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Drei Tage später hatte sich eine kleine Gruppe mit Fackeln zu mitternächtlicher Stunde im Hafen eingefunden. Arthag, der Amboßzwerg, Nyrilla die Auelfe und Oberst von Blautann standen mit Bündeln auf dem Kai. Vor ihnen im Wasser lagen einige Baumstämme. Ein Soldat gab ein Fackelzeichen an den südlichen Flußturm. Nun würde das Sperrgitter, das den Hafen sicherte, heruntergelassen werden. Marcian wandte sich noch einmal an den Obristen.

»Du wirst dich umbringen, Alrik. Deine Wunden sind kaum ausgeheilt, und nun stürzt du dich in dieses Abenteuer.«

»Statt herumzuunken, solltest du mir lieber Glück wünschen. Mein Entschluß steht fest, und du wirst mich nicht mehr umstimmen. Mein Wort hat bei der Generalität und beim Prinzen mehr Gewicht als das eines dahergelaufenen Söldners. Es ist entscheidend, daß ich gehe.«

Marcian musterte den Offizier. Irgendwie bewunderte er ihn. Er war genau das, was man sich unter einem vorbildlichen Ritter vorstellte. Mutig, edel und gut. Vielleicht fehlte ihm auch einfach nur die Phantasie, sich vorzustellen, daß seine Pläne einmal schieflaufen könnten. Daß er im kalten Wasser ertrinken könne, seine Wunden unter den Strapazen der Reise wieder aufbrechen ...

Wenigstens hatte er sich davon überzeugen lassen, daß sein langes, blondes Haar ihn sofort verraten würde, wenn er den Orks in die Hände fiele. Er hatte es sich abschneiden und schwarz färben lassen. Es war schon erstaunlich, wie sehr eine neue Frisur einen Menschen verändern konnte.

Marcian räusperte sich verlegen. »Du hast recht, Alrik. Ich wünsche dir und auch den anderen Glück. Vergeßt nicht, daß ihr von nun an die Hoffnung dieser Stadt seid. Gelingt es euch nicht, eure Aufgaben zu erfüllen, dann wird es bald kein freies Greifenfurt mehr geben.«


Arthag, der Zwerg, stand immer noch zögernd vor dem Baumstamm, der zu seinen Füßen im dunklen Wasser schaukelte. Nicht genug, daß er den undankbarsten Teil der Aufgabe hatte, dabei ausgerechnet von einer Elfe begleitet wurde und sich auch noch zum Abschied Marcians pathetischen Quatsch anzuhören hatte, nein, dieser Ausflug mußte auch ausgerechnet mit einem Bad beginnen. Er war von Anfang an dagegen gewesen, sich an Baumstämme geklammert den Fluß hinuntertreiben zu lassen, und das auch noch im Travia!

Ihm schauderte. Nicht mal auf seinen Vorschlag, ihm ein Faß zu geben, hatten sie bei den Beratungen eingehen wollen. Das sei zu auffällig, hatte es geheißen. Nun gut, er würde jetzt springen. Die anderen hatten schon die Flußsperre passiert, und Marcian sah ihn aufdringlich an. Arthag spuckte ins Hafenbecken. Dann schloß er die Augen und ließ sich fallen. Eiskalt schlug das Wasser über ihm zusammen. Einen schrecklichen Augenblick lang dachte er, er käme nicht mehr an die Oberfläche. Dann tauchte er prustend auf und klammerte sich an den Baumstamm. Ungeschickt begann er mit seinen Füßen zu paddeln, so wie es ihm die anderen am Nachmittag vorgemacht hatten. Bei der Generalprobe war er noch nicht dazu zu bewegen gewesen, ins Wasser zu gehen, und er betete inständig zu Angrosch, daß er bald wieder dieses unangenehme Element verlassen könne.

Bislang hatte er allen verschwiegen, daß er nicht schwimmen konnte. Aber was sollte es? Um über Wasser zu bleiben, hatte er schließlich seinen Baumstamm. Nur der durfte ihm auf keinen Fall davontreiben! Wie bei den anderen auch war seine ganze Ausrüstung in einer wasserdichten Persenning unter den Baumstamm genagelt worden. Sein kostbares Kettenhemd, das schon seine Ahnen getragen hatten, die Axt, die seine erste wirklich erstklassige Schmiedearbeit gewesen war, und nicht zu vergessen sein ganzes Gold, das er sorgsam in einen breiten Gürtel eingenäht hatte.

Kaum hatte er das Eisengatter des Hafens passiert, drehte sich sein Baumstamm in die Strömung, und kleine Wellen schlugen ihm ins Gesicht. Wütend prustete er das Wasser heraus, das er geschluckt hatte.

»Sei leise, du Idiot!« zischte es aus der Dunkelheit. »Wir passieren gleich die ersten Wachposten der Orks.«

Natürlich die Elfe! Wer sonst sollte sich auch mit ihm anlegen. Warum mußte ausgerechnet er mit ihr zusammengehen? Erst am Morgen hatte er noch im Ingrimm-Tempel zu Angrosch gebetet und seinen Gott angefleht, ihm diese Prüfung zu erlassen. Sogar die schöne Brosche, mit der er seinen Umhang zu schließen pflegte, hatte er geopfert. Vergebens! Wieder spuckte Arthag Wasser. Lange hatte er nachmittags von den Zinnen der Garnison auf diese ekelhafte, graubraune Brühe geschaut, durch die er sich nun treiben lassen sollte. Er würde sehr viel Bier brauchen, um über diese Geschichte einmal lachen zu können.

Nun konnte der Zwerg die ersten Wachfeuer der Orks im Nebel schimmern sehen. Die elenden Schwarzpelze hielten seit der Schlappe, die sie bei ihrem Sturmangriff erlitten hatten, gehörigen Abstand zu den Mauern der Stadt.

Undeutlich konnte er jetzt Wortfetzen hören. Dann übertönte das Rauschen des Flusses wieder alles. Diese Dummköpfe. Ihre Flußüberwachung war sehr uneffektiv. Sicher konnte bei Tag keiner auf diesem Weg aus der Stadt entkommen, aber nachts war es ein Kinderspiel — wenn nur das Wasser nicht so kalt wäre.

Wieder trieb Arthag an Wachfeuer vorbei. Weiter vorne konnte er undeutlich einen anderen Baumstamm im Licht sehen. Er mußte vorsichtig sein. Hier waren die Nebelschleier aufgerissen, und die Sicht auf die Breite war recht gut. Schemenhaft konnte er einige Gestalten vor dem Feuer erkennen, die auf den Fluß blickten. Leise vor sich hin fluchend tauchte er mit dem Kopf unter Wasser und klammerte sich an die eisernen Griffe, die auf der Unterseite in das Holz des Baumstamms getrieben waren, um den Schimmern Halt zu geben.

Arthag blieb unter Wasser, bis seine Lungen zu platzen drohten. Erst war es nur ein leichtes Kribbeln in seinem Brustkorb, doch dann wuchs dieses Gefühl mehr und mehr an, bis er schließlich glaubte, ein Feuersturm tobe in seiner Brust. Der Zwerg gab den Kampf mit sich selber auf und hob den Kopf aus dem Wasser, um tief einzuatmen. Die kalte Nachtluft wirkte wie ein Heiltrank, und es war ihm gleichgültig, ob die Orks ihn vielleicht noch sehen konnten. Ihm war lieber mit einem Pfeil im Rücken zu sterben, als zu ersaufen. Was seine Ahnen wohl von ihm denken würden, wenn sie ihn so sehen könnten?

Erleichtert stellte Arthag fest, daß das Wachfeuer der Orks ein gutes Stück hinter ihm lag. Mühsam versuchte er sich zu orientieren. Eine Meile vor der Stadt wand sich die Breite durch hügeliges Gebiet. An der zweiten Flußwende sollten sie an Land gehen. Die Linien der Orks würden sie dann weit hinter sich gelassen haben. Viel weiter konnten sie sich nicht treiben lassen. Kurz hinter der zweiten Kehre wurde das Flußbett enger und die Strömung stärker. Es würde auf Meilen unmöglich sein, ans Ufer zu kommen, denn die Breite hatte sich dort ein tiefes Bett gegraben, aus dem steile Uferböschungen aufragten. Bei Niedrigwasser gab es zwar Uferstreifen und Sandbänke, aber jetzt war alles überflutet. Auch die Kälte konnte mit der Zeit zur Gefahr werden. Die Flußfischer hatten sie ausdrücklich davor gewarnt, zu lange im Wasser zu bleiben. Arthag spuckte aufs neue angewidert aus. Warum nur hatte er sich darauf eingelassen? Sein erster Fehler war gewesen, sich damals auf den Silkwiesen für die Sache der Menschen zu schlagen. Sicherlich liebte er die Schlacht, aber wenn er gewußt hätte, daß all dies mit einem Bad in der Breite enden würde, wäre er zu Hause in den Amboßbergen geblieben.

Über das Gerede von Kälte des Flußwassers hatte Arthag zunächst nur gelacht. Er hatte schon so manchen harten Winter überstanden und dabei oft die Erfahrung gemacht, daß er den Unwillen der Natur wesentlich besser zu trotzen vermochte als seine menschlichen Gefährten, doch jetzt spürte auch er, wie ihm die eisige Kälte langsam in die Knochen kroch. Die erste Flußschleife hatten sie schon passiert. Lange konnte es jetzt nicht mehr dauern.

Angestrengt blinzelte er in die Finsternis. Weiter vorne waren mehrere Feuer zu erkennen. Sie schienen über dem Wasser zu schweben. Was, bei Angrosch, mochte das sein? Im Näherkommen konnte er die Schatten der anderen Baumstämme auf dem Fluß sehen. Der Nebel hatte sich hier völlig gelichtet. Ein leichter Wind zog von Osten über den Strom. Immer besser konnte Arthag nun erkennen, was vor ihnen lag. Vier kleine Flöße lagen in Abständen von einigen Schritt vor Anker. Die Orks hatten genau in der zweiten Flußkehre einen Posten errichtet. Auf jedem der Flöße stand ein Feuerkorb auf langen Beinen, dessen Flammen sich auf dem Wasser spiegelten. Bogenschützen kauerten auf den Flößen. An den Ufern waren Erdwälle aufgeworfen, und vermutlich waren dort auch einige Rotzen in Stellung gebracht, um Flußschiffe aufzuhalten, falls es noch einmal zu einem Durchbruchs versuch kommen sollte. Wieder fluchte Arthag. Die Schwarzpelze hatten ihre Lektion gelernt. Von dieser Stellung hatte niemand in der Stadt etwas gewußt.

Der Zwerg konnte sehen, wie die Orks auf den Flößen in seine Richtung auf das Wasser deuteten. Einige hantierten mit langen Speeren. Dann erreichte der vorderste Baumstamm die Posten. Mit den Speeren verhinderten die Schwarzpelze, daß der große Stamm gegen eines der Flöße prallte. Unter lauten Rufen bugsierten sie ihn in freies Fahrwasser. Dann trieb der Baum weiter. Von seinen Gefährten konnte Arhag nichts sehen. Sie mußten alle unter die Bäume getaucht sein.

Noch einmal holte der Zwerg tief Luft, dann tauchte er unter und klammerte sich wieder an die eisernen Griffe an der Unterseite des Stammes. Mit rasendem Herzen betete er zu Angrosch, daß sich der Stamm nicht drehen möge, wenn die Orks ihn mit ihren Speeren beiseite schoben. Auf Anraten einiger Schiffer waren mittags noch einige breite Äste an die Stämme genagelt worden, damit sie ruhig in der Strömung des Flusses lagen.

Wieder wurde das Kribbeln in den Lungen stärker. Doch Arthag spürte, wie die Schwarzpelze noch immer an dem Stamm hantierten, um ihn von ihren Flößen fernzuhalten. Er durfte jetzt auf keinen Fall aus dem Wasser tauchen. Er biß sich auf die Lippe. Das reißende Gefühl in seinen Lungen wurde langsam unerträglich. Da traf ihn ein schwerer Schlag an der Schulter. Der Zwerg unterdrückte einen Schmerzensschrei. Würde er jetzt den Mund öffnen, wäre es um ihn geschehen. Sein Baum mußte an einen Felsen unter der Wasseroberfläche gestoßen sein. Noch immer spürte er, wie die Schwarzpelze über ihm versuchten, den Stamm in sicheres Fahrwasser zu stoßen.

Der massige Baum begann sich langsam gegen die Strömung zu drehen. Wieder versetzte es Arthag einen Stoß. Sein Rücken schrammte über einen flachen Felsen, und die rauhe Rinde des Baumstamms drückte auf seine Brust. Er mußte loslassen, sonst würde er zwischen Stamm und Felsen zerdrückt werden. Ein neuer Schlag preßte ihm die Luft aus den Lungen. Arthags Hände glitten kraftlos vom Stamm.

Wirbelnd packte ihn der Fluß. Strampelnd gelang es dem Zwerg, den Kopf kurz über Wasser zu bringen und tief einzuatmen. Die Strömung riß ihn nun zwischen den Flößen hindurch. Noch immer waren die Orks mit dem verkeilten Stamm beschäftigt, und keiner schien ihn gesehen zu haben.

Erneut riß es Arthag unter Wasser. Ohne den Baum, an dem er Halt gefunden hatte, war er ein Spielball der Wellen. Immer öfter, wurde er unter die Wasseroberfläche gedrückt. Er hatte das Gefühl, Stunden um Stunden gegen das Wasser anzukämpfen, doch das konnte nicht sein, denn noch immer war es Nacht. Schließlich erlahmten seine Kräfte. Sein Widerstand wurde immer schwächer, und schließlich gab er auf zu kämpfen und ließ sich in die Dunkelheit treiben.


Trotz der Gefahr hatte Nyrilla ein kleines Feuer in der Nähe des Ufers entfacht. Von Blautann kauerte neben den Flammen. Während sie noch immer besorgt auf den Fluß hinausschaute, bereitete er ein Frühstück aus Bohnen und Speck.

Ungefähr eine Stunde mochte es nun her sein, daß sie das rettende Ufer erreicht hatten. Bald würde die Sonne aufgehen und noch immer war nichts von Arthag zu sehen. Ihr war ein Rätsel, wo der Zwerg abgeblieben war. Selbst wenn er in der Strömung den Halt verloren hatte und ertrunken war, so hätte doch zumindest sein Baum auf dem Fluß vorbeitreiben müssen.

»Ich glaube, den können wir abschreiben.« Der Oberst hatte sich zu der Elfe umgedreht. »Ich hab doch gleich gesagt, daß es ein Fehler war, einen Zwerg ins Wasser zu werfen.« Geistesabwesend führte er in der Pfanne auf dem Feuer. Dann murmelte er etwas leiser: »Es tut mir ja auch leid um den kleinen Eisenbeißer. Kanntet ihr euch schon lange?« »Wir haben uns in Greifenfurt kennengelernt«, log Nyrilla. »Wir waren alle fremd in der Stadt, als wir von der Rückeroberung überrascht wurden; so etwas bringt einen näher. Vor allem, nachdem alle Fremden auf die Burg eingeladen wurden, weil sie dort angeblich besser aufgehoben seien.« Die Elfe hatte die letzten Worte voll geheucheltem Sarkasmus ausgesprochen.

Der junge Oberst sollte nicht wissen, daß seine Reisegefährten im Dienst der Kaiserlich Garethischen Informations-Agentur standen. Um dieses Geheimnis zu wahren, war es besser, nicht all zu freundschaftlich miteinander umzugehen. Nyrilla blickte auf den Fluß. Dieses Intrigenspiel gefiel ihr von Tag zu Tag weniger.

Nachdem sie einige warme Bohnen und reichlich feuchtes Brot zu sich genommen hatten, löschte von Blautann das Feuer und machte sich zum Aufbruch bereit. Während er seine Kleider überstreifte, die neben dem Feuer getrocknet waren, stand die Elfe noch immer am Ufer und blickte nach Norden.

Das angeblich wasserdichte Tuch, in das ihre Ausrüstung eingenäht war, hatte sich als nicht annähernd so wasserabweisend erwiesen, wie die Greifenfurter Fischer behauptet hatten. Die ganze Ausrüstung war kalt und feucht gewesen, als der Oberst sie aus den unter die Bäume genagelten Tuchsäcken geholt hatte. Ein Beutel mit Lebensmitteln war verschwunden. Vermutlich hatte ein Fels ihn abgerissen.

Über eine Stunde hatten die beiden sich auf den Rücken der Baumstämme festgeklammert und waren durch das eisige Wasser getrieben, ohne eine Möglichkeit zu finden, an Land zu gelangen. Sie hatten die Hoffnung fast schon aufgegeben, als sie schließlich eine schmale Landzunge entdeckten, die vom Hochwasser noch nicht überflutet war. Mit letzter Kraft hatten sie ihre Baumstämme dort herüber gelenkt und auf den Zwerg gewartet.

Doch nun schien keine Hoffnung mehr zu bestehen, daß er sie noch erreichen würde. Sie konnten es sich nicht leisten, noch länger zu warten. Falls Arthag den Orks in die Hände gefallen sein sollte, mußten sie sich beeilen, denn dann hätten die Schwarzpelze mit Sicherheit schon Späher ausgeschickt, um nach anderen Booten aus Greifenfurt zu suchen.

»Kommst du, Nyrilla?« Der Oberst hatte das Lager abgebrochen und mühte sich bereits die schlammige Uferböschung hinauf.

Mit einem Seufzer folgte ihm die Elfe. Sie wollte einfach nicht glauben, daß der Zwerg tot sei, denn dann wäre ihre Aufgabe bereits gescheitert. Sie hatte mit ihm zu den Ingra-Kuppen ziehen sollen, in jenes Gebirgsmassiv, in dem das geheimnisvolle Xorlosch lag, die älteste Stadt des Zwergenvolks. Allein würde man sie dort niemals hinlassen. War es doch nicht einmal sicher gewesen, ob sie Arthag, der in den Augen der Erzzwerge, die die Geheimnisse dieser uralten Stadt hüteten, vermutlich nicht mehr als ein Herumtreiber aus dem verräterischen Volk der Amboßzwerge war, Zutritt zu diesem heiligen Ort gewährt hätten.

Mit Händen und Füßen im weichen Schlamm erklomm Nyrilla die Uferböschung. Es hatte angefangen zu regnen. Wie ein Schleier legte sich der Nieselregen über die Landschaft.

Während der Oberst auf ein Waldstück zumarschierte, das sich östlich von ihnen im Regen abzeichnete, blieb Nyrilla stehen.

»Wartet!« rief sie mit gedämpfter Stimme ihrem Gefährten hinterher. »Was ist los?« Der Oberst wischte sich mit der Hand das Wasser von der Stirn. »Können wir nicht im Schutz des Waldes reden, da werden wir vielleicht etwas weniger naß als hier.«

»Ich werde dich verlassen. Ohne Arthag werde ich nicht in die Zwergenstadt gelangen, also suche ich mir meinen Zwerg, und wenn ich dafür an Borons Pforten klopfen muß.«

Alrik war einigermaßen überrascht, eine Elfe über die Götter reden zu hören, auch wenn ihr Tonfall durchaus typisch für dieses gottlose Volk war. Ihr Vorhaben erschien ihm als blanker Unsinn, und gereizt entgegnete er: »Willst du vielleicht den Fluß wieder hinauflaufen? Einfacher kannst du es den Orks kaum machen ... Vielleicht willst du dich auch gleich stellen?«

»Sollten sie meine Spuren finden, werden sie vielleicht erst gar nicht nach dir suchen.« Der Tonfall der Elfe ließ nicht darauf schließen, was in ihrem Inneren vor sich ging. Kühl musterte sie den Oberst.

Alrik strich sich nachdenklich übers Kinn. Nüchtern betrachtet, hatte Nyrilla recht. Sollte sie den Orks in die Arme laufen, würden die Schwarzpelze vielleicht erst gar nicht nach ihm suchen. Dann käme wenigstens einer durch.

»Im Namen der Zwölfe, geh!« Mit einer Elfe zu diskutieren war ohnehin sinnlos. Alrik wollte ihr noch einmal freundschaftlich auf die Schulter klopfen, doch Nyrilla wich vor ihm zurück. Ohne ein weiteres Wort drehte sich die Elfe um und lief Richtung Norden wieder flußaufwärts.

Alrik hoffte, daß sie Glück haben würde, denn die Aufgabe, die Marcian ihr und Arthag zugedacht hatte, war vielleicht noch wichtiger als seine eigene. Auf den Tempelstelen in Xorlosch war angeblich die Geschichte Deres niedergeschrieben, und das war mit Sicherheit der einzige Ort, wo man herausfinden könnte, warum die Schwarzpelze vor langer Zeit Greifenfurt besetzt hatten und sie immer wieder heimsuchten.


Nyrilla war schon mehr als eine halbe Stunde den Fluß hinauf gelaufen, als sie weit vor sich eine Gestalt auf der Böschung stehen sah, die irgend etwas im Fluß zu beobachten schien.

Vorsichtig duckte sich Nyrilla ins hohe Gras. Dort hinten stand ein Ork, daran bestand kein Zweifel. Vielleicht war das eine Falle; ein Köder, um sie anzulocken. Aufmerksam musterte die Elfe die Umgebung. Nirgends war etwas Verdächtiges zu sehen, und außer dem hohen Gras gab es keine Deckung.

Wenn sie noch etwas näher schlich, könnte sie den Ork mit ihrem Bogen niederschießen. Sie war sich sicher, daß Lysandra in dieser Lage nicht einen Augenblick gezögert hätte, doch ihr widerstrebte es, ein intelligentes Wesen so ohne weiteres zu töten. Jetzt begann der Ork die Böschung hinunterzuklettern. Was er wohl unten am Fluß wollte? Dort gab es doch nicht einmal einen Uferstreifen.

Geduckt schlich Nyrilla bis zu der Stelle, an der eben noch ihr Gegner gestanden hatte. Der Fluß hatte im Laufe der Jahrhunderte einen halben Hügel fortgeschwemmt. Vorsichtig kroch sie an den Rand der Böschung und blickte hinunter. Knapp drei Schritte unter ihr kauerte der Ork auf einem flachen Felsen. Er hatte den Bogen von der Schulter genommen und wollte gerade einen Pfeil auf die Sehne legen. Weiter unter ihm lag eine nackte Gestalt auf einer Klippe, die sich aus dem schäumenden Wasser erhob. Es war Arthag!

Hastig zog Nyrilla ihren Bogen von der Schulter und legte einen Pfeil ein. Der Ork zielte unterdessen auf den bewußtlosen Zwerg.

»Laß das bleiben«, zischte die Elfe in der Sprache der Schwarzpelze. Erschrocken fuhr der haarige Kerl herum. Sofort erkannte er, daß er in der schlechteren Lage war und ließ langsam seinen Bogen sinken. Erst jetzt sah Nyrilla das lange, blonde Haar, mit dem sein Köcher geschmückt war. Dieser Mistkerl hatte in diesem Krieg schon getötet, daran konnte kein Zweifel bestehen.

»Leg den Bogen weg«, stieß sie wütend hervor. »Und jetzt klettere langsam wieder herauf und sieh mich dabei an. Dein Messer läßt du besser unten!«

Vorsichtig zog der Ork die Klinge aus ihrer bestickten Lederhülle und legte die Waffe neben den Bogen. Dann begann er die Uferböschung heraufzuklettern, ohne dabei den Blick von der Elfe zu lassen, ganz so, wie es Nyrilla befohlen hatte.

Einen Moment lang zögerte die Elfe. Seit sie den Skalp am Köcher des Orks gesehen hatte, war sie sich nicht mehr so sicher, ob sie ihn gefangennehmen wollte. Dann konzentrierte sie sich auf einen Beherrschungszauber und blickte ihm fest in die Augen.

Zunächst einmal brauchte sie seine Hilfe. Töten könnte sie ihn immer noch! Es war leicht, die einfachen Gedankenvorgänge dieses halben Tiers zu beherrschen. Sie spürte die Angst des Orks. Er erwartete, daß sie ihn töten würde. Er spielte mit dem Gedanken, ihr einen Klumpen Erde ins Gesicht zu schleudern und sie dann zu überwältigen.

Doch kraft ihrer Magie nahm sie ihm die Angst. Sie gaukelte ihm vor, wie sie einmal vor langer Zeit einen ganzen Winter zusammen gejagt hatten und schuf ein Bild, wie sie ihn vor einem verletzten Wollnashorn rettete, das ihn in einer Schlucht in die Enge getrieben hatte. Sie entwarf einen ganzen Bilderbogen hübscher Lügen. Sie spürte, wie sich die Gefühle des Orks änderten. Er glaubte sie jetzt wiederzuerkennen, und Nyrilla entdeckte seinen Namen. Garbaz hieß der haarige Krieger mit den furchteinflößenden Hauern im Kiefer.

Die Elfe streckte ihm die Hand entgegen und half ihm das letzte Stück über die Böschung hinauf. Dann umarmte sie den Ork naserümpfend und ließ einen Schwall freudiger Wiedersehensfloskeln über sich ergehen. Wieder musterte sie Garbaz mit stechendem Blick. Diesmal versuchte sie Arthag in die Erinnerungen des Kriegers einzubringen. Bilder, wie sie den Zwergen schon einmal vor dem Ertrinken gerettet hatten. Doch diesmal fiel es ihr schwerer, und Garbaz glaubte ihr erst nach einer ganzen Weile. Schließlich erhob sich die Elfe und schaute über die Uferböschung auf den Fluß. Noch immer lag der verletzte Zwerg auf dem Felsen inmitten des Stroms. Sie rief Garbaz zu sich und wies hinunter.

»Unser Freund sollte das Wasser meiden. Ihm ist schon wieder ein Unglück widerfahren.«

Garbaz knurrte vor sich hin, als sich die Elfe zu ihm umdrehte. »Traust du dir zu, Arthag dort aus dem Fluß zu holen?«

Der Ork schaute sie mit großen, rollenden Augen an. Steile Falten zeigten sich auf seiner Nase, als er verächtlich herausschnaubte: »Willst du mich beleidigen? Bei Ranagh, ich bin ein Mokalash. In meiner Sippe lernt man das Schwimmen noch vor dem Laufen. Wie kannst du mich so etwas fragen?«

Ohne eine Antwort abzuwarten, sprang Garbaz vom Steilufer in den Fluß. Mit einigen kräftigen Stößen schwamm er gegen die Strömung an, erreichte den Felsen, klammerte sich daran fest und zog sich schließlich hoch. Besorgt beobachtete Nyrilla, wie der Ork den leblosen Zwerg untersuchte.

Dann löste Garbaz einen langen Lederriemen von seinem Gürtel, zog ihm dem Zwerg unter den Armen durch und knüpfte einen Knoten. Während er Arthag mit Hilfe der ledernen Schlaufe hinter sich herzog, stieg Garbaz wieder ins Wasser. Mühsam kämpfte er sich mit der schweren Last gegen die Strömung. Doch das Wasser trieb die beiden langsam ab. Nachdem eine schiere Ewigkeit vergangen war, gelang es dem Ork, sich doch noch bis zum Steilufer vorzukämpfen. Verzweifelt versuchte er in der lehmigen Erde Halt zu finden. Doch vergebens! Wieder riß ihn die Strömung weiter, während Nyrilla am Ufer entlanglief. Ohne ein Seil war es unmöglich, den Schwimmern zu helfen. Immer häufiger wurden der Ork und seine Last unter Wasser gedrückt. Doch Garbaz gab nicht auf. Statt in Todesangst um Hilfe zu schreien, verhielt er sich sehr merkwürdig. Er stieß in hohen Tönen schrille Pfiffe aus.

Währenddessen überlegte Nyrilla fieberhaft, wie sie verhindern konnte, daß die beiden vor ihren Augen ertranken. Vielleicht sollte sie ihren Bogen nutzen. Wenn sie die Sehne von der Waffe zog und den Bogen herunterhielt, konnte es Garbaz vielleicht gelingen, sich daran festzuklammern. Nyrilla bezweifelte allerdings, daß sie stark genug war, um die beiden aus dem Wasser zu ziehen. Plötzlich ließ sie ein Geräusch herumfahren. Über die Wiese hinter der Böschung kam ein kleines struppiges Pony auf sie zugaloppiert. Mißtrauisch musterte Nyrilla das Gelände. Sollten sich doch noch einige Orks verborgen halten? Wie kam es, daß sie das Tier übersehen hatte?

Unmittelbar neben ihr blieb das kleine Pferdchen stehen. Garbaz rief von unten herauf. »Nimm das Seil! Mach es am Sattel fest und zieh uns heraus. Ich halte nicht mehr lange durch.«

Nyrilla nahm das schwere, aus Gras geflochtene Seil und befestigte es an einem der vier Hörner, die die Ecken des unförmigen Sattels markierten. Dann zog sie das Pony ein Stück hinter sich her, denn die Strömung hatte Arthag und Garbaz noch weiter flußabwärts getrieben.

Dann warf sie das Seil dem Ork zu. Beim dritten Versuch bekam Garbaz schließlich das Tauende zu packen und schlang es sich um den Unterarm. Nyrilla schlug dem Pony auf die Flanken. Schritt für Schritt kämpfte sich das kleine Tier vorwärts und zog die beiden langsam die Klippe hinauf.

Für einen Augenblick lag das seltsame Gespann regungslos im nassen Gras. Garbaz spuckte Wasser und rang mühsam nach Atem. Der Zwerg war immer noch ohne Bewußtsein.

Nyrilla untersuchte Arthags Verletzungen. Er hatte eine lange Schürfwunde am Rücken und eine schwere Prellung an der Schulter. Er schien viel Wasser geschluckt zu haben.

Unterdessen erhob sich Garbaz. Der Ork legte den Kopf in den Nacken und schrie seinen Triumph zum Himmel. Dann wandte er sich zum Fluß. »Vergib mir, große Schlange! Vergib mir, Ranagh, du gewundener Gott des Wassers und der Sümpfe. Ich habe dir ein Opfer entrissen. Verzeih mir, und nimm dafür von mir den Zahn, den die Korogai in den Feuern des Garvesh geschmiedet haben.«

Garbaz zog ein kleines gebogenes Messer, das er hinter seinem breiten Gürtel verborgen hatte, und warf es in weitem Bogen in den Fluß. Dann murmelte er noch einige unverständliche Beschwörungen.

Während sich Nyrilla um den Zwerg kümmerte, beobachtete sie den Ork aus den Augenwinkeln. Daß er ein nützliches Messer wegwarf, war ihr völlig unverständlich. Bislang hatte sie gedacht, daß der Götterglaube in erster Linie bei den Menschen die seltsamsten Blüten trieb.

Angestrengt versuchte die Elfe weiter dem Zwerg das Wasser aus den Lungen zu pressen. Arthags Puls ging schwach. Erstaunlich, was dieser kleine, stämmige Kerl alles auszuhalten vermochte. Garbaz hatte sich inzwischen neben sie gehockt und sah ihr zu.

Nyrilla wußte, daß sie den Ork bald loswerden mußte. Lange würde ihr Zauber nicht mehr halten. Bald würde er erkennen, daß sie ihm ihre Freundschaft und gemeinsame Abenteuer nur vorgegaukelt hatte.

Sie blickte Garbaz fest an. »Du hast uns wieder einmal sehr geholfen, mein Freund. Nun brauchen wir dringend Pferde, denn eine wichtige Aufgabe führt uns nach Havena. Glaubst du, daß du uns noch einige Ponys besorgen kannst?«

Garbaz nickte eifrig. »Das wird kein Problem sein. In unserem Lager nördlich von hier sind noch viele. Ich werde losreiten und sie holen.« Der Ork sprang auf die Beine und wollte zu seinem Pferd.

»Nicht so schnell.« Nyrilla hatte ihn gerade noch am Arm packen können. »Wir müssen sehr schnell vorwärts kommen. Wir sollen die Koschberge bei ihren nördlichen Ausläufern durchqueren und uns dann durch die Wälder und das Sumpfland bis nach Havena durchschlagen. Um schon ein Stück des Weges zu schaffen, während du die Pferde holst, brauche ich das Pony. Sonst kann ich meinen Freund nicht mitnehmen.« Garbaz runzelte die Stirn und malte mit dem Unterkiefer so, daß seine Zähne knirschten. Schließlich willigte er ein.

Erst holte er seinen Bogen, der weiter oben am Fluß noch auf dem Felsvorsprung am Steilufer lag. Dann kehrte er noch einmal zurück, um seinen Proviant vom Sattel zu schnallen.

Als er den noch immer ohnmächtigen Zwerg gemeinsam mit der Elfe auf das Pony gehoben hatte, wollte Garbaz gehen. Doch Nyrilla hielt ihn fest. Sie fühlte sich schuldig, öffnete ihren Gürtel und streifte ihr Jagdmesser ab. Eine kostbare Klinge, die sie vor langer Zeit von ihrem Vater geschenkt bekommen hatte.

»Nimm das«, sagte sie kurz und drehte sich um. Garbaz lief noch ein Stückchen auf seinen kurzen, muskulösen Beinen neben ihr her und bedankte sich überschwenglich. Nyrilla bemühte sich, keine Notiz mehr von ihm zu nehmen. Schließlich blieb sie dann doch stehen und fauchte ihn an. »Geh uns endlich die Pferde holen!«

Garbaz blieb verwundert stehen, während die Elfe mit langen Schritten weitermarschierte. Verständnislos schüttelte er den Kopf und dachte bei sich, was für komische Freunde er doch hatte. Dann machte er kehrt und ging nach Norden.


Konzentriert lauschte Alrik auf die Geräusche des Waldes. Doch nichts Verdächtiges war zu hören. Dann beobachtete er wieder die Lichtung vor sich und den gegenüberliegenden Waldrand. Er hatte sich im dichten Dornengestrüpp versteckt und lag nun schon bestimmt eine Stunde auf der Lauer, obwohl es ihm wie eine halbe Ewigkeit vorkam. Die Zeit genau zu schätzen war unmöglich, da den ganzen Tag schon die Sonne hinter dichten, grauen Regenwolken verborgen war. Alrik hätte bei allen Zwölfgöttern schwören mögen, dort hinten, auf der anderen Seite der Lichtung Stimmen gehört zu haben. Er wußte, daß Orks den Norden des Reichsforstes durchstreifte und daß diese Aufgabe den Jägern vom Stamm der Olochtai überlassen worden war. Schon vor Monaten, als Alrik noch mit seinen Kürassieren den fliehenden Schwarzpelzen nachgesetzt hatte, war ihm das Gerücht zu Ohren gekommen, daß einige Sippen der Olochtai in den Reichsforst gekommen seien, die gehört hatten, daß der Schwarze Marschall, Sadrak Whassoi, gute Jagdgründe verschenkte. Ursprünglich bewohnte dieses Volk die Große Olochtai, ein Gebirge, das seinen Namen von den Sippen der primitiven Orks, die dort hausten, bekommen hatte. Selbst unter ihresgleichen galten die Olochtai als ein Stamm, der sich nur wenig von den Tieren unterschied. Wieder spähte er über die Lichtung und fluchte, daß er sich so darum gerissen hatte, die mehr als zweihundert Meilen Wald bis nach Wehrheim zu durchqueren. Letzte Nacht hatte er es nicht gewagt, auch nur ein Auge zuzumachen. Nun war er müde, und seine alten Wunden begannen wieder zu schmerzen. Seit er das Feuer verlassen hatte, das die Elfe für ihn entfacht hatte, als sie gemeinsam am Fluß lagerten, war ihm nicht mehr richtig warm gewesen. Fröstelnd zog er seinen Umhang dichter um die Schultern.

Gestern nachmittag hatte er zum ersten Mal das Gefühl gehabt, daß man ihm folgte. Nur eine unsichere Ahnung, und doch hatte sie gereicht, ihn um seinen Schlaf zu bringen. Auch jetzt hatte er wieder das Gefühl, daß ihn etwas irgendwo aus dem dichten Unterholz des Waldes beobachtete. Auf der Lichtung weideten jetzt einige Rehe, die immer wieder aufmerksam die Köpfe hoben, um mit bebenden Nüstern Witterung zu nehmen. Doch es schien keine Gefahr in der Luft zu liegen, und nach einer Weile fragte sich Alrik, ob er nicht an Verfolgungswahn litt.

Er war nie ein großer Jäger gewesen. Sicher hatte auch er dem adligen Vergnügen der Jagd gefrönt, doch waren immer Dutzende von Leibeigenen in langen Ketten vor ihm durch den Wald gezogen, um das Wild aufzustöbern. Er würde sein Schwert dafür geben, wenn er jetzt statt im Wald auf einem Schlachtfeld stehen würde. Dort wußte er jedenfalls, wie er sich zu verhalten hatte, kannte die Gefahren und konnte seine eigene Stärke einschätzen. Aber hier im Wald war alles anders.

Gerade wollte er sich aus seinem Versteck erheben, als aus dem gegenüberliegenden Gestrüpp sieben oder acht in verfilzte Felle gehüllte Gestalten auf die Lichtung stürmten. In Panik versuchten die Rehe zu fliehen, doch für zwei war es schon zu spät. Einem hatte einer der Orks einen primitiven Speer in die Seite gerammt, und ein anderes hatte der größte der Jäger von der Seite angesprungen, ganz so wie ein Wolf, der Beute riß. Angewidert und zu Tode erschrocken beobachtete er die Jäger.

Der Anführer hatte einem gestürzten Reh seine Hauer in den Nacken gegraben. Noch wenige Augenblicke zuckten die Läufe des todwunden Tieres, dann lag es still. Der Jäger erhob sich und ließ einen gellenden Schrei ertönen. Um seinen Hals trug er eine Kette aus Raubtierzähnen. Lederriemen mit bunten Federn schmückten seine Arme, und ein zerschlissenes Fell war um seine Lenden gewickelt. Die Jäger erschienen Alrik ein Stück kleiner als die Orks, denen er bislang begegnet war. Sie hatten ein grauschwarzes Fell. Das beeindruckendste an den muskulösen Gestalten waren jedoch die gewaltigen Hauer, die aus ihren Kiefern wuchsen. Fangzähne, die jedem Eber Ehre gemacht hätten.

Der Anführer riß nun seine Beute auseinander. Er benutzte dazu ein stählernes Messer. Alle anderen Jäger waren weitaus primitiver bewaffnet. Sie hatten Speere mit steinernen Spitzen, Äxte, deren Blätter aus Obsidian zu sein schienen, und benutzten auch flache, behauene Steine, um den erlegten Rehen das Fell abzuziehen. Als sie ihre Beute in handliche Stücke zerlegt hatten, verließen sie die Lichtung und verschwanden wieder im Wald.

Alrik blieb noch eine ganze Weile in seinem Dornengestrüpp liegen. Diesen Schlächtern wollte er auf keinen Fall in die Hände geraten. Plötzlich hörte er hinter sich eine spöttische Stimme.

»Die Luft ist jetzt rein, großer Krieger. Kriecht ruhig aus dem Busch heraus.«

Erschrocken fuhr Alrik herum. Durch die dichten Äste konnte er nichts sehen.

Wollte er unbeschadet aus dem Gebüsch heraus, mußte er wohl oder übel kriechen. Als Versteck war es nun, da man ihn entdeckt hatte, nichts mehr wert. Doch alles in ihm sträubte sich dagegen, vor jemandem zu kriechen, der ihm gegenüber einen so spöttischen Ton anschlug. Er war von adliger Geburt und ein Ritter. Wütend überlegte er, wie er aus der mißlichen Lage herauskäme, als die Frauenstimme schon wieder spottete:

»Nun, seid Ihr noch immer vor Angst wie gelähmt, oder habt Ihr beschlossen in diesem gemütlichen Dornbusch den Winter zu verbringen?«

Vor Wut schnaubend brach Alrik durch das Gestrüpp. Äste kratzten ihm das Gesicht blutig, und die Dornen zerrissen seine Gewänder. »Wer seid Ihr?« brüllte er. Auch jetzt, als er sich aus seinem Versteck freigekämpft hatte, konnte er noch immer niemanden sehen.

Da trat eine zierliche Frau hinter einem mächtigen Baumstamm hervor. »Man nennt mich Andra, die Jägerin, und wer seid Ihr?«

Alrik versuchte so etwas wie eine höfische Verbeugung, führte die Galanterie aber nicht bis zu Ende, denn sonst hätte er sich erneut sein Gesicht zerkratzt.

»Gestatten, Oberst Alrik von Blautann und vom Berg. Ritter in Diensten des Prinzen Brin, des einzig rechtmäßigen Regenten im Mittelreich.« »In der Zeit, die Ihr zu Eurer Vorstellung braucht, könnte ich Euch glatt mit meiner ganzen Sippe bekannt machen«, entgegnete die Fremde schmunzelnd.

Sie trug beinahe kniehohe Stulpenstiefel, eng anliegende Hosen aus einem gelblichen, feingegerbten Leder und ein Lederwams, unter dem eine rote Bluse aus feinem Stoff hervorlugte. Ihre Hände steckten in Handschuhen aus Wildleder. Über ihrem Rücken hing ein mit Stickereien und Fransen verzierter Köcher. Den dazugehörigen Jagdbogen hielt sie in der Hand. Als zweite Waffe führte sie an einem metallverstärkten Gürtel ein Schwert mit auffällig geschwungener Parierstange. Im Haar und an ihren Ohren glitzerte fein gehämmerter Messingschmuck.

So ausstaffiert, machte die Jägerin einen zugleich wilden und verführerischen Eindruck. Obwohl ihr Körper grazil und zerbrechlich wirkte, traute Alrik ihr dennoch zu, es mit jedem Raubtier in dieser Wildnis aufzunehmen.

»Nun, was gafft Ihr so, Ritter des Prinzen? Ihr tätet gut daran, endlich diesen Busch zu verlassen, und wir sollten dann aus der Nähe dieser Lichtung verschwinden.«

Alrik räusperte sich verlegen und tat schließlich, wie ihm geheißen. Einen Augenblick schwieg er verlegen, doch dann überlegte sich der Ritter, daß es höflich sei, ein wenig mit der Fremden zu plaudern. Vielleicht konnte ihm diese Jägerin einen besseren Weg durch den Wald weisen, als er jemals finden würde.

»Sagt, schöne Andra, fürchtet Ihr Euch nicht vor den Orks?« eröffnete er das Gespräch. Alrik war sich durchaus bewußt, wie naiv das klang, doch hatte seine Zunge nicht den Schliff eines geübten Höflings.

Andra lachte laut auf. »Angst vor den Orks? Die Schwarzpelze tun gut daran, sich vor mir zu fürchten. Ich kenne den Wald besser als jeder Olochtai, und ihre ranzigen Pelze rieche ich schon eine Meile gegen den Wind. Aber Ihr habt Glück gehabt, nicht wahr? Daß Ihr dieser Jagdmeute nicht in die Arme gelaufen seid, war doch wohl nur Zufall.«

»Ihr habt mich beobachtet und mich nicht gewarnt?« Alrik blickte die Jägerin verblüfft an. »Ihr hättet mich sterben lassen?«

»Wißt Ihr, wir sind hier im Wald. Hier regiert Firun, Herr der Jagd und des Winters, und nicht Eure Kriegsgöttin Rondra. Ich habe Euer Leben in seine Hände gelegt. Hätte er gewollt, daß Ihr sterbt, wärt Ihr nichtsahnend auf die Lichtung spaziert. Doch so wie Ihr Euch verhalten habt, muß Firun beschlossen haben, daß ich weiter über Euch wache.«

Alrik schwieg. Diese Frau hätte kaltblütig zugesehen, wie er abgeschlachtet worden wäre, obwohl ein Wort von ihr genügt hätte, ihn zu warnen. Die Einsamkeit in den Wäldern mußte ihr den Geist verwirrt haben. Es wäre vermutlich das beste, sich schnell wieder von ihr zu trennen. Eine Weile schritten sie schweigend nebeneinander her. Alrik hatte den Eindruck, daß Andra ihn ständig aus den Augenwinkeln beobachtete. Dann sprach sie ihn wieder an.

»Ihr habt wohl mehr Erfahrung auf dem Schlachtfeld als mit der Jagd im Wald?«

Darauf würde er keine Antwort geben, dachte sich Alrik. Noch immer musterte Andra ihn neugierig.

»Ich folge Euch schon seit gestern. Ihr hinterlaßt eine Spur im Wald wie ein verliebter Keiler. Hätte ich nicht Eure Fährte beseitigt, wären die Olochtai schon längst über Euch hergefallen. Außerdem seid Ihr noch nicht einmal in der Lage, die Richtung zu halten. Zuerst dachte ich, Ihr wollt geradeaus nach Osten. Doch dann seid Ihr immer mehr nach Süden abgedriftet. Was ist eigentlich Euer Ziel? Seid Ihr ein versprengter Soldat der kaiserlichen Armee oder vielleicht ein Bote?«

Wieder brütete Alrik eine Weile dumpf vor sich hin. Dann kam er zu dem Schluß, daß er diese Wilde am schnellsten wieder loswerden würde, wenn sie ihm den Weg zu einem Lager der Kaiserlichen zeigte.

»Richtig«, begann der Ritter dann, »Ihr verfügt wirklich über einen bemerkenswerten Scharfsinn. Ich bin ein Bote und habe mich in diesem Wald verirrt. Ich suche das nächstgelegene kaiserliche Lager, um von dort mit einer Eskorte zum Quartier des Prinzen aufzubrechen. Vielleicht wäret Ihr so höflich, mir den Weg zu weisen?«

»Ihr habt wahrscheinlich nicht einmal eine Ahnung, wo das nächste Lager liegt?«

Der Tonfall der Fremden machte Alrik mißtrauisch. Vielleicht war die vermeintliche Jägerin nicht verrückt, sondern in Wirklichkeit nichts anderes als ein Strauchdieb, und statt ihm den richtigen Weg zu weisen, plante sie, ihn ins Lager ihrer Spießgesellen zu locken. Der Oberst blieb unvermittelt stehen.

»Wißt Ihr was, meine schöne Jägerin? Wir sollten Firun noch einmal Gelegenheit zu einem Gottesurteil geben. Bislang hat er es ja ganz gut mit mir gemeint, und ich bin sicher, daß sein göttlicher Wille mir auch weiterhin geneigt ist.«

Andra blieb stehen und schaute ihn ungläubig an. »Ihr seid ein mißtrauischer Mann und gottesfürchtiger, als ich erwartet hätte.« Die Frau blickte ihn herablassend an. »Doch eins wüßte ich noch gern, bevor wir uns trennen. Da Ihr es vorzieht, Euch der Obhut Firuns zu übergeben, sagt, was stört Euch an mir?«

Alrik schwieg. Er würde ihr niemals ins Gesicht sagen, was er gedacht hatte. Das verbot ihm der Anstand. Schließlich zuckte die Jägerin mit den Schultern.

»Ich habe es nicht nötig, solchen Ballast wie Euch mit mir durch den Wald zu schleppen. Wenn Ihr meine Gesellschaft nicht wollt, werde ich sie Euch bestimmt nicht aufzwingen. Mögen die Zwölfgötter mit Euch sein!«

Mit diesen Worten schulterte die Jägerin ihren Bogen und lief leichtfüßig ins Dickicht. Schon nach wenigen Augenblicken vermochte Alrik sie nicht mehr zu sehen.

In unbehaglicher Stimmung marschierte der Oberst alleine weiter. Mit Andra an seiner Seite hatte er sich nicht wohl gefühlt, doch ohne sie war es nicht besser. Leise fluchte er auf den Wald und wünschte, er hätte den dunklen Forst schon hinter sich gelassen. Außerdem ärgerte er sich darüber, sie nicht nach dem Weg zu einem der Armeelager gefragt zu haben. Er wußte, daß hier irgendwo Truppen stationiert sein mußten, wenn die Pläne des obersten kaiserlichen Heerführers, Marschall Haffax, in die Tat umgesetzt worden waren.

Mißmutig wanderte Alrik durch den Wald. Der Wind schüttelte Regentropfen von den Bäumen. Tausende goldfarbener Blätter lagen auf dem Waldboden und leuchteten noch einmal auf, während das Praiosgestirn hinter den Wipfeln versank und die Nacht hereinbrach.

Bald hatte der Ritter ein geeignetes Lager gefunden. Er suchte unter den Wurzeln eines umgestürzten Baumriesen Schutz. Könnte er doch nur ein Feuer entfachen und noch einmal seine durchgefrorenen Glieder vor wärmenden Flammen ausstrecken! Doch das war zu gefährlich.

Nicht für alles Gold des Kaiserreichs würde er ein Lagerfeuer entzünden, jetzt, wo er gesehen hatte, welch schrecklicher Feind durch diese Wälder streifte. Während er noch weiter über die Olochtai nachdachte, erklang ein langgezogenes Heulen in der Finsternis. Ein Gruß an das aufgehende Madamal. Jenen fast schon wieder gerundeten, blassen Himmelskörper, der den Wald nun in silbernes Licht tauchte und die schwarzen Silhouetten der Bäume aus der Finsternis löste.

Wieder erklang das Heulen. Jetzt ein wenig näher ... Unsicher tastete Alrik nach seinem Dolch. Plötzlich erschien ihm dieser gräßliche Ton nicht mehr wie das Geheul von Wölfen. Nein, es hörte sich eher wie Hunde auf der Jagd an! Ein Schauer lief ihm über den Rücken. Ob Verfolger seine Spur gefunden hatten? Andra hatte behauptet, sie sei nicht zu übersehen gewesen.

Hastig griff er nach seinem Umhang, den er schon an eine trockene Stelle unter den umgestürzten Baum gebettet hatte. Dann begann er zu laufen, ohne sich um die Aste zu kümmern, die in sein Gesicht peitschten. Immer schneller taumelte er durch den finsteren Wald, und doch kam das Heulen immer näher. Schmerzhaft klopfte sein Herz in der Brust. Auch die Wunden an seinen Beinen begannen wieder zu pochen, und doch rannte er weiter, ohne an irgend etwas zu denken, außer daß er diesem Geheul, das von einem grausamen Tod zwischen gierigen Fängen kündete, entkommen mußte.


Mühsam nach Luft hechelnd überquerte Alrik eine Lichtung, deren nasses Gras im Mondlicht glänzte, als wäre es mit tausend funkelnden Edelsteinen bestreut. Wie ein mahnender Zeigefinger schimmerte ein mehr als mannshoher Felsblock in der Mitte der Lichtung, doch Alrik achtete auf keine Details mehr. Mit einem Sprung hechtete er in das Dickicht des gegenüberliegenden Waldrands. Aus den Augenwinkeln hatte er im selben Moment einen großen Hund auf die Lichtung kommen sehen.

Der Oberst mußte schnellstens ein sicheres Versteck finden, oder es war um ihn geschehen. Von Hunden zerfleischt ... Was für ein Tod für einen kaiserlichen Kavallerieobristen!

Nur wenige Schritt vor ihm erhob sich eine mächtige Blutulme, deren ausladende Äste tief herabhingen. Mit ausgestreckten Armen erreichte er gerade den untersten Ast und zog sich daran hoch. Keinen Moment zu spät, denn fast im selben Augenblick hörte er unter sich das Schnappen gieriger Kiefer.

Noch war er nicht in Sicherheit. Er mußte noch höher klettern, denn die Hunde unter ihm sprangen geifernd am Stamm hoch und mochten ihn mit etwas Glück noch erwischen. Erst als er ein gutes Stück höher in den Baum gestiegen war, lehnte er sich mit dem Rücken gegen den Stamm und gönnte sich eine Verschnaufpause. Sein Herz hämmerte wie die Trommel eines Infanterietambours.

Neugierig musterte Alrik die Hunde zu seinen Füßen. Die Bestien hatten aufgehört am Stamm emporzuspringen, ganz so, als ob sie begriffen hätten, daß ihnen ihr Opfer entkommen war. Doch noch immer strichen sie um die große Blutulme.

Offensichtlich hatten sie ihre Beute nicht aufgegeben; ihr Jaulen klang weithin durch die Nacht. Die Hunde hatten ein gelbliches Fell und glichen ansonsten auf erstaunliche Art Wölfen, nur daß sie noch ein wenig größer waren. Und dann machte Alrik eine Entdeckung, die ihm das Blut gefrieren ließ. Die Meute dort unten waren keine verwilderten Hunde, sondern Jagdhunde. Eines der Tiere trug ein zerfranstes Lederhalsband. Mit ihrem unablässigen Geheul würden sie bald ihre Herren angelockt haben. Wieder erinnerte er sich an die Szene auf der Lichtung, als der Anführer der Olochtai ein Reh gerissen hatte.

Alrik musterte die Hunde. Es schienen nicht mehr als drei zu sein. Würde er herunterspringen, mochte er eines der Tiere vielleicht überraschen können und schnell töten. Mit etwas Glück konnte er auch einen zweiten Hund noch erledigen, doch drei waren zuviel. Alrik überlegte, was das kleinere Übel sein mochte. Von den Hunden oder von ihren Herren zerfleischt zu werden.

Plötzlich riß ihn ein Bellen, das unvermittelt in ein klagendes Hecheln überging, aus seinen düsteren Gedanken. Winselnd wand sich eines der Tiere unter dem Baum. Ein langer Pfeil ragte aus seiner Lende. Sofort fielen die beiden anderen über den verletzten Artgenossen her und rissen ihm mit ihren Fängen die Kehle heraus.

Angestrengt blinzelte Alrik in die Nacht, doch niemand war zu sehen. Dann sirrte ein weiterer Pfeil heran und fuhr einem der Hunde durch die Kehle.

Jetzt oder nie, dachte Alrik und sprang mit gezogener Klinge vom Baum. Doch noch bevor er den dritten Hund erreichen konnte, rannte das Tier in die Finsternis.

»Lauf zur Lichtung mit dem Stein zurück!« erscholl eine vertraute Stimme aus der Nacht.

»Andra?« rief Alrik. »Danke ...«

»Spart Euch Euren Atem. Lauft jetzt zur Lichtung zurück. Schnell! Wir sind noch nicht außer Gefahr. Bald werden hier über ein Dutzend blutdürstiger Olochtai auftauchen, und wenn sie erst ihre toten Hunde finden, werden sie geradezu in Raserei verfallen.«

»Aber was soll ich auf der Lichtung? Dort bin ich doch völlig ohne Schutz.« Noch immer versuchte Alrik vergebens, die Jägerin zwischen den Schatten der Bäume auszumachen.

»Der Stein ist umgeben von einem weiten Pilzkreis. Stellt Euch dort hinein, dreht Euch dreimal um Eure Achse und ruft dabei Nurti. Dann springt schnell wieder aus dem Kreis heraus. Ihr seid dann in einem anderen Wald und in Sicherheit.«

Alrik traute seinen Ohren nicht. Das hörte sich ganz nach einem gotteslästerlichen Feenzauber an. »Und was wird aus dir?« rief er in die Nacht. »Macht, daß Ihr wegkommt, und schert Euch nicht um mich. Ich bin hier großgeworden, und ich habe Euch schon einmal gesagt, daß mich die Olochtai niemals fangen werden. Und nun stellt keine weiteren Fragen. Lauft, oder alles war vergebens. Fragt in der anderen Welt nach dem Sohn Serleens. Bei ihm werden wir uns Wiedersehen.«

Nicht weit entfernt war nun das Knacken dürrer Äste zu hören, und wieder sah Alrik das Bild der jagenden Olochtai vor sich. Ohne sich noch einmal nach Andra umzuschauen, rannte er los. Hinter ihm wurden die Geräusche lauter. Ganz so, als hätten auch seine Jäger angefangen zu laufen.

Als Alrik den Rand der Lichtung erreichte, hörte er vielleicht zwanzig Schritt hinter sich einen gräßlichen Aufschrei. Noch ein weiterer Pfeil Andras mußte sein Ziel gefunden haben!

Dann stürmte der Ritter auf die Lichtung. Jetzt, wo er darauf achtete, konnte er im Mondlicht zahlreiche Pilzkappen im Gras erkennen. Mit letzter Kraft rannte er in die Mitte der Lichtung, da meinte er, die ersten Schritte am Rande des Waldes zu erkennen. Und dann erkannte er ihn im Mondlicht. Jenen mächtigen Krieger der Orks, der am Mittag das Reh mit seinen gewaltigen Hauern zerrissen hatte. Diesmal hatte er einen langen Jagdspeer dabei.

Mit gezogenem Schwert begann sich Alrik im Kreise zu drehen und heiser den Namen Nurtis zu flüstern.

Um ihn begann die Luft zu flimmern. Verschwommen konnte er erkennen, wie der mächtige Krieger auf ihn zugerannt kam. Dann sah er, wie der Ork seinen Arm nach hinten riß, um den Speer zu schleudern. Plötzlich wußte Alrik nicht mehr, wie oft er sich schon im Kreis gedreht hatte. Bunte Lichter tanzten vor seinen Augen, und ein Speer schien geradewegs auf seine Brust zuzuschießen. Verschwommen erinnerte er sich daran, daß er noch etwas tun mußte. Aber was? Wie trunken taumelte Alrik nach vorne und versuchte einen Satz über den Pilzkreis zu machen. Dann traf ihn ein Schlag und schleuderte ihn nach hinten. Ihm war, als stürze er in einen Tunnel aus Licht. Dann raubte ihm der pulsierende Schmerz in der Brust die Besinnung.

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