Wenn alle Träume vorüber sind und du aufwachst, die Welt des Wahnsinns und der großen Taten hinter dir lässt, um in die sonnenhelle Banalität deines Alltags zurückzukehren, dann kommt der Traumfeger an den verlassenen Ort, wo du die Ruinen deiner Gespinste zurückgelassen hast.
Wer kann schon sagen, was er war, als er gelebt hat? Oder ob er überhaupt je gelebt hat? Deine Fragen wird er bestimmt nicht beantworten. Er spricht wenig, nur selten hört man seine rostige Grummelstimme und wenn er doch einmal redet, dann übers Wetter und die Aussichten, die Siege und Niederlagen gewisser Sportmannschaften. Er verachtet jeden außer sich selbst.
Wenn du gerade aufwachst, kommt er zu dir, fegt Königreiche und Schlösser weg, Engel und Eulen, Ozeane und Berge. Er kehrt die Lust, die Liebe und die Liebenden zusammen, die Weisen, die keine Schmetterlinge sind, die Blumen aus Fleisch, den Lauf der Hirsche und den Untergang der Lusitania. Er kehrt alles auf, was du in deinen Träumen zurückgelassen hast, das Leben, das du gelebt, die Augen, durch die du geblickt hast, auch die Examensfragen, die du nicht wusstest. Stück um Stück fegt er sie weg: die Frau, die ihre pfeilspitzen Zähne in dein Gesicht schlug, die Nonnen im Wald, den toten Arm, der plötzlich aus dem lauwarmen Badewasser auftauchte, die scharlachroten Würmer, die in deiner offenen Brust umherkrochen, als du dein Hemd aufgeknöpft hast.
Er fegt es weg, alles, was du beim Aufwachen zurückgelassen hast. Und dann verbrennt er es, hinterlässt die Bühne besenrein für deine Träume der kommenden Nacht.
Sei nett zu ihm, wenn du ihn siehst. Sei höflich. Stell ihm keine Fragen. Bejubele die Siege seiner Fußballmannschaft, bekunde dein Mitgefühl, wenn sie verliert, sei seiner Meinung, was das Wetter betrifft. Erweise ihm den Respekt, der ihm seiner Ansicht nach zusteht.
Denn es gibt Menschen, die er nicht mehr besucht, der Traumfeger, mit seinen selbst gedrehten Zigaretten und der Drachentätowierung.
Du hast sie bestimmt schon mal gesehen. Sie haben Münder, die zucken, und Augen, die stieren, und sie brabbeln und heulen und wimmern. Manche von ihnen laufen in zerlumpter Kleidung durch die Straßen der Stadt, ihre Habseligkeiten unter dem Arm. Andere sind im Dunkeln eingesperrt, an Orten, wo sie sich und anderen keinen Schaden mehr zufügen können. Sie sind nicht wahnsinnig, oder genauer gesagt, der Verlust ihrer geistigen Gesundheit ist das geringere ihrer Probleme. Es ist schlimmer als Wahnsinn. Sie erzählen dir davon, wenn du sie lässt: sie sind diejenigen, die Tag für Tag in den Ruinen ihrer Träume leben.
Und wenn der Traumfeger dich einmal verlassen hat, kommt er nie wieder.