Kate saß in einer Ecke der Kutsche und weinte. Die Kutsche fuhr nirgendwohin. Es war nicht einmal eine richtige Kutsche, nicht halb so komfortabel wie der zerbrechliche, zweirädrige offene Einspänner der Quinta, der in Oporto gelassen worden war, und nicht so gut wie die, mit der ihre Mutter im März den Fluss überquert hatte. Wie sehr wünschte sich Kate jetzt, mit ihrer Mutter gefahren zu sein, doch stattdessen war sie ihren romantischen Gefühlen gefolgt und überzeugt gewesen, dass sie bei der Erfüllung ihrer Liebe auf goldenen Wolken und in grenzenlosem Glück schweben würde.
Stattdessen befand sie sich in einer Mietskutsche aus Oporto, deren Lederverdeck undicht war, deren Federn knarrten und deren altersschwacher Hengst davor die Kutsche nirgendwohin zog, denn die fliehende französische Armee hing auf der Straße nach Amarante fest. Regen klatschte auf das Dach, sickerte an den Fenstern herab und tropfte auf Kates Schoß, doch sie nahm es kaum wahr, hockte nur in der Ecke und weinte.
Die Tür wurde aufgezogen, und Christopher streckte seinen Kopf herein. »Es wird gleich ein bisschen knallen«, sagte er. »Aber du brauchst nicht alarmiert zu sein.« Er schwieg einen Augenblick, hörte ihr Schluchzen und wusste nicht, was er sagen sollte. Dann konnte er es nicht mehr ertragen und schloss die Tür. Im nächsten Augenblick riss er sie wieder auf. »Sie zerstören die Geschütze«, erklärte er, »deshalb der Lärm.«
Kate interessiert das kein bisschen. Sie fragte sich, was aus ihr werden sollte, und ihre Aussicht auf die Zukunft war so schrecklich, dass sie in noch mehr Tränen ausbrach, gerade als die ersten Geschütze Mündung gegen Mündung abgefeuert wurden.
Am Morgen nach dem Fall von Oporto war Marschall Soult von der erschreckenden Nachricht geweckt worden, dass die portugiesische Armee Amarante zurückerobert hatte und dass die einzige Brücke, die er mit seinen Geschützen, Lafetten, Munitions- und Versorgungswagen und Kutschen, mit denen er zu den französischen Festungen in Spanien zurückkehren wollte, deshalb in feindlicher Hand war.
Einige Heißsporne hatten sich den Weg über den Fluss freikämpfen wollen, doch die Späher hatten berichtet, dass die Portugiesen in großer Stärke Amarante besetzt hielten, die Brücke vermint war und jetzt ein Dutzend Geschütze die Straße beherrschte. Es würde Tage und bittere Gefechte dauern, bis zur Brücke vorzudringen, und dann würde es sie wahrscheinlich gar nicht mehr geben, denn die Portugiesen würden sie bestimmt sprengen.
Und Soult hatte keinen einzigen Tag mehr zur Verfügung. Sir Arthur Wellesley würde aus Oporto vorrücken und ihn jagen, und das ließ ihm nur eine Wahl: Er musste alle fahrbaren Transportmittel aufgeben, alle Wagen und Geschütze. All das musste zurückgelassen werden, und zwanzigtausend Mann, fünftausend Personen Tross und viertausend Pferde und fast so viele Maultiere mussten ihr Bestes tun, um nach Norden einen Weg durch die Berge zu finden.
Doch Soult würde dem Feind nicht gute französische Geschütze zurücklassen, die sich gegen ihn wenden würden, und so wurden sie jeweils mit vier Pfund Pulver geladen und Mündung gegen Mündung gestellt. Kanoniere bemühten sich im Regen, die Ladungen zu zünden, und so feuerten die beiden Geschütze ineinander und sprangen in einer gewaltigen Explosion in Rauch und Flammen mit zerrissenen Rohren zurück. Einige der Kanoniere hatten feuchte Augen, als sie ihre Waffen zerstörten, einige andere fluchten, als sie mit Messern und Bajonetten die Pulversäcke zerschnitten, die im Regen zurückgelassen wurden.
Die Infanterie erhielt den Befehl, ihre Tornister und Provianttaschen von allem außer Essbarem und Munition zu leeren. Einige Offiziere machten eine Inspektion und bestanden darauf, dass ihre Männer allen Plunder wegwarfen, den sie bei dem Feldzug gesammelt hatten. Messerschmiedearbeiten, Kerzenhalter, Schmuckteller, alles musste am Straßenrand zurückgelassen werden, als die Armee zu dem Fußmarsch zu den Hügeln aufbrach.
Die Pferde, Ochsen und Maultiere, die zum Transport der Geschütze gebraucht worden waren, wurden erschossen, anstatt dem Feind überlassen zu werden. Die verwundeten Männer, die nicht gehen konnten, wurden in ihren Wagen gelassen und erhielten Musketen, damit sie wenigstens versuchen konnten, sich vor den Portugiesen zu schützen, die sie früh genug finden und versuchen würden, die hilflosen Männer aus Rache zu töten.
Soult befahl, die Militärkasse, elf Fässer mit Silbermünzen, neben die Straße zu stellen, damit die Männer sich mit einer Hand voll davon bedienen konnten, wenn sie vorbeigingen. Die Frauen banden ihre Röcke hoch, nahmen die Münzen der Männer und gingen mit ihnen. Die Dragoner, Husaren und Jäger führten ihre Pferde. Tausende von Männern und Frauen kletterten in das öde Hügelland, ließen hinter sich Wagen zurück, beladen mit Weinflaschen, goldenen Holzkreuzen, gestohlen aus Kirchen, und antiken Gemälden, geplündert aus Portugals noblen Häusern.
Die Franzosen hatten gedacht, sie hätten ein Land erobert und müssten nur noch auf ein paar Verstärkungen warten, um ihre Reihen aufzufüllen, bevor sie weiter nach Lissabon marschierten, und niemand verstand, warum sie plötzlich in einer solch katastrophalen Lage waren und König Nicolas sie in einem wüsten Durcheinander auf einen Rückzug durch sintflutartigen Regen führte.
»Wenn du hierbleibst«, sagte Christopher zu Kate, »wirst du vergewaltigt werden.«
»Ich bin vergewaltigt worden«, weinte sie, »Nacht für Nacht!«
»Um Gottes willen, Kate!« Christopher stand in Zivilkleidung an der offenen Kutschentür, und Regen tropfte von seinem Zweispitz. »Ich lasse dich nicht hier.« Er griff in die Kutsche, packte Kate am Handgelenk und zerrte sie heraus. »Geh, verdammt!«, schnarrte er und zog sie den Hang hinauf.
Sie war erst ein paar Sekunden aus der Kutsche heraus, als ihre blaue Husarenuniform - Christopher hatte darauf bestanden, dass Kate sie trug - bereits vom Regen durchnässt war. »Dies ist nicht das Ende«, sagte Christopher und packte ihr dünnes Handgelenk so hart, dass es schmerzte. »Die Verstärkungen sind nie eingetroffen, das ist alles! Aber wir werden zurückkehren.«
Kate horchte trotz ihres Elends bei dem »wir« auf. Meinte er sie beide? Oder sich und die Franzosen? »Ich will nach Hause«, schluchzte sie.
»Hör auf, zickig zu sein und mich zu nerven«, blaffte Christopher, »und geh weiter!« Er zog sie mit. Ihre neuen Stiefel mit den Ledersohlen glitten auf dem nassen Pfad aus. »Die Franzosen werden diesen Krieg gewinnen«, sagte Christopher. Er war sich dessen nicht mehr sicher, doch wenn er die Machtverhältnisse in Europa abwog, schaffte er es, sich einzureden, dass es stimmte.
»Ich will zurück nach Oporto!«, schluchzte Kate.
»Das geht nicht!«
»Warum nicht?« Sie versuchte, sich von ihm loszureißen. Obwohl ihr das nicht gelang, weil sein Griff zu hart war, blieb er stehen. »Warum nicht?«, fragte sie flehend.
»Es geht einfach nicht«, sagte er. »Und jetzt weiter!« Er zog sie wieder mit sich. Er wollte ihr nicht sagen, dass er nicht nach Oporto zurückgehen konnte, weil dieser verdammte Sharpe noch lebte. Er war nur ein Lieutenant, und, wie er erfahren hatte, er war aus den Mannschaften aufgestiegen, aber er wusste zu viel, was Christophers Spiel beenden konnte, und so würde er einen sicheren Hafen suchen, von dem aus er mit den diskreten Methoden, die ihm so vertraut waren, einen Brief nach London schicken konnte. Dann konnte er aus der Antwort einschätzen, wie man in London seine Geschichte, dass er gezwungen gewesen war, ein Bündnis mit den Franzosen zu demonstrieren, um eine Meuterei zu organisieren, die Portugal befreit hätte, einschätzte. Diese Geschichte klang für ihn überzeugend, abgesehen davon, dass Portugal ohnehin befreit war. Aber alles war verloren. Es würde sein Wort gegen das Sharpes stehen, und Christopher war - was immer er sonst sein mochte - ein Gentleman, und Sharpe war zweifellos keiner.
Da würde natürlich das heikle Problem sein, was er mit Kate tun würde, wenn er nach London zurückgerufen würde, aber vielleicht konnte er vertuschen oder leugnen, dass die Heirat jemals stattgefunden hatte. Er würde Berichte darüber als Kates Hirngespinste abtun. Verliebte Frauen neigten zu Schwärmereien und romantischen Träumereien. Was hatte schon Shakespeare gesagt? »Schwachheit, dein Name ist Weib« oder so ähnlich. Also würde er behaupten, dass die inszenierte Zeremonie in der kleinen Kirche von Vila Real de Zedes keine richtige Eheschließung gewesen war, dass er sie nur auf sich genommen hatte, um Kate und ihre romantischen Illusionen zu retten. Es war ein Spiel, aber er hatte es lange genug gespielt, um zu wissen, dass manchmal die Spiele mit den schlechtesten Karten die größten Gewinne erbrachten.
Und wenn das Spiel scheiterte und er seine Karriere in London nicht retten konnte, dann würde es vielleicht auch nichts ausmachen, denn er klammerte sich an den Glauben, dass am Ende die Franzosen gewinnen würden und er nach Oporto zurückkehren konnte, wo die Anwälte, wider besseres Wissen, ihn als Kates Ehemann vertreten und er reich sein würde. Kate würde sich erholen, wenn sie wieder daheim war und in Luxus lebte. Es stimmte, bis jetzt war sie unglücklich gewesen. Ihre Freude auf die Ehe hatte sich im Schlafzimmer in Entsetzen verwandelt, aber junge Stuten rebellierten oftmals gegen das Zaumzeug, doch sie wurden gefügig und gehorsam, wenn man ihnen ein paar Mal die Peitsche gab. Und Christopher wünschte sich einen solchen Ausgang für Kate, denn ihre Schönheit faszinierte ihn immer noch. Er zerrte sie zu Williamson, jetzt Christophers Diener, der sein Pferd hielt.
»Steig auf«, befahl er.
»Ich will nach Hause!«, sagte sie.
»Sitz auf!« Er schlug sie fast mit der Reitgerte, doch da ließ sie sich demütig von ihm auf das Pferd helfen. »Halte die Zügel, Williamson«, befahl Christopher. Er wollte nicht, dass Kate das Pferd wendete und westwärts davonritt. »Halt sie fest, Mann!«
»Jawohl, Sir«, sagte Williamson. Er war noch in seiner Schützenuniform, hatte jedoch den Tschako gegen einen breitkrempigen Lederhut vertauscht. Er hatte beim Rückzug aus Oporto eine französische Muskete, eine Pistole und einen Säbel aufgelesen, und die Waffen gaben Christopher ein gutes Gefühl. Der Colonel brauchte einen Diener, nachdem sein bisheriger geflüchtet war, aber mehr noch wünschte er sich einen Leibwächter, und Williamson spielte die Rolle ausgezeichnet. Er erzählte Christopher Geschichten von Kneipenschlägereien, von wilden Kämpfen mit Messern und Knüppeln, von blutigen Boxkämpfen ohne Handschuhe, und Christopher hörte sie sich so begierig an wie Williamsons bittere Klagen über Sharpe.
Christopher hatte Williamson eine goldene Zukunft versprochen. »Lerne Französisch«, hatte er dem Deserteur geraten, »und du kannst zu ihrer Armee gehen. Zeige, dass du gut bist, und sie werden dir ein Offizierspatent geben. Sie nehmen es nicht so genau in der französischen Armee.«
»Und wenn ich bei Ihnen bleiben will, Sir?«, hatte Williamson gefragt.
»Ich habe Loyalität schon immer belohnt, Williamson«, hatte Christopher gesagt. Die beiden passten zueinander, als sie jetzt mit Tausenden anderer Flüchtlinge durch Regen und Wind marschierten und nichts voraus sahen als den Hunger, kahle Hänge und die nassen Felsen der Serra de Santa Catalina.
Hinter ihnen, auf der Straße von Oporto nach Amarante, stand eine lange Kolonne aufgegebener Kutschen und Wagen im Regen. Die verwundeten Franzosen beteten ängstlich, dass die britischen Verfolger eher auftauchen würden als die Bauern, doch die Bauern waren näher als die Rotröcke, viel näher, und bald huschten ihre dunklen Schatten durch den Regen, in ihren Händen Messer.
Und im Regen würden die Musketen der verwundeten Männer nicht feuern.
So begannen die Todesschreie.
Sharpe hätte gern Hagman auf die Verfolgung von Christopher mitgenommen, doch der alte Wilderer war von seiner Brustwunde noch nicht voll genesen, und so musste Sharpe ihn zurücklassen. Er nahm zwölf Männer mit, seine besten und cleversten, und alle beschwerten sich vehement, als sie vor der Morgendämmerung wachgerüttelt wurden, weil sie einen Kater vom vielen Wein hatten und ihre Laune schlecht war. »Aber nicht so schlecht wie meine«, warnte Sharpe sie. »Verdammt, macht nicht solch ein Theater.«
Hogan kam mit ihnen, ebenso Leutnant Vicente und drei seiner Männer. Vicente hatte erfahren, dass drei Postkutschen im Morgengrauen nach Braga fuhren, und er hatte Hogan erzählt, dass sie schnell waren und auf einer guten Straße fuhren. Die Fahrer, die Säcke mit Post transportierten, die darauf gewartet hatten, dass die Franzosen verschwanden, damit die Post nach Braga geliefert werden konnte, schufen freudig Platz für die Soldaten, die auf die Postsäcke sanken und schliefen.
Im Zwielicht des Morgengrauens fuhren sie durch die Trümmer der nördlichen Verteidigungsanlagen der Stadt. Die Straße war gut, doch die Postkutschen kamen nur langsam voran, weil Partisanen Bäume gefällt und über die Fahrbahn gelegt hatten. Um all die Barrikaden wegzuräumen, brauchten sie über eine halbe Stunde.
»Wenn die Franzosen gewusst hätten, dass Amarante gefallen ist, dann hätten sie sich auf dieser Straße zurückgezogen, und wir hätten sie nie erwischt«, sagte Hogan zu Sharpe. »Und jetzt wissen wir nicht, ob ihre Garnison von Braga mit dem Rest von ihnen verschwunden ist.«
So war es jedoch, und die Post traf mit einem Trupp von Briten ein, die von jubelnden Bewohnern willkommen geheißen wurden, deren Freude auch nicht durch den Regen gedämpft wurde. Hogan, in seinem blauen Rock der Pioniere, wurde irrtümlich für einen französischen Kriegsgefangenen gehalten und mit Pferdemist beworfen, bevor Vicente es schaffte, die Menge zu überzeugen, dass Hogan ein Engländer war.
»Ire«, protestierte Hogan.
»Das ist das Gleiche«, sagte Vicente geistesabwesend.
»Guter Gott im Himmel, manche Leute sind einfach pingelig«, meinte Harper angewidert, dann lachte er, weil die Menge darauf bestand, Hogan - den irischen Engländer - auf ihren Schultern zu tragen.
Die Hauptstraße von Braga führte nach Norden über die Grenze nach Pontevedra, aber nach Osten stieg ein Dutzend Pfade zu den Hügeln auf, und Vicente versprach, dass einer davon sie nach Ponte Nova bringen würde. Aber es würde dieselbe Straße sein, welche die Franzosen zu erreichen versuchten, und so warnte er Sharpe, dass sie vielleicht einen der unbekannten Pfade in die Hügel nehmen mussten. »Wenn wir Glück haben«, sagte Vicente, »werden wir in zwei Tagen bei der Brücke sein.«
»Und wie lange dauert es bis zur Saltador?«, fragte Hogan.
»Einen weiteren halben Tag.«
»Und wie lange dauert es bis Spanien?«
»Drei Tage«, sagte Vicente. »Es müssen drei Tage sein.« Vicente bekreuzigte sich. »Ich bete, sie brauchen drei Tage.«
Sie übernachteten in Braga. Ein Flickschuster reparierte ihre Stiefel und wollte kein Geld dafür nehmen, und er benutzte sein bestes Leder für die neuen Sohlen, die er mit Nägeln beschlug, damit sie Haftung auf nassem Boden hatten. Er musste die ganze Nacht gearbeitet haben, und am Morgen präsentierte er Sharpe scheu Lederüberzüge für die Gewehre und Musketen. Die Waffen waren gegen den Regen geschützt worden, indem Korken in ihre Mündungen geschoben und Lappen um die Schlösser gewickelt worden waren. Die Lederfutterale waren jedoch weitaus besser. Der Schuster hatte die Säume mit Schafsfett wasserfest gemacht, und Sharpe und seine Männer freuten sich sehr über das Geschenk. Sie erhielten so viel Proviant, dass sie das Überflüssige einem Priester gaben, der versprach, es unter den Armen zu verteilen, und dann, im regnerischen Morgengrauen, marschierten sie los.
Hogan ritt, denn der Bürgermeister von Braga hatte ihm ein Maultier geschenkt, ein trittsicheres Tier mit störrischem Charakter und einem Glasauge, dem Hogan eine Decke auflegte. Beim Reiten reichten seine Beine fast auf den Boden. Er sagte, er wolle das Maultier lieber nutzen, um ihre Waffen zu transportieren, aber er war der Älteste, und so bestand Sharpe darauf, dass er ritt.
»Ich habe keine Ahnung, was wir finden werden«, sagte Hogan zu Sharpe, als sie in die von Felsbrocken übersäten Hügel kletterten. »Wenn die Brücke von Ponte Nova gesprengt worden ist, was jetzt der Fall sein sollte, dann werden sich die Franzosen zerstreuen. Sie werden rennen, um ihr Leben zu retten, und das wird es schwierig machen, Mister Christopher in all diesem Chaos zu finden. Dennoch müssen wir es versuchen.«
»Und wenn die Brücke nicht gesprengt worden ist?«
»Dann werden wir sie überqueren, wenn wir dort sind«, sagte Hogan und lachte. »Menschenskind, ich hasse den Regen, Richard. Haben Sie jemals versucht, Schnupftabak im Regen zu schnupfen? Das schmeckt wie Katzenschiss.«
Sie wanderten ostwärts durch ein Seitental, das von hohen, kahlen Hügeln gesäumt war. Die Straße lag südlich des Flusses Cavado, der tief und klar durch Weideland verlief, das von den Franzosen geplündert worden war, sodass kein Rind oder Schaf auf dem Frühlingsgras zu sehen war. Die Dorfbewohner waren einst wohlhabend gewesen, waren jetzt jedoch zum großen Teil verarmt und abgewandert, und die wenigen Zurückgebliebenen waren äußerst vorsichtig.
Hogan trug wie Vicente und seine Männer Blau, und das war auch die Farbe der feindlichen Uniformröcke, während die grünen Uniformen der Schützen irrtümlich für die abgesessener Dragoner gehalten werden konnten. Die meisten Leute dachten, die Briten trügen Rot.
Feldwebel Macedo, der die Verwirrung vorausgesehen hatte, hatte in Braga eine portugiesische Flagge gefunden und an einen Ast gebunden, den er von einer Esche abgehackt hatte. Die Flagge nahm den Leuten, die sie kannten, die Unsicherheit. Nicht alle kannten das Emblem, aber nachdem die Dorfbewohner mit Vicente gesprochen hatten, konnten sie nicht genug für die Soldaten tun.
»Um Gottes willen«, sagte Sharpe zu Vicente. »Raten Sie ihnen, ihren Wein zu verstecken.«
»Sie waren überfreundlich«, sagte Harper, als sie eine andere kleine Siedlung verließen, wo die Misthaufen größer als die Hütten waren. »Nicht wie die Spanier, die ziemlich unfreundlich sein konnten. Nicht alle, aber einige waren Bastarde.«
»Die Spanier können die Engländer nicht leiden«, sagte Hogan.
»Sie mögen keine Engländer?«, fragte Harper überrascht. »Dann sind sie überhaupt keine Bastarde, nur vorsichtig, wie? Aber wollen Sie damit sagen, dass die Portugiesen die Engländer lieben?«
»Die Portugiesen«, sagte Hogan, »hassen die Spanier, und wenn Sie einen größeren Nachbarn haben, den Sie verabscheuen, suchen Sie sich einen großen Freund, der Ihnen hilft.«
»Und wer ist Irlands großer Freund, Sir?«
»Gott, Sergeant«, sagte Hogan, »Gott.«
»Lieber Gott im Himmel«, sagte Harper andächtig und starrte in den Regen hinauf, »wach endlich auf.«
»Warum kämpfst du nicht für die verdammten Franzosen«, knurrte Harris wütend.
»Genug«, blaffte Sharpe, »es reicht.«
Eine Weile marschierten sie schweigend, dann konnte Vicente seine Neugier nicht mehr zügeln. »Wenn die Iren die Engländer hassen«, fragte er, »warum kämpfen sie dann für sie?«
Harper musste bei der Frage lachen, Hogan blickte zum grauen Himmel, und Sharpe blickte nur finster drein.
Die Straße, jetzt weiter von Braga entfernt, war weniger gut erhalten. Zwischen Spurrillen von Ochsenkarren wuchs Gras. Die Franzosen waren nicht so weit zum Plündern vorgedrungen, und hier und da gab es kleine Schaf- und Rinderherden, doch sobald die Hirten die Soldaten erblickten, trieben sie hastig die Tiere fort.
Vicente war immer noch verwirrt, und nachdem er keine Antwort von seinen Gefährten erhalten hatte, versuchte er es von Neuem. »Ich verstehe wirklich nicht«, sagte er sehr ernst, »warum die Iren für den englischen König kämpfen.«
Harris holte Luft, wie um zu antworten, doch dann fing er einen wilden Blick von Sharpe auf und besann sich anders. Harper begann »Over the Hills and Far Away« zu pfeifen, dann musste er über die angespannte Stille lachen, die schließlich von Hogan gebrochen wurde.
»Es ist der Hunger«, erklärte der Pionier Vicente. »Hunger und Armut und Arbeitslosigkeit. Weil es für einen guten Mann viel zu wenig Arbeit zu Hause gibt und wir immer ein Volk gewesen sind, das einen guten Kampf genießt.«
Vincent war fasziniert von der Antwort. »Und das trifft auf Sie zu, Captain?«, fragte er.
»Nicht für mich«, räumte Hogan ein. »Meine Familie hat immer etwas Geld gehabt. Nicht viel, aber wir brauchten nur das dünne Erdreich aufzukratzen, um unser tägliches Brot zu verdienen. Nein, ich ging zur Armee, weil ich gern ein Pionier bin. Ich liebe praktische Dinge, und dies war die beste Möglichkeit, zu tun, was ich gern tue. Aber jemand wie Sergeant Harper?« Er musterte Harper. »Ich wage zu sagen, dass er hier ist, weil er sonst verhungern würde.«
»Stimmt«, sagte Harper.
»Und Sie hassen die Engländer?« Vicente blickte Harper fragend an.
»Passen Sie auf, was Sie sagen«, mahnte Sharpe.
»Ich hasse den verdammten Boden, auf dem die Bastarde gehen, Sir«, sagte Harper heiter, dann sah er, dass Vicente einen bestürzten Blick zu Sharpe warf. »Ich sage nicht, dass ich alle hasse«, fügte er hinzu.
»Das Leben ist kompliziert«, sagte Hogan. »Ich meine, es gibt eine portugiesische Legion in der französischen Armee, habe ich gehört.«
Vicente blickte verlegen drein. »Sie glaubt an französische Ideen, Sir.«
»Ah! Ideen«, sagte Hogan. »Sie sind viel gefährlicher als große oder kleine Nachbarn. Ich glaube nicht an den Kampf für Ideen ...«, er schüttelte den Kopf, »... und Sergeant Harper ebenfalls nicht.«
»Ich nicht?«, fragte Harper.
»Nein, verdammt nicht«, schnarrte Sharpe.
»Woran glauben Sie dann?«, wollte Vicente wissen.
»An die Dreifaltigkeit, Sir«, sagte Harper salbungsvoll.
»An die Dreifaltigkeit?« Vicente war überrascht.
»An das Baker-Gewehr«, sagte Sharpe, »das Bajonett und mich.«
»An die glaube ich auch«, gab Harper zu und lachte.
Hogan versuchte Vicente zu helfen. »Es ist so wie in einem Haus, wo es eine unglückliche Ehe gibt, und Sie stellen eine Frage über Treue. Damit verursachen Sie Peinlichkeit. Niemand will darüber reden.«
»Harris!«, sagte Sharpe, als er sah, dass der rothaarige Schütze etwas sagen wollte.
»Ich wollte nur melden, dass auf dem Hügel dort drüben ein Dutzend Reiter ist.«
Sharpe drehte sich gerade noch rechtzeitig um und sah die Reiter über die Hügelkuppe verschwinden. Der Regen war so dicht, und die Lichtverhältnisse waren zu schlecht, um zu erkennen, ob sie Uniform getragen hatten, aber Hogan meinte, dass die Franzosen Kavallerie-Patrouillen vorausgeschickt haben konnten, die ihren Rückzug sicherten. »Sie wollen wissen, ob wir über Braga gekommen sind«, erklärte er, »und wenn nicht, dann würden sie auf diesen Weg abbiegen und versuchen, nach Pontevedra zu entkommen.«
Sharpe spähte zum fernen Hügel. »Wenn Kavallerie in dieser Gegend ist, dann will ich nicht auf der Straße erwischt werden.« Es war der einzige Platz in einer albtraumhaften Landschaft, wo Reiter einen Vorteil haben würden.
Um den feindlichen Reitern auszuweichen, marschierten sie nach Norden in die Wildnis. Das bedeutete, dass sie den Cavado durchqueren mussten, was sie in einer tiefen Furt schafften. Sie gelangten nun zu hohen Sommerweiden. Sharpe blickte ständig zurück, sah aber kein Anzeichen auf die Reiter. Der Pfad in die Wildnis stieg an. Die Hügel waren steil, die Täler tief und das hohe Terrain kahl bis auf Stechginster, Farne, dünnes Gras und gerundete Felsbrocken, wovon einige so gefährlich auf anderen balancierten, dass es aussah, als könne die Berührung eines Kindes sie die steil abfallenden Hänge hinunterstürzen lassen. Das Gras taugte nur für ein paar Schafe und wild lebende Ziegen, die von Bergwölfen und Luchsen gefressen wurden.
Das einzige Dorf, das sie passierten, war ärmlich mit ein paar kleinen Gemüsegärten und angepflockten Ziegen. Von den Bewohnern war nichts zu sehen, nur drei knochige Rinder glotzten die Soldaten an, als sie vorübergingen.
Sie kletterten noch höher, wandten sich wieder nach Osten und folgten einem felsigen Höhenrücken, wo große Felsblöcke es jeder Kavallerie schwer machten, sich zu formieren und anzugreifen, und Sharpe blickte südwärts und sah nichts, was auf eine Gefahr hinwies. Doch die Reiter waren da gewesen, und es konnten noch mehr sein, denn er verfolgte eine verzweifelte Armee, die nach anfänglichem Erfolg an einem einzigen Tag schmählich besiegt worden war.
Es war ein harter Weg durch die Hügel. Jede Stunde legten sie nach den Strapazen eine Rast ein, dann mühten sie sich weiter. Alle waren durchnässt, müde und verfroren. Der kalte Wind war jetzt nach Osten gedreht und schlug ihnen ins Gesicht. Die Gewehrriemen rieben ihnen die Schultern wund. Am Nachmittag ließ der Regen schließlich nach, doch der kühle Wind machte ihnen weiterhin zu schaffen. Bei Einbruch der Dunkelheit fühlten sie sich so erschöpft, wie sie es beim schrecklichen Rückzug nach Vigo gewesen waren. Sharpe führte sie vom dem Höhenrücken hinab zu einem verlassenen Dörfchen mit kleinen Steinhütten, deren Dächer mit Grassoden bedeckt waren.
»Genau wie zu Hause«, sagte Harper glücklich.
Die trockensten Schlafplätze waren zwei längliche Kornkammern, deren Inhalt man vor Ratten geschützt hatte, indem man die Speicher auf Pfählen errichtet hatte, und die Männer drängten sich in den engen Häuschen, während Sharpe, Hogan und Vicente die letzte verfallene Hütte teilten. Sharpe brachte aus feuchtem Brennholz ein Feuer in Gang und bereitete Tee zu.
»Die unentbehrlichste Fähigkeit eines Soldaten«, sagte Hogan, als Sharpe ihm den Tee brachte.
»Was ist das?«, fragte Vicente begierig, denn er wollte sein neues Handwerk perfekt lernen.
»Feuer aus nassem Holz machen«, sagte Hogan.
»Sollten Sie keinen Diener haben?«, fragte Sharpe.
»Ja, aber Sie ebenfalls, Richard.«
»Mir steht kein Diener zu«, sagte Sharpe.
»Mir auch nicht«, sagte Hogan, »aber Sie haben einen großartigen Job mit diesem Tee geleistet, und wenn Seine Majestät jemals entscheidet, dass er keinen Londoner Strolch mehr als einen seiner Offiziere haben will, dann werde ich Sie als Diener nehmen.«
Posten wurden aufgestellt, weiterer Tee zubereitet und feucht gewordener Tabak in Tonpfeifen angezündet. Hogan und Vicente begannen eine hitzige Diskussion über einen Mann namens Hume, über den Sharpe noch nie etwas gehört hatte. Es war ein toter schottischer Philosoph, der anscheinend gesagt hatte, »nichts ist sicher«, und Sharpe fragte sich, warum jemand sich die Mühe machen sollte, etwas von ihm zu lesen, geschweige denn über ihn zu diskutieren, doch die Debatte lenkte sie ab. Sharpe, gelangweilt von dem Gerede, ging die Posten inspizieren.
Der Regen hatte wieder eingesetzt, dann zuckte ein Blitz über den Himmel, gefolgt von rollendem Donner. Sharpe duckte sich mit Harris und Perkins in eine höhlenartige Nische, wo einige verwelkte Blumen vor einer traurig dreinblickenden Statue der Jungfrau Maria lagen.
»Jesus weint«, kündigte Harper sich an, als er durch den Regenguss platschte und sich zwischen die drei Männer quetschte. »Ich wusste nicht, dass Sie hier sind, Sir«, sagte er. »Ich habe den Jungs etwas Posten-Saft gebracht.« Er hielt eine hölzerne Feldflasche mit heißem Tee in der Hand. »Jesus«, fuhr er fort, »man kann in diesem verdammten Regen dort draußen praktisch nichts sehen.«
»Wetter wie daheim, Sergeant?«, fragte Perkins.
»Wie kannst du das sagen, Junge? In Donegal scheint immer die Sonne, die Frauen sagen alle ja, und die Wildhüter haben Holzbeine.« Er gab Perkins die Feldflasche und spähte in die feuchte Dunkelheit. »Wie sollen wir Ihren Freund in diesem Mistwetter nur finden, Sir?«
»Gott weiß, ob wir das schaffen.«
»Macht das jetzt noch was aus?«
»Ich will mein Fernrohr zurückhaben.«
»Jesus, Maria und Joseph«, sagte Harper, »Sie wollen mitten in die französische Armee spazieren und danach fragen?«
»So etwas in dieser Art«, sagte Sharpe. Den ganzen Tag hatte er über das Gefühl nachgedacht, dass es nicht sinnvoll war, sich die Mühe zu machen, doch das war kein Grund, auf die Mühe zu verzichten. Es schien richtig zu sein, dass Christopher bestraft wurde. Sharpe glaubte, dass die Loyalität eines Mannes unverrückbar sein sollte, doch Christopher glaubte anscheinend, dass sie verkauft werden konnte. Weil er clever und intellektuell war. Wenn Sharpe seine Einstellung hätte, dann wäre er längst tot.
Die Morgendämmerung war kalt und feucht. Sie kletterten wieder die mit Felsbrocken übersäten Hügel hinauf und ließen das Tal, das von Nebel erfüllt war, hinter sich. Der Regen war jetzt weich, fiel ihnen aber noch immer in die Gesichter. Sharpe ging voran und hielt angespannt Ausschau, sah jedoch niemanden. Er sah immer noch kein Anzeichen auf Gefahr, als eine Muskete krachte und Pulverrauch neben einem Felsbrocken aufwolkte. Er warf sich in Deckung, und die nächste Kugel prallte von dem Felsbrocken ab und jaulte in den Himmel.
Jeder hatte sich jetzt in Deckung geworfen außer Hogan, der noch auf seinem hässlichen Maultier hockte und den Nerv hatte, »Inglés!« zu rufen. Er war halb auf dem Maultier, halb abgestiegen, befürchtete eine weitere Kugel, hoffte jedoch, dass sein Ruf verhinderte, dass man noch einmal schoss.
Eine Gestalt in Ziegenleder trat hinter einem Felsen hervor. Der Mann hatte einen buschigen Bart, keine Zähne und grinste breit. Vicente rief etwas zu ihm, und die beiden hatten eine schnelle Unterhaltung, an deren Ende sich Vicente zu Hogan umdrehte. »Er heißt Javali und sagt, dass es ihm leidtut, aber er wusste nicht, dass wir Freunde sind. Er bittet Sie, ihm zu verzeihen.«
»Javali?«, fragte Hogan.
»Das bedeutet wilder Bär.« Vicente seufzte. »Jedermann in diesem Gebiet gibt sich einen Spitznamen und hält Ausschau nach einem Franzosen, um ihn zu töten.«
»Ist er allein?«, fragte Sharpe.
»Ja.«
»Dann ist er entweder verdammt blöde oder verdammt mutig«, sagte Sharpe und ließ sich von Javali umarmen. Faul riechender Atem schlug ihm ins Gesicht. Die Muskete des Mannes war alt. Beim Kolben, der von altmodischen Eisenringen zusammengehalten wurde, war das Holz gesplittert, und die Eisenringe waren rostig und locker. Javali hatte einen Beutel mit Pulver und ein Sortiment von Musketenkugeln verschiedener Größe bei sich, und er bestand darauf, sie zu begleiten, als er erfuhr, dass es möglicherweise Franzosen zu töten gab. Ein übel aussehendes Messer klemmte hinter seinem Gürtel, und eine kleine Axt hing an einer ausgefransten Kordel.
Sharpe ging voran, Javali sprach unablässig, und Vicente übersetzte einiges von seiner Geschichte. Sein richtiger Name lautete Andrea, und er war ein Ziegenhirte aus Bouro. Mit sechs Jahren war er zum Waisen geworden, und er glaubte jetzt fünfundzwanzig zu sein, obwohl er viel älter aussah, und er hatte für ein Dutzend Familien gearbeitet, indem er ihr Vieh vor Luchsen und Wölfen geschützt hatte. Er hatte mit einer Frau zusammengelebt, wie er stolz sagte, aber die Dragoner waren gekommen und hatten sie vergewaltigt, als er nicht zu Hause gewesen war. Seine Frau - sie hatte ein Temperament, schlimmer als eine wütende Ziege, sagte er - hatte ein Messer gezogen und den Vergewaltigern angedroht, ihnen etwas abzuschneiden, und da hatten sie die Frau getötet. Javali trauerte anscheinend nicht sehr wegen des Todes seiner Frau, aber er war immer noch entschlossen, sie zu rächen. Er klopfte auf das Messer und seinen Unterleib, um zu zeigen, was er im Sinn hatte.
Javali kannte die schnellste Route durch das hohe Terrain. Sie waren weit im Norden der Straße, die sie verlassen hatten, als Harris die Reiter entdeckte, und diese Straße führte durch das breite Tal, das sich nun nach Osten verengte. Der Cavado wand sich neben der Straße und verschwand manchmal zwischen Baumgruppen, während Bäche, vom Regen angeschwollen, von den Hügeln stürzten und den Fluss speisten.
Vicentes Schätzung von zwei Tagen wurde durch das Wetter ruiniert. Sie verbrachten die nächste Nacht hoch in den Hügeln, halb geschützt vor dem Regen durch die großen Felsbrocken. Am Morgen zogen sie weiter, und Sharpe sah, dass sich das Tal so sehr verengte, dass es aussah, als würden sie sich in einer Sackgasse befinden. Am Morgen blickten sie auf Salamond, und dann, als sie durch das Tal schauten, in dem sich der letzte Morgennebel auflöste, sahen sie etwas anderes.
Sie sahen eine Armee. Sie kam auf der Straße und den Feldern zu beiden Seiten davon, eine große Masse von Männern und Pferden in keiner besonderen Ordnung, eine Horde, die versuchte, vor der britischen Armee aus Portugal zu fliehen, die sie jetzt von Braga aus verfolgte.
»Wir müssen uns beeilen«, sagte Hogan.
»Sie werden Stunden brauchen, um auf dieser Straße voranzukommen«, sagte Sharpe und nickte zu dem Dorf, das sich dort befand, wo sich das Tal zu einem Hohlweg verengte und sich die Straße, anstatt über ebenen Grund zu führen, neben dem Fluss in die Hügel hinaufwand. Im Moment konnten sich die Franzosen auf Feldern neben der Straße ausbreiten und in breiter Front marschieren, doch hinter Salamond waren sie auf die enge Straße im tief zerfurchten Gelände beschränkt.
Sharpe lieh sich Hogans gutes Fernrohr und spähte zu der Armee. Er konnte sehen, dass einige Einheiten geordnet marschierten, doch die meisten schleppten sich ungeordnet hinterdrein. Er sah keine Geschütze und weder Wagen noch Kutschen. Wenn Marschall Soult es schaffte, zu entkommen, dann würde er nach Spanien zurückkriechen und erklären müssen, warum er alles von Wert verloren hatte. »Das müssen zwanzig-, dreißigtausend dort unten sein«, sagte er staunend, als er Hogan das Fernrohr zurückgab. »Es wird den größten Teil des Tages dauernd, bis sie alle durch dieses Dorf gekommen sind.«
»Aber sie haben den Teufel auf den Hacken«, sagte Hogan, »und das ermuntert sie zur Schnelligkeit.«
Sie setzten den Weg eilig fort. Eine schwache Sonne erhellte die Hügel, obwohl im Norden und Süden graue Schauer fielen. Hinter ihnen waren die Franzosen eine große dunkle Masse, die sich auf das schmale Ende des Tals zubewegte. Wie Sandkörner durch ein Stundenglas strömten sie durch Salamond. Rauch stieg vom Dorf auf, als die passierenden Soldaten plünderten und brandschatzten.
Die Straße begann jetzt anzusteigen. Sie folgte dem Engpass, den der Cavado geschaffen hatte, der in großen Wasserfällen aus den Hügeln herabstürzte. Eine Schwadron Dragoner führte den französischen Rückzug an, ritt voraus, um Partisanen zu entdecken, die vielleicht die lange Kolonne aus dem Hinterhalt überfallen wollten. Wenn die Dragoner Hogan und seine Männer hoch in den nördlichen Hügeln sahen, dann trafen sie keine Anstalten, sie zu erreichen, denn die Schützen und portugiesischen Soldaten waren zu weit entfernt und auf zu hohem Terrain, und dann mussten sich die Franzosen um anderes sorgen, denn am späten Nachmittag trafen die Dragoner bei der Ponte Nova ein.
Sharpe war bereits oberhalb der Ponte Nova und spähte auf die Brücke hinab. Es war hier, wo der französische Rückzug gestoppt werden konnte, denn das kleine Dorf auf dem hohen Terrain jenseits der Brücke war voller Männer, und als Hogan es das erste Mal von oben in den Hügeln gesehen hatte, war er in Jubelstimmung gewesen.
»Wir haben es geschafft!«, hatte er gerufen. Doch dann richtete er das Fernrohr auf die Brücke, und seine gute Laune erstarb. »Es sind ordenança «, sagte er. »Keine einzige richtige Uniform dort zu sehen.« Er starrte noch eine weitere Minute dorthin. »Ich sehe auch verdammt kein einziges Geschütz«, sagte er bitter enttäuscht, »und die verdammten Narren haben nicht einmal die Brücke gesprengt.«
Sharpe lieh sich Hogans Fernrohr und starrte auf die Brücke. Sie hatte zwei gewaltige Pfeiler auf jedem Ufer, und der Fluss war von zwei großen Balken überspannt, auf der die hölzerne Fahrbahn ruhte. Die Männer der ordenança , die vermutlich nicht die ganze Brücke neu bauen wollten, wenn die Franzosen besiegt waren, hatten die Holzplanken der Fahrbahn entfernt, die beiden enormen Balken jedoch an Ort und Stelle gelassen. Dann hatten sie am Ende des Dorfes auf der Ostseite der Brücke Gräben ausgehoben, aus denen sie die halb entkleidete Brücke mit Musketen beschießen konnten.
»Es könnte klappen«, murmelte Sharpe.
»Und was würden Sie tun, wenn Sie die Franzosen wären?«, fragte Hogan.
Sharpe starrte in den Engpass hinab und blickte nach Westen. Er konnte die dunkle Schlange der Franzosen auf der Straße kommen sehen, doch weiter zurück gab es keinerlei Anzeichen auf britische Verfolgung. »Warten bis zum Einbruch der Dunkelheit, dann über die Balken angreifen.«
Die ordenança war willig, aber es war wenig mehr als ein Pöbelhaufen, und solche Männer konnten leicht in Panik geraten. Schlimmer, dort waren nicht genug Männer bei der Ponte Nova. Es wären mehr als genug gewesen, wenn die Brücke völlig eingestürzt wäre, doch die beiden Balken waren wie eine Einladung für die Franzosen.
Sharpe richtete das Fernrohr wieder auf die Brücke. »Die Balken sind breit genug, um darauf zu gehen«, sagte er. »Sie werden in der Nacht angreifen. Hoffen wir, dass sie die Verteidiger nicht im Schlaf überraschen.«
»Hoffen wir, dass die ordenança wach bleibt«, sagte Hogan und glitt von dem Maultier. »Und wir werden warten.«
»Warten?«
»Wenn sie hier gestoppt werden«, erklärte Hogan, »dann ist dieser Platz so gut wie jeder andere, um nach Mister Christopher Ausschau zu halten. Und wenn die Franzosen über die Brücke gelangen ...« Er verstummte und zuckte mit den Schultern.
»Ich sollte zur ordenança runtergehen«, sagte Sharpe, »und ihnen sagen, dass sie die Balken entfernen müssen.«
»Und wie sollen sie das schaffen, wenn Dragoner vom anderen Ufer aus auf sie feuern?«, fragte Hogan. Die Dragoner waren abgesessen und hatten sich auf dem Westufer verteilt, und Hogan konnte die weißen Pulverrauchwölkchen ihrer Karabiner sehen. »Es ist zu spät, um zu helfen, Richard«, sagte Hogan. »Sie bleiben hier.«
Sie schlugen ein Lager zwischen den Felsbrocken auf. Die Dunkelheit brach schnell herein, denn es hatte wieder zu regnen begonnen und die Wolken verdeckten die untergehende Sonne. Sharpe ließ seine Männer Feuer anzünden, damit sie sich Tee zubereiten konnten. Die Franzosen würden die Feuer sehen, aber das machte nichts, denn die Dunkelheit hüllte das Hügelland ein und unzählige Lichtpunkte waren in den Hügeln zu sehen. Die Partisanen versammelten sich. Sie kamen aus dem gesamten nördlichen Portugal, um zu helfen, die französische Armee zu zerstören.
Eine Armee, die durchfroren, durchnässt, hungrig und völlig erschöpft war - und in der Falle saß.
Major Dulong litt immer noch an seiner Niederlage bei Vila Real de Zedes. Die Schwellung in seinem Gesicht war zurückgegangen, doch die Erinnerung an die Niederlage schmerzte noch. Manchmal dachte er an den Schützen, der ihn besiegt hatte, und wünschte sich den Mann in der 31. Leger. Er wünschte sich ebenfalls, dass die 31. Leger mit Gewehren bewaffnet werden konnte, doch das war illusorisch, denn der Kaiser wollte nichts von Gewehren hören. Zu kompliziert, zu langsam, eine Weiber-Waffe, sagte er. Vive le fusil.
Jetzt, bei der alten Brücke, die Ponte Nova genannt wurde, hatte man Dulong zu Marschall Soult zitiert, weil dem Marschall zu Ohren gekommen war, dass Major Dulong der beste und tapferste Soldat in seiner ganzen Armee war. Man sieht es ihm mit zerlumpter Uniform und dem narbigen Gesicht gar nicht an, dachte der Marschall. Dulong hatte den leuchtenden Federbusch von seinem Helm abgenommen, in ein Wachstuch gewickelt und an seine Säbelscheide gebunden. Er hatte gehofft, diesen Federbusch zu tragen, wenn sein Regiment in Lissabon einmarschierte, doch es hatte den Anschein, dass es nicht sein sollte. Jedenfalls nicht in diesem Frühjahr.
Soult ging mit Dulong einen kleinen Hügel hinauf, von wo aus er die Brücke mit ihren beiden Balken und jenseits davon die höhnische ordenança sehen konnte. »Es sind nicht viele«, bemerkte Soult, »dreihundert?«
»Mehr«, sagte Dulong, und es klang wie ein unwilliges Grunzen.
»Wie wollen Sie sie loswerden?«
Dulong schaute sich durch ein Fernrohr die Brücke an. Die Balken waren ungefähr einen halben Yard breit, mehr als ausreichend, doch der Regen würde sie zweifellos glitschig machen. Er hob das Fernrohr etwas an und sah, dass die Portugiesen Gräben ausgehoben hatten, aus denen sie direkt an den Balken entlangfeuern konnten. Aber die Nacht wird finster sein, dachte Dulong, der Mond von Wolken verdeckt.
»Ich würde hundert Freiwillige brauchen«, sagte er, »fünfzig für jeden Balken, und um Mitternacht losgehen.« Der Regen wurde stärker, und die Abenddämmerung war kalt. Die portugiesischen Musketen würden kalt und durchnässt sein, und die Männer dahinter würden frieren. »Hundert Mann«, versprach Dulong dem Marschall, »und die Brücke ist Ihre.«
Soult nickte. »Wenn Sie Erfolg haben, Major, dann lassen Sie mich sofort informieren. Aber wenn Sie scheitern, will ich nichts davon hören.« Er wandte sich um und ging davon.
Dulong kehrte zum 31. Leger zurück und fragte nach Freiwilligen. Es überraschte ihn nicht, dass das gesamte Regiment vortrat, und so bestimmte er ein Dutzend gute Feldwebel und ließ sie den Rest auswählen, und er warnte die Männer, dass es bei dem Kampf schmutzig, kalt und nass sein würde.
»Wir werden das Bajonett benutzen«, sagte er, »weil die Musketen bei diesem Wetter nicht feuern werden. Außerdem würden wir, wenn wir einen Schuss abgegeben haben, keine Zeit zum Aufladen haben.« Er spielte mit dem Gedanken, sie daran zu erinnern, dass sie ihm nach ihrem Widerwillen, in das Gewehrfeuer vom Wachturm-Hügel bei Vila Real de Zedes vorzurücken, einen Beweis ihrer Tapferkeit schuldig waren, doch dann sagte er sich, dass sie alle das ohnehin wussten, und so hielt er den Mund.
Dulong verbot seinen Männern, Feuer anzuzünden. Sie murrten, doch Dulong ließ sich nicht erweichen. Die ordenança auf der anderen Seite des Flusses wähnte sich in Sicherheit, und so machten sie in einer der Hütten hoch oberhalb der Brücke Feuer im Kamin, damit sich ihre Offiziere warm halten konnten. Die Hütte hatte ein kleines Fenster, und gerade genug Feuerschein fiel hinaus, dass es sich auf der Nässe der Balken, die den Fluss überspannten, widerspiegelte. Der schwache Widerschein schimmerte im Regen, aber er diente Dulongs Freiwilligen als Wegweiser.
Sie zogen um Mitternacht los, zwei Kolonnen, jede aus fünfzig Mann, und Dulong befahl ihnen, über die Balken der Brücke zu rennen. Er führte die rechte Kolonne an, den Säbel gezogen, und die einzigen Geräusche waren das Rauschen des Flusses unter ihnen, das Pfeifen des Windes zwischen den Felsen, das Hämmern ihrer Schritte und ein kurzer Aufschrei, als ein Mann ausrutschte und in den Cavado stürzte. Dann erkletterte Dulong den Hang. Er fand den ersten Graben leer vor und nahm an, die ordenança hätte Schutz in den kleinen Schuppen jenseits des zweiten Grabens gefunden und die Männer wären so blöde gewesen, nicht mal einen Posten bei der Brücke zu lassen. Selbst ein Hund hätte sie vor einem französischen Angriff warnen können, doch Männer und Hunde hatten Schutz vor dem Wetter gesucht.
»Feldwebel!«, zischte der Major. »Die Häuser säubern!«
Die Portugiesen schliefen, als die Franzosen kamen. Sie traten mit Bajonetten und ohne Gnade ein. Die ersten beiden Häuser fielen schnell, ihre Bewohner wurden getötet, bevor sie richtig wach wurden, doch ihre Todesschreie alarmierten den Rest der ordenança , die in die Dunkelheit hinausrannte, wo sich ihnen die am besten ausgebildete Infanterie in der französischen Armee entgegenstellte. Die Bajonette erledigten ihre Arbeit, und die Schreie der Opfer vervollständigten den Sieg, denn die Überlebenden, verwirrt und entsetzt von den schrecklichen Lauten in der finsteren Nacht, ergriffen die Flucht.
Eine Viertelstunde nach Mitternacht wärmte sich Major Dulong an einem Feuer, das seinen Weg zum Sieg erhellte.
Marschall Soult nahm die Medaille der französischen Ehrenlegion von seinem Uniformrock und heftete sie an den Umschlag von Major Dulongs verschlissenem Rock. Dann, mit Tränen in den Augen, küsste der Marschall den Major auf beide Wangen. Weil das Wunder geschehen war und die erste Brücke auf dem Weg zurück nach Spanien den Franzosen gehörte.
Kate, in eine feuchte Satteldecke gehüllt, stand neben ihrem erschöpften Pferd und beobachtete gleichgültig, wie französische Infanteristen Kiefern fällten, ihre Zweige entfernten, die Rinde abschälten und dann die beschnittenen Stämme zur Brücke trugen. Weiteres Bauholz wurde aus den kleinen Schuppen geholt, und die Querbretter waren gerade lang genug, um als Fahrbahn dienen zu können, aber es dauerte alles seine Zeit, denn das Bauholz musste zusammengebunden und eingepasst werden, wenn die Soldaten, Pferde und Maultiere den Fluss sicher überqueren wollten.
Die Soldaten, die nicht an der Arbeit beteiligt waren, drängten sich gegen Regen und Wind zusammen. Man hatte plötzlich das Gefühl, dass der Winter angebrochen war. Musketenschüsse fielen weit entfernt, und Kate nahm an, dass es die Landbevölkerung war, die kam, um die verhassten Invasoren zu töten.
Eine cantinière, eine der harten Frauen, die den Soldaten Kaffee, Tee, Nadeln, Garn und Dutzende andere kleine Annehmlichkeiten verkauften, hatte Mitleid mit Kate und brachte ihr einen Becher lauwarmen Kaffee mit Brandy. »Wenn sie noch viel länger brauchen«, sagte sie und nickte zu den Soldaten hin, die mit dem Wiederherstellen der hölzernen Fahrbahn auf der Brücke beschäftigt waren, »werden wir alle auf dem Rücken liegen mit einem englischen Dragoner darauf. So haben wir endlich auch was von diesem Feldzug!« Sie lachte und kehrte zu ihren beiden Mulis zurück, die mit ihren Waren beladen waren.
Kate nippte an dem Kaffee. Sie hatte noch nie so sehr gefroren und sich im Regen so elend gefühlt. Und sie wusste, dass sie sich alles selbst zuzuschreiben hatte.
Williamson starrte auf den Kaffee, und Kate, unbehaglich unter seinem Blick, trat auf die andere Seite ihres Pferdes. Sie konnte Williamson nicht ausstehen. Sie mochte seine lüsternen Blicke nicht und fürchtete sich vor dem enthemmten Verlangen nach ihr, das seine Augen verrieten. Sind denn alle Männer Schweine?, dachte sie. Christopher, trotz all seiner eleganten Zivilisiertheit bei Tage, hatte des Nachts gern perversen Sex. Aber dann erinnerte sich Kate an den einzigen weichen Kuss, den Sharpe ihr gegeben hatte, und sie spürte, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten. Und Leutnant Vicente ist ein freundlicher Mann, dachte sie. Christopher pflegte zu sagen, dass es zwei Seiten in der Welt gab, wie schwarze und weiße Figuren auf einem Schachbrett, und Kate wusste, dass sie die falsche Seite gewählt hatte. Schlimmer noch, sie wusste nicht, wie sie den Weg zur richtigen Seite zurückfinden konnte.
Christopher ritt an der stehen gebliebenen Kolonne zurück. »Ist das Kaffee?«, fragte er fröhlich. »Prima, ich brauche etwas Wärmendes.« Er nahm ihr den Becher aus der Hand, leerte ihn und gab ihn ihr zurück. »Noch ein paar Minuten, meine Liebste«, sagte er, »und es wird weitergehen. Noch eine Brücke nach dieser und wir sind über alle Berge, weit weg in Spanien. Du wirst wieder ein anständiges Bett haben. Und ein Bad. Wie fühlst du dich?«
»Kalt.«
»Kaum zu glauben, dass es Mai ist. Das Wetter ist ja noch schlimmer als in England. Aber heißt es nicht, dass Regen gut für den Teint ist? Du wirst hübscher als je zuvor werden, Liebste.« Er lauschte, als einige Musketenschüsse im Westen fielen. Das Knallen währte ein paar Sekunden, hallte dann zwischen den steilen Seiten des Engpasses hin und her, bis es verstummte. »Da ballert jemand auf Banditen«, sagte Christopher. »Die Verfolger konnten uns sicher noch nicht einholen.«
»Ich bete, dass sie uns einholen«, sagte Kate.
»Sei nicht albern, Liebste. Außerdem haben wir eine Brigade guter Infanterie und ein Kavallerieregiment als Nachhut.«
»Wir?«, fragte Kate empört. »Ich bin Engländerin!«
Christopher lächelte sie falsch an. »Ich auch, Liebste, aber was wir vor allem wollen, ist Frieden. Frieden! Und vielleicht wird dieser Rückzug das Einzige sein, was Frankreich überzeugt, Portugal in Frieden zu lassen. Darauf arbeite ich hinaus: Frieden.«
In Christophers Sattelholster hinter Kate steckte eine Pistole, und sie war versucht, die Waffe herauszuziehen, ihm in den Bauch zu stoßen und abzudrücken, doch sie hatte noch nie mit einer Feuerwaffe geschossen und wusste nicht, ob die langläufige Pistole geladen war. Und was sollte aus ihr werden, wenn Christopher nicht mehr da war? Dann würde sie Williamson ausgeliefert sein.
Plötzlich erinnerte sie sich an den Brief, den sie im Haus Beautiful für Lieutenant Sharpe heimlich ohne Christophers Wissen hatte zurücklassen können. Sie hielt den Brief jetzt für blöde. Was hatte sie Sharpe damit zu sagen versucht? Und warum ihm? Was erwartete sie denn von ihm?
Sie starrte zum fernen Hügel hinauf. Da waren Männer auf der Hügelkuppe, die sich vor dem Himmel abhoben. Christopher wandte sich um, um zu sehen, wohin sie schaute. »Weiterer Abschaum«, sagte er.
»Patrioten«, widersprach Kate.
»Bauern mit verrosteten Musketen«, sagte Christopher ätzend, »die ihre Gefangenen foltern und keine Ahnung haben, welche Prinzipien in diesem Krieg auf dem Spiel stehen. Sie sind die Kräfte des alten Europa, abergläubisch und unwissend, die Feinde des Fortschritts.« Er verzog das Gesicht. Dann schnallte er eine seiner Satteltaschen auf, um sich zu vergewissern, dass sein roter Uniformrock darin war. Wenn die Franzosen gezwungen sein würden, zu kapitulieren, dann war dieser Uniformrock sein Ausweis. Er würde in die Hügel flüchten, und wenn ihn irgendwelche Partisanen stoppten, würde er sie überzeugen, dass er ein Engländer war, der den Franzosen entkommen konnte.
»Es geht weiter, Sir«, sagte Williamson. »Die Brücke ist frei, Sir.« Er starrte Kate lüstern an. »Sollen wir reiten, Ma'am? Ich helfe Ihnen aufs Pferd, wenn Sie möchten.«
»Ich komme schon zurecht«, sagte Kate kalt. Sie musste die feuchte Decke fallen lassen, um in den Sattel zu steigen, und sie wusste, dass Christopher und Williamson auf ihre Beine in der eng sitzenden Reithose starrten.
Ein Jubelruf ertönte von der Brücke, als die ersten Kavalleristen ihre Pferde auf die gefährliche Fahrbahn führten. Das Geschrei veranlasste die Infanteristen, ihre Tornister aufzunehmen und zu dem behelfsmäßigen Übergang zu gehen.
»Noch eine weitere Brücke«, versicherte Christopher Kate, »und dann sind wir in Sicherheit.«
Nur noch eine Brücke.
Und oberhalb von ihnen, hoch in den Hügeln, marschierte Sharpe bereits darauf zu. Zur letzten Brücke für die Franzosen in Portugal.
Die Saltador.