Banbury's Men schlurften trostlos über den Hof der Three Swans und beluden ihr Fuhrwerk. Nach ihrem Absturz am vergangenen Nachmittag zogen sie sich endgültig aus York zurück. Sie hatten abgrundtief versagt und würden keine zweite Chance mehr bekommen, um ihren Ruf wiederherzustellen. Ein würdevoller Rückzug war alles, was ihnen noch übriggeblieben war, und Giles Randolph handelte entsprechend. Als er sein Pferd aus dem Stall führte, kochte er immer noch vor Zorn über den Mann, der ihnen das eingebrockt hatte. Scruton, der sie sosehr auf der Erfolgsleiter nach oben gebracht hatte, riß sie jetzt in den Abgrund. Kein Gedanke mehr daran, ihn als Teilhaber in die Gesellschaft aufzunehmen. Von jetzt an würden Banbury's Men ohne ihn auskommen. Ihre einzige Zukunft lag in der besseren Qualität ihrer eigenen Stücke.
Randolph betrachtete sein armseliges Häuflein Schauspieler.
»Sind wir aufbruchbereit, meine Herren?«
»Ja«, kam die schwache Antwort.
»Dann wollen wir dieser unseligen Stadt den Rücken kehren.«
Er stieg auf sein Pferd und ritt zum Hoftor. Als er gerade hindurchreiten wollte, trat die stattliche Figur eines alten Mannes durchs Tor. Er trug ein elegantes schwarzes Wams, gleichfarbige Hosen und einen Federhut, der sein halbes Gesicht bedeckte. Der korrekt gestutzte graue Bart verriet Alter und Eleganz. Er trug einen Spazierstock und hob ihn hoch, als er das Pferd auf sich zukommen sah.
Randolph zügelte sein Pferd, um den Mann vorbeizulassen.
»Einen guten Tag Euch«, sagte er freundlich.
»Guten Tag«, erwiderte der andere. »Wohin reist Ihr?«
»Überall hin, bloß weg von hier.«
»War York so unfreundlich zu Euch?«
»Ein ganz übles Nest!«
Giles Randolph trieb sein Pferd an, die Prozession bewegte sich durch das Hoftor. Der alte Mann winkte ihnen zu, während sie an ihm vorbeigingen, aber sie beachteten ihn kaum. Er setzte ein verschmitztes Lächeln auf und gratulierte sich im stillen zu seiner erstklassigen Verkleidung. Wenn selbst seine Schauspielerkollegen ihn nicht erkannten, dann war er vor jeder Entdeckung sicher.
Mark Scruton begab sich in den Schankraum.
*
Humphrey Budden und seine Frau erhoben sich frühzeitig und gingen sofort ins Münster, um dem Gottesdienst beizuwohnen. Während sie auf den Knien lagen, bestätigten sie einander, ihrem Gatten treu zu sein, und reichten sich die Hände zur Bekräftigung. Eleanor war eine völlig gewandelte Frau. Die Nacht mit ihrem Ehemann war eine Erleuchtung gewesen. Ein unentrinnbarer Drang hatte sie im Dienste Gottes nach York geführt und sie irgendwie auf den Regisseur von Westfield's Men fixiert. Was immer der Grund für dieses intensive und machtvolle Gefühl gewesen war, jetzt war es verschwunden. Jerusalem war jetzt nicht mehr das Ziel einer Pilgerreise. Sie hatte ihr Jerusalem in den Armen ihres Gatten gefunden und wünschte sich nichts sehnlicher, als wieder bei ihren Kindern in Nottingham zu sein.
»Master Bracewell!«
»Guten Morgen, Mistress Budden. Euch auch guten Morgen, Sir!«
»Wir möchten Euch ganz besonders herzlich danken« , sagte der Ehemann und ergriff seine Hand. »Eure Freundlichkeit werden wir Euch niemals vergelten können.«
»Euer Glück ist mir Dank genug, Sir.«
Als sie in den Gasthof zurückgekommen waren, hatten sie Nicholas getroffen, der sein Pferd sattelte. Eleanor war jetzt eine biedere Matrone, die am Arm ihres Ehemannes hing, doch ein gewisses Glitzern in den Augen zeigte, daß sie bestimmten Erinnerungen nachhing. Nicholas war froh, als das Ehepaar in den Gasthof ging, um seine Sachen zu holen und für die Reise zu packen.
*
Lawrence Firethorn kam in den Hof gelaufen.
»Nick, mein Lieber!«
»Ich reite nach Marmion Hall.«
»Laßt mich zuerst meine Dankbarkeit über Euch ausschütten«, sagte der andere mit einer bärenhaften Umarmung. »Master Pym hat mir gesagt, was letzte Nacht passiert ist. Ihr habt die Last einer Susan Becket von meinen Schultern genommen, als Ihr Amor für sie spieltet. Jetzt brauche ich vor einem Treffen zwischen ihr und Margery keine Angst mehr zu haben.«
»Wie geht es Mistress Firethorn heute morgen?«
»Sie liegt zufrieden zwischen meinen Gläubigern.«
»Es freut mich, daß wenigstens jemand Glückseligkeit fand«, sagte Nicholas. »Ich habe meine Nacht mit Oliver Quilley verbracht.«
»Der arme Bursche! Eine schlimme Art, sein Leben auszuhauchen. Hat man schon eine Idee, wer ihn umgebracht hat?«
»Überhaupt nichts, Sir. Ich bin nur froh, daß sie nicht mehr denken, ich sei der Missetäter. Die Konstabler und der Magistrat haben mich stundenlang ausgequetscht.«
»Ich habe für Euch gesprochen, Nick. Meine Stimme hat Gewicht.«
»Eure Hilfe war mir sehr wertvoll.«
Nicholas setzte den Fuß in den Steigbügel und stieg auf sein Pferd. Immer noch gingen ihm die Fragen durch den Kopf, die durch den Tod von Oliver Quilley aufgeworfen worden waren. Er sah seinen Arbeitgeber an und erinnerte sich an etwas. Lawrence Firethorn war der beste Schauspieler in London, jemand, zu dem der Adel scharenweise kam, um ihn spielen zu sehen. Er kannte viele Persönlichkeiten bei Hofe und hörte viel von ihrem Klatsch.
»Darf ich Euch eine Frage stellen, Master?«
»Hundert, wenn's sein muß.«
»Wie ist Eure Meinung von Minister Walsingham?«
»Pah!« stieß Firethorn hervor. »Auf den spucke ich.«
»Wieso das?«
»Weil er Verbindung hat zu dem Namen, den ich am meisten hasse.«
»In welcher Beziehung, Master?«
»Wißt Ihr das nicht?«
»Würde ich sonst fragen?«
»Sir Francis Walsingham ist jetzt Staatsminister, und unsere liebe Königin hat ihn mit jeder Ehre überhäuft, die man sich nur denken kann.« Firethorn schürzte die Lippen. »Aber ich erinnere mich noch, wie er seine politische Karriere begann.«
»Als Mitglied des Parlaments, nicht wahr?«
»Soll ich Euch die Stadt nennen, für die er im Parlament saß?«
»Ich glaube, ich kann's mir denken.«
»Banbury!«
*
An diesem Morgen befand Marmion Hall sich in tiefem Schmerz. Vor seiner Familie und der Dienerschaft setzte Sir Clarence eine fröhliche Miene auf, doch sie ahnten, was sich über ihnen zusammenbraute, und waren niedergedrückter Stimmung. Robert Rawlins' Verhaftung war ein vernichtender
Schlag gewesen, der ihnen noch schwer zu schaffen machte. Für Sir Clarence gab es noch eine zusätzliche Sorge. Der Mann, den er nach York geschickt hatte, war von seinem eigenen Opfer umgebracht worden. Der Informant, der beide Mitverschwörer verraten hatte, kreiste Sir Clarence immer mehr ein. Eine plötzliche Flucht konnte eventuell notwendig werden. Die Vorbereitungen dazu waren bereits im Gange.
»Ist alles in Ordnung?«
»Ja, Sir Clarence.«
»Haltet ein Pferd gesattelt und reisebereit.«
»Ist bereits veranlaßt.«
»Ihr werdet mit mir reiten.«
»Das wird mir eine Ehre sein, Sir Clarence.«
Der Diener machte eine tiefe Verbeugung und entfernte sich, um seinen Pflichten nachzugehen. Sein Herr hoffte zwar, daß der Notfall nicht eintreten würde, doch ausschließen konnte er es nicht. Nachdem die Familie Marmion Hall seit so vielen Generationen und mit so viel Stolz bewohnt hatte, eröffnete sich ihr jetzt eine schaurige Perspektive. Das Oberhaupt der Familie wurde unter Umständen wie eine Ratte davongejagt.
Doch es gab einen kleinen Ausgleich. Westfield's Men sollten an diesem Abend auftreten. Vielleicht gelang es ihnen, den Schleier der Trauer ein wenig zu lüften und ihnen ein paar Stunden harmloser Freude zu bereiten. Sir Clarence kannte die Arbeit der Gruppe aus London und hatte jenes Stück aus ihrem Repertoire ausgesucht, das ihm am angemessensten erschien. Es war dasselbe Drama, das die Zuschauer im Gasthof schon so begeistert hatte.
»Krieger des Kreuzes«. Dieses Stück gefiel ihm, weil es so viele Bereiche ansprach. Auch er selbst, so glaubte er, befand sich auf einer Art von Kreuzzug.
Sir Clarence war in der Halle, um Nicholas zu begrüßen, als dieser eintraf. Der Regisseur war sehr müde und erläuterte, was ihn den größten Teil der Nacht auf den Beinen gehalten hatte. Sein Gastgeber war betroffen.
»Master Quilley tot?«
»Ermordet, Sir.«
»Hat man den Täter gefaßt?«
»Bis jetzt noch nicht, Sir Clarence.«
»Das ist wirklich eine schlimme Nachricht.«
»Der Mann war ein angenehmer Gesprächspartner.«
»Das habe ich auch so empfunden.«
»Soviel ich weiß, habt Ihr ihm einen Auftrag gegeben.«
»Master Quilley sollte ein Porträt von mir herstellen. Ich wollte es schnell haben, damit ich es meiner Frau als Geschenk überreichen konnte.« Er blickte zornig zu dem Ölporträt seines Vaters hinauf. »Für etwas in dieser Art habe ich nicht die Zeit. Oliver Quilley war meine letzte Hoffnung.«
»Es gibt andere Miniaturmaler, die man beauftragen könnte.«
»Er wurde mir besonders empfohlen.«
Nicholas versuchte, das Thema noch etwas zu vertiefen, doch sein Gastgeber entließ ihn mit einer Handbewegung. Er zog es vor, statt dessen über das Stück und die bevorstehende Aufführung zu sprechen. Er hatte ganz eindeutig viel Kenntnis vom Theater und war während seiner Besuche in London häufig ins Theater gegangen. Es war ein Genuß, mit ihm über das Drama zu diskutieren, was dazu führte, daß sich seine Laune ganz erheblich besserte. Nicholas traf sehr rasch die Entscheidung, daß die Bühne am anderen Ende der Halle errichtet werden sollte. Eine holzgetäfelte Tür öffnete sich zu einem Raum, den man als Garderobe benutzen konnte. Vorhänge konnten auf einer Leine drapiert werden. Große Fenster ließen viel Licht herein, doch es würde nötig sein, zusätzlich Kerzen und Deckenleuchter anzubringen.
Während der Regisseur sich mit der praktischen Vorbereitung der Aufführung befaßte, gab Sir Clarence seinen Dienern den Auftrag, zwei Reihen von Stühlen hereinzubringen. Im Hof des Gasthauses hatten zahlreiche Zuschauer nur Stehplätze gehabt, als sie dem Stück folgten, doch hier sollte jeder Zuschauer einen Sitzplatz bekommen. Hier würde es weniger Schwitzen, Fluchen, Drängeln geben, dafür mehr Stil und gutes Benehmen. Aufgrund der persönlichen Einladung von Sir Clarence Marmion wurde der gesamte Adel von West Riding an diesem Nachmittag erwartet. Es handelte sich um ein ausgesuchtes Publikum.
Ein großer, goldverzierter Armsessel wurde hereingebracht und am Ende der ersten Reihe aufgestellt, unmittelbar unter dem Porträt des Vaters des Gastgebers. Das war offensichtlich Sir Clarences eigener Sessel, denn er nahm darin Platz und blickte zur Bühne. Nicholas verstand nicht, warum der Herr des Hauses sich nicht den besten Platz in der Mitte der Stuhlreihe ausgesucht hatte. Es wirkte merkwürdig, sich in einem solchen Blickwinkel zur Bühne zu plazieren.
Als alle Arrangements getroffen waren, wurden Nicholas einige Erfrischungen gereicht, dann ließ man ihn allein, damit er auf die Ankunft der Truppe warten konnte. Er nutzte die Gelegenheit, ein wenig draußen in der Sonne herumzuspazieren und den wunderschönen Garten zu betrachten. Eine Anpflanzung von Rhododendren zog seine Aufmerksamkeit auf sich. Sie waren mehr als dreißig Meter vom Haus entfernt und kreisförmig angelegt. Was ihm auffiel, war der Umstand, daß die Büsche sich bewegten, als ob sie von einem kleinen Sturm geschüttelt würden; in Wirklichkeit bewegte sich kein Lüftchen.
Im Schutz einer von Eiben gesäumten Straße ging Nicholas auf die Rhododendren zu. Jetzt waren sie ruhig, doch ein Geräusch verriet ihm, wodurch die Bewegung entstanden sein konnte. Er suchte gerade nach der Bestätigung seiner Theorie, als ein untersetzter Mann hervortrat und ihm den Weg versperrte.
»Dieser Teil des Gartens ist gesperrt, Sir.«
»Ich wollte mir lediglich die Beine vertreten.«
»Dann vertretet sie Euch in eine andere Richtung.«
»Das werde ich auch tun.«
»Sir Clarence hat mir strikte Anweisungen gegeben.«
Während Nicholas wieder auf das Haus zuging, fragte er sich, aus welchem Grund ein solcher Privatbereich aufrechterhalten wurde. Und noch etwas anderes gab ihm ein Rätsel auf. Der Mann trug die Kleidung eines Gärtners und bewegte sich auch so, dennoch trug er einen Dolch am Gürtel.
Aus welchem Grund mußte er bewaffnet sein?
*
Lawrence Firethorn traf an der Spitze seiner Gruppe ein, um einen neuen Teil seines Reiches in Besitz zu nehmen. Nachdem er York in großem Stil »eingenommen« hatte, war er davon überzeugt, einen weiteren Triumph in Marmion Hall zu erleben. Der ganz andere Rahmen dieser Aufführung beflügelte ihn, eine Herausforderung, die er auf der Stelle annahm, indem er auf der Bühne schritt, um ein Gefühl für ihre Ausmaße zu bekommen, und laut redete, um die Akustik zu prüfen. Eine Probe wurde einberufen und alles in großer Eile vorbereitet. Die ganze Gruppe nahm die Gelegenheit wahr, den Kater der exzessiven letzten Nacht abzuschütteln. Im Gegensatz dazu vibrierte Firethorn geradezu vor Energie. Die Stunden der ehelichen Freudenfeier hatten ihn einfach stimuliert.
Ihr Gastgeber ließ Speisen und Bier auftischen, damit sie eine Stunde der Entspannung verbringen konnten. Der Oberste Schauspieler nahm Edmund Hoode und Barnaby Gill beiseite.
»Ich habe ein großartiges Gefühl für diesen Ort!« sagte er.
»Wir sind aber nicht hergekommen, um am Gefühl zu fummeln«, bemerkte Gill trocken. »Hebt Euch das für Margery auf.«
»Ich spüre, daß etwas Außergewöhnliches passieren wird.«
»Wollt Ihr etwa Euren ganzen Text im Kopf behalten?«
»Vorsicht, Barnaby. Reizt mich nicht, Sir.«
»Ich wünschte, ich könnte Eurem Optimismus zustimmen, Lawrence«, sagte Hoode trübselig. »Marmion Hall kommt mir bedrückt vor. Was außergewohnliche Ereignisse betrifft - eines hat bereits stattgefunden.«
»Jawohl«, stimmte Barnaby zu. »Wir haben gestern unser Gehalt bekommen.«
»Ich sprach von Master Oliver Quilley.«
»Erinnert uns nicht daran, Edmund«, stöhnte Firethorn. »Das war eine Tragödie erster Güte, doch sie darf nicht unsere Arbeit beeinflussen. Master Quilley war nur ein Mitreisender, der uns ein Stück begleitet hat. Sein Tod ist schockierend, betrifft uns aber nicht direkt.«
»Wir können das nicht einfach mit einem Schulterzucken abtun, Lawrence.«
»Das müssen wir, meine Herren. Wir sind Schauspieler.«
Hoode warb um Mitleid, doch die anderen waren zu sehr mit der bevorstehenden Aufführung beschäftigt, um dem Toten mehr als nur eine Andeutung von Trauer zu widmen. Als der Stückeschreiber die Vermutung andeutete, der Mord könne irgendwie mit Westfield's Men in Verbindung gebracht werden, zogen sie die Idee sofort ins Lächerliche. Edmund argumentierte immer noch, als Nicholas zu ihnen trat.
»Zeit, sich vorzubereiten, Gentlemen.«
»Wir sind jederzeit vorbereitet«, sagte Gill ungeduldig.
»Das Publikum beginnt einzutreffen.«
»Dann muß ich mich in mein Kostüm werfen«, meinte Hoode.
Er und Gill gingen in Richtung Garderobe; Nicholas hielt seinen Chef für einen Moment zurück.
»Wir haben ein gewisses Problem, Sir.«
»Nichts, das wir nicht überwinden könnten.«
»Christopher Millfield ist nirgendwo aufzutreiben.«
»Aber der Mann war vor fünf Minuten noch hier.«
»Zehn«, korrigierte Nicholas den anderen. »Aber jetzt ist er nicht hier.«
»Dann ist er bestimmt nach draußen gegangen, um frische Luft zu schnappen.«
»Niemand konnte den Raum verlassen, ohne vorher mit mir gesprochen zu haben. Master Millfield kümmerte sich nicht um diese Vorschrift.«
»Dann tadelt ihn, Nick.«
»Das werde ich auch - wenn wir ihn finden.«
»Schickt George Dart auf die Suche nach ihm.«
»Das habe ich bereits getan«, sagte Nicholas. »Er hat Haus und Garten vollständig abgesucht, kam jedoch mit leeren Händen zurück. Das ist ja gerade das Problem, Sir. Master Millfield ist verschwunden.«
*
Mark Scruton versteckte sich im Schatten des Unterholzes, bis er ein Dutzend Reiter auf der Straße nach Marmion Hall vorbeireiten sah. Dann trieb er sein Pferd an und verließ seine Deckung. Er brauchte nicht lange, bis er zu den anderen Gästen aufgeschlossen hatte. Als sie in die Auffahrt zum Haus einbogen, konnte er sehen, daß bereits andere Besucher von den Dienern ins Haus geleitet wurden. Es gab genügend Gewimmel, so daß er sich unter die Menge mischen konnte. Als eine Reiterin sich umdrehte, um ihn zu beäugen, lüftete er gewandt den Hut. Hinter ihm fuhr eine Kutsche vor, in der Ferne hörte man Hufschlag näher kommen.
Scruton stieg vom Pferd und überließ es einem der Diener. Der Schauspieler ging aufrechten Schrittes, wobei er sich auf seinen Stock stützte. Er war nur ein Teil der Masse, die durch den Haupteingang ins Haus drängte. In der Empfangshalle wurden die Besucher von Sir Clarence Marmion und seiner Frau erwartet und begrüßt; beide hatten sich für die besondere Gelegenheit fein herausgeputzt.
Der alte Mann mit dem grauen Bart nannte ihnen einen falschen Namen und bedachte sie mit einem freundlichen Lächeln; ohne mit der Wimper zu zucken überstand er ihren prüfenden Blick. Der Gastgeber und seine Frau wandten sich bereits einer neuen Gruppe von Gästen zu.
Der erste Test war bestanden, er hatte ihn in bester Haltung gemeistert. Mark Scruton befand sich im Haus. Jetzt kam es nur noch darauf an, den richtigen Zeitpunkt abzuwarten.
*
Christopher Millfield tauchte zehn Minuten vor Beginn der Aufführung auf und mußte sich eine Gardinenpredigt von Lawrence Firethorn und eine scharfe Zurechtweisung von Nicholas Bracewell anhören. Er entschuldigte sich wortreich und behauptete, er habe sich im Garten verlaufen, aber der Regisseur glaubte ihm nicht so ganz. Weil die Aufführung aber unmittelbar bevorstand, hatte Nicholas keine Möglichkeit, ihn in dieser Sache genauer zu befragen. Er begab sich auf seine Inspektionsrunde und machte die letzten Kontrollen, bevor er sich auf seinen Beobachtungsplatz hinter dem Vorhang zurückzog. So hatte er die Möglichkeit, den größten Teil der Bühne und das Publikum im Blick zu haben. Er kam gerade rechtzeitig, um zu sehen, wie Sir Clarence seinen Platz an der Seite seiner Frau und neben den anderen Familienmitgliedern einnahm. Direkt hinter dem Hausherrn hatte ein distinguierter alter Herr in einem schwarzen Wams und ebensolchen Reithosen seinen Platz. Als der Gast sich seinen grauen Bart kratzte, meinte Nicholas den Mann irgendwie zu kennen, doch er konnte der Gestalt keinen Namen zuordnen. Außerdem hatte er gar keine Zeit, um darüber nachzudenken. Publikum und Ensemble waren bereit. Der Regisseur gab das Startzeichen.
Ein Trompetensignal erklang, Edmund Hoode, in glänzender Rüstung, trug den Prolog vor. Die Musik begann zu spielen, die Handlung nahm ihren Lauf. Es gab keine einzige schwache Sekunde. Westfield's Men paßten ihren Stil in überragender Weise den Gegebenheiten der Bühne und dem Interesse der Zuschauer an, und sie schafften es, aus beidem das Maximum herauszuholen. Das Publikum hier war wesentlich ruhiger als das im Hof des Gasthauses, doch seine Konzentration ließ in nichts zu wünschen übrig.
Der Seneschall brachte sie zum Lachen, Berengaria entlockte ihnen Seufzer, der aufgespießte Kreuzritter trieb ihnen die Tränen in die Augen, und König Richard persönlich erfüllte sie mit Stolz, Engländer und Christen zu sein. Lawrence Firethorns Darstellung erreichte höchste Höhen und riß jeden mit sich, einschließlich Sir Clarence, der ganz offensichtlich fasziniert war. Während das Stück sich seinem packenden Ende näherte, beobachtete Nicholas den Gastgeber und bemerkte dabei etwas, was ihm zuvor entgangen war. Der alte Mann, der hinter Sir Clarence saß, trug einen Ohrring, der ihm bekannt vorkam. Eine perfekte Verkleidung wurde durch die Eitelkeit eines Schauspielers zunichte gemacht.
Fanfarenstöße und Signale brachten die Schlacht auf der Bühne ihrem Ende entgegen. Firethorn hielt seinen Truppen eine flammende Rede. Er rief sie gerade zu den Waffen im Dienste Gottes, als sich die Haupttür der Halle öffnete und sie auch schon hereinströmten. Zunächst glaubte das Publikum, diese Eindringlinge gehörten zum Stück und staunte über die große Zahl der Komparsen, die uniformiert und bewaffnet waren, doch sehr bald kamen die Zuschauer dahinter, daß diese Eindringlinge sehr echt waren. Sir Clarence Marmion war schneller als sie. Er schoß von seinem Sitz hoch, drückte die Geheimtür in der Eichentäfelung auf und rannte in den Gang. Der alte Mann folgte ihm mit überraschender Behendigkeit und erreichte die Tür, bevor sie sich wieder schloß. Kaum war er hindurch, zog er sie hinter sich zu. Nicholas beobachtete alles und verstand jetzt, warum der Gastgeber den letzten Sitz in der Reihe eingenommen hatte. Dort war er seinem Fluchtweg am nächsten.
Die gesamte Halle versank in vollständiges Chaos, als das Publikum sich erhob, um zu protestieren, und von den Soldaten brutal beiseite gestoßen wurde. Firethorn beendete seine letzte Rede, doch das Stück war bereits zu Ende. Das echte Drama fand inzwischen an einem anderen Ort statt. Nicholas Bracewell war bereits in voller Fahrt. Instinktiv rannte er in den Garten hinaus und sprintete die Eibenallee hinunter. Wenn die Geheimtür in der Wandverkleidung ein Fluchtweg war, dann mußte es irgendwo draußen einen Ausgang geben. Er glaubte zu wissen, wo der sich befand.
Er kam zu dem Kreis aus Rhododendronbüschen und drängte sich durch eine Lücke im Geäst. Was er vorhin gehört hatte, war das Wiehern eines Pferdes gewesen, und tatsächlich entdeckte er zwei, die an einen Pfosten gebunden waren. Hinter ihnen lag ein Mann in der Marmion-Uniform, dem das Blut aus einer tiefen Wunde in der Brust hervorsprudelte. Nicholas sprang über die Leiche zum dichtesten Teil des Busches und bog die Zweige zurück. Jetzt erblickte er eine schmale Tür in einem Erdhügel, der den Blicken durch das Geäst entzogen war. Er öffnete sie und fand sich in einem unterirdischen Gang wieder, der hier und da von blakenden Kerzen erleuchtet war. Er spürte einen Gestank nach Feuchtigkeit und Verwesung.
Nicholas schlug alle Vorsicht in den Wind und rannte in vollem Tempo durch den Gang. Er war ganz sicher, daß die Erklärung für all diese geheimnisvollen Vorgänge am Ende dieses Ganges zu finden sein würde und rannte wie wild der Wahrheit entgegen. Sein Laufen war entschieden zu unvorsichtig, was er dadurch zu spüren bekam, daß er auf losem Gestein ausrutschte und nach vorne auf den Boden schlug, wobei er sich den Kopf an einem Mauervorsprung aufschlug. Benommen und verletzt spuckte er ein Mundvoll Erde aus und spürte, wie ihm das Blut aus einer Wunde an der Schläfe das Gesicht herunterlief. Als er sich langsam aufrappelte, wurde ihm die Gefahr bewußt, in der er sich befand. Nicholas war vollständig unbewaffnet.
*
Es waren nicht nur Sir Clarence und Mark Scruton, die ein Problem darstellten. Offensichtlich hatte vor ihm jemand den unterirdischen Gang betreten, die Leiche in den Rhododendronbüschen ließ an seinen Absichten keinerlei Zweifel aufkommen. Nicholas mußte sich entschieden mehr in acht nehmen, zumal der Gang vor ihm in völliger Dunkelheit lag. Er kroch mit äußerster Vorsicht weiter und bemerkte schon bald einen Geruch nach brennendem Kerzentalg. Die Kerzen in diesem Teil des Tunnels waren offenbar gerade erst ausgelöscht worden. Nicholas verdoppelte seine Vorsicht.
Während er sich vorwärtstastete, stellte er fest, wie viele Spinnen und Insekten sich hier häuslich eingerichtet hatten. Als etwas seine Knöchel berührte, sprang er entsetzt zurück, doch dann hörte er ein verräterisches Trippeln hinter sich. Es war eine große Ratte. Er war dankbar dafür, daß Richard Honeydew nicht bei ihm war. Er durchbohrte die Finsternis mit den Augen, tastete sich langsam nach vorne und fand, daß der Tunnel immer bedrohlicher wirkte. Die Wände verengten sich, er hatte immer stärker das Gefühl, eingesperrt zu werden. Noch etwas anderes beunruhigte ihn.
»Ist da jemand?« rief er.
Es kam keine Antwort, doch er wußte, daß er nicht allein war.
Von weiter vorn klangen die Geräusche eines Handgemenges zu ihm, dann hörte er Sir Clarence einen wütenden Schrei ausstoßen. Nicholas begann zu rennen, wobei er von den Wänden abprallte. Vor ihm beleuchtete ein Licht eine eiserne Tür. Er stieß sie auf und fand sich in einer kleinen Kapelle wieder. Zwei Männer rangen in einem wilden Zweikampf.
Sir Clarence kämpfte mit dem alten Mann, der ihn verfolgt hatte, und riß ihm den falschen Bart ab. Mark Scruton versuchte, ihn von sich abzuschütteln und an seinen Dolch zu kommen. Bevor Nicholas sich noch einmischen konnte, ergriff der Schauspieler seine Chance. Er packte den Gegner mit festem Griff und schleuderte ihn hart gegen die Wand. Sir Clarences Kopf schlug hart gegen den Granit, mit einem Seufzer glitt er zu Boden und verlor sofort das Bewußtsein. Mark Scruton stand über ihm, dann fuhr er herum, um dem Eindringling entgegenzutreten. Mit dem Dolch in der Hand begann er Nicholas zu umkreisen.
»Ihr seid mir einmal zu oft gefolgt, Nick.«
»Ich hatte nicht damit gerechnet, Euch noch mal zu sehen.«
»Es wird auch bestimmt das letzte Mal sein.«
Er machte einen Ausfall mit seiner Waffe, doch der Regisseur wich mit Leichtigkeit aus. Der Schauspieler lachte.
»Das hat nichts mit Euch zu tun, Nick«, sagte er, »Ihr hättet Euch da raushalten sollen.«
»Verbrechen dürfen nicht unentdeckt bleiben.«
»Ihr wißt entschieden zuviel, aber längst noch nicht genug, um die Wahrheit zu verstehen.«
»Ich weiß, daß Ihr einer von Walsinghams Männern seid.«
»Ich war es«, stimmte der andere zu. »Bis heute. Alles sollte hier in Marmion Hall sein Ende finden. Ich lieferte ihnen Rickwood, ich lieferte ihnen Pomeroy. Hier und heute sollte es mein letzter Auftrag als Spion sein. Danach sollte ich frei sein, um mich meinem richtigen Beruf am Theater zu widmen.«
»Ihr seid kein Schauspieler, Sir«, sagte Nicholas voller Verachtung.
»Immerhin war ich gut genug, Euch zu täuschen«, erinnerte ihn der andere. »Was ist Spionieren anders als eine Art Schauspielerei? Ich war ein Meister meiner Kunst.« Seine Augen verengten sich. »Dann kamt Ihr und ruiniertet alle meine Pläne. Weil Ihr mir in den Three Swans entwischtet, mußte ich vor meiner eigenen Gruppe flüchten. Jetzt werden sie mich nie mehr als Teilhaber akzeptieren.«
»Dann habe ich ihnen sogar einen guten Dienst erwiesen.«
Scruton stach mit dem Dolch auf ihn los, doch Nicholas war viel zu gewandt für ihn. Der Schauspieler umkreiste weiter sein Opfer und spähte nach einer Lücke in der Deckung. Nicholas war jedoch auf der Hut und versuchte, ihn am Sprechen zu halten.
»Ihr habt Eure Freunde verraten«, beschuldigte er Scruton.
»Das war nötig.«
»Aber völlig unverzeihlich.« Er äußerte einen vagen Verdacht. »Und Ihr habt Oliver Quilley ermordet.«
»Ich mußte. Er hat mir alles gesagt, was er wußte.«
»Worüber?«
»Über Marmion Hall. Ich benutzte ihn als meine Augen. Er kam hier ins Haus und sah, was ich wissen mußte. Als ich ihn dazu überredet hatte, mir diese Informationen zu geben, schloß ich ihm endgültig die Augen.« Scruton grinste. »Er war nur ein stümperhafter Maler, niemand wird ihn vermissen.«
»Ihr werdet wegen des Mordes an ihm angeklagt werden.«
»Nein, Sir. Ich habe Freunde an hohen Stellen.«
Scruton machte einen plötzlichen Ausfall und stieß mit dem Dolch zu, doch Nicholas packte sein Handgelenk. Sie taumelten gegen eine der Bänke und hieben eine Minute lang wie wild aufeinander ein. Nicholas schaffte es, dem anderen die Waffe aus der Hand zu schlagen, klirrend fiel sie zu Boden. Mark Scruton war rasend. In einem wütenden Ausbruch schleuderte er den Regisseur gegen die Altarbrüstung und bekam die Hände an seinen Hals. Nicholas wurde langsam erdrosselt.
Bei ihrem Kampfgetümmel merkten beide nicht, wie sich eine Gestalt durch die Stahltür näherte, und sie merkten auch nicht, daß das goldene Kruzifix vom Altar entfernt wurde. Nicholas war in großen Schwierigkeiten. Eine stählerne Klammer lag um seinen Hals und wurde immer enger. Scruton verschwamm bereits vor seinen Augen. Mit einer letzten, verzweifelten Kraftanstrengung packte er seinen Gegner an den Armen und stieß ihn heftig von sich. Scruton taumelte ein paar Schritte nach rückwärts. Das waren die letzten Schritte, die er jemals machte. Bevor er sich wieder auf seinen Gegner werfen konnte, wurde ihm mit einem gewaltigen Schlag mit dem Kruzifix der Schädel gespalten; sein Gehirn spritzte über das weiße Altartuch. Nachdem er so viel Zeit damit verbracht hatte, Katholiken zu verraten, wurde er jetzt mit einem Symbol ihres Glaubens niedergeschlagen.
Christopher Millfield blickte auf die Leiche hinab und warf das Kreuz von sich. Geräusche von oben waren ein Zeichen dafür, daß die Soldaten den Geheimgang sehr bald finden würden. Millfield schien das nicht zu stören. Er lächelte den atemlosen Nicholas breit an.
»Ihr hattet recht, als Ihr mich verdächtigtet.«
»Auch einer von Walsinghams Leuten?«
»Ja, Nick, aber von einer anderen Art als dieser Narr hier.« Er gab der Leiche einen Tritt. »Scruton hat seinen Zweck als Spion erfüllt. Solche Leute haben anschließend keinen Wert mehr. Meine Aufgabe ist es, sie ›auszuzahlen‹ und verschwinden zu lassen.«
»Ihr verdient Euch Euren Lebensunterhalt auf eine brutale Art und Weise.«
»Aber auf eine, die gut bezahlt und sehr gut geschützt wird.«
Nicholas rieb sich den Hals und betrachtete das Schlachtfeld um sich herum. Mark Scruton war tot, Sir Clarence Marmion lag im Todeskampf, und die Kapelle war ein einziger Trümmerhaufen. Langsam wurden ihm die einzelnen Schritte klar, die zu diesem bösen Ende geführt hatten. Ein Ekel vor Christopher Millfield begann sich in ihm zu regen, aber er schaffte es trotzdem, ihm ein grimmiges Kompliment zu machen.
»Ich hätte auf Euch hören sollen, Sir.«
»Wann?«
»Als Ihr mir sagtet, Ihr wäret der bessere Schauspieler.«
Millfield strahlte noch, als die Soldaten herbeistürzten.
Es war ein Tag der Abschiede. Banbury's Men waren bereits mit dem Schwanz zwischen den Beinen abgezogen, Sir Clarence wurde mit bewaffneten Wachen nach London gebracht. Susan Becket, deren gesträubte Nackenhaare auf wundersame Weise besänftigt worden waren, kehrte zu ihrem eigenen Gasthaus zurück. Humphrey und Eleanor Budden gingen nach Hause, um ein neues Leben zu beginnen. In Begleitung von vier livrierten Dienern ritt Margery Firethorn nach Shoreditch zurück, um ein paar Rechnungen zu bezahlen und die Tage bis zur Heimkehr ihres Gatten zu zählen. Mark Scruton fuhr wie Gabriel Hawkes in die Grube. Christopher Millfield verschwand, um im Auftrag Walsinghams der Laufbahn anderer Spione ein Ende zu setzen.
Westfield's Men blieben noch ein paar Tage in York. Ihr Erfolg im Gasthof führte zur Nachfrage nach weiteren Aufführungen, die sie mit anderen Glanzstücken aus ihrem Repertoire befriedigten. Es war für sie eine ungeheure Erleichterung, zu wissen, daß ihre Stücke jetzt wieder ihr exklusives Eigentum waren. Doch der Mann, der den meisten Grund zur Freude hatte, war bedrückt und in sich gekehrt.
Nicholas Bracewell sprach ihn im Schankraum darauf an.
»Seid ein bißchen fröhlicher, Edmund. Unsere Probleme sind gelöst.«
»Aber sie lassen viel Traurigkeit in ihrem Kielwasser zurück.«
»Wir sollten uns anstrengen, das alles hinter uns zu lassen.«
»Ich habe mich bemüht«, sagte Hoode finster, »aber mein Herz ist ganz und gar traurig. Ich habe sie beide gern gehabt, Christopher und den jungen Gabriel, für den ich ihn hielt. Ich vertraute beiden.«
»Wir sind alle getäuscht worden«, pflichtete Nicholas bei. »Und niemand mehr als ich. Mich bedrückt das alles sehr. Ich hätte auf Mistress Eleanor hören sollen.«
»Hat sie Licht auf diese schlimmen Dinge geworfen?«
»In der Tat, Edmund. Die gute Frau warnte mich vor Master Millfield. Sie sagte mir, er sei Atheist.«
»Ist er es denn?«
»Kein Christ würde ein Kreuz nehmen, um jemand damit totzuschlagen. Er ist in jeder Beziehung ein gottloser Mann. Und jetzt ist mir auch klar, warum er dem Gesetz entronnen ist.«
»Er versteckt sich hinter Sir Francis Walsingham.«
»Allerdings, Sir.«
Hoode legte seine Hand in einer aufmunternden Geste auf den Arm seines Freundes.
»Kopf hoch, Nick«, sagte er. »Ihr könnt wirklich stolz sein auf Eure Rolle in der ganzen Sache.«
»Meint Ihr wirklich?«
»Ihr habt den Geheimgang zu der verborgenen Kapelle gefunden.«
»Darüber bin ich nur per Zufall gestolpert. Master Millfield wußte, wo er danach zu suchen hatte, und fand ihn genau nach Plan. Das ist der Grund, warum er nach der Probe verschwunden war. Er führte eine Suche durch.«
Hoode seufzte. »Sir Clarence war ein Verräter, und ich bin froh, daß er zur Rechenschaft gezogen wurde, aber es tut mir leid, daß unsere Gruppe als Deckmantel für so viel Täuschung benutzt wurde.«
»Das ist jetzt aus der Welt geschafft.«
»Das wollen wir hoffen. Ich möchte nicht noch einmal erleben, daß eines meiner Stücke durch die Ankunft von Soldaten ruiniert wird. Wer von diesen Spionen hat sie eigentlich nach Marmion Hall gerufen? Scruton oder Millfield?«
»Keiner von beiden, Edmund.«
»Wer war es denn dann, Sir?«
»Master Oliver Quilley.«
»Wieso?«
»Aus seinem Grab heraus«, sagte Nicholas. »Quilley war kein Spion, sondern ein enttäuschter Künstler, der das Gefühl hatte, niemals seinem Wert entsprechend bezahlt zu werden. Aus den großen Häusern, für die er arbeitete, holte er sich zusätzlichen Lohn, indem er dort wertvolle Dinge stahl und sie mit Gewinn verkaufte. Master Quilley stahl ein Buch in Marmion Hall, weil sein silberner Verschluß einen guten Preis versprach. Man hat es in seinem Zimmer gefunden. Es war ein römisch-katholisches Meßbuch.«
»Und das führte zur Verhaftung von Sir Clarence.«
Das war ein letzter bitter-ironischer Aspekt der ganzen Geschichte. Die beiden tranken zusammen, Nicholas tat sein Bestes, um seinen Freund aufzuheitern, doch Hoode war immer noch niedergeschlagen. Eine bestimmte Frage ging ihm immer noch im Kopf herum.
»Sicinius…«
»Wer, Edmund?«
»Sicinius.«
»Ah ja, Euer Stück.«
»Ich weiß immer noch nicht, wer mir meine Rolle gestohlen hat, Nick.«
»Ist das denn so wichtig für Euch?«
»Ich würde alles darum geben, seinen Namen rauszufinden.«
»Dann kann ich Eure Schmerzen lindern«, sagte der Regisseur. »Ich habe mich nach der Aufführung unseres ›Pompeius des Großem durch Banbury's Men erkundigt.«
»Ja und? Und?«
»Euer Stück ist sehr bewundert worden, obwohl sie es lausig aufgeführt haben.«
»Und Sicinius? Mein Sicinius?«
»Gabriel Hawkes.«
»Aber der ist tot.«
»Zusammen mit Mark Scruton.« Er klopfte Hoode auf den Rücken. »Seid glücklich, Sir! Seht Ihr denn nicht, was das bedeutet?«
»Nein.«
»Ihr seid der einzige lebende Schauspieler, der den Sicinius gespielt hat. Die Rolle ist wieder voll und ganz die Eure.«
Edmund Hoode stieß einen Freudenschrei aus.
»Tausend Dank, Nick. Das öffnet mir den Himmel.«
»Jedenfalls seid Ihr nah dran.«
»Wie bitte?«
»Jerusalem.«
Das Lächeln des Dichters verwandelte sich in ein breites Grinsen.
Eine geistliche Reise hatte schließlich ihr Ende gefunden.