, Schwester. Menma ist oft hier, und meistens ist er betrunken. Vor ein paar Wochen redete er im Suff davon, Reichtümer aus der Erde zu holen. Ich hatte keine Ahnung, was er meinte. Dann sagte er was von einem Mann, der das Geheimnis kenne, Steine zu Reichtum zu machen, und daß Reichtum mehr Macht bedeute, als Eber sich vorstellen könne.«

»Erwähnte er den Namen des Mannes?«

»Es klang so wie Mor ... Mor und noch was.«

»Morna?« fragte Fidelma.

»Ich glaube ja. Da du nach Bergwerke fragst - holt man aus ihnen nicht Steine, die wertvolle Metalle enthalten?«

»Hast du noch mehr davon erzählen hören? Hat Muadnat etwas darüber gesagt?«

»Nein. Interessant ist noch, daß zu der Zeit Menma und Muadnat anscheinend dicke Freunde wurden. Vorher war Muadnat nie freundlich zu dem Pferdewärter gewesen. Das war eigenartig. Ich weiß es, weil Agdae sich mal darüber beklagte, daß Muadnat und Menma nun oft in den Bergen auf die Jagd gingen und er sich ausgeschlossen fühlte.«

Langsam und nachdenklich stand Fidelma auf.

»Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du mir berichtet hast, Clidna. Du warst mir eine große Hilfe.«

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