Kapitel 13

In der Nacht hatte der Überfall viel schlimmer ausgesehen, als er in Wirklichkeit war. Ungefähr zwanzig Einwohner waren getötet und etwa ein weiteres Dutzend verwundet worden. Nur ein halbes Dutzend Gebäude waren niedergebrannt. Einige andere waren beschädigt, ließen sich aber noch instandsetzen. Trotzdem wirkte sich der Schaden bei einer so kleinen Ortschaft wie Imleach verheerend aus. Zu den wichtigsten Gebäuden, die vernichtet waren, zählten die Schmiede, ein Lagerhaus und die Herberge, die Cred gehört hatte.

Abt Segdae und Bruder Madagan, die ihre Kopfverbände wie Auszeichnungen trugen, hatten das morgendliche Lobgebet zu einem kurzen Dankgottesdienst für die Errettung der Abtei gestaltet. Selbst der dicke Samradan nahm daran teil. Er schien etwas beschämt und reizbar. Fidelma und Eadulf gingen zusammen mit ihrem Vetter, dem Fürsten von Cnoc Äi-ne, in die Stadt, um sich selbst ein Bild von den Zerstörungen zu machen.

Über den großen Eibenbaum, dessen Reste vor der Abtei noch immer schwelten, wurde wenig gesprochen. Die Trauer um ihn überstieg alle Worte.

Der erste, den sie erblickten, als sie den Platz überquerten, war der Schmied Nion, der bo-aire. Er hatte ein verbundenes Bein und stützte sich schwer auf einen Stock. Gegen die Kälte des Morgens hatte er sich in einen langen Wollmantel gehüllt, den er an der Schulter mit einer silbernen sonnenförmigen Spange mit drei roten Granatsteinen geschlossen hatte, ähnlich der, die Finguine trug. Er starrte düster auf die Ruinen seiner Schmiede, während Suibne, sein Gehilfe, den Schutt durchsuchte. Als sie näher kamen, rochen sie den beißenden Gestank von verbranntem Holz gemischt mit anderen Gerüchen, die sie nicht gleich identifizieren konnten. Die Luft drang ihnen ätzend in die Lungen.

Nion sah nicht auf, als sie sich näherten.

»Es tut gut, dich am Leben zu sehen, Nion«, begrüßte ihn Finguine. Er schien den Schmied seit langem zu kennen.

Nion schaute auf und erkannte den Fürsten von Cnoc Äine.

»Mein Fürst, Gott sei Dank, daß du rechtzeitig kamst, sonst wären wir alle erschlagen und die ganze Stadt eingeäschert worden.«

»Leider kam ich nicht rechtzeitig genug, um dir deinen Verlust zu ersparen, Nion«, erwiderte der Fürst von Cnoc Äine und betrachtete finster die Ruinen der Schmiede.

»Ich werd’s überleben, denke ich. Andere aus unserer Stadt werden das nicht schaffen. Wir werden sehen, was wir aus der Asche retten können.«

»Es wird eine Weile dauern, bis deine Schmiede wieder aufgebaut ist«, bemerkte Finguine traurig. »Schade. Ich dachte gerade daran, deine Kunst zu nutzen und noch eine dieser Silberspangen bei dir zu bestellen.« Zerstreut betastete er seine Mantelspange. Dann fiel ihm Nions Verletzung auf. »Bist du schwer verwundet?«

»Schlimm genug«, erwiderte Nion. »Eine Weile werde ich wohl mein Geld nicht als Schmied verdienen können.«

»Warst du hier, als der Überfall begann?« schaltete sich Fidelma zum erstenmal ein.

»Ja.«

»Kannst du genau beschreiben, was sich abspielte?«

»Da gibt’s nicht viel zu sagen, Lady«, meinte er trübe. »Ich wurde durch den Lärm geweckt. Ich schlief im hinteren Raum meiner Schmiede. Ich lief hinaus und sah, wie mehr als zwanzig Mann durch die Straßen ritten. Creds Herberge stand schon in Flammen. Die Leute rannten wild durcheinander. Ich konnte nicht erkennen, wer die Angreifer waren, merkte nur, daß sie es darauf abgesehen hatten, die Stadt in Brand zu stecken. Also griff ich mir eins von den Schwertern, die ich zum Schärfen da hatte. Als bo-aire hatte ich meine Pflicht zu tun. Ich lief hinaus und wollte meine Schmiede und die Stadt retten, doch so ein Feigling schlug mich von hinten nieder. Als ich am Boden lag, stieß mir ein anderer die Lanze ins Bein. Dann griffen die Flammen auf die Schmiede über. Suibne, mein Gehilfe, schleppte mich weg und brachte mich in Sicherheit.« Verlegen sah er Finguine an. »Ich bin zwar bo-aire und müßte meine Leute schützen, aber man kann nicht von mir verlangen, daß ich Selbstmord begehe. Es waren keine Krieger hier, und niemand konnte mir helfen, den Angriff abzuwehren.«

»Du hast die Angreifer nicht erkannt? Du weißt nicht, wer sie waren oder woher sie kamen?« fragte ihn Finguine.

»Sie kamen aus dem Norden und ritten auch wieder nach Norden fort.« Der Schmied spuckte auf den Boden. »Da braucht man nicht viel zu fragen, wer sie waren.«

»Aber du weißt nicht mit Bestimmtheit, wer sie waren?« beharrte Fidelma.

»Wer sonst als die Dal gCais? Wer sonst als diese mordlustigen Ui Fidgente würde einen solchen Angriff auf Imleach unternehmen und den großen Eibenbaum zerstören?«

»Aber du weißt es nicht mit Sicherheit?« betonte sie nochmals.

Der Schmied kniff die Augen in unverhohlenem Zorn zusammen. »Wenn ich wieder einem Ui Fidgen-te begegne, brauche ich keinen Beweis, bevor ich ihn totschlage. Wenn ich mich irre, dann fahre ich gern zur Hölle aus Freude darüber, daß ich einen Ui Fidgente dahin mitnehme! Seht euch an, was sie meiner Stadt angetan haben.« Mit ausholender Armbewegung wies er auf die schwelenden Ruinen.

Finguine wandte sich mit ernster Miene an seine Kusine. »Die meisten unserer Leute denken so, Kusine. Wer sollte es auch sonst gewesen sein als die Ui Fidgente?«

Fidelma führte ihn und Eadulf weg von der Schmiede, bis sie außer Hörweite von Nion waren.

»Das ist es eben, was ich herausbekommen muß«, sagte sie. »Wenn es die Ui Fidgente waren, dann gut. Aber wir müssen sichergehen. Donennach von den Ui Fidgente hält sich gegenwärtig in Cashel auf, um einen Vertrag mit meinem Bruder zu schließen. Er und mein Bruder sind bei einem Mordversuch verwundet worden. In ein paar Tagen findet eine Verhandlung statt, in der wir den Ui Fidgente Doppelzüngigkeit nachweisen müssen, oder wir stehen vor allen fünf Königreichen von Eireann als die Angreifer da. Ich brauche keine Theorien. Ich brauche Beweise dafür, daß sie daran beteiligt waren.«

Finguine stimmte ihr zu. »Schade, daß sich jemand an eurem Gefangenen gerächt hat, sonst hätten wir etwas von ihm darüber erfahren können.«

»Ich frage mich, ob wirklich Rache der Grund dafür war, daß ihm jemand ins Herz stach und ihn so schnell und lautlos erledigte«, meinte Fidelma nachdenklich.

Finguine und Eadulf sahen sie überrascht an.

»Ich weiß nicht recht, was du damit andeuten willst«, sagte der Fürst von Cnoc Äine zögernd.

»Das ist doch ganz einfach«, erwiderte sie.

»Glaubst du, er wurde ermordet, damit er uns nicht preisgeben konnte, wer die Angreifer waren?« Eadulf hatte sehr wohl begriffen, worauf sie hinauswollte.

Fidelma nickte.

»Aber das würde bedeuten ... Ja, das würde bedeuten, daß ein Mitglied der Abtei mit den Angreifern im Bunde war«, stellte Eadulf fest.

»Oder jemand, der sich in der Abtei aufhält«, verbesserte ihn Fidelma. »Ist das so schwer vorstellbar? Jede Spur dieses Geheimnisses führt in die Abtei.«

Eadulf kratzte sich nachdenklich am Ohr.

»Ich rufe mir die Situation noch einmal ins Gedächtnis zurück. Wir ließen den Krieger gefesselt liegen und stiegen auf den Turm. War er noch am Leben, als wir wieder herunterkamen, nachdem wir Finguine gesichtet hatten? Ich kann es nicht mit Sicherheit sagen.«

»Ich auch nicht«, pflichtete ihm Fidelma bei. »Wurde er getötet, als wir uns auf dem Turm befanden oder als wir das Tor öffneten und hinausgingen, um Finguine zu begrüßen?«

»Nun, wenn er erstochen wurde, als wir auf dem Turm standen, dann hielten sich da noch mehrere Brüder in der Nähe des Tores auf. Es waren jene, die die Leichen von Cred und Bruder Daig in die Totenkammer schafften, und die, die Bruder Madagan auf sein Zimmer brachten.«

Fidelma überlegte.

»Als wir zurückkamen und das Tor öffneten, waren auch Bruder Tomar und Abt Segdae da. Noch ein paar andere Brüder standen dabei. Wir öffneten rasch das Tor und gingen hinaus zu Finguine. In der Zeit hätte leicht jemand den Mann erstechen können.«

»Es war jedenfalls genug Zeit, ihn zu töten, und jeder der Brüder hätte es tun können«, seufzte Eadulf.

»Das alles hilft uns nicht dabei, Kusine, herauszufinden, wer die Angreifer waren«, unterbrach ihn Fin-guine. »Tote reden nicht.«

Fidelma sah ihren Vetter einen Moment an und lächelte wissend. »Manchmal verrät ein Toter eine ganze Menge«, antwortete sie. »Der tote Krieger ist der einzige, der uns Hinweise auf die Angreifer geben kann. Ich meine, wir sollten ihn und seine Sachen untersuchen. Vielleicht ergibt das eine Spur.«

Sie waren auf dem Weg zur Abtei, als einer von Finguines Männern, der sich den gefällten Eibenbaum genauer angesehen hatte, auf sie zueilte und dem Fürsten etwas ins Ohr flüsterte. Mit einem triumphierenden Lächeln wandte sich Finguine zu ihnen um.

»Ich glaube, wir wissen jetzt, wo die Schuld zu suchen ist«, erklärte er mit Befriedigung. »Kommt mit.«

Sie folgten dem Mann zum Eibenbaum. Er wies auf ein Stück unverbranntes Holz von dem gestürzten Stamm. Darauf war etwas eingeritzt: die groben Umrisse eines Ebers.

»Das Emblem des Fürsten der Ui Fidgente«, erklärte Finguine überflüssigerweise.

Fidelma betrachtete es einen Moment.

»Es ist interessant, daß sich jemand während eines heimlichen nächtlichen Überfalls soviel Mühe machte, uns wissen zu lassen, wer die Angreifer waren«, überlegte sie.

In diesem Augenblick ertönte ein helles Trompetensignal.

Es waren Finguines Leute, die von der Verfolgung der Angreifer zurückkehrten.

Auf staubbedeckten, müden Pferden ritten sie in die Stadt ein. Ihr Anführer erblickte Finguine, kam heran, hielt und glitt vom Pferd. Seine Füße hatten kaum den Boden berührt, als er schon unzufrieden den Kopf schüttelte.

»Nichts«, brummte er. »Wir haben sie verloren.«

Finguine runzelte ärgerlich die Stirn. »Verloren? Wie denn?«

»Sie durchquerten einen Fluß, und wir verloren ihre Spur.«

»In welche Richtung ritten sie, als sie euch aus den Augen gerieten?« fragte der Fürst von Cnoc Äine.

»Nach Norden, auf die Berge zu, meine ich. Wir verloren ihre Spuren im Toten Fluß. Von dort hätten sie jede Richtung einschlagen können. Ich glaube aber, sie ritten weiter nach Norden.«

»Habt ihr denn das Nordufer nicht danach abgesucht, wo sie den Fluß verließen?« forschte Finguine.

»Wir ritten ungefähr eine Meile in beide Richtungen und suchten nach ihren Spuren, fanden aber keine. Der Boden ist dort sehr steinig.« Der Mann reagierte mit Bitterkeit auf den Vorwurf seines Fürsten.

»Ich wollte deine Tüchtigkeit nicht anzweifeln«, versicherte ihm Finguine. »Iß was und ruhe dich aus.«

Der Krieger wollte sich seinen Männer wieder anschließen, als sein Blick auf den gefällten uralten Eibenbaum fiel.

»Das ist ein schlimmes Zeichen, Finguine. Das bedeutet Unheil«, sagte er leise.

Der Mund des Fürsten von Cnoc Äine wurde zu einem schmalen Strich. »Das bedeutet weiter nichts, als daß die Täter zur Rechenschaft gezogen werden«, fauchte er.

»Einen Moment«, rief Fidelma dem Krieger nach, der sein Pferd fortführen wollte. »Weshalb meinst du, daß sie vom Toten Fluß nach Norden davonritten?«

Der Mann wandte sich um, zögerte und zuckte die Achseln. »Warum sollten sie nach Norden reiten, als wäre der Teufel hinter ihnen her, und dann am Fluß eine andere Richtung einschlagen? Sie hatten es offensichtlich eilig, sich auf ihrem eigenen Gebiet in Sicherheit zu bringen.«

»Vielleicht ritten sie zum Fluß, weil sie wußten, daß sie dort ihre Verfolger leichter abschütteln könnten?« fragte Eadulf an Fidelmas Stelle.

Der Krieger zog eine saure Miene. »Ich werde keine Predigt halten, Bruder, solange du keine Krieger in die Schlacht führst. Ich meine trotzdem, sie ritten nach Norden.«

»Vielleicht hättest du dann auch nach Norden reiten sollen?« fragte Fidelma trocken.

Der Krieger wollte antworten, aber Finguine gab ihm ein Zeichen, er möge sich entfernen.

»Er ist ein guter Mann, Kusine«, sagte Finguine entschuldigend. »Es ist schlechter Stil, die Entscheidung eines Kriegers in Zweifel zu ziehen.«

»Ich meine trotzdem, daß er falsch entschieden hat. Wenn er glaubte, sie ritten nach Norden, dann hätte er seiner Eingebung folgen müssen.« Fidelma schaute auf den gefällten Eibenbaum. »Wohin ich mich in diesem Fall auch wende, überall stoße ich auf Annahmen und Vermutungen. Ich brauche mehr als ein eingeritztes Zeichen an einem Baum. So ein bekanntes Symbol kann jeder anbringen.«

Finguine sah sie überrascht an. »Heißt das, du willst diesen Beweis ignorieren?«

»Nein, ich ignoriere niemals einen Beweis. Aber solch einer muß sorgfältig geprüft werden, man kann ihn nicht einfach übernehmen. Eine Zeichnung, die man vielleicht absichtlich hinterlassen hat, um uns glauben zu machen, es sei ein Zeichen der Angreifer, genügt mir nicht.«

»Vielleicht sollten wir nun die Leiche des Kriegers untersuchen?« schlug Eadulf vor. »Möglicherweise finden wir Hinweise auf seine Identität.«

Sie gingen zurück zur Abtei, während Finguine weiter die Schäden in der Stadt in Augenschein nahm. Eadulf fragte plötzlich: »Du glaubst nicht, daß das alles Zufälle sind, nicht wahr?«

»Daß die Ereignisse nicht zusammenhängen?« Fi-delma dachte einen Moment nach.

»Zufälle gibt es.«

»Wir sind wegen des Mordversuchs in Cashel nach Imleach gekommen, das führte uns in die Abtei. Als wir hier eintrafen, stellten wir fest, daß Bruder Moch-ta, der Bewahrer der heiligen Reliquien Ailbes, mitsamt diesen Reliquien verschwunden ist und daß sich eine der Reliquien bei einem der Attentäter befand und daß dieser für Mochta gehalten wurde, doch dann fanden wir diese seltsame Sache mit der Tonsur heraus. Der Angriff auf die Abtei und die Stadt und die Zerstörung des heiligen Eibenbaumes der Eoghanacht könnten zufällig damit zusammentreffen, doch das ist unwahrscheinlich.«

»Ich sehe da aber keinen Zusammenhang«, protestierte Eadulf, der das leichte Lächeln, das Fidelmas Mund umspielte, nicht bemerkt hatte.

»Betrachten wir also mal die Zusammenhänge«, meinte Fidelma. »Man findet die Reliquie bei dem Attentäter. Der Attentäter war ein Mönch, und seine Beschreibung paßt genau auf Bruder Mochta, bis hin zu der Tätowierung eines bestimmten Vogels auf dem Unterarm. Das sind Tatsachen, keine Zufälle.«

»Und was ist mit der Tonsur?« bohrte Eadulf. Sie waren im Kreuzgang der Abtei stehengeblieben.

»Und was ist mit der Tatsache, daß sich der andere Attentäter, der Bogenschütze, ein paar Tage hier in Imleach aufgehalten hat? Er kaufte seine Pfeile von Schmied Nion. Warum wurde Samradans Kutscher ermordet, als er uns verraten wollte, daß sich der Bogenschütze hier auch mit Bruder Mochta traf und mit einem anderen Mann, den er mit ngdomna anredete, dem Titel eines Fürsten. Das sind ebenfalls Tatsachen.«

»Stimmt. Aber ich nenne dir eine Tatsache, die keinen Sinn ergibt«, wandte Eadulf ein. »Der zeitliche Ablauf stimmt überhaupt nicht. Wie konnte dieser Bruder Mochta beim Abendgebet hier in Imleach mit einer Tonsur des heiligen Johannes gesehen werden und weniger als zwölf Stunden später in Cashel mit den Resten einer römischen Tonsur, auf der das Haar seit mehreren Wochen gewachsen war?«

Fidelma schob den Einwand beiseite. »Was besagt die Tatsache, daß der Kaufmann Samradan aus Cashel, dessen Lagerhaus der Ausgangspunkt des Mordanschlags war, sich hier in Imleach aufhält? Es war sein Kutscher, der uns von dem Bogenschützen berichtete, und er bezahlte mit seinem Leben dafür. Ist das ein Zufall?«

»Vielleicht, ich weiß es nicht. Wir müssen noch einmal mit Samradan reden.«

Fidelma lächelte. »In diesem Punkt stimme ich mit dir überein.«

»Ich glaube immer noch, wir bringen Dinge miteinander in Verbindung, zwischen denen kein Zusammenhang besteht«, beharrte Eadulf.

Fidelma unterdrückte ein Kichern. Sie genoß es, wenn Eadulf die Dinge auf den Punkt brachte, denn es half ihr beim Nachdenken. Oft benutzte sie seinen Widerspruch, um ihre eigenen Gedanken zu überprüfen, doch das durfte sie ihm nicht sagen.

»Ich meine, in einem können wir sicher sein«, faßte Eadulf zusammen. »Darin, denke ich, hat der Schmied Nion recht. Ich weiß wenig von dem Volk, das ihr die Ui Fidgente nennt, aber alle scheinen sich einig, daß die hinter dem Angriff stecken. Es können sich doch nicht alle irren.«

»Eadulf, wenn ich dem Gericht nicht Beweise, sondern nur Verdachtsmomente vorzulegen brauchte, hätte ich keinen Zweifel, daß die Ui Fidgente binnen einer Stunde verurteilt wären. Aber so arbeiten unsere Gerichte nicht. Beweise werden benötigt, und die müssen wir beschaffen, oder wir müssen die Ui Fidgente für unschuldig erklären.«

In diesem Augenblick überquerte Bruder Tomar den Hof.

»Weißt du, wo sich der Kaufmann Samradan aufhält?« rief ihn Fidelma an.

Bruder Tomar schüttelte rasch den Kopf. Wie sie inzwischen erfahren hatte, war er der Pferdewärter der Abtei. Er war ein ungehobelter Bursche vom Lande, der die Gesellschaft seiner Tiere der von Menschen vorzog.

»Er hat die Abtei verlassen.«

Bruder Tomar wollte weitergehen, doch Fidelma hielt ihn an. »Verlassen?« fragte sie. »Ist er in die Stadt gegangen?«

»Nein. Er fuhr mit seinen Wagen weg.«

»Sind denn seine Kutscher unverletzt geblieben? Ich dachte, ich hätte gesehen, daß Creds Herberge niedergebrannt ist.«

Bruder Tomar antwortete in mürrischem Ton: »Das hab ich von einem der Kutscher gehört. Anscheinend sind zwei von ihnen dem Morden entgangen, denn Samradan kam mit drei Kutschern an und ist mit zweien abgefahren. Die beiden Wagen kamen zur Abtei, jeder mit einem Kutscher, und Samradan schloß sich ihnen an. Sie haben die Straße nach Norden genommen.«

»Nach Norden«, murmelte Fidelma.

»Samradan hat dir gesagt, er wolle nach Norden«, erinnerte sie Eadulf.

»Allerdings«, sagte Fidelma langsam. »Nach Norden.«

Bruder Tomar wartete noch. »Das stimmt, Schwester. Ich hörte, wie er seine Kutscher anwies, sie sollten zur Furt des Toten Flusses fahren.«

Fidelma dankte dem Pferdewärter, dann gingen sie und Eadulf auf die Suche nach dem Apotheker.

Als sie die Totenkammer der Abtei betraten, fanden sie Bruder Bardan, den Apotheker und Bestatter der Abtei, allein dort vor. Er legte gerade letzte Hand an das Leichentuch seines Freundes, des jungen Bruders Daig. Seine Augen waren gerötet und seine Wangen feucht von Tränen.

»Was sucht ihr hier?« fragte er gereizt.

»Beruhige dich, Bruder«, versuchte Fidelma ihn zu besänftigen. »Ich verstehe, daß dir der arme Daig sehr nahe stand. Wir wollen dich auch nicht in deinem Schmerz stören, doch wir müssen uns die Leiche des Kriegers genauer ansehen.«

Verärgert wies Bruder Bardan auf die andere Seite der Kammer.

»Die Leiche liegt auf dem Tisch dort in der Ecke.

Ich bereite sie nicht zur Bestattung vor. Der hat kein christliches Begräbnis verdient«, sagte er in aggressivem Tonfall, als erwarte er Widerspruch.

»Das ist dein gutes Recht«, bestätigte Fidelma ihm ungerührt. »Wo ist Creds Leiche? Liegt sie auch hier?«

»Ihre Leiche ist schon hergerichtet, und ihre Angehörigen haben sie zum Friedhof des Ortes gebracht. Ich habe gehört, daß viele Menschen bei dem Überfall getötet wurden und heute begraben werden müssen.«

Fidelma ging hinüber zu der Leiche des Kriegers und winkte Eadulf, ihr zu folgen.

Noch hatte niemand Arme und Beine des Mannes losgebunden. Nach wie vor bedeckte der Helm seinen Kopf, und das Visier war geschlossen.

Fidelma nahm ihm den Helm ab. Der Mann war Anfang dreißig. Seine Züge waren grob und von seiner Lebensweise verhärtet. Auf der Stirn wies er die blasse Narbe eines alten Schwerthiebs auf. Seine Knollennase und sein gedunsenes Gesicht ließen vermuten, daß er dem Essen und Trinken sehr zugetan war.

»Binde ihm Hände und Füße los, Eadulf.«

Eadulf befolgte ihre Anweisung, während sie auf den Toten hinabstarrte, in der Hoffnung, irgend etwas zu finden, was Näheres über seine Person aussagte. Ihr erster Eindruck bestätigte sich, daß es sich um einen Berufskrieger handelte. Allerdings war sein Kettenhemd alt und stellenweise vom Rost angefressen.

Sie half Eadulf, dem Toten den Waffengurt abzunehmen. Dann zogen sie ihm das Kettenhemd und den Lederkoller aus. Darunter trug er ein schwarzgefärbtes Leinenhemd und einen Kilt. An all dem war nicht zu erkennen, wer er war oder woher er kam.

Sie stellte fest, daß sein Mörder ihm den Dolch unter dem Kettenhemd in die Brust gestoßen hatte. Der Tod mußte schnell eingetreten sein. Sie forderte Ea-dulf auf, ihm das Hemd und die Unterkleidung auszuziehen.

Auch der Körper wies keine besonderen Merkmale auf, nur ein paar alte Narben von Verwundungen, die zeigten, daß er sein Leben als Berufskrieger verbracht hatte.

»Allerdings war er kein guter Krieger«, ergänzte Fidelma, nachdem Eadulf das festgestellt hatte.

»Woher weißt du das?«

»Er ist zu oft verwundet worden. Der bessere Krieger ist der, der solche Wunden zufügt.«

Schweigend nahm Eadulf das zur Kenntnis.

»Es ist doch eigenartig, daß er keine Geldtasche bei sich trägt«, sagte Fidelma nach einer Weile.

Eadulf versuchte zu erraten, worauf sie hinauswollte.

»Ach so.« Sein Gesicht hellte sich auf. »Du meinst, wenn er ein Berufskrieger war, ein Söldner, würde er sich für seine Dienste bezahlen lassen?«

»Genau. Wo hätte er dann seine Geldtasche?«

»Er würde sie zu Hause lassen.«

»Und wenn er weit weg von zu Hause wäre, was dann?«

Darauf wußte Eadulf keine Antwort.

»Er könnte sie irgendwo hinterlegen und sie nach dem Überfall wieder abholen. Doch das ist gefährlich. Nein, die meisten Berufskrieger führen ihre Habe bei sich.« Plötzlich erhellte sich ihr Gesicht. »Vielleicht hatte er Satteltaschen. Ich hatte fast vergessen, daß wir ja auch noch sein Pferd haben.«

Sie sah zu Bruder Bardan hinüber, der mit seiner Arbeit fertig war. »Was willst du mit der Leiche dieses Mannes machen?«

»Meinetwegen kann sie verwesen«, erwiderte der Apotheker unversöhnlich.

»Verwesen wird sie sicher«, meinte Fidelma. »Nur wird man entscheiden müssen, ob man sie hier verwesen lassen will oder woanders.«

Bruder Bardan seufzte. »Jedenfalls wird sie nicht auf dem Gelände der Abtei begraben mit den anderen Brüdern, neben ...« Er wies auf die Leiche Bruder Daigs. »Ich werde Nion, den bo-aire, kommen lassen und ihn bitten, die Leiche zum Friedhof des Ortes schaffen zu lassen.«

»Sehr gut«, sagte Fidelma und setzte leise zu Eadulf hinzu: »Wir gehen zum Pferdestall und sehen uns Pferd und Zaumzeug des Kriegers an.«

Eadulf nahm das Schwert des Mannes auf.

»Hast du das schon untersucht?« fragte er.

Sie schüttelte den Kopf und ließ es sich reichen. Es war ungefähr neunzig Zentimeter lang, die Klinge wurde in der Mitte breiter, ehe sie sich zum Heft hin wieder verjüngte. Das Heft war mit sechs Nieten befestigt.

»Das ist nicht das Schwert eines armen Mannes«, meinte Eadulf. »Mir ist, als hätte ich kürzlich eins von ähnlicher Machart gesehen.«

»Das hast du auch«, erwiderte sie ironisch. »Es ähnelt dem des Attentäters. Erinnerst du dich? Dies ist auch ein claideb det.«

»Ein Zahnschwert?« übersetzte Eadulf wörtlich. »Ich dachte, es wäre aus Metall gemacht wie alle anderen.«

Fidelma lächelte geduldig und wies auf den Griff. »Das Heft ist mit eingeritzten Tierzähnen verziert. Ich weiß, daß nur in einer bestimmten Gegend in den fünf Königreichen Eireanns die Schmiede solchen Schmuck verwenden, wenn ich nur wüßte, in welcher. Es ist eine ganz typische Verzierung.«

»Du meinst, daran könnte man erkennen, woher dieser Mann kommt?«

»Nicht unbedingt«, erwiderte sie. »Wir wüßten nur, wo das Schwert hergestellt wurde. Aber da wir gerade von Zufällen sprachen, es ist doch wohl kaum ein Zufall, daß der Attentäter und dieser Räuber eine solche auffallende Waffe führten?«

Eadulf überlegte und nickte zustimmend. »Wie hast du es genannt - claideb det?« fragte er und betrachtete die Waffe mit neuem Interesse.

»Machaeram beluinis ornatam dolatis dentibus«, erklärte sie es ihm lateinisch. »Ein mit eingeritzten Tierzähnen geschmücktes Schwert. Behalte es, Eadulf. Es kann noch einmal wichtig werden.«

Ein letztes Mal untersuchte Fidelma die Leiche und die Kleidung des Kriegers und stellte fest: »Nein, hier gibt es keine Hinweise, die uns weiterhelfen könnten. Wir wissen nur, daß der Mann kein Amateur war, doch ob er als Berufskrieger im Dienste eines Fürsten stand oder als Bandit einfach auf Beute aus war, das läßt sich nicht sagen. Alles, was er trug, könnte aus jeder Ecke der fünf Königreiche stammen, mit Ausnahme .«

»Mit Ausnahme des Schwertes«, unterbrach sie Ea-dulf.

»Mit Ausnahme des Schwertes«, wiederholte sie. »Aber das nützt mir nichts, solange ich mich nicht erinnern kann, welcher Stamm seine Schwerter auf diese Art verziert.«

Sie wandte sich zur Tür der Totenkammer und erklärte Bruder Bardan: »Ich bin mit der Leiche des Räubers fertig.«

Der Apotheker nickte knapp. »Mach dir keine Sorgen. Die wird beseitigt.«

Draußen zog Eadulf ein mißbilligendes Gesicht. »Anscheinend nimmt Bruder Bardan die Lehre unseres Glaubens, man solle seinen Feinden vergeben, nicht sehr ernst. >Seid aber untereinander freundlich, herzlich und vergebet einer dem andern, gleichwie Gott euch vergeben hat in Christo.< Vielleicht sollte man ihn an diesen Text erinnern?«

»Epheser, Kapitel vier«, gab Fidelma das Zitat an. »Ich glaube eher, daß Bruder Bardan zu denen gehört, die ihre Feinde lieber der Vergebung Gottes anheimstellen und ihnen selbst keine bieten. Aber er ist eben ein Mensch mit all seiner Schwachheit. Daig bedeutete ihm sehr viel.«

Eadulf begriff plötzlich, was sie meinte, und sagte nichts weiter dazu.

Als sie durch den Kreuzgang zurückgingen, trafen sie Abt Segdae, der mit hängendem Kopf im Schatten saß. Er roch an einem kleinen Bündel Kräuter.

Er sah auf, als sie sich näherten, und lächelte schwach. Dann wies er auf die Kräuter.

»Bruder Bardan sagt, ihr Aroma ist gut gegen meine Kopfschmerzen.«

»Was macht deine Wunde, Segdae?« fragte Fidelma. Sie mochte den alten Abt sehr, er war seit Jahrzehnten ein enger Freund ihrer Familie.

»Die Beule soll schlimm aussehen, aber die Schleuderkugel hat glücklicherweise nicht die Haut platzen lassen. Ich habe nur eine Schwellung und schlimme Kopfschmerzen weiter nichts.«

»Du mußt dich schonen, Segdae.«

Der Abt lächelte schwach. »Ich bin ein alter Mann, Fidelma. Vielleicht sollte ich hier Platz machen für einen Jüngeren. Die Annalenschreiber werden es verzeichnen, daß während meiner Amtszeit als Comarb von Ailbe die heiligen Reliquien gestohlen wurden und der heilige Eibenbaum von Imleach zerstört wurde. Kurzum, ich habe es zugelassen, daß die Eogha-nacht entehrt wurden.«

»Du darfst nicht daran denken, dein Amt aufzugeben« widersprach ihm Fidelma. Für sie war Segdae eine der fest stehenden Säulen des Königreichs.

»Ein Jüngerer wäre vielleicht nicht so dumm gewesen sich auf den Turm zu stellen und sich von einer Schleuderkugel fällen zu lassen«, erwiderte Segdae trübsinnig.

»Segdae, wenn du ein Kriegsherr wärst, würde ich dir sofort raten, dein Amt abzugeben«, erklärte ihm Fidelma offen. »Aber du bist ein Seelenhirt. Es ist nicht deine Aufgabe die Verteidigung gegen einen Überfall zu organisieren. Du bist hier, um als Ratgeber, Lenker und Vater deiner Gemeinschaft zu wirken. Tapferkeit muß immer nach den Umständen beurteilt werden. Manchmal zeugt es schon von Tapferkeit, daß man einfach am Leben bleibt.«

Der Abt, der in Eadulfs Augen seit ihrer Ankunft in der Abtei sehr gealtert schien, schüttelte den Kopf.

»Erfinde keine Entschuldigungen für mich, Fi-delma. Ich hätte so handeln müssen, wie es die Notwendigkeit erforderte. Ich habe meine Gemeinschaft enttäuscht. Ich habe das Volk von Muman enttäuscht.«

»Du gehst mit deinem eigenen Verhalten sehr hart ins Gericht, Segdae. Deine Gemeinschaft braucht deine Weisheit mehr denn je. Keine kriegerische Weisheit, sondern die praktische Weisheit, für die du berühmt bist. Fasse keine voreiligen Entschlüsse.«

Der alte Mann seufzte und hielt sich das Bündel Kräuter vors Gesicht.

Fidelma bedeutete Eadulf mit einer Kopfbewegung, daß sie ihn seinen Gedanken überlassen sollten.

Sie fanden Bruder Tomar im Pferdestall, in dem auch ihre eigenen Pferde untergebracht waren. Er säuberte die Boxen.

Der Pferdewärter schien überrascht, daß sie ihn zum zweitenmal in so kurzer Zeit störten.

»Hast du etwas vergessen, Schwester?« fragte er.

Fidelma kam sofort zur Sache.

»Das Pferd des toten Räubers. Steht es hier im Stall?«

Bruder Tomar wies auf eine der Boxen.

»Ich habe es gut versorgt, Schwester. Ich habe es abgerieben und gefüttert. Das Pferd kann doch nichts für die Fehler seines Herrn.«

Fidelma und Eadulf gingen zu der Box. Fidelma war Pferdekennerin und hatte reiten beinahe früher gelernt als laufen. Sie musterte die junge rotbraune Stute scharf. Ihr fielen eine Narbe links an der Bugspitze und von Gebiß und Geschirr wundgeriebene Stellen auf. Offensichtlich war der Krieger kein guter Reiter gewesen, sonst hätte er die junge Stute besser gepflegt. Die Narbe bewies, daß das Pferd an Kämpfen beteiligt war. Es hatte jedoch keine frische Wunde.

Fidelma betrat die Box und untersuchte nacheinander alle Hufe. Das Tier ließ es friedlich geschehen, denn ein Pferd spürt es, wenn ein Mensch ihm nicht übelwill.

»Etwas Interessantes?« fragte Eadulf nach einer Weile.

Seufzend schüttelte Fidelma den Kopf.

»Das Pferd ist gut beschlagen, doch nichts verrät, wo es beschlagen wurde oder woher es stammt.«

»Wir könnten Nion fragen, ob er die Hufeisen erkennt«, meinte Eadulf.

Fidelma verließ die Box und untersuchte das in der Nähe hängende Geschirr.

»Ich nehme an, dieses Geschirr gehörte zu dem Pferd, Bruder Tomar?« rief sie ihm zu.

Der Pferdewärter fegte immer noch aus. Er blickte herüber. »Ja. Der Sattel dort auch.«

Das Zaumzeug war von der üblichen Art, srian genannt, mit nur einem Zügel.

Der einfache Ledersattel wurde über ein ech-dillat, eine Pferdedecke, geschnallt, wie sie Krieger bevorzugten. Fidelma bemerkte sofort die daran hängende lederne Satteltasche.

Mit einem leisen Knurren der Befriedigung hob sie sie auf und öffnete sie. Zu ihrer Überraschung erwies sie sich als leer. Sie enthielt nicht einmal Wäsche zum Wechseln. Offensichtlich hatte jemand den Inhalt entfernt.

»Bruder Tomar«, rief sie, »hast du die Stute abgesattelt?«

Neugierig schlenderte Bruder Tomar herbei, den Besen in der Hand. »Ja, habe ich.«

»Befand sich etwas in dieser Satteltasche, als du sie abnahmst?«

»Ich glaub schon, hab allerdings nicht reingesehen. Sie war aber schwer. Ich hab sie da hingestellt und danach nicht mehr angerührt.«

Fidelma starrte auf die leere Tasche.

»War jemand im Stall, seit du das Pferd hier hereingebracht hast?« fragte sie dann Bruder Tomar.

Der junge Stallwärter rieb sich nachdenklich das Kinn.

»Viele Leute«, antwortete er schließlich. »Fürst Finguine und ein paar von seinen Männern. Viele Brüder kamen aus verschiedenen Gründen.«

»Wie meinst du das?«

»Dies ist eine Abkürzung zu unseren Vorratshäusern. Viele Brüder gingen zur Stadt, um zu sehen, wie sie helfen könnten, und kamen her, um Vorräte zu holen und sie dann unter den Geschädigten zu verteilen.«

Enttäuscht preßte Fidelma die Lippen zusammen.

»Es hätte also jeder in die Satteltasche hineinsehen und etwas herausnehmen können?«

»Warum hätte er das tun sollen?«

»Ja, warum wohl?« sagte Fidelma leise, mehr zu Eadulf als zu dem Pferdewärter.

Eadulf schob das Kinn vor. »Ich verstehe. Derselbe Mensch, der den Räuber erstach, als wir gerade nicht hinsahen, nahm wahrscheinlich seine Habseligkeiten an sich? Damit können wir wieder nicht feststellen .«

Er hielt inne, denn Fidelma schaute ihn mißbilligend an.

Bruder Tomar machte neugierige Augen.

»Ein schlechter Tag«, meinte der Pferdewärter schließlich.

»Er wird aber besser«, versicherte Eadulf.

»Das bezweifle ich, Bruder Angelsachse«, erwiderte Tomar. »Es ist zuviel Blut geflossen, als daß dieser Ort wieder davon gereinigt werden kann. Vielleicht ist Imleach verflucht. Aber Rache ist verständlich. Viele in dieser Gemeinschaft waren wütend über den sinnlosen Mord an Bruder Daig.«

»Die Zeit kann Orte reinigen, an denen sinnlose Bluttaten begangen wurden«, meinte Fidelma. »Kein Ort ist verflucht, wenn nicht die Leute daran glauben.«

Sie nickte dem Pferdewärter zu, nahm Eadulf am Ellbogen und steuerte ihn nach draußen.

»Wir haben bei dem Mord an dem Krieger das Naheliegendste übersehen«, sagte sie aufgeregt.

»Was denn?« fragte Eadulf.

»Daß Bruder Bardan Bruder Daig besonders nahestand. Bruder Tomar benutzte den Ausdruck Rache. Wir sollten feststellen, wo Bruder Bardan war, als der Krieger getötet wurde.«

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