KAPITEL 3


Sharpe rannte über die Koppel, wo die Pferdekadaver lagen und Fliegen über ihre Nüstern und Augen krochen. Er stolperte über einen metallenen Pflock und taumelte vorwärts. Eine Karabinerkugel pfiff über ihn hinweg. Man konnte darauf schließen, dass sie vergeudet war, doch selbst eine vergeudete Kugel an der falschen Stelle konnte einen Mann töten. Seine Schützen feuerten von der fernen Seite des Feldes. Der Rauch verdichtete sich an der Wand.

Sharpe ließ sich neben Hagman fallen.

»Was ist los, Dan?«

»Die Dragoner sind zurück, Sir«, sagte Hagman lakonisch, »und da ist auch einige Infanterie.«

»Bist du sicher?«

»Ich hab einen blauen Bastard erschossen«, sagte Hagman, »und zwei grüne.«

Sharpe wischte Schweiß von seinem Gesicht, dann robbte er an der Wand entlang zu einer Stelle, wo der Pulverrauch nicht so dicht war.

Die Dragoner waren abgesessen und schossen vom Waldrand, der ein paar hundert Yards entfernt war. Eine zu weite Distanz für ihre Karabiner, dachte Sharpe, doch dann sah er blaue Uniformen, wo die Straße zwischen den Bäumen verlief, und nahm an, dass sich die Infanterie zu einem Angriff formierte. Irgendwo in der Nähe war ein sonderbar klickendes Geräusch zu hören, und er konnte es nicht einordnen, doch es schien keine Bedrohung zu bedeuten, und so ignorierte er es. »Pendleton!«

»Sir?«

»Suchen Sie Leutnant Vicente. Er ist im Dorf. Sagen Sie ihm, er soll seine Männer jetzt auf den nördlichen Pfad bringen.« Sharpe wies auf den Pfad zwischen den Weingärten, über den sie nach Barca d'Avintas gekommen waren und auf dem die toten Dragoner des ersten Kampfes noch immer lagen. »Und, Pendleton, sagen Sie ihm, dass er sich beeilen soll. Seien Sie jedoch höflich.«

Pendleton, ein Taschendieb aus Bristol, war der Jüngste von Sharpes Männern. Er blickte jetzt verwirrt drein. »Höflich, Sir?«

»Reden Sie ihn mit Sir an und grüßen Sie ihn von mir, aber beeilen Sie sich!«

Verdammt, heute würde es kein Entkommen über den Douro geben, kein langsames Hin und Her mit dem kleinen Boot und keinen Marsch zurück zu Hogan und der Armee. Stattdessen würden sie nordwärts marschieren müssen, und zwar schnell.

»Sergeant!« Er spähte durch die Rauchschwaden längs der Wand. »Harper!«

»Hier bin ich, Sir!« Harper rannte herbei. »Ich hatte mit zwei Franzmännern in der Kirche zu tun.«

»In dem Moment, in dem die Franzosen im Weingarten sind, verschwinden wir von hier. Sind noch welche von unseren Männern im Dorf?«

»Harris ist dort, Sir. Und Pendleton natürlich.«

»Schicken Sie jemanden hin, um sie zu holen. Und, Pat, was haben Sie mit den beiden Franzosen gemacht?«

»Sie hatten den Klingelbeutel gestohlen, und da habe ich sie zur Hölle geschickt.« Er klopfte auf sein Schwertbajonett.

Sharpe grinste. »Und wenn Sie eine Möglichkeit haben, Pat, tun Sie das Gleiche mit dem französischen Offizier, mit dem Vergewaltiger.«

»Mit Vergnügen, Sir.« Harper rannte quer über die Koppel davon.

Die Franzosen, dachte Sharpe, sind zu vorsichtig. Sie hätten bereits angreifen können, aber sie müssen annehmen, dass sich eine stärkere Kraft als zwei gestrandete Halb-Kompanien in Barca d'Avintas aufhält, und das Gewehrfeuer muss die Dragoner, die nicht an solche Treffgenauigkeit gewöhnt sind, durcheindergebracht haben. Leichen lagen im Gras am Waldrand, Anzeichen darauf, dass die abgesessenen Franzosen ihre Lektion über das Baker-Gewehr erhalten hatten. Die Franzosen benutzten keine Gewehre, nahmen an, dass sie zu langsam zu laden waren, und verließen sich auf die Muskete mit glattem Lauf. Man konnte fünfzig Yards vor einem Schützen mit einer Muskete stehen und hatte eine gute Chance, zu überleben, doch hundert Yards vor einem Baker-Gewehr in den Händen eines guten Schützen war der sichere Tod. Die Dragoner fürchteten die Gewehrschützen und hatten sich zwischen die Bäume zurückgezogen.

Im Wald war auch Infanterie. Was würde sie unternehmen? Sharpe lehnte sein Gewehr gegen die Wand und nahm sein Fernrohr. Das feine Instrument von Matthew Berge, London, war ein Geschenk von Sir Arthur Wellesley, nachdem Sharpe dem General bei Assaye das Leben gerettet hatte. Er spähte hindurch auf die führende Kompanie der französischen Infanterie und sah, dass sie in drei Reihen formiert war. Er hielt Ausschau nach Anzeichen darauf, ob sie zum Vorrücken bereit waren, doch nichts wies darauf hin. Sie hatten nicht mal die Bajonette aufgepflanzt. Er wischte das Glas ab und starrte wieder hin. Er sah ein Blinken von Lichtschein, einen verschwommenen hellen Kreis, und er vermutete, dass dort ein Offizier durch ein Fernrohr auf das Dorf schaute. Der Mann versuchte wohl abzuschätzen, wie viele Feinde sich in Barca d'Avintas aufhielten und wie er sie angreifen konnte. Sharpe steckte sein eigenes Fernrohr weg, nahm das Gewehr und legte es auf der niedrigen Mauer auf. Vorsichtig jetzt, dachte er. Vorsichtig. Töte diesen Offizier, und jeder französische Angriff wird verlangsamt, denn dieser Offizier ist der Mann, der die Entscheidungen trifft.

Sharpe legte das Gewehr an, zielt sorgfältig und schoss. Pulverrauch nahm ihm die Sicht auf den Offizier. Sharpe drehte sich um und sah, dass Leutnant Vicentes Soldaten in den Weingarten strömten, begleitet von dreißig oder vierzig Zivilisten.

Harper kam über die Koppel. »Wir sind alle aus dem Dorf raus, Sir«, meldete er.

»Wir können gehen«, sagte Sharpe, und er wunderte sich darüber, dass der Feind so langsam gewesen war und ihm Zeit gegeben hatte, sich abzusetzen. Er schickte Harper mit den meisten der Grünröcke zu Vicente, um sich ihm und seinen Männern anzuschließen. Sie nahmen ein Dutzend französische Pferde mit, von denen jedes ein kleines Vermögen Prisengeld wert war, wenn sie jemals wieder zur Armee zurückkehren konnten.

Sharpe behielt Hagman und sechs andere Schützen bei sich. Sie verteilten sich an der Wand und feuerten so schnell, wie sie ihre Gewehre nachladen konnten. Sharpe wollte, dass die Franzosen unzählige Schüsse hörten und viel Rauch sahen und folglich nicht bemerkten, dass sich der Feind zurückzog.

Sharpe schlang das Gewehr am Riemen über die Schulter, wich aus dem Pulverrauch zurück und sah, dass Vicente und Harper jetzt den Weingarten erreicht hatten, und so rief er seinen verbliebenen Männern zu, sie sollten zurück über die Koppel eilen. Hagman feuerte eine letzte Kugel ab. Sharpe lief mit ihm, und er konnte noch immer nicht glauben, dass es so leicht gewesen war, sich abzusetzen, dass die Franzosen so träge und untätig geblieben waren - und in diesem Augenblick stürzte Hagman zu Boden.

Im ersten Moment glaubte Sharpe, Hagman wäre auf einem der Metallpflöcke ausgerutscht, mit denen die Dragoner ihre Pferde angepflockt hatten, doch dann sah er Blut im Gras und bemerkte, dass Hagman das Gewehr aus den Händen glitt und sich seine rechte Hand langsam ballte und wieder entspannte.

»Dan!« Sharpe kniete sich neben ihn und sah eine winzige Wunde neben Hagmans linkem Schulterblatt, wo eine Karabinerkugel durch den Rauch ihr Ziel gefunden hatte.

»Laufen Sie weiter, Sir.« Hagmans Stimme klang krächzend. »Ich bin erledigt.«

»Das bist du verdammt nicht«, erwiderte Sharpe rau. Er drehte Hagman auf den Rücken und sah keine Ausschusswunde, was bedeutete, dass die Karabinerkugel noch in seinem Körper stecken musste. Dann würgte Hagman und spuckte Blut, und Sharpe hörte, dass Harper schrie: »Die Bastarde kommen, Sir!«

Gerade hatte sich Sharpe noch beglückwünscht, weil das Absetzen so leicht war, und jetzt war alles anders. Er riss Hagmans Gewehr vom Boden, schlang es neben sein eigenes am Riemen über die Schulter und hob den Verwundeten an. Hagman stöhnte auf und schüttelte den Kopf. »Lassen Sie mich liegen, Sir.«

»Ich lasse Sie nicht zurück, Dan.«

»Es tut weh, Sir, so weh!«, krächzte Hagman. Er war totenbleich, und Blut sickerte aus seinem Mundwinkel. Doch dann war Harper an Sharpes Seite und nahm ihm Hagman aus den Armen. »Lass mich hier«, wisperte der Verwundete.

»Nimm ihn, Pat«, sagte Sharpe, und dann feuerten einige Gewehre aus dem Weingarten, und Musketen krachten hinter ihm, als Sharpe Harper weiterschob. Er folgte ihm im Rückwärtsgang, beobachtete, wie blaue französische Uniformen im Rauchschleier auftauchten, den die Schüsse der Schützen hinterlassen hatten.

»Kommen Sie, Sir!«, rief Harper und ließ Sharpe wissen, dass er Hagman in den dürftigen Schutz der Rebenreihen gebracht hatte.

»Tragen Sie ihn nach Norden«, sagte Sharpe, als er den Weingarten erreichte.

»Er hat schlimme Schmerzen, Sir.«

»Tragen Sie ihn! Bringen Sie ihn von hier fort!«

Sharpe beobachtete die Franzosen. Drei Kompanien Infanterie marschierten über das Weideland, doch sie trafen keine Anstalten, Sharpe nach Norden zu folgen. Sie mussten die Kolonne von Portugiesen und britischen Soldaten gesehen haben, die sich durch die Weingärten wand und bei der Dutzende erbeuteter Pferde und eine Menge verängstigter Dorfbewohner waren, doch sie folgten ihr nicht. Es hatte den Anschein, dass sie lieber nach Barca d'Avintas wollten, als Sharpe und seine Männer zu verfolgen. Selbst als Sharpe eine halbe Meile nördlich des Dorfes auf einer Erhebung anhielt und durch sein Fernrohr die Franzosen beobachtete, näherten sie sich nicht, um ihn zu bedrohen. Sie konnten ihn leicht mit Dragonern jagen, doch stattdessen zerhackten sie das einzige noch brauchbare Boot, das Sharpe gefunden hatte, und setzten die Bruchstücke in Brand.

»Sie sperren den Fluss ab«, sagte Sharpe zu Vicente.

»Sperren den Fluss?« Vicente verstand nicht.

»Sie stellen sicher, dass sie als Einzige Boote haben. Sie wollen nicht, dass britische oder portugiesische Soldaten den Fluss überqueren. Was bedeutet, dass es verdammt schwer für uns wird, über den Fluss zu kommen.« Sharpe drehte sich um, als Harper herankam, und sah, dass die Hände des großen irischen Sergeants blutig waren. »Wie geht's ihm?«

Harper schüttelte den Kopf. »Er ist in furchtbarer Verfassung, Sir«, sagte der düster. »Ich vermute, dass die verdammte Kugel in seiner Lunge steckt. Er hustet rote Blasen, wenn er überhaupt husten kann. Der arme Dan.«

»Ich lasse ihn nicht zurück«, sagte Sharpe hartnäckig. Er wusste, dass er Tarrant zurückgelassen hatte und es Männer wie Williamson gab, die Freunde von Tarrant gewesen waren und ihm verübelten, dass er bei Hagman nicht das Gleiche tat, doch Tarrant war ein Trunkenbold und ein Unruhestifter gewesen, während Dan Hagman wertvoll war. Er war der Älteste von Sharpes Schützen und hatte einen gesunden Menschenverstand. Außerdem mochte er ihn. »Machen Sie eine Trage, Pat, und transportieren Sie ihn.«

Während die Trage aus zwei Stangen aus Eschenholz und Uniformröcken fertiggestellt wurde, beobachteten Sharpe und Vicente die Franzosen und diskutierten, wie sie ihnen entkommen könnten.

»Wir müssen nach Osten gehen«, sagte der portugiesische Leutnant. »Nach Amarante.« Er glättete Erde und benutzte sie als primitive Karte, indem er mit einem Holzsplitter darauf zeichnete. »Dies ist der Douro«, sagte er, »und hier ist Oporto. Wir befinden uns hier, und die nächste Brücke ist bei Amarante.« Er machte ein Kreuz. »Wir könnten morgen oder vielleicht übermorgen dort sein.«

»Und sie ebenfalls«, sagte Sharpe grimmig und nickte zum Dorf.

Zwischen den Bäumen, wo die Franzosen so lange gewartet hatten, bevor sie Sharpe und seine Männer angegriffen hatten, war ein Geschütz aufgetaucht. Die Kanone wurde von sechs Pferden gezogen, von denen drei von Kanonieren in ihren dunkelblauen Uniformen geritten wurden. Die Lafette der Kanone, ein Zwölfpfünder, war an einen leichten zweirädrigen Karren gehängt. Hinter dem Geschütz zog ein weiteres Gespann von vier Pferden einen Munitionswagen, der einem Sarg ähnlich war. Er wurde von einem halben Dutzend Kanonieren begleitet und enthielt die Munition für die Kanone. Selbst aus der großen Entfernung konnte Sharpe das Klirren von Ketten und Holpern der Räder hören. Er beobachtete schweigend, wie eine Haubitze in Sicht kam, dann eine zweite Zwölfpfünder-Kanone und danach ein Trupp Husaren.

»Meinen Sie, die kommen her?«, fragte Vicente alarmiert.

»Nein«, sagte Sharpe. »Sie sind nicht interessiert an Flüchtlingen. Ihr Ziel ist Amarante.«

»Dies ist nicht die gute Straße nach Amarante. Eigentlich führt sie nirgendwohin. Sie werden nördlich abbiegen müssen, um zur Hauptstraße zu gelangen.«

»Das werden sie wohl noch nicht wissen«, vermutete Sharpe. »Sie nehmen jede Straße nach Osten, die sie finden können.«

Im Wald war nun Infanterie erschienen, dann tauchte weitere Artillerie auf. Sharpe beobachtete eine kleine Armee, die ostwärts marschierte, und es gab nur einen Grund, so viele Männer und Geschütze nach Osten marschieren zu lassen, und das war die Einnahme der Brücke bei Amarante und damit der Schutz der linken Flanke.

»Amarante, das ist das Ziel der Bastarde.«

»Dann können wir nicht hin«, meinte Vicente.

»Doch, das können wir«, widersprach Sharpe. »Wir können nur nicht auf dieser Straße weitermarschieren. Sie sagen, es gibt dort eine Hauptstraße?«

»Dort oben«, sagte Vicente und glättete die Erde, um eine andere Straße nördlich von ihnen zu markieren. »Das ist die Hochstraße«, sagte Vicente. »Die Franzosen sind offenbar ebenso darauf. Müssen wir wirklich nach Amarante?«

»Ich muss über den Fluss«, sagte Sharpe. »Und da gibt es eine Brücke, und dort ist auch eine portugiesische Armee, und wenn auch die Franzosen dorthin marschieren, heißt das nicht, dass sie die Brücke einnehmen.« Und wenn sie es tun, dachte er, dann könnten wir von Amarante nach Norden gehen, bis wir den Fluss durchfurten können. »Wie erreichen wir Amarante, wenn wir nicht diese Straße benutzen? Können wir über Land gehen?«

Vicente nickt. »Wir gehen nach Norden durch ein Dorf - hier ...«, er wies auf eine leere Stelle auf seiner improvisierten Landkarte, »... und wenden uns dann nach Osten. Das Dorf ist am Fuß der Hügel, am Beginn der - wie nennt ihr das, ah - Wildnis. Wir pflegten dort zu wandern.«

»Wie?«, fragte Sharpe. »Die Poeten und Philosophen?«

»Ja«, sagte Vicente, »wir übernachteten in der Taverne und wanderten zurück. Ich bezweifle, dass dort Franzosen sind. Das Dorf liegt nicht an der Straße nach Amarante. An keiner Straße.«

»Wir gehen also zum Dorf am Rande der Wildnis«, sagte Sharpe. »Wie heißt es?«

»Vila Real de Zedes«, sagte Vicente. »Es heißt so, weil die Weingärten dort einst dem König gehörten, aber das war vor langer Zeit. Jetzt sind sie der Besitz von ...«

»Vila Real de - was?«, fragte Sharpe.

»Zedes«, sagte Vicente, verwirrt durch Sharpes Tonfall und noch mehr von Sharpes Lächeln. »Sie kennen das Dorf?«

»Ich kenne es nicht«, sagte Sharpe, »aber dort ist ein Mädchen, das ich treffen will.«

»Ein Mädchen!« Vicente klang missbilligend.

»Ein neunzehnjähriges Mädchen«, sagte Sharpe. »Und glauben Sie es oder nicht, das Treffen ist eine Pflicht.« Er wandte sich um und sah nach, ob die Trage fertig war. Plötzlich versteifte er sich vor Ärger. »Was, zum Teufel, macht er hier?« Er starrte auf den französischen Dragoner, Leutnant Olivier, der beobachtete, wie Harper behutsam Hagman auf die Trage bettete.

»Er bekommt seinen Prozess«, sagte Vicente. »So steht er hier unter Arrest und unter meinem persönlichen Schutz.«

»Verdammt!«, explodierte Sharpe.

»Es ist eine Sache des Prinzips«, beharrte Vicente.

»Prinzip?«, brüllte Sharpe. »Es ist blöde, die verdammte Blödheit eines Anwalts! Wir sind mitten in einem blutigen Krieg. Nicht in einer verdammten Gerichtsstadt in Portugal.« Er sah Vicentes Unverständnis. »Ah, macht nichts«, grollte er. »Wie lange wird es dauern, bis wir Vila Real de Zedes erreichen?«

»Wir sollten morgen dort sein«, sagte Vicente kühl, dann blickte er zu Hagman. »Solange er uns nicht zu sehr verlangsamt.«

»Wir werden morgen dort sein«, sagte Sharpe. Und dann würde er Miss Savage retten und herausfinden, warum sie von zu Hause fortgelaufen war. Und danach würde er den verdammten Dragoneroffizier erledigen, egal, was der Anwalt sagte.


Das Landhaus der Savages, das Quinta do Zedes genannt wurde, befand sich nicht in Vila Real de Zedes selbst, sondern stand hoch auf einem Hügel südlich des Dorfes.

Es war ein schönes Haus, dessen weiß getünchte Wände und das Mauerwerk die eleganten Linien des Herrenhaus nachzeichneten, das auf die einst königlichen Weingärten blickte. Die Fensterläden waren blau angestrichen, und die hohen Fenster im Erdgeschoss waren mit Buntglas verziert, das die Familienwappen der Familie zeigte, die einst Quinta do Zedes besessen hatte. Mister Savage hatte das Haus zusammen mit den Weingärten gekauft, und weil es ein dickes, starkes Dach hatte und von hohen, mit Glyzinen behängten Bäumen umgeben war, erwies es sich wunderbar kühl im Sommer, sodass die Familie Savage jeden Juni bis Oktober dort verbrachte, bevor sie ins Haus Beautiful an Oportos Hügelhang zurückkehrte. Dann starb Mister Savage, und das Haus blieb unbenutzt außer von dem halben Dutzend Dienern, die den kleinen Gemüsegarten pflegten und den langen, kurvigen Zufahrtsweg ins Dorf zur Messe hinuntergingen. Es gab eine Kapelle auf dem Grundstück der Quinta do Zedes, und in der Vergangenheit war es der Dienerschaft erlaubt gewesen, die Messe in der Familienkapelle zu besuchen, doch Mister Savage war ein überzeugter Protestant gewesen. Er hatte befohlen, den Altar und die Statuen zu entfernen und die Wände weiß zu tünchen, um die Kapelle als Lagerraum für Nahrungsmittel zu benutzen.

Die Dienerschaft war überrascht gewesen, als Miss Kate zum Haus gekommen war, doch sie hatte Knickse gemacht oder sich verneigt und sich dann darangemacht, die großen Räume auf Vordermann zu bringen. Die Staubdecken wurden von den Möbelstücken gezogen, die Fledermäuse von den Dachbalken verscheucht und die hellblauen Fensterläden geöffnet, um die Frühlingssonne hereinzulassen. Feuer wurden in den Kaminen angezündet, um die Winterkälte zu vertreiben, doch an diesem ersten Abend blieb Kate nicht im Haus neben dem Kamin, sondern setzte sich auf den Balkon und schaute auf den Weg hinab, der mit Glyzinen gesäumt war, die von den Zedern hingen. Die abendlichen Schatten hatten sich verlängert, doch niemand war gekommen.

In dieser Nacht hatte sich Kate fast in den Schlaf geweint, doch am nächsten Morgen war ihre Gemütsverfassung wieder so gut gewesen, dass sie unter dem schockierten Protest der Diener die Eingangshalle gefegt hatte, die herrlich mit schwarzem und weißem Marmor ausgelegt war und von der eine Treppe aus weißem Marmor zu den Schlafzimmern hochführte. Dann bestand sie darauf, den Kamin im großen Salon zu entstauben, in dem Fliesen die Schlacht von Aljubarrota zeigten, wo Joao I. die Kastilier gedemütigt hatte. Sie wies die Dienstboten an, ein zweites Schlafzimmer zu lüften, das Bett zu machen und Feuer im Kamin anzuzünden, dann ging sie zurück auf den Balkon und beobachtete wieder den Zufahrtsweg, bis sie voller Freude, nachdem die Morgenglocke in Vila Real de Zedes geläutet hatte, zwei Reiter unter den Zedern auftauchen sah.

Der erste Reiter wirkte in seiner stolzen Haltung so groß und gut aussehend, und zugleich war sein Anblick so rührend tragisch, denn seine Frau war bei der Geburt ihres ersten Kindes gestorben und das Baby ebenfalls, und der Gedanke, dass dieser prächtige Mann solch eine Tragödie erlitten hatte, trieb Kate fast Tränen in die Augen. Und dann stellte sich der Mann in den Steigbügeln auf und winkte ihr, und Kate spürte, wie ihr Glücksgefühl zurückkehrte, als sie die Treppe hinabrannte, um ihren Geliebten zu begrüßen.

Colonel Christopher glitt vom Pferd. Luis, sein Diener, ritt das Ersatzpferd und hatte den großen Koffer dabei, den Christopher im Haus Beautiful mit Kates Sachen gefüllt hatte, als ihre Mutter fort gewesen war. Christopher warf Luis die Zügel zu, sprang die Treppe hinauf und nahm Kate in die Arme. Er küsste sie, streichelte ihren Rücken und spürte, dass sie erbebte.

»Gestern Nacht konnte ich nicht herkommen, meine Liebe«, sagte er. »Die Pflicht hat das verhindert.«

»Ich wusste, dass es die Pflicht war«, sagte Kate, und ihre Augen strahlten, als sie zu ihm aufblickte.

»Nichts sonst könnte mich von dir fernhalten«, sagte Christopher, »nichts auf der Welt.« Er küsste sie auf die Stirn. Dann trat er einen Schritt zurück, hielt immer noch ihre Hände und musterte ihr Gesicht. Sie ist das schönste Mädchen der Schöpfung, dachte er, als sie errötete und verlegen lachte, während er sie ansah. »Kate, Kate«, sagte er in tadelndem Tonfall. »Ich kann mich nicht sattsehen an dir.«

Ihr Haar war schwarz, und sie trug es von ihrer hohen Stirn zurückgekämmt, doch mit zwei langen Locken, die herunterhingen, wo die französischen Husaren ihre cadenettes trugen. Sie hatte volle Lippen, eine Stupsnase, und ihre Augen blickten einen Moment rührend ernst und funkelten im nächsten Augenblick vor Belustigung. Sie war neunzehn, mit langen, wohlgeformten Beinen, voller Lebenslust und Vertrauen, und in diesem Moment voller Liebe für ihren gut aussehenden Mann, der zur schwarzen Jacke eine weiße Reithose und einen Zweispitz trug, von dem zwei goldene Troddeln hingen.

»Hast du meine Mutter gesehen?«, fragte sie.

»Ich habe sie mit dem Versprechen verlassen, dass ich dich suchen würde.«

Kate blickte schuldig drein. »Ich hätte ihr sagen sollen ...«

»Deine Mutter will dich mit einem wohlhabenden Mann in England verheiraten«, sagte Christopher, »nicht mit einem Abenteurer wie mir.« Der wahre Grund, weshalb Kates Mutter Christopher missbilligte, war, dass sie gehofft hatte, ihn selbst zu heiraten, doch dann hatte der Colonel Mister Savages Testament und die Bedingungen darin entdeckt und seine Aufmerksamkeit der Tochter zugewandt. »Es wäre nicht gut, sie um ihren Segen zu bitten«, fuhr er fort, »und wenn du ihr gesagt hättest, was wir planen, dann hätte sie höchstwahrscheinlich versucht, es zu verhindern.«

»Vielleicht auch nicht«, sagte Kate leise.

»Übrigens spielt die Missbilligung deiner Mutter keine Rolle«, sagte Christopher, »und wenn sie weiß, dass wir verheiratet sind, wird sie mich schon mögen.«

»Verheiratet?«

»Selbstverständlich«, sagte Christopher. »Meinst du, ich denke nicht an deine Ehre?« Er lachte über ihre scheue Miene. »Da ist ein Priester im Dorf«, fuhr er fort, »den ich bestimmt überreden kann, uns zu trauen.«

»Ich bin mir nicht ...«, begann Kate, dann strich sie über ihr Haar, zupfte an ihrem Kleid und errötete.

»Du bist bereit«, sagte Christopher, »und du siehst umwerfend schön aus.«

Kate errötete noch tiefer und zupfte diesmal am Ausschnitt ihres Kleides, das sie sorgfältig unter den Sommersachen ausgewählt hatte, die im Landhaus lagerten. Es war ein englisches Kleid aus weißem Leinen, bestickt mit Glockenblumen und umwunden von Bärenklau-Blättern, und sie wusste, dass es ihr gut stand. »Meine Mutter wird mir verzeihen?«, fragte sie.

Christopher bezweifelte das sehr. »Natürlich wird sie das«, versprach er. »Ich habe solche Situationen schon erlebt. Deine liebe Mutter will nur das Beste für dich, und wenn sie mich erst besser kennt, wird sie bestimmt davon überzeugt sein, dass ich für dich sorgen werde wie kein anderer.«

»Das glaube ich auch«, sagte Kate herzlich. Sie war nie ganz sicher gewesen, warum Colonel Christopher so überzeugt war, dass ihre Mutter ihn missbilligen würde. Er sagte, der Grund sei, dass er einundzwanzig Jahre älter war als Kate, doch er sah jünger aus, und sie war sicher, dass er sie liebte, und es gab viele Männer mit jüngeren Frauen. Deshalb bezweifelte Kate, dass ihre Mutter ihn wegen des Altersunterschieds ablehnte, aber es hieß, dass er ein relativ armer Mann sei, und das störte ihre Mutter, wie er sagte, und Kate war seiner Meinung. Christophers Armut störte sie nicht. Es schien ihre Liebe nur noch romantischer zu machen, und jetzt würden sie heiraten.

Er führte sie die Treppe hinab. »Gibt es hier eine Kutsche?«

»Es steht eine alte im Stall.«

»Dann können wir zu Fuß ins Dorf gehen, und Luis kann die Kutsche für unsere Rückkehr holen.«

»Jetzt?«

»Gestern könnte nicht zu früh für mich sein, mein Liebling«, sagte Christopher ernst. Er schickte Luis, um die Pferde anzuspannen. »Ich wäre fast mit lästiger Gesellschaft eingetroffen«, sagte er lachend.

»Mit lästiger?«

»Irgendein verdammt blöder Pionier - verzeih mein Soldatenvokabular - wollte einen heruntergekommenen Lieutenant der Schützen zu deiner Rettung schicken! Ihn und seinen Pöbelhaufen. Ich musste ihm einen anderen Befehl erteilen. Ich habe ihn nach Süden geschickt und gesagt, er solle seinen Marschbefehl vergessen. Der arme Kerl.«

»Warum arm?«

»Du meine Güte! Um die dreißig Jahre alt und immer noch ein Lieutenant! Kein Geld, keine Zukunftsaussichten und Komplexe so groß wie der Felsen von Gibraltar.« Er nahm ihre Hand unter seinen Ellbogen und ging mit ihr den Glyzinenweg entlang. »Sonderbar genug, dass ich den Lieutenant von seinem Ruf her kenne. Hast du je von Lady Grace Hale gehört? Die Witwe von Lord William Hale?«

»Von denen hab ich nie gehört«, sagte Kate.

»Welch ein behütetes Leben du in Oporto führst«, sagte Christopher. »Lord William war in Ordnung. Eine Zeitlang habe ich im Auswärtigen Amt mit ihm eng zusammengearbeitet, doch dann fuhr er in einer Regierungssache nach Indien und hatte das Pech, mit einem Marineschiff zurückzusegeln, das in die Schlacht von Trafalgar geriet. Er muss ein außergewöhnlich tapferer Mann gewesen sein, denn er fiel in der Schlacht, und dann gab es einen Skandal, weil seine Witwe mit einem Offizier der Schützen ein Haus baute und mit ihm zusammenlebte. Und genau das war dieser Mann. Guter Gott, wer hätte denn so was von Lady Grace gedacht?«

»Er ist kein Gentleman?«

»Gewiss kein geborener«, sagte Christopher. »Gott allein weiß, wo die Armee heutzutage ihre Offiziere herholt. Und Lady Grace ließ sich mit ihm ein! Schockierend! Aber einige Frauen aus feinen Kreisen lieben es, am schmutzigen Ende des Sees zu angeln und sich zu vergessen, und sie muss eine davon gewesen sein.« Er schüttelte empört den Kopf. »Es wurde noch schlimmer«, fuhr er fort. »Sie wurde von ihm schwanger und starb bei der Entbindung.«

»Die arme Frau!«, sagte Kate und wunderte sich, dass ihr Geliebter diese Geschichte so ruhig erzählen konnte, denn sie musste ihn an den Tod seiner eigenen Frau erinnern. »Und was passierte mit dem Baby?«, fragte sie.

»Ich glaube, das Kind ist ebenfalls gestorben. Aber so war es vermutlich am besten. Es beendete den Skandal. Welch eine Zukunft hätte ein solches Kind schon gehabt? Wie auch immer, der Vater des Kindes war derselbe erbärmliche Schütze, der dich über den Fluss holen sollte. Doch da hat er mich kennengelernt, das kann ich dir sagen!« Christopher lachte in der Erinnerung. »Er starrte mich belämmert an und berief sich auf seine Befehle, aber ich hörte mir diesen Unsinn nicht an und schickte ihn weg. Nicht auszudenken, wenn ein solch anrüchiger Schuft meine Hochzeit gestört hätte!«

»Da hast du recht«, sagte Kate.

»Natürlich habe ich ihm nicht gesagt, dass ich seinen üblen Ruf kenne. Es war unnötig, den Kerl in Verlegenheit zu bringen.«

»Ganz richtig«, sagte Kate und drückte den Arm ihres Geliebten.

Luis erschien hinter ihnen in dem zweirädrigen, offenen Einspänner, der im Stall gestanden und vor den er sein eigenes Pferd gespannt hatte.

Christopher stoppte auf halbem Weg zum Dorf und pflückte eine kleine wilde Narzisse vom Wegesrand und bestand darauf, die gelbe Blüte in Kates schwarzes Haar zu stecken. Dann küsste er sie wieder und sagte ihr, wie schön sie sei, und Kate fand, dass dies der glücklichste Tag in ihrem Leben war. Die Sonne schien, ein sanfter Wind spielte in den mit Blumen gesprenkelten Wiesen, und ihr Mann war bei ihr.

Pater Josefa wartete bei der Kirche - Christopher hatte ihn auf seinem Weg zu Kate darum gebeten -, doch bevor die Zeremonie stattfinden konnte, nahm der Priester den Engländer zur Seite. »Ich habe mir Sorgen gemacht«, sagte der Priester, »dass das, was Sie vorschlagen, nicht zulässig ist.«

»Nicht zulässig, Pater?«

»Sie sind Protestanten?«, fragte der Priester, und als Christopher nickte, seufzte er. »Die Kirche sagt, dass nur diejenigen, die unsere Sakramente nehmen, getraut werden können.«

»Und Ihre Kirche hat recht«, sagte Christopher beruhigend. Er blickte zu Kate, die allein im weiß getünchten Altarraum stand, und er fand, dass sie mit der gelben Blüte im Haar wie ein Engel aussah. »Sagen Sie mir, Pater«, fuhr er fort, »kümmern Sie sich um die Armen in Ihrer Gemeinde?«

»Das ist Christenpflicht«, sagte Pater Josefa.

Christopher nahm einige goldene englische Guineas aus der Tasche. Sie gehörten nicht ihm, sondern stammten aus dem Fonds des Auswärtigen Amtes. Sie sollten ihm die Wege ebnen, und jetzt drückte er sie dem Priester in die Hand. »Nehmen Sie dies als einen Beitrag für Ihre wohltätige Arbeit«, sagte er, »und ich bitte Sie, uns einen Segen zu geben, das ist alles. Einen Segen auf Latein, Pater, der uns in diesen unruhigen Zeiten Gottes Schutz geben wird. Und später, wenn das Kämpfen vorüber ist, werde ich mein Bestes tun, um Kate zu überreden, an Ihrem Unterricht teilzunehmen. Ich werde ihn natürlich ebenfalls nehmen.«

Pater Josefa, Sohn eines Arbeiters, schaute auf die Goldmünzen und dachte, dass er noch nie so viel Geld auf einmal gesehen hatte und dass Gold viel Leid lindern konnte. »Ich kann dennoch keine Messe für Sie lesen«, beharrte er.

»Ich will keine Messe«, sagte Christopher, »und ich verdiene auch keine. Ich will nur einen Segen auf Latein.« Er wollte, dass Kate glaubte, verheiratet zu sein. Seinetwegen konnte der Priester die Worte einer Totenmesse sprechen, wenn er wollte. »Nur ein Segen von Ihnen, Pater, ist alles, was ich möchte. Ein Segen von Ihnen, von Gott und von den Heiligen.« Er nahm noch ein paar Münzen aus der Tasche und gab sie dem Priester, der sich entschloss, dass ein Gebet ganz sicher nicht schaden konnte.

»Und Sie werden Unterricht nehmen?«, fragte er.

»Ich habe mich schon einige Zeit zu Ihrer Kirche hingezogen gefühlt«, sagte Christopher, »und ich glaube, dass ich auf Gottes Ruf hören sollte. Und dann, Pater, können Sie uns richtig trauen.«

So küsste Pater Josefa sein Skapulier, warf es über seine Schultern und ging zum Altar, wo er sich hinkniete, sich bekreuzigte, aufstand und sich zu Kate und dem großen, gut aussehenden Mann an ihrer Seite umdrehte und lächelte. Der Priester kannte Kate nicht gut, denn die Familie Savage war nie sehr vertraut mit den Dorfbewohnern gewesen und hatte selten die Kirche besucht, doch die Diener des Landhauses sprachen gut von Kate, und obwohl es für Pater Josefa den Zölibat gab, wusste er, dass dieses Mädchen eine seltene Schönheit war, und so war seine Stimme voller Wärme, als er Gott und die Heiligen um ihr Wohlwollen für diese beiden Seelen bat.

Er fühlte sich schuldig, weil sie sich wie ein verheiratetes Paar verhalten würden, obwohl sie nicht richtig getraut waren, aber solche Dinge waren alltäglich, und in Kriegszeiten musste ein guter Priester schon mal die Augen verschließen.

Kate lauschte den lateinischen Worten, die sie nicht verstand, und schaute an dem Priester vorbei auf den Altar, wo ein matt glänzendes Silberkreuz mit einem dünnen schwarzen Schleier verhängt war, weil noch nicht Ostern war, und sie spürte die Hand ihres Geliebten, die mit ihrer vereinigt war, und sie hätte weinen können vor Glück. Ihre Zukunft erschien ihr golden, erfüllt von Sonnenschein und Wärme und Glück. Es war nicht ganz die Hochzeit, die sie sich vorgestellt hatte. Sie hatte gedacht, nach England, das sie und ihre Mutter immer noch als ihre Heimat betrachteten, zurückzusegeln, dort über den Mittelgang einer Landkirche, vorbei an strahlenden Verwandten, zum Altar zu schreiten und später in einer weißen Kalesche mit vier Pferden zu einer reservierten Taverne zum Dinner und einer andächtigen Feier zu fahren, doch sie hätte nicht glücklicher sein können - oder vielleicht wäre sie noch glücklicher gewesen, wenn ihre Mutter in der Kirche gewesen wäre, aber sie tröstete sich mit dem Gedanken, dass sie sich wieder versöhnen würden, dessen war sie sicher -, und plötzlich drückte Christopher ihre Hand.

»Sag, ich will, meine Liebste«, befahl er ihr.

Kate errötete. »Oh, ich will«, sagte sie. »Ich will dich aus ganzem Herzen.«

Pater Josefa lächelte sie an. Die Sonne strahlte durch die schmalen, hohen Kirchenfenster, da war eine Blume in ihrem Haar, und Pater Josefa hob die Hand, um James und Katherine mit dem Zeichen des Kreuzes zu segnen, und in diesem Augenblick flog die Tür der Kirche knarrend auf, und mehr Sonnenlicht und der Geruch eines Misthaufens drang in die Kirche.

Kate wandte den Kopf und sah Soldaten in der Tür. Die Männer hoben sich als Umrisse vor dem blendenden Licht ab, sodass Kate sie nicht richtig sehen konnte, doch beim Anblick der Gewehre an ihren Schultern nahm sie an, dass es Franzosen waren, und sie schnappte furchtsam nach Luft, doch Colonel Christopher wirkte ganz unbesorgt, als er sich zu ihr neigte und sie auf den Mund küsste.

»Wir sind verheiratet, mein Liebling«, sagte er leise.

»James«, sagte sie.

»Meine liebe, liebe Kate«, erwiderte der Colonel mit einem Lächeln, »meine liebe, liebe Frau.« Dann wandte er sich um, als er Schritte auf dem Mittelgang hörte. Es waren langsame, schwere Schritte, unangemessen laut von benagelten Stiefeln auf alten Steinen.

Ein Offizier schritt auf den Altar zu. Er hatte seine Männer am Kirchenportal zurückgelassen und kam allein, und sein schweres Kavallerieschwert klirrte leise. Er hielt an und starrte Kate in ihr plötzlich bleiches Gesicht. Kate erschauerte, denn der Offizier war ein Soldat mit grünem Rock und hartem, narbigem Gesicht und einem Blick, der nur als unverschämt bezeichnet werden konnte.

»Sind Sie Kate Savage?«, fragte er und überraschte sie, denn er hatte die Frage auf Englisch gestellt, und sie hatte angenommen, er sei Franzose.

Kate sagte nichts. Ihr Mann war neben ihr, und er würde sie vor diesem schrecklichen, Furcht einflößenden und frechen Mann beschützen.

»Sind Sie das, Sharpe?«, fragte Christopher. »Bei Gott, er ist es!« Er war sonderbar nervös und hatte Mühe, seine schrille Stimme unter Kontrolle zu bringen. »Was, zum Teufel, tun Sie hier? Ich habe befohlen, dass Sie sich südlich des Flusses halten, verdammt!«

»Wurde abgeschnitten, Sir«, sagte Sharpe. Er schaute immer noch Kate und die Narzisse in ihrem Haar an. »Franzmänner blockierten meinen Weg, Sir, viele Franzmänner. Ich musste sie niederkämpfen, Sir, und dann machte ich mich auf die Suche nach Miss Savage.«

»Es gibt keine Miss Savage mehr«, sagte der Colonel kalt. »Erlauben Sie, dass ich Ihnen meine Frau vorstelle, Sharpe? Mrs James Christopher.«

Und Kate, die zum ersten Mal ihren neuen Namen hörte, hatte das Gefühl, ihr Herz müsste vor Glück zerspringen.

Denn sie glaubte, verheiratet zu sein.


Der Colonel und Kate - Mrs Christopher - fuhren in dem Einspänner zurück zum Landhaus, gefolgt von Luis und den Soldaten. Hagman, immer noch am Leben, lag jetzt auf einem Handkarren, doch durch das Rumpeln des ungefederten Gefährts hatte er mehr Schmerzen, als er auf der Trage gehabt hatte. Leutnant Vicente sah ebenfalls krank aus. Er war so bleich, dass Sharpe befürchtete, der ehemalige Anwalt hätte sich in den letzten paar Tagen eine Krankheit eingefangen.

»Sie sollten sich von dem Arzt untersuchen lassen, wenn er wiederkommt und nach Hagman sieht«, sagte Sharpe. Es gab einen Doktor im Dorf, der Hagman bereits untersucht und festgestellt hatte, dass er sein Sterben nicht verhindern konnte. Er hatte jedoch versprochen, an diesem Nachmittag zum Landhaus der Savages zu kommen und noch einmal nach dem Patienten zu sehen. »Sie sehen aus, als hätten Sie sich den Magen verdorben«, sagte Sharpe zu Vicente.

»Es ist keine Krankheit«, sagte Vicente. »Nichts, was ein Doktor heilen könnte. Es ist was anderes.«

»Was?«

»Miss Katherine«, sagte Vicente unglücklich.

»Kate?« Sharpe starrte Vicente an. »Sie kennen sie?«

Vicente nickte. »Jeder junge Mann in Oporto kennt Kate Savage. Als sie nach England zur Schule geschickt wurde, sehnten wir uns nach ihr, und als sie zurückkehrte, war es, als sei die Sonne aufgegangen.«

»Sie ist hübsch genug«, sagte Sharpe und blickte wieder Vicente an, als ihm die volle Bedeutung der Worte des Anwalts klar wurden. »Oh verdammt«, entfuhr es ihm.

»Was?«, fragte Vicente beleidigt.

»Das fehlt mir noch, dass Sie in sie verliebt sind«, sagte Sharpe.

»Ich bin nicht verliebt in sie«, sagte Vicente, immer noch beleidigt, aber es war offensichtlich, dass er in Kate verknallt war. In den letzten zwei oder drei Jahren hatte er sie aus der Ferne bewundert und romantisch von ihr geträumt, wenn er seine Gedichte geschrieben hatte, und er war bei seinem Philosophiestudium von der Erinnerung an sie abgelenkt gewesen und hatte seinen Fantasien nachgehangen, als er staubige Gesetzesbücher gewälzt hatte. Sie war das unerreichbare englische Mädchen aus dem großen Haus in den Hügeln gewesen, und jetzt war sie mit Colonel Christopher verheiratet.

Und das erklärt das Verschwinden der albernen Zicke, dachte Sharpe. Sie war mit ihrem Geliebten durchgebrannt! Aber Sharpe verstand nicht, warum sie es vor ihrer Mutter verheimlicht hatte, die sicherlich Verständnis für ihre Liebe gehabt und sie gebilligt hätte. Christopher war, soweit Sharpe es wusste, aus guter Familie, wohlhabend, gebildet und ein Gentleman: alles, was Sharpe nicht war.

Und Christopher war ärgerlich. Als Sharpe das Landhaus erreichte, trat der Colonel ihm an der Treppe entgegen und verlangte eine Erklärung für Sharpes Anwesenheit in Vila Real de Zedes.

»Wie schon gesagt, uns wurde der Weg von Franzosen blockiert. Wir konnten den Fluss nicht überqueren.«

»Sir«, blaffte Christopher. Er erwartete anscheinend, dass Sharpe ihn so ansprach, aber Sharpe starrte nur an dem Colonel vorbei in die Halle des Hauses, wo Kate Kleidung aus einem großen Lederkoffer auspackte.

»Ich hatte Ihnen befohlen ...«

»Wir konnten den Fluss nicht überqueren«, unterbrach ihn Sharpe, »denn da war keine Brücke. Sie war eingestürzt. So gingen wir zur Fähre, doch die verdammten Franzosen hatten sie verbrannt. So marschieren wir jetzt nach Amarante, aber wir können die Hauptstraßen nicht benutzen, weil es dort von Franzosen wimmelt, und ich kann nicht schnell sein, weil ich einen Verwundeten habe. Ist hier ein Zimmer frei, wo wir ihn heute Nacht unterbringen können?«

Christopher schwieg einen Moment. Er wartete wohl immer noch, dass Sharpe ihn mit »Sir« ansprach, doch der unterließ es stur. Christopher seufzte und spähte durch das Tal, wo ein Bussard kreiste. »Sie wollen heute Nacht hierbleiben?«, fragte er distanziert.

»Wir sind seit heute Morgen drei Uhr marschiert«, sagte Sharpe. Er war sich nicht sicher, ob es wirklich drei Uhr gewesen war, denn er hatte keine Uhr, aber es konnte nach seinem Gefühl stimmen. »Wir werden jetzt rasten«, sagte er, »und dann vor der Morgendämmerung wieder marschieren.«

»Die Franzosen werden in Amarante sein«, sagte Christopher.

»Daran zweifle ich nicht«, sagte Sharpe, »aber was sonst soll ich tun?«

Christopher zuckte bei Sharpes mürrischem Tonfall zusammen und erschauerte dann, als Hagman vor Schmerzen stöhnte. »Da ist ein Stall hinter dem Haus«, sagte er kalt, »bringen Sie Ihren Verwundeten dorthin. Und wer, zum Teufel, ist das?« Er hatte Vicentes Gefangenen, Lieutenant Olivier, bemerkt.

Sharpe wandte sich um, um zu sehen, wohin der Colonel blickte.

»Ein Franzose«, antwortete er, »dem ich die Kehle durchschneiden werde.«

Christopher starrte Sharpe entsetzt an. »Ein Franzose, dem Sie ...«, begann er, doch in diesem Moment kam Kate aus dem Haus und stellte sich neben ihn. Er legte einen Arm um ihre Schultern, und mit einem gereizten Blick zu Sharpe hob er die Stimme und rief zu Leutnant Olivier: »Monsieur! Venez ici, s'il vous plaît.« »Er ist ein Gefangener«, sagte Sharpe.

»Er ist ein Offizier?«, fragte Christopher, als Olivier sich einen Weg zwischen Sharpes verdrossenen Männern hindurchbahnte.

»Er ist ein Leutnant vom 18. Dragonerregiment.«

Christopher sah Sharpe überrascht an. »Es ist üblich«, sagte er kalt, »dass man Offiziere ordentlich behandelt. Wo ist der Säbel des Leutnants?«

»Er ist nicht mein Gefangener«, sagte Sharpe. »Leutnant Vicente nahm ihn gefangen. Der Leutnant ist ein Anwalt, und er hat anscheinend die sonderbare Idee, dass man dem Franzosen den Prozess machen sollte, während ich vorhatte, ihn aufzuhängen.«

Kate stieß einen Laut des Entsetzens aus. »Vielleicht solltest du reingehen, mein Liebling«, sagte Christopher, doch sie regte sich nicht, und er bestand nicht darauf. »Warum wollten Sie ihn aufhängen?«, fragte er Sharpe stattdessen.

»Weil er ein Vergewaltiger ist«, sagte Sharpe.

Das veranlasste Kate wieder zu einem entsetzten Laut, und diesmal schob Christopher sie ins Haus.

»Passen Sie auf, was Sie sagen, wenn meine Frau anwesend ist«, sagte Christopher eisig.

»Es war ebenfalls eine Lady anwesend, als dieser Bastard sie vergewaltigte. Wir erwischten ihn mit heruntergelassener Hose und heraushängenden Kronjuwelen. Was sollte ich mit ihm anfangen? Ihm einen Brandy spendieren und eine Partie Whist mit ihm spielen?«

»Er ist ein Offizier und Gentleman«, sagte Christopher, beunruhigt, dass Olivier vom 18. Dragonerregiment war, was bedeutete, dass er mit Hauptmann Argenton diente. »Wo ist sein Säbel?«

Leutnant Vicente wurde vorgestellt. Er trug Oliviers Säbel, und Christopher bestand darauf, dass er ihn dem Franzosen zurückgab. Vicente versuchte zu erklären, dass Christopher eines Verbrechens beschuldigt wurde und ihm deshalb der Prozess gemacht werden musste, doch Colonel Christopher, der tadellos Portugiesisch sprach, verwarf die Idee. »Die Konventionen des Krieges, Leutnant, lassen nicht zu, dass Offiziere einen Prozess bekommen, als wären sie Zivilisten. Das sollten Sie wissen, wenn Sie, wie Sharpe behauptet, Anwalt sind. Wenn man Kriegsgefangenen einen zivilen Prozess zugesteht, würde das die Möglichkeiten von Reziprozität eröffnen. Verurteilen Sie diesen Mann und richten ihn hin, und die Franzosen würden dasselbe mit jedem portugiesischen Offizier tun, den sie gefangen nehmen. Das haben Sie sicherlich verstanden, oder?«

Vicente erkannte die Kraft des Arguments, wollte jedoch nicht nachgeben. »Er ist ein Vergewaltiger«, sagte er.

»Er ist ein Kriegsgefangener«, widersprach Christopher, »und Sie werden ihn in meine Obhut übergeben.«

Vicente wollte immer noch nicht nachgeben. Christopher war schließlich in Zivilkleidung. »Er ist ein Gefangener meiner Armee«, sagte er stur.

»Und ich«, sagte Christopher, »bin ein Lieutenant Colonel der Armee seiner Britannischen Majestät, und deshalb werden Sie meine Befehle befolgen, oder es wird militärische Konsequenzen haben.«

Vicente gab klein bei, und Christopher, mit einer kleinen Verbeugung, überreichte Olivier seinen Säbel. »Vielleicht erweisen Sie mir die Ehre und warten im Haus?«, schlug er dem Franzosen vor, und nachdem ein sehr erleichterter Olivier im Haus verschwunden war, trat Christopher zum Rand der Treppenstufe und schaute über Sharpes Kopf hinweg zu der Staubwolke auf der fernen Hauptstraße.

Ein großer Reitertrupp näherte sich dem Dorf, und Christopher nahm an, dass es Hauptmann Argenton und seine Eskorte sein mussten. Seine Miene zeigte Besorgnis, und sein Blick zuckte zu Sharpe, dann wieder zurück zu der sich nähernden Kavallerie. Er durfte es nicht zulassen, dass sich die beiden trafen. »Sharpe«, sagte er, »Sie stehen wieder unter meinem Befehl.«

»Wenn Sie das sagen, Sir.« Sharpes Stimme klang widerwillig.

»Sie werden hierbleiben und meine Frau bewachen«, sagte Christopher. »Sind das Ihre Pferde?« Er wies auf das Dutzend Kavalleriepferde, das Sharpe in Barca d'Avintas erbeutet hatte. Die meisten der Pferde waren immer noch gesattelt. »Ich werde zwei davon nehmen.« Er lief in die Eingangshalle und winkte Olivier.

»Monsieur! Sie werden mich begleiten. Wir reiten sofort. Liebste«, er ergriff Kates Hand, »du wirst hierbleiben, bis ich zurückkehre. Ich werde nicht lange weg sein. Höchstens eine Stunde.« Er neigte sich hinab und küsste ihre Hand, dann eilte er nach draußen, schwang sich auf das erste gesattelte Pferd, sah zu, wie Olivier ebenfalls aufsaß, dann spornten beide Männer die Pferde an und ritten den Weg hinunter. »Sie werden hierbleiben, Sharpe!«, rief Christopher über die Schulter. »Genau hier! Das ist ein Befehl!«

Vicente beobachtete, wie Christopher und der Dragonerleutnant davonritten. »Warum hat er den Franzosen mitgenommen?«

»Das weiß der Himmel«, sagte Sharpe, und während Dodd und drei Schützen Hagman zum Stall brachten, stieg er auf die oberste Treppenstufe und nahm sein Fernrohr. Er richtete es auf den nahenden Reitertrupp und sah, dass es französische Dragoner waren. Hundert? Vielleicht mehr. Sharpe konnte die grünen Röcke mit den pinkfarbenen Aufschlägen, ihre Säbel und die braunen Stoffbezüge ihrer Helme sehen. Und dann zügelten sie ihre Pferde, als Christopher und Olivier aus Vila Real de Zedes auftauchten. Sharpe gab das Fernrohr Harper. »Was hat der Scheißer mit den Franzosen zu reden?«

»Wie Sie sagten, das weiß der Himmel, Sir«, erwiderte Harper.

»Beobachten Sie sie, Pat«, sagte Sharpe, »und wenn sie näher kommen, lassen Sie es mich wissen.« Er klopfte flüchtig an die große Eingangstür und betrat das Haus.

Er schaute Kate Savage an, die jetzt offenbar Kate Christopher war, nahm seinen Tschako ab und fuhr sich mit der Hand durch sein frisch geschnittenes Haar. »Ihr Mann ist fortgeritten, um mit den Franzosen zu reden«, sagte er. Er sah Missbilligung auf Kates Gesicht und fragte sich, ob es wegen der Tatsache war, dass Christopher mit den Franzosen sprach, oder weil Sharpe sie angesprochen hatte. »Warum?«

»Das müssen Sie ihn selbst fragen, Lieutenant«, sagte sie.

»Mein Name ist Sharpe.«

»Ich weiß, wie Sie heißen«, sagte Kate kühl.

»Richard für meine Freunde.«

»Gut zu wissen, dass Sie einige Freunde haben, Mister Sharpe«, sagte Kate. Sie schaute ihn frech an, und Sharpe fand sie wunderschön. Sie hatte ein Gesicht, das Maler in Öl verewigen. Kein Wunder, dass Vicentes Verein von ernsthaften Poeten und Philosophen sie aus der Ferne verehrt hatte.

»Also, warum spricht Colonel Christopher mit den Franzmännern, Ma'am?«

Kate blinzelte überrascht, weil ihr Ehemann mit dem Feind redete, aber mehr noch, weil Sharpe sie zum ersten Mal mit Ma'am angesprochen hatte. »Ich habe es Ihnen schon gesagt, Lieutenant«, gab sie mit einiger Schärfe zurück, »das müssen Sie ihn selbst fragen.«

Sharpe schlenderte durch die Eingangshalle. Er bewunderte die marmorne Wendeltreppe, betrachtete ein Ölgemälde, das eine Jagdgesellschaft zeigte, und schaute sich zwei Büsten in Nischen an. Die Büsten war offenbar von dem verstorbenen Mister Savage importiert worden, denn eine stellte John Milton dar, die andere John Bunyan. »Ich hatte den Befehl, Sie zu suchen und zu Ihrer Mutter zurückzubringen«, sagte er zu Kate.

»Mich zu suchen, Mister Sharpe?«

»Ein Captain Hogan hat es mir befohlen«, sagte Sharpe. »Ihre Mutter hat sich um Sie gesorgt.«

Kate errötete. »Meine Mutter hat keinen Grund zur Sorge. Ich habe jetzt einen Mann.«

»Jetzt?«, fragte Sharpe. »Sie haben heute Morgen geheiratet? War es das, was wir in der Kirche sahen?«

»Geht Sie das was an?«, fragte Kate heftig.

Vicente wirkte niedergeschlagen, weil er annahm, Sharpe schikaniere die Frau, die er insgeheim liebte.

»Wenn Sie verheiratet sind, geht es mich nichts an«, sagte Sharpe, »denn ich kann keine verheiratete Frau von ihrem Ehemann fortbringen, oder?«

»Nein, das können Sie nicht«, sagte Kate, »und wir haben tatsächlich heute Morgen geheiratet.«

»Meinen Glückwunsch, Ma'am«, sagte Sharpe. Dann blieb er stehen, um eine alte Standuhr zu bewundern. Ihre Vorderseite war mit lächelnden Monden bedeckt und trug die Aufschrift »Thomas Tompion, London«. Er öffnete das polierte Gehäuse und zog an den Gewichten, sodass der Mechanismus zu ticken begann. »Ich nehme an, dass Ihre Mutter hocherfreut sein wird, Ma'am.«

»Das geht Sie nichts an, Lieutenant«, sagte Kate und warf verächtlich den Kopf zurück.

»Schade, dass sie nicht hier sein konnte, nicht wahr? Als ich sie verließ, weinte sie.« Er blickte zu Kate. »Ist er wirklich ein Colonel?«

Die Frage überraschte Kate, besonders nach der beunruhigenden Nachricht, dass ihre Mutter geweint hatte. Ihr schoss das Blut in die Wangen. Dann bemühte sie sich, würdevoll und beleidigt auszusehen. »Natürlich ist er ein Colonel«, sagte sie empört. »Und Sie sind unverschämt, Mister Sharpe.«

Sharpe lachte. Sein Gesicht wirkte durch die Narbe an seiner Wange grimmig, doch wenn er lächelte oder lachte, verschwand die Düsterkeit, und Kate stellte zu ihrem Erstaunen fest, dass ihr Herz schneller schlug. Sie hatte sich an das erinnert, was Christopher ihr erzählt hatte, wie Lady Grace ihren Ruf zerstört hatte, indem sie mit diesem Mann zusammengelebt hatte. Wie hatte Christopher es ausgedrückt? Angeln am schmutzigen Ende des Sees? Plötzlich beneidete Kate Lady Grace, und dann erinnerte sie sich, dass sie erst seit einer knappen Stunde verheiratet war, und sie schämte sich. Trotzdem sieht dieser Mann schrecklich attraktiv aus, wenn er lächelt wie jetzt, dachte sie.

»Sie haben recht«, sagte Sharpe, »ich bin unverschämt. Das bin ich schon immer gewesen und werde es vermutlich stets sein, und ich entschuldige mich dafür, Ma'am.« Er blickte sich wieder in der Halle um. »Dies ist das Haus Ihrer Mutter?«

»Es ist mein Haus«, sagte Kate, »seit mein Vater starb. Und jetzt, nehme ich an, ist es im Besitz meines Mannes.«

»Einer meiner Männer ist verwundet, und Ihr Mann sagte, er sollte in den Stall gebracht werden. Ich mag es nicht, Verwundete in Ställe zu legen, wenn es bessere Räume gibt.«

Kate errötete, und Sharpe war sich nicht sicher, warum. Dann wies sie auf eine Tür am Ende der Halle. »Die Diener haben Quartiere neben der Küche«, sagte sie, »und ich bin sicher, dass dort ein komfortables Zimmer frei ist.« Sie trat zur Seite und zeigte noch einmal auf die Tür. »Warum sehen Sie nicht nach?«

»Das werde ich, Ma'am«, sagte Sharpe, doch anstatt den hinteren Teil des Hauses zu erkunden, starrte er sie nur an.

»Was ist?«, fragte Kate, beunruhigt von seinem dunklen Blick.

»Ich wollte Ihnen nur meine Glückwünsche aussprechen für Ihre Heirat, Ma'am«, sagte Sharpe.

»Danke, Lieutenant«, sagte Kate.

»Eilig heiraten ...«, sagte Sharpe, legte eine Pause ein und lächelte, denn er sah Ärger in ihren Augen aufflammen, »... ist etwas, was Leute in Kriegszeiten oft tun. Ich werde um das Haus herumgehen und mich hinten umsehen, Ma'am.«

Er überließ sie Vicentes Bewunderung und gesellte sich zu Harper auf die Terrasse. »Redet der Bastard immer noch?«, fragte er.

»Der Colonel redet immer noch mit den Franzosen, Sir«, sagte Harper, der durch das Fernrohr starrte. »Und sie kommen nicht näher. Der Colonel ist voller Überraschungen, nicht wahr?«

»Ja, das kann man wohl sagen.«

»Und was machen wir, Sir?«

»Wir bringen Dan in ein Dienerzimmer neben der Küche. Der Arzt soll ihn sich ansehen. Wenn er meint, er ist transportfähig, marschieren wir nach Amarante.«

»Nehmen wir das Mädchen mit?«

»Nein, sie ist verheiratet, Pat. Wir können keine Verheiratete mitnehmen. Sie gehört jetzt voll und ganz ihrem Ehemann.« Sharpe kratzte sich unter dem Kragen, wo ihn eine Laus gebissen hatte. »Hübsches Mädchen.«

»Ist sie das? Habe ich gar nicht bemerkt.«

»Verlogener irischer Bastard«, sagte Sharpe.

Harper grinste. »Aye. Nun, sie ist ganz nett fürs Auge, aber sie ist auch eine verheiratete Frau.«

»Du meinst, sie ist tabu?«

»Die Frau eines Colonels? Ich würde nicht davon träumen«, sagte Harper. »Nicht mal, wenn ich Sie wäre.«

»Ich träume nicht, Patrick«, sagte Sharpe. »Ich frage mich nur, wie wir von hier wegkommen.«

»Zurück zur Armee?«, fragte Harper. »Oder zurück nach England?«

»Was würdest du vorziehen?«

Sie sollten in England sein. Sie alle gehörten zum zweiten Bataillon der 95th Rifles, und dieses Bataillon hatte seine Kasernen in Shorncliffe, doch Sharpe und seine Männer waren während des Rückzugs nach Vigo vom Regiment getrennt worden und hatten es irgendwie nie geschafft, sich mit ihm wieder zusammenzuschließen. Captain Hogan hatte dafür gesorgt. Hogan brauchte Männer, die ihn beschützten, während er das wilde Grenzgebiet zwischen Spanien und Portugal kartografierte, und ein Trupp erstklassiger Schützen war für ihn ein Geschenk des Himmels, und so hatte er listig dafür gesorgt, den Papierkram zu manipulieren, Schriftstücke zu verlegen und Sold aus der Militärkasse abzuzweigen und so Sharpe und seine Männer bei sich zu behalten.

»England bringt mir nichts«, sagte Harper. »Ich bin glücklicher hier.«

»Und die Männer?«

»Den meisten gefällt es hier«, sagte der Ire, »doch ein paar wollen heim. Cresacre, Sims, die üblichen Nörgler. John Williamson ist der Schlimmste. Er erzählt den anderen dauernd, dass Sie nur hier sind, weil Sie befördert werden wollen und uns alle dafür opfern.«

»Das sagt er?«

»Und Schlimmeres.«

»Klingt wie eine gute Idee«, sagte Sharpe leichthin.

»Aber ich glaube, niemand außer den üblichen Nörglern glaubt ihm. Die meisten von uns wissen, dass wir zufällig hier sind.« Harper starrte zu den fernen französischen Dragonern, dann schüttelte er den Kopf. »Ich muss Williamson früher oder später mal ordentlich verprügeln.«

»Sie oder ich«, stimmte Sharpe zu.

Harper hielt das Fernrohr wieder an die Augen. »Der Bastard kommt zurück«, sagte er, »und er hat diesen anderen Bastard bei ihnen zurückgelassen.« Er reichte Sharpe das Fernrohr.

»Olivier?«

»Er hat ihn den Franzosen zurückgegeben!« Harper war empört.

Durch das Fernrohr konnte Sharpe sehen, dass Christopher nach Vila Real de Zedes zurückritt, begleitet von einem einzelnen Mann, nach seiner Kleidung zu urteilen, einem Zivilisten, gewiss nicht Olivier, der offenbar mit den Dragonern nordwärts ritt. »Diese Scheißer müssen uns gesehen haben«, sagte Sharpe.

»Das ist klar«, stimmte Harper zu.

»Und Lieutenant Olivier wird ihnen erzählt haben, dass wir hier sind«, sagte Sharpe. »Warum, zum Teufel, lassen sie uns dann in Frieden?«

»Weil der Colonel mit den Bastarden eine Vereinbarung getroffen hat«, sagte Harper und nickte zum fernen Christopher hin.

Sharpe fragte sich, welche Vereinbarung das sein könnte. »Wir sollten ihn in die Mangel nehmen«, sagte

er.

»Nein, er ist ein Colonel.«

»Dann sollten wir den Bastard zweimal in die Mangel nehmen, dann finden wir die Wahrheit schnell genug heraus.«

Die beiden Männer verfielen in Schweigen, als Christopher über den Zufahrtsweg zum Haus zurückkehrte. Der Mann, der ihn begleitete, war jung, rothaarig und in Zivilkleidung, doch sein Pferd hatte ein französisches Brandzeichen, und der Sattel war aus Militärbestand. Christopher blickte auf das Fernrohr in Sharpes Hand. »Sie sind ziemlich neugierig, Sharpe«, sagte er mit ungewöhnlicher Freundlichkeit.

»Ich bin neugierig«, sagte Sharpe, »warum Sie unseren Gefangenen zurückgegeben haben.«

»Weil es mein Entschluss war, ihn zurückzugeben, natürlich«, sagte Christopher und glitt vom Pferd. »Und die Franzosen haben versprochen, nicht gegen uns zu kämpfen, bis sie einen britischen Gefangenen von gleichem Rang zurückgeben. Alles ganz normal, Sharpe, und kein Grund zur Empörung. Dies ist Monsieur Argenton, der mich begleiten wird, um General Cradock in Lissabon zu besuchen.« Der Franzose, der seinen Namen hörte, nickte Sharpe nervös zu.

»Wir werden mit Ihnen kommen«, sagte Sharpe und ignorierte den Franzosen.

Christopher schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht, Sharpe. Monsieur Argenton wir für uns arrangieren, die Pontonbrücke in Oporto zu benutzen, wenn sie repariert ist, und falls das nicht klappen sollte, wird er die Fahrt auf einer Fähre arrangieren, und ich bezweifle, dass unsere französischen Freunde zulassen werden, dass eine halbe Kompanie von Schützen vor ihren Augen den Fluss überquert.«

»Wenn Sie mit ihnen reden, lassen sie das vielleicht zu«, sagte Sharpe. »Sie scheinen ja gut mit ihnen befreundet zu sein.«

Christopher warf Luis die Zügel zu. Dann forderte er Argenton mit einer Geste auf, abzusitzen und ihm ins Haus zu folgen. Er ging an Sharpe vorbei und wandte sich dann um. »Ich habe andere Pläne für Sie.«

»Sie haben Pläne für mich?«, fragte Sharpe spöttisch.

»Ich glaube, dass in der Armee Seiner Britannischen Majestät ein Lieutenant Colonel einen höheren Rang hat als nur ein Lieutenant, Sharpe«, sagte Christopher sarkastisch. »So werden Sie in einer halben Stunde ins Haus kommen, und ich werde Ihnen Ihre neuen Befehle geben. Kommen Sie, Monsieur.« Er winkte Argenton, blickte Sharpe kalt an und stieg die Treppe hinauf.


Am nächsten Morgen regnete es. Es war auch kälter. Graue Regenschleier trieben vom Atlantik mit einem eisigen Wind heran, der die Glyzinen von den Bäumen blies, die Fensterläden des Hauses klappern ließ und kühlen Luftzug durch die Räume schickte. Sharpe, Vicente und ihre Männer hatten im Stall übernachtet, bewacht von Posten, die in der Nachtkälte zitterten und durch die feuchte Dunkelheit spähten. Sharpe, der in den dunkelsten Stunden der Nacht Wache gehalten hatte, sah in einem Fenster des Hauses Kerzenschein flackern und glaubte einen Schrei wie von einem Tier im Obergeschoss zu hören, und sekundenlang war er überzeugt, dass es Kates Stimme war, dann führte er es auf seine Fantasie zurück und nahm an, dass nur der Wind in den Kaminen geheult hatte.

Im Morgengrauen schaute er nach Hagman und sah, dass der Verwundete schweißnass war, jedoch lebte. Er murmelte im Schlaf hin und wieder einen Namen: »Amy - Amy.« Der Arzt hatte ihn am vergangenen Nachmittag besucht, an der Wunde gerochen und gesagt, dass er sterben würde. Er hatte die Wunde gewaschen und einen neuen Verband angelegt. Er hatte sich geweigert, ein Honorar anzunehmen. »Halten Sie den Verband feucht«, hatte er zu Vicente gesagt, der für Sharpe übersetzt hatte, »und heben Sie ein Grab aus.« Die letzten Worte hatte der portugiesische Leutnant nicht übersetzt.

Kurz nach dem Sonnenuntergang war Sharpe zu Colonel Christopher geholt worden. Der Colonel saß im Salon, den Kopf umwickelt mit heißen Handtüchern, während Luis ihn rasierte. »Er war früher ein Barbier«, sagte der Colonel. »Nicht wahr, Luis, Sie waren ein Barbier.«

»Und ein guter«, sagte Luis.

»Sie sehen aus, als könnten Sie einen Barbier gebrauchen, Sharpe«, sagte Christopher. »Sie haben sich das Haar selbst geschnitten?«

»Nein, Sir.«

»Sieht aber so aus. Sieht aus, als hätten die Ratten daran geknabbert.« Das Rasiermesser schabte über sein Kinn. Luis wischte die Klinge mit einem Tuch ab und schabte weiter. »Meine Frau wird hierbleiben müssen«, sagte Christopher. »Ich bin ziemlich unglücklich. Aber sie wird nirgendwo sonst sicherer sein. Sie kann nicht nach Oporto gehen, denn dort wimmelt es von Franzosen, die alles vergewaltigen, was nicht tot ist, und vermutlich Dinge essen, die tot sind, sofern sie noch frisch sind, und sie werden die Stadt erst in ein, zwei Tagen unter Kontrolle bringen. So muss Kate hierbleiben, und ich würde mich weitaus behaglicher fühlen, wenn sie beschützt ist, Sharpe. Deshalb werden Sie meine Frau bewachen. Ihr verwundeter Kamerad soll sich erholen, und Sie können sich ausruhen. In einer Woche oder so werde ich zurück sein, und Sie können marschieren.«

Sharpe blickte aus dem Fenster zu einem Gärtner, der den Rasen mähte, vermutlich der erste Schnitt des Jahres.

»Mrs Christopher könnte Sie nach Süden begleiten, Sir«, sagte er.

»Nein, das kann sie verdammt nicht«, blaffte Christopher. »Ich habe ihr gesagt, dass es zu gefährlich ist. Hauptmann Argenton und ich müssen durch feindliche Linien, Sharpe, und das wird nicht leichter für uns, wenn wir eine Frau mitnehmen.« Der wahre Grund war natürlich, dass Kate ihre Mutter nicht treffen und ihr von der Heirat in der kleinen Kirche von Vila Real de Zedes erzählen sollte. »Kate wird also hierbleiben«, fuhr Christopher fort, »und Sie werden sie mit Respekt behandeln.« Sharpe sagte nichts, schaute den Colonel nur an. »Natürlich werden Sie das«, fügte der Colonel hinzu. »Bevor wir reiten, werde ich mit dem Dorfpriester sprechen und sicherstellen, dass seine Leute Ihnen Proviant liefern werden. Brot, Bohnen und ein Ochse sollten für Sie und Ihre Männer für eine Woche reichen. Und halten Sie sich um Himmels willen ruhig und unauffällig. Ich will nicht, dass sich die Franzosen dieses Haus unter den Nagel reißen. Es sind ein paar Schläuche mit erstklassigem Portwein im Keller. Und ich möchte nicht, dass Ihre Schluckspechte sich davon bedienen.«

»Das werden sie nicht, Sir«, sagte Sharpe. Gestern, als Christopher ihm zum ersten Mal gesagt hatte, dass er und seine Männer im Landhaus bleiben müssten, hatte ihm der Colonel einen Brief von General Cradock gezeigt. Der Brief war so lange unterwegs gewesen, dass er ziemlich abgegriffen und zerknittert war, und die Tinte war verwaschen, aber er besagte eindeutig auf Englisch und Portugiesisch, dass Lieutenant Colonel James Christopher mit einer Sache von großer Wichtigkeit beauftragt war und jeder britische und portugiesische Offizier die Befehle des Colonels befolgen und ihm jede mögliche Unterstützung leisten musste. Der Brief machte klar - und nichts wies auf eine Fälschung hin -, dass sich Christopher in einer Position befand, Sharpe Befehle zu erteilen, und so klang er jetzt respektvoller als zuvor. »Sie werden den Portwein nicht anrühren, Sir«, sagte er.

»Gut, gut. Das war alles, Sharpe. Sie können wegtreten.«

»Sie reiten nach Süden, Sir?«, fragte Sharpe.

»Ich habe Ihnen doch gesagt, dass ich General Cradock besuchen werde.«

»Könnten Sie vielleicht einen Brief von mir an Captain Hogan mitnehmen, Sir?«

»Dann schreiben Sie ihn schnell, Sharpe. Ich muss mich mit dem Aufbruch beeilen.«

Sharpe schrieb den Brief schnell. Er schrieb nicht gern, denn er hatte nie richtig schreiben gelernt, jedenfalls nicht in einer Schule, und er wusste, dass seine Formulierungen so unbeholfen waren wie seine Handschrift, aber er teilte Hogan mit, dass er nördlich des Flusses gestrandet und ihm befohlen worden war, im Landhaus Quinta do Zedes zu bleiben. Und dass er, sobald er von diesem Befehl entbunden war, zum Dienst zurückkehren würde. Er nahm an, dass Christopher diesen Brief lesen würde, und so erwähnte er nichts von dem Colonel und übte keine Kritik an seinen Befehlen. Er gab den Brief Christopher, der Zivilkleidung trug und von dem Franzosen begleitet wurde, der ebenfalls keine Uniform trug. Sie ritten am Vormittag fort. Luis ritt mit ihnen.

Kate hatte ebenfalls einen Brief geschrieben. An ihre Mutter. Sie war an diesem Morgen blass gewesen und hatte anscheinend geweint, was Sharpe auf die bevorstehende Trennung von ihrem Ehemann zurückführte, doch in Wirklichkeit war Kate durcheinander, weil Christopher sie nicht mitnehmen wollte. Er hatte es brüsk abgelehnt. »Wo wir hinreisen, ist es extrem gefährlich. Durch die feindlichen Linien zu reiten kann tödlich sein, und solch einem Risiko kann ich dich nicht aussetzen.« Er hatte Kates Betrübnis gesehen und ihre Hände in seine genommen. »Glaubst du etwa, mir gefällt es, mich so bald von dir zu trennen? Verstehst du nicht, dass mich nur dienstliche Angelegenheiten von höchster Priorität von deiner Seite reißen können? Du musst mir vertrauen, Kate. Ich finde, Vertrauen ist in der Ehe sehr wichtig, meinst du nicht auch?«

Kate hatte versucht, nicht in Tränen auszubrechen, und ihm zugestimmt.

»Du wirst sicher sein«, hatte Christopher gesagt. »Sharpes Männer werden dich beschützen. Ich weiß, dass Sharpe ein unbeholfener Kerl ist, aber er ist ein englischer Offizier, und das bedeutet, dass er fast ein Gentleman ist. Und du hast eine große Dienerschaft, die dich beaufsichtigt.« Er runzelte die Stirn. »Hat Sharpe dich belästigt?«

»Nein«, sagte Kate. »Ich werde ihm einfach aus dem Weg gehen.«

»Ich glaube, darüber wird er sogar froh sein. Lady Grace hat ihn vielleicht ein bisschen gezähmt, aber er fühlt sich sichtlich unbehaglich unter zivilisierten Leuten. Ich bin überzeugt, dass du völlig sicher sein wirst, bis ich zurückkehre. Ich kann dir eine Pistole geben, wenn du dich dann sicherer fühlst.«

»Nein«, sagte Kate, denn sie wusste, dass es im Zimmer ihres verstorbenen Vaters eine Pistole gab, und sie bezweifelte, dass sie Sharpe abschrecken musste. »Wie lange wirst du fort sein?«, fragte sie.

»Eine Woche. Höchstens zehn Tage. Das kann man bei solchen Dingen nie ganz genau sagen, aber sei versichert, meine Liebste, dass ich zu dir eilen werde, sobald es mir möglich ist.«

Sie gab ihm den Brief für ihre Mutter. Der Brief, geschrieben beim Kerzenlicht kurz vor der Morgendämmerung, sagte Mrs Savage, dass ihre Tochter sie liebe und es ihr sehr leidtue, sie getäuscht zu haben, dass sie aber trotzdem mit einem wundervollen Mann verheiratet sei, den sie sicherlich gernhaben würde, als sei er ihr eigener Sohn. Kate versicherte ihrer Mutter, bald wieder bei ihr zu sein, wenn es ihr möglich sei.

Colonel James Christopher las den Brief seiner Frau, als er gen Oporto ritt. Dann las er Sharpes Brief.

»Etwas Wichtiges?«, fragte Hauptmann Argenton.

»Banalitäten, mein lieber Captain, nur Banalitäten«, sagte Christopher, und dann las er Sharpes Brief ein zweites Mal.

»Guter Gott, man erlaubt heutzutage halben Analphabeten, Offiziere des Königs zu sein«, sagte er schließlich seufzend, zerriss beide Briefe und ließ die Fetzen im kalten, nassen Wind davonfliegen, dass die weißen Schnipsel einen Moment wie Schneeflocken hinter seinem Pferd wirkten. »Stimmt meine Annahme, dass wir eine Genehmigung brauchen werden, um den Fluss zu überqueren?«

»Ich werde eine vom Hauptquartier erhalten«, sagte Argenton.

»Gut«, sagte Christopher. Gut, weil in seiner Satteltasche ein dritter Brief war, von dem Hauptmann Argenton nichts wusste. Diesen Brief hatte Christopher selbst in tadellosem, perfektem Französisch geschrieben, und er war an Brigadier General Henri Vuillard in Marschall Soults Hauptquartier adressiert, an den Mann, den Argenton und seine Mitverschwörer am meisten fürchteten. Christopher lächelte, erinnerte sich an die Freuden der vergangenen Nacht und erwartete noch größere Freuden, die kommen würden. Er konnte sich glücklich preisen.


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