Elf

»Wir haben uns mit Stanton hier unterhalten«, sagte Barrows lächelnd. »Und sind, wenn ich das so sagen darf, zu einer Einigung gekommen, zumindest ansatzweise.«

»Ah ja?«, murmelte ich. Neben mir hatte Maury eine unbewegte Miene aufgesetzt. Pris zitterte sichtlich.

Mein Vater streckte die Hand aus. »Ich bin Jerome Rosen, Eigentümer der Rosen Kleinklavier- und Elektroorgelfabrik in Boise, Idaho. Habe ich die Ehre, Mr. Samuel Barrows kennenzulernen?«

So haben wir also jeder eine Überraschung für die andere Seite parat, sagte ich mir. Sie haben es geschafft, die Stanton aufzutreiben; wir hatten meinen Vater.

Dieser Stanton! Wie es in der Britannica stand: er hatte zu seinem eigenen Vorteil mit dem Feind gemeinsame Sache gemacht. Vermutlich war er in Seattle die ganze Zeit über bei Barrows gewesen; er hatte sich gar nicht abgesetzt. Sie hatten von Anfang an miteinander verhandelt.

Verraten und verkauft – von unserem eigenen Simulacrum. Aber die Lincoln hätte so etwas nie getan, dachte ich. Und als mir das klar wurde, ging es mir um einiges besser. Ich wandte mich meinem Partner zu.

»Maury, gehst du bitte Lincoln fragen, ob er hier heraufkommen könnte.«

Er hob die Braue.

»Wir brauchen ihn.«

»Ja«, stimmte Pris zu.

»Gut.« Maury nickte und verschwand.

Barrows kam auf mich zu. »Wissen Sie, als wir Stanton hier das erste Mal getroffen haben, haben wir ihn wie irgendein Gerät behandelt. Doch Blunk erinnerte mich daran, wie beharrlich Sie ihn ein lebendiges Wesen nennen. Also bin ich neugierig zu erfahren, was Sie Stanton so zahlen.«

Zahlen? Was meinte er?

»Leibeigenschaft ist schließlich verboten«, sagte Blunk. »Haben Sie einen Arbeitsvertrag mit Mr. Stanton geschlossen? Und wenn ja, so entspricht er hoffentlich den gesetzlichen Vorschriften zum Mindestlohn. Tatsächlich haben wir das bereits mit Stanton besprochen, und er kann sich nicht erinnern, irgendeinen Vertrag unterschrieben zu haben. Ich sehe darum keinen Hinderungsgrund für Mr. Barrows, ihn für, sagen wir, sechs Dollar die Stunde einzustellen. Das ist, da werden Sie mir zustimmen, eine mehr als gerechte Entlohnung. Auf dieser Basis hat Mr. Stanton sein Einverständnis gegeben, mit uns nach Seattle zurückzukehren.«

Ich starrte den Anwalt mit offenem Mund an.

Die Tür ging auf, und Maury trat ein, die große dunkelbärtige Lincoln-Maschine im Schlepptau.

»Ich denke, wir sollten sein Angebot akzeptieren«, sagte Pris.

»Welches Angebot?«, fragte Maury. »Ich habe kein Angebot gehört. Hast du irgendein Angebot gehört, Louis?«

Ich schüttelte den Kopf.

»Pris, hast du dich etwa bereits mit Barrows verständigt?«

Barrows räusperte sich. »Also schön, hier ist mein Angebot. Wir schätzen MASA auf einen Wert von fünfundsiebzigtausend Dollar. Ich packe noch…«

»Habt ihr zwei schon miteinander geredet?«, unterbrach Maury ihn.

Weder Pris noch Barrows sagten etwas dazu. Aber es lag auf der Hand; für mich, für Maury, für uns alle.

»Ich packe noch einmal dieselbe Summe drauf«, fuhr Barrows fort. »Und halte natürlich die Mehrheitsanteile.«

Maury schüttelte den Kopf.

»Können wir das bitte kurz unter uns besprechen?«, fragte Pris Barrows.

»Selbstverständlich.«

Wir zogen uns in einen kleinen Lagerraum auf der anderen Seite des Gangs zurück.

Maurys Gesicht war grau. »Das war’s. Wir sind erledigt.«

Wir sahen uns stumm an.

Nach einer Weile sagte mein Vater: »Lasst euch bloß nicht auf diesen Barrows ein. Es wäre ein großer Fehler, ihm die Kontrolle über die Firma zu geben, so viel weiß ich.«

Ich wandte mich an die Lincoln. »Sie sind Rechtsanwalt – in Gottes Namen, helfen Sie uns.«

»Nun, Mr. Barrows und seine Leute sind in der Position des Stärkeren. In seinem Tun liegt keine Täuschung – er ist die stärkere Partei.« Sie verzog die schweren Lippen und sah uns gequält, aber mit einem Funkeln in den Augen an. »Sam Barrows ist Geschäftsmann, doch Sie sind ebenfalls Geschäftsmänner. Verkaufen Sie MASA Associates an Mr. Jerome Rosen hier, für einen Dollar. Damit geht sie in das Betriebsvermögen von Rosen Kleinklaviere und Elektroorgeln über, die kapitalstark ist. Um an MASA heranzukommen, müsste Barrows dann das gesamte Unternehmen kaufen, einschließlich der Fabrik, und darauf ist er nicht vorbereitet. Und was Stanton betrifft, so kann ich Ihnen eines versichern: Er wird sich zur Rückkehr bewegen lassen. Stanton hat seine Launen, aber er ist ein guter Mensch. Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Er war schon in der Regierung Buchanan, und ich entschied mich trotz zahlreicher Proteste, ihn zu behalten. Er ist zwar aufbrausend und sehr auf sein eigenes Fortkommen bedacht, aber auch eine ehrliche Haut. Er wird sich am Ende nie mit Gaunern zusammentun. Wissen Sie was? Ich sage ihm, dass Sie ihn zu Ihrem Vorstandsvorsitzenden machen werden, dann wird er bestimmt bleiben.«

Nach einer Weile erwiderte Maury leise: »Darauf wäre ich nie gekommen.«

»Ich bin dagegen«, meldete sich Pris. »MASA darf nicht den Rosens überlassen werden, das kommt überhaupt nicht infrage. Und Stanton wird ein solches Angebot auf gar keinen Fall annehmen.«

»Doch, bestimmt. Wir geben ihm eine wichtige Position. Warum auch nicht? Er besitzt die Fähigkeiten dazu. Wer weiß, wahrscheinlich macht er binnen eines Jahres eine millionenschwere Marke aus uns.«

»Sie werden es nicht bereuen«, sagte die Lincoln ruhig, »Ihre Firma in Mr. Stantons Hände zu legen.«

Wir gingen zurück ins Büro. Barrows sah uns erwartungsvoll an.

Maury räusperte sich. »Wir haben Ihnen Folgendes zu sagen. Wir haben MASA an Mr. Jerome Rosen verkauft.« Er deutete auf meinen Vater. »Für einen Dollar.«

Barrows blinzelte. »Haben Sie? Wie interessant.« Er sah zu Blunk, der in einer theatralischen Geste die Hände hob.

Die Lincoln wandte sich der Stanton zu. »Edwin, Mr. Rock und die beiden Mr. Rosens würden sich freuen, Sie in ihrem neugebildetem Unternehmen als Vorstandsvorsitzenden begrüßen zu dürfen.«

In die säuerlichen Züge der Stanton kam Bewegung, ein Lächeln zeigte sich, verschwand wieder. »Entspricht dies den Tatsachen?«

»Ja, Sir«, sagte Maury. »Das Angebot gilt. Wir können einen Mann mit Ihren Fähigkeiten gut gebrauchen.«

Ich nickte. »So ist es.«

»Ich bin ebenfalls einverstanden, Mr. Stanton«, ergänzte mein Vater. »Und ich darf auch für meinen anderen Sohn sprechen, Chester. Wir meinen es ernst.«

Maury setzte sich an eine unserer Underwood-Schreibmaschinen, spannte ein Blatt Papier ein und begann zu tippen. »Wir machen es am besten gleich schriftlich, dann ist alles wasserdicht.«

Mit leiser, kalter Stimme sagte Pris: »Ich betrachte das als einen hinterlistigen Verrat nicht nur an Mr. Barrows, sondern auch an allem, wofür wir stehen.«

Maury sah sie an. »Jetzt aber mal halblang.«

»Ich mache da nicht mit, es ist grundverkehrt.« Pris hatte ihre Stimme absolut im Griff; sie hätte ebenso gut telefonisch bei Macy’s etwas zum Anziehen bestellen können. »Mr. Barrows, Mr. Blunk, wenn Sie wollen, dass ich mich Ihnen anschließe – ich bin bereit.«

Wir trauten unseren Ohren nicht.

Barrows hob eine Augenbraue. »Sie haben bei der Produktion der beiden Simulacra geholfen. Dann könnten Sie also ein weiteres bauen?« Er sah Pris an.

»Nein, könnte sie nicht«, sagte Maury. »Sie hat ihnen nur die Gesichter aufgepinselt. Sie hat keine Ahnung von Elektronik.«

Pris verzog keine Miene. »Bob Bundy wird mitkommen.«

»Er auch?« Meine Stimme zitterte. »Du und Bundy, ihr habt…« Ich brachte den Satz nicht zu Ende.

»Bob mag mich«, sagte Pris kühl.

Barrows griff in seine Jackentasche und zog eine Brieftasche hervor. »Ich gebe Ihnen das Geld für den Flug. Sie können nachkommen. Dann gibt es keine rechtlichen Komplikationen – wir fliegen getrennt.«

»Ist mir recht«, erwiderte Pris. »Ich komme morgen oder übermorgen nach Seattle. Aber behalten Sie Ihr Geld – ich habe genug.«

Barrows nickte. »Nun, damit wäre unsere Besprechung beendet. Wir können uns auf den Rückweg machen. Dann lassen wir Sie hier, Stanton. Ist das Ihre Entscheidung?«

»Ja, Sir«, erwiderte die Stanton.

»Dann wünsche ich einen guten Tag.« Barrows verließ den Raum. Sein Anwalt und seine Sekretärin folgten ihm.

Ich sah Pris an. »Du bist verrückt.«

»Das liegt im Auge des Betrachters.« Ihre Stimme klang abwesend.

»Meinst du das wirklich ernst?« Maurys Gesicht war aschfahl. »Dass du zu Barrows überlaufen willst? Nach Seattle fliegen und bei ihm anfangen?«

»Ja.«

»Dann hole ich die Polizei und lass dich festnehmen. Du bist noch minderjährig. Ich verständige das FBMH. Ich sorge dafür, dass du wieder in die Klinik kommst.«

»Du kannst mich nicht daran hindern. Das FBMH kann mich nur festhalten, wenn ich mich selbst einweise, was ich nicht tun werde, oder wenn ich psychotisch bin, was nicht der Fall ist. Ich bin absolut in der Lage, mich um meine Angelegenheiten zu kümmern. Also steigere dich nicht in einen Wutanfall hinein – er nützt sowieso nichts.«

Maury leckte sich die Lippen und verfiel in Schweigen. Pris hatte zweifellos recht. Und Barrows’ Leute würden dafür sorgen, dass es keine juristischen Schlupflöcher gab. Immerhin ging es um viel Geld.

»Ich glaube nicht, dass Bob Bundy uns deinetwegen verlassen wird«, sagte ich zu ihr. Aber ihrem Gesichtsausdruck war zu entnehmen, dass ich falsch lag. Das war auch so etwas: Wie lange lief das schon zwischen den beiden? Man konnte es nicht sagen. Es war Pris’ Geheimnis. Ich sah die Lincoln an. »Damit haben Sie nicht gerechnet, oder?«

Die Maschine schüttelte den Kopf.

»Jedenfalls haben wir uns Barrows vom Hals geschafft«, sagte Maury mit brüchiger Stimme. »Wir haben MASA Associates behalten und die Stanton auch. Die lassen sich hier nicht noch mal blicken. Und wenn Pris und Bundy zu Barrows wollen, dann viel Glück.« Er funkelte seine Tochter böse an, doch sie hielt seinem Blick mühelos stand. In einer Krise war sie nur noch kälter, noch effizienter, noch kontrollierter.

Vielleicht, dachte ich, sollten wir froh sein, sie loszuwerden. Wir wären gar nicht in der Lage gewesen, mit ihr fertig zu werden – ich jedenfalls nicht. Und Barrows? Womöglich kann er sie für sich nutzbar machen – oder sie schadet ihm, ruiniert ihn vielleicht sogar. Oder beides. Aber sie haben ja auch noch Bundy, und Pris und Bundy zusammen können problemlos ein Simulacrum bauen. Maury brauchen sie dazu gar nicht, mich erst recht nicht.

Die Lincoln beugte sich zu mir herunter. »Sie werden von Mr. Stantons Entscheidungsstärke profitieren. Er wird Ihrem Unternehmen gute Dienste leisten.«

»Meine Gesundheit ist nicht mehr die Beste«, brummte die Stanton, aber sie sah trotzdem erfreut und zuversichtlich drein. »Ich werde tun, was ich kann.«

»Das mit deiner Tochter tut mir leid«, sagte ich zu Maury.

»Wie konnte sie nur?«, flüsterte er.

Mein Vater klopfte ihm auf die Schulter. »Sie kommt wieder. Das tun sie immer, die Kinder.«

»Sie kann mir gestohlen bleiben«, erwiderte Maury. Aber wir wussten, dass er das nicht so meinte.

»Kommt, gehen wir einen Kaffee trinken«, schlug ich vor.

»Ja, geht mal«, sagte Pris. »Ich fahre nach Hause. Ich habe noch eine Menge zu tun. Kann ich noch einmal den Jaguar nehmen?«

»Nein«, knurrte Maury.

Sie zuckte mit den Achseln, nahm ihre Handtasche und verließ das Büro. Die Tür schloss sich hinter ihr. Weg war sie.

Als wir in der Caféteria auf der anderen Straßenseite saßen, dachte ich: Die Lincoln hat uns sehr gute Dienste geleistet vorhin mit Barrows. Sie hat einen Ausweg gefunden. Und es war ja nicht ihre Schuld, dass sich die Dinge dann so entwickelt haben. Sie konnte nicht ahnen, dass Pris so hochgehen würde. Und auch nicht das mit ihr und Bundy. Da wäre niemand von uns draufgekommen.

Die Kellnerin hatte uns eine Zeit lang beobachtet. Jetzt kam sie an unseren Tisch. »Das ist diese Abraham-Lincoln-Schaufensterpuppe, nicht wahr?«

»Nein«, erwiderte ich. »In Wirklichkeit ist es eine W.-C.-Fields-Schaufensterpuppe. Aber sie trägt ein Kostüm, ein Lincoln-Kostüm.«

»Mein Freund und ich haben uns neulich die Vorführung angesehen. Sie sieht wirklich echt aus. Darf ich sie mal anfassen?«

»Klar.«

Sie berührte die Lincoln vorsichtig an der Hand. »Oh, sie ist ja sogar warm. Und sie trinkt Kaffee!«

Nach einer Weile konnten wir sie abwimmeln und auf unser eigentliches Thema zurückkommen. Ich sah die Lincoln an. »Eins steht fest, Sie haben sich auf unsere Zeit eingestellt. Sogar besser als manche von uns.«

In brüskem Ton sagte die Stanton: »Mr. Lincoln ist in der Lage, sich auf alles und jeden einzustellen – er erzählt einfach einen Witz.«

Die Lincoln nippte schmunzelnd an ihrem Kaffee.

»Ich frage mich, was Pris jetzt gerade macht«, meldete sich Maury. »Packen wahrscheinlich. Ich finde es furchtbar, dass sie jetzt nicht bei uns ist. Als Teil des Teams.«

Wir haben vorhin eine Menge Leute verloren, wurde mir bewusst. Wir sind Barrows, Blunk, Mrs. Nild und zu unserer Überraschung auch gleich noch Pris Frauenzimmer und unseren einzigen Ingenieur Bob Bundy losgeworden. Ob wir Bob wohl je wiedersehen werden? Ob wir Pris je wiedersehen werden, und wenn ja, wird sie sich verändert haben?

»Wie konnte sie uns nur so abservieren? Diese Klinik und dieser Doktor Horstowski haben nichts gebracht, überhaupt nichts. Am liebsten würde ich das ganze Geld zurückfordern, das ich dafür rausgeballert habe. Aber sie – von ihr will ich nichts mehr wissen. Ich bin fertig mit ihr.«

Um das Thema zu wechseln, sagte ich zur Lincoln: »Haben Sie einen weiteren Rat für uns, Sir? Was sollen wir jetzt tun?«

»Ich fürchte, ich bin Ihnen weniger nützlich gewesen, als ich gehofft hatte. Bei Frauen weiß man nie… Dennoch schlage ich vor, dass Sie mich zu Ihrem Rechtsberater berufen. So wie die andere Seite Mr. Blunk berufen hat.«

»Eine hervorragende Idee.« Ich zog mein Scheckheft. »Wie viel möchten Sie als Vorschuss?«

»Zehn Dollar genügen vollauf.«

Ich schrieb einen Scheck über diese Summe aus; die Lincoln nahm ihn und dankte mir.

Maury, der in tiefes Grübeln verfallen war, blickte auf.

»Heutzutage ist ein Vorschuss von mindestens zweihundert Dollar üblich. Der Dollar ist nicht mehr so viel wert wie früher.«

Die Lincoln schüttelte den Kopf. »Zehn sind in Ordnung. Und als Erstes werde ich die Papiere für den Verkauf von MASA Associates aufsetzen. Was die Rechtsform betrifft, so schlage ich eine Kapitalgesellschaft vor, ganz ähnlich wie Mr. Barrows es vorhatte. Ich werde mich die Tage in die Gesetze vertiefen, um herauszufinden, wie die Anteile verteilt werden sollten. Das wird eine Weile dauern, fürchte ich.«

»Kein Problem«, sagte ich. Pris zu verlieren, hatte uns alle tief getroffen, vor allem Maury. Viel verloren und nichts gewonnen, so kamen wir aus der Sache heraus. Und doch – hätten wir es irgendwie verhindern können? Die Lincoln hatte recht: Es war unvorhersehbar gewesen; Barrows war ebenso überrascht gewesen wie wir. »Können wir ohne Pris ein Simulacrum bauen?«, fragte ich Maury.

»Klar. Aber nicht ohne Bob Bundy.«

»Wir können uns jemanden als Ersatz besorgen.«

Maury seufzte. »Ich sag euch, was sie kaputt gemacht hat. Dieses gottverdammte Buch ›Marjorie Morningstar‹.«

»Wieso das denn?« Es war bitter mitanzusehen, wie Maury in dieses zusammenhanglose Gezeter verfiel. Er kam mir fast senil vor.

»Dieses Buch hat Pris auf die Idee gebracht, sich jemanden zu suchen, der reich und berühmt ist und gut aussieht. Wie Sam K. Barrows. Diese Vorstellung vom Heiraten stammt aus der alten Welt. Rein auf den Vorteil bedacht. In diesem Land hier heiraten die jungen Leute aus Liebe, und das ist vielleicht kitschig, aber jedenfalls geschieht es nicht aus Berechnung. Nachdem sie dieses Buch gelesen hatte, begann sie, mit Berechnung an Liebesdinge heranzugehen. Das Einzige, was sie hätte retten können, wäre, wenn sie sich Hals über Kopf in jemanden verknallt hätte. Und jetzt ist sie weg.« Er seufzte abermals. »Machen wir uns nichts vor, hier geht’s nicht nur ums Geschäft. Ich meine, eigentlich schon. Aber nicht um das Geschäft mit den Simulacra. Sondern um sie. Sie will etwas von Barrows, du weißt, was ich meine, Louis. Und er kann ihr geben, was sie will.«

»Stimmt.«

»Ich hätte ihn nie auch nur in ihre Nähe lassen dürfen. Aber ich werfe ihm nichts vor, es ist ihre Schuld. Alles, was jetzt mit ihr passiert, ist ihre Verantwortung. Was immer sie tut, was immer aus ihr wird. Wir behalten besser die Zeitungen im Blick, Louis. Wir werden etwas über Pris aus den gottverdammten Nachrichten erfahren.« Er nahm einen Schluck von seinem Kaffee.

Wir schwiegen eine Weile.

Schließlich fragte die Stanton: »Wann übernehme ich meine Pflichten als Vorstandsvorsitzender?«

»Wann immer Sie wollen«, erwiderte Maury.

»Findet das die Zustimmung der anderen Gentlemen?« Mein Vater und ich nickten, die Lincoln ebenfalls. »Dann, Gentlemen, betrachte ich mich als berufen.« Die Stanton räusperte sich und spielte mit ihrem Bart. »Wir müssen baldmöglichst mit der Arbeit beginnen. Die Zusammenführung der beiden Unternehmen wird zu einer neuen Blütezeit führen. Ich habe mir Gedanken über das Produkt gemacht, das wir herstellen sollten. Ich glaube nicht, dass es klug wäre, weitere Lincoln-Simulacra zu produzieren, ebenso wenig wie…« Ein sardonisches Lächeln huschte über ihre Züge. »… mehr Stantons. Jeweils eines reicht völlig. Lassen Sie uns etwas Schlichteres herstellen. Das wird gleichzeitig unser Mechanikerproblem lindern. Ich muss ohnehin erst Belegschaft und Ausstattung in Augenschein nehmen und sehen, ob alles so ist, wie es sich gehört. Trotzdem bin ich schon jetzt zuversichtlich, dass unser Unternehmen ein schlichtes, anständiges Produkt herstellen kann, das alle Welt haben möchte. Ein Simulacrum, das zwar nicht einzigartig oder komplex ist, aber doch gebraucht wird. Arbeiter-Simulacra vielleicht, die selbst weitere Simulacra produzieren können.«

Das war eine gute, wenn auch ziemlich beängstigende Idee.

»Meiner Meinung nach«, fuhr die Stanton fort, »sollten wir ein Standardmodell entwerfen und zur Produktionsreife bringen. Es wird das erste offizielle Simulacrum unseres Unternehmens sein, und noch bevor Mr. Barrows Gebrauch von Miss Frauenzimmers Wissen und Talenten gemacht hat, werden wir es auf dem Markt haben.«

Wir nickten alle.

»Ich schlage insbesondere ein Simulacrum vor, das eine simple haushälterische Tätigkeit ausführen kann und zu diesem Zweck angeboten wird: einen Babysitter. Und wir sollten es so weit vereinfachen, das wir es für einen möglichst niedrigen Preis anbieten können. Sagen wir, für vierzig Dollar.«

Wir sahen einander an; das war auch keine schlechte Idee.

»Ich weiß aus Erfahrung, welch großer Bedarf nach jemandem besteht, der sich jederzeit um den Nachwuchs einer Familie kümmern kann, und bin mir daher sicher, dass sich ein solches Produkt sofort absetzen ließe und wir in Zukunft keine Probleme finanzieller Art mehr hätten. Darum möchte ich zu einer Abstimmung in dieser Frage aufrufen. Alle, die dafür sind, sagen ›Aye‹.«

»Aye«, sagte ich.

»Aye«, sagte Maury.

Nach kurzem Nachdenken sagte mein Vater: »Ich bin ebenfalls dafür.«

»Damit ist der Antrag angenommen«, erklärte die Stanton. Sie nahm einen Schluck Kaffee und sagte dann mit ernster, entschlossener Stimme: »Das Unternehmen braucht einen Namen, einen neuen Namen. Ich schlage vor, wir nennen es R & R Associates of Boise, Idaho. Findet das Ihre Zustimmung?« Sie sah sich um. Wir nickten. »Gut. Dann wollen wir gleich beginnen. Mr. Lincoln, wollen Sie als unser Justiziar bitte dafür sorgen, dass unsere Papiere in Ordnung sind. Falls nötig, können Sie einen jüngeren Anwalt hinzuziehen, der mit der gegenwärtigen Rechtslage besser vertraut ist – ich autorisiere Sie ausdrücklich dazu. Gentlemen, vor uns liegt eine Vielzahl ehrenwerter Anstrengungen, und wir wollen nicht in der Vergangenheit verweilen, in den Unannehmlichkeiten und Rückschlägen, die wir erst kürzlich erfahren haben. Es ist von höchster Wichtigkeit, dass wir stattdessen nach vorne blicken. Können wir das tun, Mr. Rock?«

»Klar.« Maury nickte. »Sie haben recht, Stanton.« Er ging zur Kasse und kam mit zwei langen, in Goldpapier eingewickelten Zigarren zurück. Eine davon gab er meinem Vater. »Elconde de Guell. Von den Philippinen.« Er wickelte seine aus und steckte sie an; mein Vater tat es ihm gleich.

»Es wird uns gutgehen, nicht wahr?«, sagte mein Vater paffend.

»Ja, ganz richtig«, erwiderte Maury und paffte ebenfalls drauf los.

Wir anderen tranken unseren Kaffee aus.

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