VIII. BIGMAN GREIFT EIN

»Natürlich auf Umwegen, über einen ihrer uns bekannten Spione«, sagte er mit Nachdruck, als die beiden älteren Männer ihn schockiert anstarrten.

»Ich verstehe dich überhaupt nicht«, sagte Henree mit leiser Stimme. Conway war offenbar sprachlos.

»Es mußte sein. Ich mußte mich bei den Piraten anbiedern, ohne Verdacht zu erregen. Wenn sie mich auf einem Vermessungsschiff angetroffen hätten, wäre ich auf der Stelle erschossen worden. Finden sie mich aber auf einem verminten Schiff, dessen Geheimnis sie durch einen glücklichen Zufall herausbekommen haben, dann halten sie mich wirklich für einen blinden Passagier. Versteht ihr nicht? Auf einem Vermessungsschiff bin ich nur ein Besatzungsmitglied, das nicht rechtzeitig entkommen konnte. Auf einer fliegenden Bombe wäre ich ein armes Schwein, dem nicht klar ist, wo es sich versteckt hat.«

»Sie hätten dich so oder so erschießen können. Sie hätten deine List vielleicht durchschauen und in dir einen Spion sehen können. Tatsache ist, daß sie es um ein Haar getan haben.«

»Stimmt. Fast hätten sie es getan«, räumte Lucky ein.

Zu guter Letzt explodierte Conway. »Und was ist mit dem ursprünglichen Plan? Wir wollten doch eine ihrer Basen in die Luft jagen, oder etwa nicht? Wenn ich an die Monate denke, die wir auf den Bau der Atlas und an das Geld, das wir hineingesteckt haben, denke.«

»Was hätte es schon gebracht, wenn wir einen ihrer Stützpunkte hätten hochgehen lassen? Wir haben an einen riesigen Raumhafen mit Piratenschiffen gedacht, aber in Wirklichkeit hat es sich dabei nur um Wunschvorstellungen gehandelt. Eine Organisation auf den Asteroiden muß dezentralisiert sein. Wahrscheinlich haben die Piraten nicht mehr als drei oder vier Schiffe in jedem Hafen. Für mehr gäbe es auch gar keinen Platz. Drei oder vier Schiffe in die Luft zu jagen wäre vergleichsweise sehr bescheiden gewesen, falls es mir gelungen wäre, in ihre Organisation einzudringen.«

»Aber du hast es nicht geschafft«, stellte Conway sachlich fest. »Trotz des wahnwitzigen Risikos, das du eingegangen bist, hast du es nicht geschafft.«

»Leider war der Piratenkapitän, der die Atlas aufgebracht hat, zu mißtrauisch oder auch zu clever für uns. Ich werde versuchen, sie nicht noch einmal zu unterschätzen. Aber noch ist nicht alles verloren. Wir wissen mit Sicherheit, daß die vom Sirius dahinterstecken. Außerdem haben wir meinen Freund, den Einsiedler.«

»Der wird uns nicht helfen«, sagte Conway. »Nach dem, was du uns von ihm erzählt hast, ist ihm nur daran gelegen, so wenig wie möglich mit den Piraten zu schaffen zu haben. Was soll er schon wissen?«

»Vielleicht ist er in der Lage, uns mehr zu verraten, als ihm selbst bewußt ist«, erwiderte Lucky kühl. »Es gibt zum Beispiel eine Information, die er uns geben kann, die es mir ermöglichen würde, die Piraten von innen weiterzubekämpfen.«

»Du wirst nicht wieder da rausgehen«, sagte Conway hastig.

»Das habe ich auch nicht vor«, antwortete Lucky.

Conway kniff die Augen zusammen und fragte: »Wo ist Bigman?«

»Auf Ceres. Mach' dir keine Sorgen. Eigentlich«, ein Schatten huschte über Luckys Gesicht, »sollte er längst hier sein. Die Verzögerung fängt an, mich ein wenig zu beunruhigen.«

*

John Bigman Jones benutzte seinen Sonderpaß, um an der Wache vor dem Tor zum Control-Turm vorbeizukommen. Während er im Laufschritt den Korridor entlangeilte, murmelte er vor sich hin.

Eine leichte Röte überspielte die Sommersprossen auf seinem stubsnäsigen Gesicht, und die rostfarbenen Haare standen ihm wie die Latten eines Gartenzaunes vom Kopf ab. Lucky hatte ihm schon des öfteren gesagt, daß er eine Turmfrisur züchte, um größer zu wirken. Bigman stritt das mit Entschiedenheit ab. Als er durch die Lichtschranke trat, sprang die letzte Tür zum Turm auf. Er trat ein und schaute sich um. Drei Mann hatten Dienst. Der eine saß mit Kopfhörern am Sub-Äther-Empfänger, der zweite stand am Rechencomputer, und der dritte befand sich vor der gewölbten Radarscheibe.

Bigman sagte: »Wer von euch Dummbeuteln hat mich Winzling genannt?«

Mit überraschten und verärgerten Minen wandten sie sich gleichzeitig um.

Der Mann mit den Kopfhörern hielt das Gerät von seinem linken Ohr ab. »Wer, zum All, sind Sie? Wie konnten Sie überhaupt hereinkommen?«

Bigman stand aufrecht wie ein Zinnsoldat da und schob seinen kleinen Brustkasten vor. »Mein Name ist John Bigman Jones. Meine Freunde nennen mich Bigman. Alle anderen Mr.

Jones. Winzling nennt mich niemand, ohne daß ihm irgend etwas passiert. Ich will wissen, wer diesen Fehler gemacht hat.«

Der Mann mit den Kopfhörern entgegnete: »Mein Name ist Lem Fisk, und Sie können mich nennen, wie Sie wollen, solange Sie es woanders tun und nicht hier. Verschwinden Sie, sonst komme ich herunter, pack' Sie an einem Bein und werf Sie raus.«

Der Bursche am Rechencomputer sagte: »He, Lem, das ist dieser Knallkopp, der vorhin durch den Hafen gegeistert ist. Auf den Zeit zu verschwenden, ist völlig sinnlos. Laß die Wachen kommen, die sollen ihn hinauswerfen.«

»Quatsch«, antwortete Lem Fisk, »für den Kerl brauchen wir keine Wachen.«

Er legte die Kopfhörer ganz ab und stellte den Sub-Äther auf AUTOMATIC SIGNAL. »Na gut, Bürschchen, du bist hier hereingeschneit und hast uns auf nette Art eine nette Frage gestellt. Ich werde dir eine nette Antwort geben. Ich habe dich Winzling genannt, aber halt mal, dreh' nicht durch. Ich hatte meine Gründe. Du bist so ein Baum von einem Kerl. So ein Mordsbursche und dabei noch brandgefährlich. Meine Jungs hier fangen an zu lachen, wenn ich dich Winzling nenne.«

Er langte in seine Gesäßtasche und holte eine Plastikschachtel mit Zigaretten hervor. Das Lächeln auf seinem Gesicht war höflich.

»Komm' da runter«, schrie Bigman aufgebracht. »Komm hier runter und verteidige deinen Sinn für Humor mit den Fäusten.«

»Ganz schön wütend«, vermerkte Fisk und klickte dabei mit der Zunge. »Hier Junge, nimm' ne Zigarette. Extra lang, siehst du. Fast so lang wie du. Da könnte es natürlich ein Durcheinander geben, wenn ich es mir recht überlege. Wir werden nicht in der Lage sein, festzustellen, ob du die Zigarette oder die Zigarette dich raucht.«

Die beiden anderen brachen in Gelächter aus.

Bigmans Gesicht war hochrot. Die Worte kamen ihm nur schwer über die Lippen. »Du willst also nicht kämpfen?«

»Ich rauche lieber. Schade, daß du mir nicht dabei Gesellschaft leistest.« Fisk lehnte sich zurück, wählte eine Zigarette aus und hielt sie hoch, als würde er ihre weiße Schlankheit bewundern. »Schließlich kann ich mich nicht dazu durchringen, mit Kindern zu kämpfen.«

Er grinste, führte die Zigarette an die Lippen und stellte fest, daß sie sich um nichts schlossen.

Daumen, Zeige- und Mittelfinger standen einige Millimeter auseinander, aber die Zigarette befand sich nicht mehr zwischen ihnen.

»Paß' auf, Lem«, rief der Mann am Radarschirm, »er hat eine Nadelpistole.«

»Ist keine Nadelpistole«, knurrte Bigman, »nur ein einfacher Brummer.«

Zwischen beiden Waffen bestand ein erheblicher Unterschied. Ein Brummerprojektil sah zwar wie eine Nadel aus, war aber zerbrechlich und explodierte nicht. Man benutzte sie zum Scheibenschießen oder für die Kleinwildjagd. Traf das Geschoß auf die Haut eines Menschen, entstand kein ernsthafter Schaden, aber es tat höllisch weh.

Fisks Grinsen hatte sich in Nichts aufgelöst. Er schrie: »Paß auf, du verrückter Dummkopf. Damit kann man jemanden blind machen.«

Bigman hielt den Brummer weiter auf Fisk gerichtet. Die dünne Mündung der Waffe ragte zwischen den Fingern hervor. »Ich werde dich nicht blind schießen«, sagte er, »aber ich kann es so einrichten, daß du einen Monat lang nicht auf deinem Hintern sitzen kannst. Und wie du vielleicht bemerkt hast, ziele ich gar nicht mal so schlecht. Und du da«, rief er über die Schulter in Richtung zu dem Mann am Rechencomputer, »rührst dich nicht in Richtung Alarmanlage, sonst bekommst du eine Brummernadel durch die Hand.«

»Was willst du?« fragte Fisk.

»Komm herunter und kämpfe.«

»Gegen einen Brummer?«

»Den stecke ich ein. Nur mit den Fäusten, ein fairer Kampf. Deine Kumpel können aufpassen.«

»Ich kann niemanden schlagen, der kleiner ist als ich.«

»Dann hättest du mich auch nicht beleidigen sollen.« Bigman hob den Brummer. »Ich bin nicht kleiner als du. Vielleicht sehe ich nach außen so aus, aber innerlich bin ich genauso groß wie du; vielleicht sogar größer. Ich zähle bis drei.« Beim Zielen kniff er die Augen zusammen.

»Heilige Milchstraße!« fluchte Fisk. »Ich komme runter. Jungs, ihr könnt bezeugen, daß ich dazu gezwungen worden bin. Ich werde versuchen, den verrückten Idioten nicht zu sehr zu verletzen.«

Er sprang von seinem Hochsitz auf. Der Mann am Rechencomputer übernahm seinen Platz am Sub-Äther.

Fisk war einen Meter und sechsundsiebzig, zwanzig Zentimeter größer als Bigman, dessen Figur mehr die eines Knaben als die eines Mannes war. Aber Bigmans Muskeln waren wie Stahlfedern, und seine Körperbeherrschung war vollkommen. Ausdruckslos wartete er auf den Angriff.

Fisk machte sich nicht die Mühe, sich zu decken. Er streckte einfach seine rechte Hand vor, ganz so, als wolle er Bigman am Kragen fassen und durch die noch offenstehende Tür werfen.

Bigman tauchte unter dem Arm durch. Seine Linke und Rechte klatschte mit schnellen Eins-zwei Kombinationen gegen den Solarplexus des anderen, dabei tanzte er fast im gleichen Atemzug wieder außer Reichweite.

Fisk wurde grün im Gesicht und setzte sich auf den Boden, dabei hielt er sich den Magen und stöhnte.

»Steh' auf, Großer«, sagte Bigman. »Ich warte auf dich.«

Durch den plötzlichen Wandel der Ereignisse schienen die beiden anderen Männer zu Säulen erstarrt zu sein.

Fisk kam langsam auf die Beine. Sein Gesicht glühte vor Haß, aber diesmal näherte er sich langsamer.

Bigman wich zurück.

Fisk stürzte sich auf ihn! Er verfehlte Bigman um fünf Zentimeter, Fisk schoß eine gefährliche Rechte ab. Einen Zentimeter vor Bigmans Kinn war Ende.

Bigman tanzte vor seiner Nase hin und her wie ein Korken im wildbewegten Wasser. Ab und an kam ein Arm hoch, um einen Hieb abzufälschen.

Mit unzusammenhängendem Gebrüll stürzte sich Fisk auf seinen, einer Stechmücke gleichenden Gegner. Bigman machte einen Schritt zur Seite und versetzte dem glattrasierten Gesicht seines Gegenübers eine schallende Ohrfeige. Das hörte sich an, als würde ein Meteor die obersten dichteren Luftschichten über einem Planeten treffen. Die Spuren von vier Fingern zeichneten sich rot auf Fisks Wange ab.

Einen Augenblick lang stand Fisk wie benommen da. Wie eine zuschnappende Schlange ging Bigman in den Mann, beide Fäuste kamen hoch und krachten gegen Fisks Kinnlade. Fisk krümmte sich zusammen.

Bigman wurde sich plötzlich des anhaltenden Heulens der Alarmsirene in der Ferne bewußt.

Ohne auch nur eine Sekunde zu zögern, machte er auf dem Absatz kehrt und verschwand durch die Tür. Er schlängelte sich an drei völlig überraschten Wachen vorbei, die geräuschvoll den Korridor heraufpolterten, und weg war er!

*

»Und warum«, erkundigte sich Conway, »warten wir auf Bigman?«

Lucky sagte: »Also, ich sehe die Sache folgendermaßen: Was wir am dringendsten brauchen, sind weitere Informationen über die Piraten. Ich meine damit Insiderinformationen. Ich habe das versucht, aber es ist nicht alles so gelaufen, wie ich es mir erhofft hatte. Ich bin jetzt bekannt wie ein bunter Hund. Bigman hingegen kennen sie nicht. Er steht nicht offiziell mit dem Wissenschaftsrat in Verbindung. Mein Vorschlag lautet deswegen folgendermaßen: wir könnten ihm ein Vergehen anhängen, muß natürlich echt wirken, versteht ihr, er macht sich dann mit dem Schiff des Einsiedlers in Richtung Ceres aus dem Staub.«

»Ach, beim All«, stieß Conway gequält aus.

»Halt, hör' doch erst mal zu! Er kehrt also zum Asteroiden des Einsiedlers zurück. Falls die Piraten dort sind, um so besser! Falls nicht, wird er die Rakete gut sichtbar stehen lassen und drinnen auf sie warten. Es ist ein bequemer Platz zum Warten.«

»Und wenn sie aufkreuzen«, spann Henree den Faden weiter, »werden sie ihn abknallen.«

»Das werden sie nicht tun. Deshalb nimmt er doch das Schiff des Einsiedlers. Sie müssen einfach herausbekommen, wo Hansen hin ist, von mir gar nicht zu reden. Sie müssen herausfinden, wo Bigman herkommt und wie er an das Schiff gelangt ist. Sie müssen das einfach wissen. Dadurch gewinnt er Zeit, um zu reden.«

»Etwa um zu erklären, wie er gerade Hansens Felsen unter all den anderen herausgepickt hat. Da müßte er sich einiges einfallen lassen.«

»Gar nichts müßte er sich einfallen lassen. Das Schiff des Einsiedlers war auf Ceres, was ja stimmt. Ich habe es so eingerichtet, daß es da draußen unbewacht steht, also können wir es kapern. Im Logbuch wird er die Raum-ZeitKoordinatoren vom Heimatasteroiden des Schiffes finden. Für ihn wäre das nur irgendein Asteroid wie jeder andere, und er würde haste-was-kannste loszischen, bis sich auf Ceres die Gemüter wieder beruhigt haben.«

»Trotzdem, es ist riskant«, grummelte Conway.

»Das weiß Bigman. Und ich will euch mal was sagen, es ist an der Zeit, Risiken einzugehen. Die Erde unterschätzt die Piratengefahr derartig, daß.«

Er unterbrach seinen Redefluß, als er den Kommunikator blinken sah.

Mit einer ungeduldigen Handbewegung schaltete Conway den Codeentschlüsseler auf Betrieb und straffte sich plötzlich.

»Councilwellenlänge, und - eisige Ceres -, obendrein auch noch der Zerhackercode des Rates«, sagte er.

Die kleine Sichtscheibe oberhalb des Kommunikators zeigte die charakteristischen schnellen Veränderungen des Helldunkel-Lichtmusters.

Conway schob einen Metallstreifen, den er aus einem ganzen Bund in seiner Brieftasche ausgewählt hatte, in einen schmalen, in den Kommunikator eingelassenen Schlitz. Der Streifen diente als Entschlüssler. Der wichtigste Teil des Instrumentes bestand aus einem bestimmten Muster kleiner Tungstenkristalle, die in eine Aluminiummatrix eingebettet waren. Dadurch wurden sie Sub-Äther Signale auf eine bestimmte Art und Weise gefiltert. Conway justierte langsam den Entschlüssler, schob ihn tiefer hinein und zog ihn wieder heraus, bis er exakt dem Zerhacker am anderen Ende des Signals entsprach, der in seinem Aufbau ähnlich, aber in seiner Funktion genau entgegengesetzt war.

Der Augenblick der völligen Angleichung wurde durch ein plötzliches Scharfwerden des Bildes auf dem Sichtschirm angekündigt.

Lucky richtete sich halb auf. »Bigman!« entfuhr es ihm. »Wo beim All steckst du?«

Bigmans kleines Gesicht grinste sie schelmisch aus der Ferne an. »Ich bin im Schiff des Einsiedlers, versteht sich. Hunderttausend Meilen von Ceres weg.«

Conway flüsterte außer sich vor Wut: »Ist das schon wieder einer von deinen Tricks? Ich dachte, du hast gesagt, er sei auf Ceres?«

»Das dachte ich auch«, erwiderte Lucky. »Was ist geschehen, Bigman?«

»Du hast gesagt, daß wir uns ranhalten müßten, da hab' ich die Angelegenheit mal selbst in die Hand genommen. Einer von den Schlaumeiern im Tower hat mir einen vom Pferd erzählt, da hab' ich ihn ein wenig verdroschen und bin gestartet«. Er lachte. »Ruf mal in der Wachstube an und erkundige dich, ob die da nach einem Typ suchen, dem man vorsätzliche Körperverletzung vorwirft.«

»Das war nicht gerade ein Geistesblitz von dir«, sagte Lucky ernst. »Du wirst dich schwertun, die Männer der Asteroiden davon zu überzeugen, daß du der gewalttätige Typ bist. Ich will deine Gefühle nicht verletzten, aber dafür bist du etwas klein geraten.«

»Ich leg' einfach ein paar von ihnen auf die Bretter«, gab Bigman zurück. »Sie werden es mir schon abkaufen. Aber deswegen habe ich mich nicht gemeldet.«

»Ja, aber warum dann?«

»Wie komme ich zu dem Asteroiden von dem Kerl?«

Lucky runzelte die Stirn. »Hast du im Logbuch nachgesehen?«

»Heilige Milchstraße! Ich hab' überall gesucht. Sogar unter der Matratze, wenn du es genau wissen willst. Hier gibt es nicht die Spur von Unterlagen über irgendwelche Koordinaten.«

Der Ausdruck von Unbehagen auf Luckys Gesicht verstärkte sich noch um einige Grade. »Das ist seltsam. Das ist sogar mehr als seltsam. Hör' mal zu, Bigman«, seine Worte klangen schnell und bestimmt, »gleiche deine Geschwindigkeit der von Ceres an. Gib' mir jetzt sofort deine Koordinaten zu Ceres und behalte sie bei, komme was da wolle. Ich rufe dich wieder zurück. Du stehst zu nahe bei Ceres, als daß dich ein Pirat angreifen würde, falls du aber weiter hinaustreibst, könntest du in böse Schwierigkeiten geraten. Hast du mich verstanden?«

»Roger. Hab' verstanden. Laß' mich nur eben meine Koordinaten ausrechnen.«

Lucky notierte sie und brach die Verbindung ab. »Beim All«, entfuhr es ihm, »wann werde ich endlich lernen, nichts als gegeben anzunehmen.«

»Wäre es nicht besser, du würdest Bigman zurückbeordern?« sagte Henree. »Die ganze Sache ist bestenfalls ein unausgegorener Plan, gib' die Sache auf, jedenfalls solange du die Koordinaten nicht hast.«

»Aufgeben?« fragte Lucky ungläubig. »Den einen Asteroiden, von dem wir wissen, daß er eine Piratenbase ist, aufgeben? Kennst du noch einen anderen? Nur einen einzigen? Wir müssen diesen Asteroiden einfach finden. Das ist unsere einzige Spur, die uns an die Piraten heranbringt.«

Conway meldete sich zu Wort: »Gus, an dem, was er da sagt, ist etwas dran. Es handelt sich um eine Base.«

Lucky spielte an einer Wählscheibe des Intercoms und wartete.

»Hallo, hallo«, ließ sich Hansens schlaftrunkene, aber nichtsdestotrotz überraschte Stimme vernehmen.

»Lucky Starr an der Leitung, Mr. Hansen«, meldete sich Lucky munter. »Tut mir leid, daß ich Sie stören muß, aber mir wäre es lieb, wenn Sie so schnell wie möglich hier in Dr. Conways Zimmer kommen könnten.«

Der Einsiedler antwortete nicht sofort. »Selbstverständlich, aber ich kenne den Weg nicht.«

»Die Wache vor Ihrer Tür wird Sie hierherbegleiten. Ich setze mich mit dem Mann in Verbindung. Können Sie in zwei Minuten hier sein?«

»In zweieinhalb ließe es sich machen«, gab Hansen gutgelaunt zurück. Seine Stimme klang jetzt wacher.

»Fein!«

Hansen hielt sein Versprechen. Lucky wartete schon auf ihn.

Lucky nahm sich einen Augenblick Zeit, während er die Tür aufhielt. An den Wachposten gewandt, sagte er: »Hat es hier auf der Base einen Zwischenfall gegeben, früher am Abend, meine ich? Einen Überfall vielleicht?«

Der Wachmann machte ein überraschtes Gesicht. »Jawohl, Sir. Aber der verletzte Mann hat sich geweigert, Anzeige zu erstatten. Behauptet, es habe sich um einen fairen Kampf gehandelt.«

Lucky zog die Tür zu. »Das war naheliegend. Jeder normale Mensch würde es sich dreimal überlegen, ehe er auf eine Wachstube geht und zugeben müßte, daß ein Bursche von Bigmans Größe ihm eine Tracht Prügel verabreicht hatte. Ich werde später bei der zuständigen Stelle anrufen und die Vorwürfe trotzdem schriftlich festhalten lassen. Fürs Archiv. Mr. Hansen.«

»Ja, Mr. Starr?«

»Ich hätte gerne eine Frage beantwortet, möchte aber nicht, daß alles über das Intercom geht. Sagen Sie, wie lauten die Koordinaten Ihres Asteroiden? Natürlich beide Angaben, Standard und Abweichung.«

Hansen starrte ihn an, und seine porzellanblauen Augen wurden rund. »Nun, vielleicht fällt es Ihnen schwer, es zu glauben, wissen Sie, aber ich bin nicht in der Lage, sie Ihnen zu geben.«

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