XIV Der Segelmacher aus Bristol

«Wird es nicht langsam Zeit, Sir?«fragte Davy. Bolitho spähte vorsichtig über die Felsen; bleich hob sich sein Hemd gegen den schon dunkler werdenden Himmel ab.

«Ja, das glaube ich auch. Carwithen soll antreten lassen.»

In der kühlen Abendbrise überlief ihn ein Frösteln. Sowie die Sonne hinter den Bergen versunken war, wurde es in Minutenschnelle kalt. Sie hatten zu lange in der Sonne gelegen, geplagt von Durst und Hitze, von Legionen von Fliegen. Bolitho musterte den Umriß des vor Anker liegenden Schoners und die an der Poop und im Bug glimmenden Lichter. Das Feuer am Strand war zu einem Häufchen glühender Asche erstorben. Niemand hielt sich mehr dort auf, soweit er sehen konnte; aber vermutlich hockte der Späher immer noch gegenüber auf seiner Felskante.

Allday meldete flüsternd:»Klar zum Abmarsch, Captain«, und paßte dabei auf, daß sein Entersäbel nicht an die Felsen schlug.»Mr. Davy kontrolliert noch mal, ob auch jeder weiß, was er zu tun hat.»

Wortlos nickte Bolitho und versuchte, die Entfernung zu schätzen, die sie überwinden mußten. Sonderbarerweise kam sie ihm im Dämmerlicht größer vor; aber nach den ruhigen Stimmen zu urteilen, die hier und da in Bruchstücken vom Schoner herüberklangen, schienen sie dort noch nicht bemerkt zu haben, daß einer von ihnen fehlte.

Davy glitt heran.»Ich habe Carwithens Abteilung losgeschickt, Sir. «Er warf einen Blick auf die wenigen hellen Wölkchen.»Der Wind ist ziemlich stetig.»

«Ja. «Bolitho kontrollierte seine Pistole und schnallte den Gürtel enger.»Folgt mir einzeln im Gänsemarsch.»

Geistergleich glitten sie über die letzte Felsbarriere. Wenn einer auf lose Kiesel trat, hörte sich das in der Abendstille überlaut an. Aber wie Davy schon bemerkt hatte, hielt sich der Wind, so daß die Brandung laut genug war, um die schwachen Geräusche zu übertönen, welche die Männer machten.

Einmal, als sie um den Fuß des Hügels bogen, traten sie fast auf zwei schlafende Seevögel, die mit schrillem Kreischen aufflatterten. Die ganze Abteilung erstarrte vor Schreck.

Bolitho wartete, horchte auf seinen eigenen Herzschlag und auf das erregte Atmen der Männer hinter ihm. Nichts. Er hob den Arm, und sie schritten weiter.

Über die Schulter konnte er hinten noch die Felsbrocken sehen, in deren Schutz sie ungeduldig auf den Sonnenuntergang gewartet hatten; jetzt lagen sie schon weit oberhalb seiner langsam vorrückenden Abteilung. Inzwischen hatten sie fast Meereshöhe erreicht; er hörte einen Mann leise fluchen, der aus Versehen in den ersten kleinen Priel trat. Davys Abteilung mußte zur Rechten flaches Wasser durchwaten; Bolitho hoffte nur, es würde keiner der Länge nach in einen der Priele fallen, die dort von der auflaufenden Flut schon überdeckt wurden.

Flüchtig dachte er an sein Schiff, das auf der anderen Seite der Insel vor Anker lag, an die altgewohnten Geräusche und Gerüche. An Herrick, der nervös auf die Nachricht von Sieg oder Katastrophe wartete. Im letzteren Fall konnte er ihnen nicht mehr helfen. Es würde dann seine Sache sein, mit dem Feind Kontakt aufzunehmen und daraus zu machen, was er konnte. Es war leichter, wenn man die anderen als Feinde betrachtete, nicht als Menschen von Fleisch und Blut wie man selbst.

Allday faßte ihn hastig am Arm.»Ein Boot hält auf uns zu,

Captain!»

Bolitho hob den Arm, beide Abteilungen machten lautlos halt. Das Boot mußte von der ihnen abgewandten Seite des Schoners gekommen sein. Er sah den Schaum der eintauchenden Riemen und der Bugwelle — jetzt stieß es durch die Brandung.

Bolitho dachte an Carwithen und seine Handvoll Männer, die außen herum gingen, um dem einsamen Wächter in den Rücken zu fallen. Sie mußten jetzt ungefähr am Ziel sein. Carwithens brutale Wildheit fiel ihm wieder ein — ob er den unglücklichen Posten inzwischen niedergemacht hatte?

Unvermittelt erklang eine Stimme in der Dunkelheit, und Bolitho dachte schon, Carwithen sei aufgehalten worden. Aber die Stimme kam vom Boot her, und trotz der fremden Sprache hörte Bolitho, daß der Mann eine Frage stellte. Oder vielleicht einen Namen rief.

Allday flüsterte:»Sie suchen nach dem Vermißten, Captain. «Er ließ sich auf die Knie nieder, um das Boot gegen die hellere Brandung besser erkennen zu können.»Sechs sind es.»

Leise sagte Bolitho:»Aufpassen, Jungs! Laßt sie rankommen. «Er hörte, wie einer der Männer mit den Zähnen knirschte: gespannt, nervös, das waren sie alle, verängstigt vielleicht durch die ungewohnte Umgebung.

«Einer klettert drüben den Abhang zum Ausguck hinauf«, flüsterte Allday.

Vorsichtig zog Bolitho seinen Degen. Natürlich. Dort mußte jemand zuerst hingehen und den Posten fragen, ob er den Vermißten gesehen hatte. Die anderen fünf schlenderten den Strand entlang und unterhielten sich, sorglos ihre Waffen schwingend.

Bolitho warf einen Blick hinter sich. Seine Männer knieten fast unsichtbar, duckten sich hinter Felsen oder lagen im flachen Wasser. Er wandte sich wieder um und beobachtete die näherkommenden Schatten. Noch zwanzig Yards, noch fünfzehn. Jetzt mußten sie bald entdeckt werden.

Ein furchtbarer Schrei zerriß die Stille und hing noch in der Luft über der Felsenkante, als der Mann schon tot war.

Die fünf Schatten fuhren erschrocken herum — der Todesschrei mußte von ihrem Wachtposten oben gekommen sein.

«Drauf, Leute!«brüllte Bolitho.

Wortlos sprangen alle hoch und stürzten sich auf die fünf Gestalten, die auf die Brandung zurannten. Einer rutschte aus, fiel lang hin, versuchte aufzustehen, wurde aber vom Entersäbel eines Matrosen niedergeschlagen und blieb als winselnder Haufen liegen, während der Matrose weiterlief. Die anderen hatten das Boot erreicht, konnten es aber, da zwei Mann fehlten, nicht sofort ins tiefere Wasser schieben. Stahl blitzte in der Dunkelheit auf, die Matrosen waren über ihnen, es kam zu einem wilden und mörderischen Kampf. Ein Matrose blieb mit dem Fuß in einer Ducht hängen, fiel hin und wurde, ehe er wieder hochkommen konnte, von einem langen Säbel buchstäblich in den Sand genagelt. Aber sein Gegner fiel fast gleichzeitig über ihn. Die restlichen beiden warfen ihre Waffen weg, wurden aber von den wütenden Matrosen niedergemacht.

«Wir haben einen Mann verloren, Sir«, meldete Davy knapp, drehte den Leichnam auf den Rücken und nahm ihm den Entersäbel aus der Hand.

Bolitho stieß seinen Degen in die Scheide. Ihm zitterten die Beine vom schnellen Rennen, aber auch vor nervöser Spannung. Er blickte zu dem vor Anker liegenden Schoner hinüber: kein Ruf, kein Alarmzeichen. Einmal glaubte er, Gesang über die rauschende Brandung herüberwehen zu hören, eine fremde, unbestimmt traurige Melodie.

«Verdammt nachlässiger Ausguck, Sir«, sagte Davy heiser.

Die Männer sammelten sich jetzt bei den Booten. Das eine lag schon den ganzen Tag hier und am höchsten auf dem Strand. Um es zu Wasser zu bringen, würden mehr Männer nötig sein als bei dem zuletzt angekommenen.»Hätten Sie an ihrer Stelle mit einem Angriff gerechnet?«fragte Bolitho.

Davy zuckte die Schultern.»Wahrscheinlich nicht.»

Carwithen kam den Abhang herunter; er lief so schnell, daß seine Männer Mühe hatten, ihm zu folgen. Wütend sagte er:»Dieser elende Narr Lincoln war zu langsam mit seinem Dolch!«Böse funkelte er die Umstehenden an.»Mit dem rede ich noch!»

«Boote zu Wasser«, befahl Bolitho. Zu den sechs Marineinfanteristen sagte er:»Ihr nehmt das zweite. Was zu tun ist, wißt ihr.»

Einer von ihnen, der, welcher den Schoner zuerst gesehen hatte, brummte:»Alles klar, Sir. Wir gehen mit dem Boot so auf Position, daß wir die Poop sehen können, und putzen jeden weg, der da an den Laternen vorbeikommt.»

Bolitho lächelte zufrieden.»Hauptmann Bellairs hat Sie mit Recht ausgesucht.»

«Hier lang, Captain«, flüsterte Allday.

Die Brandung umspülte ihm Beine und Unterkörper; er fühlte das rauhe Dollbord des Bootes und Alldays Hand, die ihn hineinzog.

«Stoß ab!»

Bolitho zwang sich gewaltsam, nicht auf die wild arbeitenden Riemen zu blicken, auch nicht auf Allday, der sich mit allen

Kräften bemühte, das Boot durch die Brandung zu steuern. Jetzt brauchte es nur eine Ladung gehacktes Blei vom Schoner, und sein ohnehin fadenscheiniger Plan mißlang schon im Ansatz. Das Boot stampfte schwer; die Riemen zogen besser, als es sich erst einmal aus der starken Grundströmung gelöst hatte. Die schlanken Masten des Schoners drohten herüber; das Gewirr der restlichen Takelage verschwamm gegen den dunklen Himmel.

Allday stand breitbeinig und wachsam über der Ruderpinne, die er leicht mit den Fingerspitzen hielt.

«Ruder an!«Er neigte sich vor, damit sie ihn besser hörten.»Achtung, im Bug!»

Achteraus hörte Bolitho das regelmäßige Eintauchen der Riemen des zweiten Bootes, das eilig zum Bug des Schoners pullte.

«Jetzt oder nie, Captain!«stieß Allday aus und entblößte die Zähne, so daß die Männer im Boot sich fragten, was er denn zu grinsen hätte.

Bolitho erhob sich neben ihm und streckte den Arm aus, um das Boot von dem überhängenden Achterdeck frei zu halten, das wie eine gleitende Wand direkt über ihnen emporragte.

«Jetzt!»

Ein gellender Schrei und ein Rasseln — der Buggast schleuderte seinen Draggen über das Schanzkleid. Mit einem Knirschen stieß das Boot an die Bordwand; ein paar Männer fielen in dem Durcheinander hin, während die anderen voller Eifer über ihre Körper und die verschränkten Riemen, wie über eine lebende Brücke, an Deck des Schoners kletterten.

Schon hasteten ein paar Gestalten aus dem Vorderkastell, aber da knallte es dumpf; getroffen von der wohlgezielten Musketenkugel, wirbelte ein Mann herum — im hellen Licht der Pooplaterne sah es wie ein irrer Schattentanz aus.

Bolitho spürte mehr als er es sah, wie eine Gestalt aus den Speigatten auf ihn zusprang. Er duckte sich weg, und im selben Moment zischte etwas über seinen Kopf. Er führte einen Degenstoß nach dem Angreifer. Der Mann wich zurück, griff aber, eine mächtige Axt schwingend, gleich wieder an.

«Daß ihn die Pest…!«schrie Carwithen und feuerte seine Pistole direkt in das Gesicht des Mannes ab.

«Das reicht dem Bastard!«knurrte er befriedigt.

Einer von der Mannschaft des Schoners war in den Vormast geklettert. Ein Matrose enterte unter wütendem Gebrüll auf. Wieder knallte eine Muskete von dem zweiten, in der

Dunkelheit lauernden Boot her, aufstöhnend stürzte der Pirat aufs Deck, wo schon ein Entermesser auf ihn wartete.

Allday rief:»Die meisten verstecken sich unter Deck, Captain!«Er rannte zum Niedergang und feuerte hinunter.»Die haben die Schnauze voll, glaube ich.»

Bolitho spähte nach achtern zu den Laternen.»Ruft das andere Boot zur Verstärkung heran!»

An Deck des Schoners war es auf einmal still, und als Bolitho langsam auf die kleine Kajütslaterne direkt vor dem Steuerrad zuging, konnte er seine Schritte hören. Aber der Kampf war noch lange nicht vorbei.

Vorsichtig ging er um den Leichnam herum, der dort auf dem Rücken lag. Es war der erste, der von der Kugel des Marineinfanteristen gefallen war. Das tote Gesicht glänzte im Licht der Laterne; der Unterkiefer war weggerissen.

«Weg da, Captain!«schrie Allday, denn eben kletterte ein Pirat durch die Luke. Doch das Gesicht des Mannes verzerrte sich im Todeskampf, denn direkt unter ihm hatte jemand eine Pistole abgefeuert. Ein Schatten glitt durch den Pulverqualm; es war Lincoln, der Matrose mit der Narbe im Gesicht. Seine Augen waren hart wie Stein, als er sich durch die Luke zwängte und an Deck fallen ließ, direkt auf den Toten. Dumpf schlugen seine Füße auf dem Leichnam auf, er machte eine rasche Wendung, bei der er zweimal mit seinem Dolch zustieß — beim zweiten Stoß ertönte ein Schrei aus der Dunkelheit.

Hinter ihm schwärmten noch mehr Matrosen an Bord, und Bolitho rief:»Licht her! Macht Platz!»

Dann hörte man das Platschen nackter Füße, und aus dem längsseits liegenden Boot ertönte Armitages angsterfüllte Stimme.

Carwithen war schon unten im Kabinendeck und schob einen Matrosen beiseite, um einem verwundeten Piraten mit seinem Dolch den Rest zu geben. Bolitho blieb kurz am Niedergang stehen und sah sich nach Davy um, doch dabei war sein Verstand noch damit beschäftigt, daß Allday ihm soeben das Leben gerettet hatte. Ohne seine Warnung wäre er jetzt eine Leiche gewesen, und nicht jener arme Matrose.

«Mr. Davy! Beide Boote an Bord, sobald die Gefangenen entwaffnet und gefesselt sind!»

«Aye, aye, Sir!«antwortete der Leutnant siegesfroh.

«Und teilen Sie eine Wache für die Gefangenen ein! Ich will nicht, daß irgendein Fanatiker unter ihnen die Bilge aufschlägt, ehe wir auch nur Segel setzen können!»

Er stieg hinter Allday den Niedergang hinunter. Der Lärm an Deck klang nur noch gedämpft hinab und verstummte dann ganz.

Ein Matrose stieß eine Kabinentür mit dem Fuß auf und sprang mit gezogener Pistole in den Raum.

«Keiner hier, Sir!«Aber dann sah er, daß sich hinter einem umgestürzten Stuhl etwas bewegte.»Nein, Sir, da ist noch so ein Schurke. Ich hole ihn!»

Doch da schrak er zurück:»Jesus! Das ist ja einer von uns!»

Bolitho bückte sich unter die niedrigen Decksbalken und trat in die Kajüte. Er verstand den Schreck und die Überraschung des Matrosen. Da hockte ein Wrack von einem Mann; klein, verkrümmt lag er auf den Knien, die verschränkten Hände wie betend vorgestreckt, schwankend im Rhythmus der Schiffsbewegung.

Bolitho steckte den Degen in die Scheide und trat zwischen den zitternden Mann und den Matrosen, dessen Augen noch vor Kampfgier glühten.»Wer bist du?»

Er wollte nähertreten, aber der Mann warf sich ihm buchstäblich vor die Füße.»Gnade, Captain! Ich habe doch nichts getan! Bin bloß 'n ehrlicher Seemann!»

Er tastete nach Bolithos Schuhen, und als dieser sich bückte, um ihn aufzuheben, sah er mit Schrecken, daß man dem Mann sämtliche Fingernägel ausgerissen hatte.

«Steh auf!«sagte Allday grob.»Du sprichst mit einem Offizier des Königs!»

«Still!«Bolitho hob die Hand.»Sehen Sie ihn doch an! Der hat genug gelitten.»

Der Matrose ließ seinen Entersäbel fallen und half dem Mann in einen Stuhl.»Ich hole ihm was zu trinken, Käpt'n!«Er riß ein Schapp auf und fuhr erschrocken herum, als der Kleine angstvoll schrie:

«Rühr das nicht an! Er zieht dir bei lebendigem Leibe die Haut ab, wenn du auch nur hineinzuschauen wagst!»

«Wer?«fragte Bolitho.

Da erst schien der Mann zu begreifen. Was jetzt geschah, gehörte nicht mehr zu der furchtbaren Folge von Alpträumen, die er erlebt hatte. Er starrte in Bolithos ernstes Gesicht; die Tränen rannen ihm hilflos über die hohlen Wangen.

«Muljadi!»

«Was — ist der hier?«keuchte Carwithen.

Der elende kleine Mann spähte an Bolitho vorbei; seine angsterfüllten Augen sahen die Matrosen im Gang, den Toten bei der Luke.

«Da! Sein Sohn!»

Bolitho fuhr herum und beugte sich über den Mann, den Lincoln niedergestochen hatte. Natürlich, das hätte er sehen müssen, statt sich selbst zu gratulieren, weil er einem gräßlichen Tod entgangen war.

Der Mann lebte noch, obwohl Lincolns Klinge ihm tief in Hals und Schulter gedrungen war und eine große klaffende Wunde gerissen hatte. Nur um Haaresbreite mußte sie die Arterie verfehlt haben. Der Mann war nackt bis zum Gürtel, aber seine weite Hose, jetzt von seinem eigenen Blut und dem des Matrosen befleckt, war aus feinster Seide. Die Augen waren fest geschlossen, die Brust hob und senkte sich unter raschen, unregelmäßigen Atemzügen.

«Lassen Sie mich den Bastard fertigmachen, Sir!«bettelte Carwithen.

Bolitho achtete nicht auf ihn. Der Verwundete war nicht viel älter als zwanzig; um den Hals trug er ein goldenes Medaillon in Form einer aufgerichteten Raubkatze — wie das Tier auf Muljadis Flagge. Da bot sich vielleicht eine Möglichkeit.

«Verbindet ihn!«befahl Bolitho kurz.»Ich will ihn lebend haben!«Er wandte sich dem zerlumpten kleinen Mann in der Kajüte zu.»Meine Leute werden sich um dich kümmern, aber erst will ich… »

Der Mann verdrückte sich zur Tür.»Ist es wirklich vorbei, Sir?«Er zitterte heftig und war nahe am Zusammenbrechen.»Ist das nicht bloß wieder so ein grausamer Trick?»

Allday erwiderte ruhig:»Das ist Captain Bolitho, Alter, von Seiner Majestät Schiff Undine.».

«Und jetzt sag uns, wer du bist!«befahl Bolitho.

Der Kleine sank wie ein verprügelter Hund wieder auf dem Fußboden zusammen.

«Ich war Segelmacher, Sir, auf der portugiesischen Bark Alvarez. Hab' in Lissabon angemustert, weil ich mein Schiff verloren hatte. Wir fuhren Stückgut von Java, da wurden wir von Piraten überfallen.»

«Wann war das?«fragte Bolitho. Er sprach ganz langsam, denn der Mann war offenbar völlig durcheinander.

«Vor einem Jahr, Sir, glaube ich. «In angestrengtem Nachdenken kniff er die Augen zu.»Sie brachten uns zu Muljadis Ankerplatz, wenigstens die Überlebenden. Die meisten hat Muljadi umgebracht. Mich hat er nur leben lassen, weil ich Segelmacher bin. Einmal hab' ich versucht zu fliehen. Nach 'ner Stunde hatten sie mich wieder und haben mich gefoltert. «Sein Zittern verstärkte sich.»Die ganze Bande sah zu, hatte ihren Spaß dran und lachte. «Er sprang auf, packte sein Entermesser, das an der Tür lag, und schrie:»Sie haben mir alle Fingernägel ausgerissen, und noch Schlimmeres getan, die verfluchten Hunde!»

Lincoln packte ihn beim Handgelenk und drehte es so, daß das Entermesser nicht mehr auf den Verwundeten gerichtet war.»Langsam, Alter! Sonst stellst du noch was an mit dem Ding.»

Irgendwie schien Lincolns gelassen-freundliche Stimme den Kleinen zu beruhigen. Er drehte sich um und blickte Bolitho ganz vernünftig an.»Mein Name ist Jonathan Potter, Sir, aus Bristol.»

Bolitho nickte.»Schön, Jonathan, du kannst mir nützlich sein. Deine Kameraden werden davon zwar nicht wieder lebendig, aber vielleicht können wir andere vor einem ähnlichen Schicksal bewahren. Allday, kümmern Sie sich um ihn!»

Er trat aus der Kajüte, dankbar für die frische Luft an Deck, für die Aktivität, mit der Davys Leute Vorbereitungen zum Segelsetzen trafen. Potter war sicherlich der einzige Engländer auf der portugiesischen Bark gewesen. Nur deswegen hatte Muljadi ihn! am Leben gelassen. Und ihn wie einen Sklaven gehalten, ihn so geschunden, daß er kaum noch einem Menschen glich. Das paßte nur zu dem, was er bisher über Muljadi gehört hatte.

Davy kam zu ihm herüber.»Ich bin soweit, daß wir Anker lichten können, Sir. «Er schwieg einen Moment, denn er merkte, daß Bolitho an etwas anderes dachte.»Dieser arme Teufel muß ja Schreckliches durchgemacht haben, Sir. Narben und Striemen von Kopf bis Fuß und nur noch Haut und Knochen.»

«Irgend etwas muß ihn am Leben erhalten haben, Mr. Davy. Angst vor dem Tod, Durst nach Rache, ich weiß nicht, was«, erwiderte Bolitho nachdenklich. Das Schiff krängte plötzlich in der Dünung, und er griff nach einem Stag.»Aber was es auch ist, ich werde es für unsere Zwecke nutzen.»

«Und der Kapitän des Schoners, Sir?»

«Wenn er wirklich Muljadis Sohn ist, dann haben wir einen guten Fang gemacht. Aber auf jeden Fall wünsche ich, daß er am Leben bleibt, also sagen Sie allen Leuten Bescheid. «Er dachte an das mörderische Glitzern in Carwithens Augen.»Aber wirklich allen!»

Er spähte querab zu der kleinen Insel hinüber, auf der so viel passiert war. Die gezackten Felsen lagen schon in tiefem Schatten.»Wir gehen gleich auf Südwestkurs, um Seeraum zu gewinnen. Gegen Sonnenaufgang müßten wir so weit sein, daß wir wenden und die Undine sichten können. «Er warf einen zufriedenen Blick auf die Männer, die geschäftig über Deck eilten.»Da haben wir eine hübsche kleine Prise aufgebracht.»

Überrascht starrte Davy erst Bolitho, dann den Schoner an; offenbar wurde ihm die Bedeutung erst jetzt richtig klar. Er nickte vergnügt.»Natürlich, Sir. Bestimmt ein schönes Stück Geld wert.»

Bolitho ging auf die andere Deckseite.»Dachte mir, daß Sie das interessieren würde, Mr. Davy. Aber jetzt schicken Sie Leute an das Gangspill und lassen Sie Anker lichten, solange der Wind sich hält. «Er mußte auch an Herrick denken.»Jedenfalls sind wir keine Bettler mehr.»

Verständnislos schüttelte Davy den Kopf. Dann sah er den Rudergänger an und die Ankercrew und grinste über das ganze Gesicht. Endlich eine Prise, und vielleicht die erste von vielen.

Noddall wartete schon in der Kajüte beim Eßtisch. Er nickte zufrieden, als Bolitho seinen geleerten Teller zur Seite schob.»So ist es schon besser, Sir! Der Mensch kann nur arbeiten, wenn er sich anständig sattgegessen hat.»

Bolitho lehnte sich behaglich im Stuhl zurück und ließ den Blick langsam in der Kajüte schweifen. Es war schön, wieder auf der Undine zu sein, besonders wenn man einen Erfolg seiner Mühen vorweisen konnte.

Die Laterne über dem Tisch warf schon einen blasseren Schein, und er sah durchs Heckfenster, daß die Morgenröte bereits einem wolkenlosen Tageshimmel gewichen war. Wie ein goldener Faden spannte sich die Kimm hinter der dicken, salzfleckigen Fensterscheibe.

Gestern hatte er fast um dieselbe Stunde mit dem gekaperten Schoner wieder die Undine erreicht; die Spannung und Anstrengung des blutigen Gefechts waren vorübergehend im Hurrageschrei der an der Reling stehenden Matrosen und

Seesoldaten untergegangen. Herrick war fast außer sich vor Freude gewesen und hatte darauf bestanden, daß Bolitho unverzüglich in seine Kajüte ging und sich erst einmal ausruhte.

Der Schoner war früher unter der Flagge der Holländischen Ostindischen Kompanie gefahren, doch ließ sich nicht sagen, wie lange er in den Händen der Piraten gewesen war. Nach dem Schmutz und der Unordnung zu urteilen, mußte es lange gewesen sein.

An Deck wurde Reinschiff gemacht: nackte Füße patschten, Wasser rauschte, die Pumpen quietschten. Bolitho ließ seinen Gedanken freien Lauf. Noddall hatte recht, das Frühstück hatte ihm gut geschmeckt: dünngeschnittener Schweinebauch, mit Zwiebackkrumen braungebraten, dazu starken Kaffee mit etwas Sirup darin.

Es klopfte, und Herrick trat ein. Er sah frisch und munter aus.»Der Wind weht stetig aus Südwest, Sir.»

«Gut, Thomas«, lächelte Bolitho.»Trinken Sie eine Tasse Kaffee mit mir.»

Es fiel Bolitho auf, daß sich Herrick jedesmal entspannte, wenn es galt, einen festen Plan auszuführen. Falls er wirklich ahnte, wie ungewiß dieser Plan noch im Kopf seines Kapitäns war, dann ließ er es sich jedenfalls nicht anmerken.

«Ich höre von Mr. Mudge, daß wir ungefähr zehn Knoten laufen, Sir. «Herrick nahm von Noddall einen Becher Kaffee entgegen.»Und er strahlt, als ob er ein Vermögen am Spieltisch gewonnen hätte«, fuhr er lächelnd fort.

Bolitho runzelte die Stirn.»Also sollten wir jederzeit Land sichten. Wenn der Wind gestern nicht so flau gewesen wäre, hätten wir jetzt schon da sein können. «Er reckte die Arme; welch angenehmes Gefühl an Brust und Rücken, wenn man ein frisches Hemd anhatte.»Aber es gab ja auch eine Menge zu tun.»

«Inzwischen hat Mr. Davy wohl schon den halben Weg zur Pendang Bay hinter sich.»

«Aye. Er wird sich wie ein Fregattenkapitän vorkommen, wenn ich mich nicht irre.»

Davy hatte von innen her gestrahlt, als Bolitho ihm das Kommando über den Schoner erteilt und ihn zu Conway geschickt hatte. Bolitho erinnerte sich an den Tag, als man ihm zum erstenmal das Kommando über eine Prise anvertraut hatte. Er war damals Leutnant gewesen und viel jünger als Davy. Wahrscheinlich hatte er ein ähnliches Gesicht gemacht. Es hieß immer, das erste selbständige Kommando wäre die wichtigste Phase der ganzen Karriere. Vielleicht würde es sich bei Davy ebenso wie bei ihm auswirken.

Er sah zum Skylight hoch, denn der Ausguck sang aus:»Deck ahoi! Land in Lee voraus!»

Bolitho lächelte, obwohl es ihm kalt den Rücken hinunterlief.»Wenn die Argus nicht hier ist, muß ich mir was Neues ausdenken.»

Die Tür öffnete sich, und Midshipman Armitage verkündete:»Mr. Soames läßt mit allem Respekt melden, Sir, daß der Ausguck Land in Lee voraus gesichtet hat.»

«Danke sehr, Mr. Armitage«, antwortete Bolitho.

Die umschatteten Augen des Jungen lagen tief in den Höhlen; seine Finger zuckten nervös an der geflickten Kniehose. Zum Unterschied von den anderen, die mit dabei gewesen waren, konnte er seine Gefühle nicht verbergen. Er hatte Angst und wußte, daß er sie nicht bezwingen konnte.

«Mein Kompliment an Mr. Soames«, sagte Bolitho,»und bestellen Sie ihm: in einer halben Stunde Geschützexerzieren für beide Wachen. «Nach kurzem Zögern fuhr er fort.»Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, sollten Sie es vielleicht jetzt dem Ersten Leutnant anvertrauen — oder auch mir, wenn Sie meinen, wir könnten Ihnen helfen.»

Armitage schüttelte den Kopf.»Nein, Sir, es geht schon wieder. «Er verschwand eilends.

«Was machen wir bloß mit ihm?«fragte Bolitho leise und sah seinen Freund an.

Der Leutnant hob die Schultern.»Man kann nicht jeden bei der Hand nehmen, Sir. Er wird schon darüber hinwegkommen. Schließlich haben wir uns alle einmal durchbeißen müssen.»

«Aber Thomas, das sieht Ihnen gar nicht ähnlich«, erwiderte Bolitho lächelnd.»Geben Sie doch zu, daß Sie sich um den Bengel Sorgen machen.»

«Na ja«, räumte Herrick etwas verlegen ein,»ich habe schon überlegt, ob ich mal mit ihm reden soll.»

«Wußte ich doch, Thomas. Sie haben nicht das richtige Gesicht zum Schwindeln.»

Wieder klopfte es, diesmal war es der Schiffsarzt.

«Nun, Mr. Whitmarsh?«fragte Bolitho,»geht es unserem Gefangenen schlechter?»

Whitmarsh schob sich durch die Tür wie in eine Zelle. Er duckte sich unter jeden Decksbalken, als suche er einen

Fluchtweg.»Es geht ihm soweit ganz gut, Sir. Aber ich bin immer noch der Meinung, daß es besser gewesen wäre, ihn mit dem Schoner zum Stützpunkt zurückzuschicken.»

Bolitho sah Herricks Wangenmuskeln arbeiten und wußte, gleich würde er sich die Unverschämtheit des Arztes verbitten. Wie den anderen Offizieren fiel es auch Herrick nicht leicht, seine Abneigung gegen Whitmarsh zu verbergen. Und der tat selbst wenig, um sich beliebter zu machen.

Ruhig erwiderte Bolitho:»Ich könnte schließlich nicht die Verantwortung für einen Gefangenen übernehmen, der nicht in meinem Gewahrsam ist, oder?»

Schweißtropfen bildeten sich auf der Stirn des Arztes. Hatte er so früh am Morgen schon getrunken? Ein Wunder, daß er sich noch nicht umgebracht hatte.

Oben hörte man taktmäßige Schritte und metallisches Klirren: die Marineinfanteristen traten zur Musterung an. Etwas gezwungen fügte Bolitho hinzu:»Sie müssen sich schon auf mein Urteil verlassen, Mr. Whitmarsh; ich rede Ihnen ja auch nicht drein.»

Der Arzt starrte ihn an.»Sie geben also zu: wenn Sie ihn nach Pendang Bay hätten schaffen lassen, wäre er gehängt worden?»

Ärgerlich warf Herrick ein:»Herrgott noch mal, Mann, schließlich ist der Kerl ein verdammter Pirat!»

Whitmarsh fixierte ihn böse. »Ihrer Meinung nach!»

Rasch erhob sich Bolitho und trat zum Fenster.»Nun bleiben Sie aber sachlich, Mr. Whitmarsh! Als gewöhnlicher Pirat würde er verurteilt und gehängt, wie Sie recht gut wissen. Aber falls er tatsächlich Muljadis Sohn ist, dann können wir ihn als Druckmittel benutzen. Hier steht mehr auf dem Spiel, sind mehr Menschenleben in Gefahr, als ich geglaubt habe. Da kann ich auf Ihre Privatgefühle keine Rücksicht nehmen.»

Whitmarsh hielt sich an der Tischkante fest und beugte sich vor.»Wenn Sie durchgemacht hätten, was ich… »

Bolitho wandte sich scharf zu ihm um.»Ich weiß Bescheid über die Sache mit Ihrem Bruder, und er tut mir aufrichtig leid. Aber wie viele Hochverräter und Mörder haben Sie schon hängen oder in Ketten verfaulen sehen, ohne auch nur einen Gedanken an sie zu wenden?«Er merkte, daß jemand oben an dem offenen Skylight stehen blieb, und senkte die Stimme.»Menschlichkeit bewundere ich. Aber Sentimentalität lehne ich ab. «Er beobachtete, wie die Wut in den Zügen des Arztes tiefem Schmerz wich.»Also geben Sie sich Mühe mit dem

Gefangenen«, fuhr er fort.»Wenn es ihm bestimmt ist, gehängt zu werden, kann ich es nicht verhindern. Aber wenn ich sein Leben zu unserem Vorteil nutzen kann und es ihm damit rette, dann um so besser.»

Unsicher wankte Whitmarsh zur Tür und sagte dumpf:»Und diesen Potter vom Schoner lassen Sie schon wieder Dienst machen!»

Jetzt lächelte Bolitho.»Sie sind aber wirklich hartnäckig, Mr. Whitmarsh! Potter hilft dem Segelmacher. Er wird sich schon nicht totarbeiten, und ich glaube, wenn er was zu tun hat, wird er sich schneller erholen als beim Brüten über seine Leiden.»

Etwas Unverständliches murmelnd, stelzte Whitmarsh steif aus der Tür.

«So eine Frechheit!«rief Herrick.»Den hätte ich an Ihrer Stelle mit einem Belegnagel Mores gelehrt!»

«Das bezweifele ich. «Bolitho schwenkte seinen Kaffeebecher, aber der war leer.»Doch er wird mich nie verstehen und noch weniger mir vertrauen.»

Dann ließ er sich von Noddall seine Galauniform und seinen besten Dreispitz bringen und kam sich ziemlich lächerlich vor, als der Steward ihn abbürstete und ihm Manschetten und Aufschläge zurechtzupfte.

«Ein böses Risiko gehen Sie da ein, Sir«, sagte Herrick unvermittelt.

«Aber eines, das sich nicht vermeiden läßt, Thomas. «Eben zog Noddall ein langes Haar von einem seiner Rockknöpfe. Ihr Haar. Ob Herrick das gesehen hatte?» Wir müssen dem französischen Kapitän trauen. Alles weitere ist bloße Spekulation.»

Noddall hatte den alten Degen vom Gestell genommen, aber er hängte ihn sich nur über den Arm — wußte er doch, daß er sein Leben riskierte, wenn er sich Alldays geheiligtes Ritual anmaßte.

Bolitho seinerseits dachte an Whitmarshs Zorn, der zum Teil nicht unbegründet war. Hätte er den Gefangenen ins Fort zurückgeschickt, wäre er von Puigserver bestimmt in Eisen gelegt worden, bis er ihn der nächsten spanischen Behörde übergeben konnte. Dort wäre er dann — falls er Glück hatte — ohne weitere Umstände gehängt worden. Wenn er kein Glück hatte… Nun, darüber dachte man am besten nicht nach. Der Sohn hätte für den Vater büßen müssen.

Wie es jetzt stand, mußten die Überlebenden der Schonerbesatzung, ein wüster Haufen, in Kürze ein rasches, unrühmliches Ende finden. Wieviele Menschen hatten sie auf dem Gewissen? Wieviele Schiffe hatten sie ausgeraubt, wieviele Besatzungen über die Klinge springen lassen oder zu menschlichen Wracks gemacht wie Potter, den Segelmacher aus Bristol? Da kamen sie vergleichsweise gut weg, wenn sie aufgeknüpft wurden.

Bolitho ging hinaus, noch immer tief in Gedanken über Recht und Unrecht bei Schnelljustiz.

An Deck war es frisch; die Tageshitze hatte noch nicht eingesetzt, und er machte, solange noch Zeit dazu war, einen kleinen Spaziergang an Luv. In dem schweren Galarock würde ihm bald der Schweiß ausbrechen, wenn er sich nicht im Schatten der vollen Segel hielt.

Fowlar tippte grüßend an die Stirn und fragte unsicher:»Darf ich Ihnen danken, Sir?»

«Sie haben es zweifellos verdient, Mr. Fowlar«, lächelte Bolitho. Er hatte den Steuermannsmaat zum Vizeleutnant befördert, um die Lücke zu füllen, die Davy an Bord hinterlassen hatte. Wäre der junge Keen mit ihnen gesegelt, hätte er das Glück gehabt. Nun würde Fowlars früheren Rang ein anderer bekommen. Für den würde wieder einer nachrücken, und so ging es immer weiter — wie auf allen Schiffen.

Herrick nahm Fowlar beiseite und wartete, bis Bolitho seinen Spaziergang wieder aufgenommen hatte.»Lassen Sie sich warnen: Sprechen Sie den Captain niemals an, wenn er seinen Spaziergang macht. «Er mußte über Fowlars Verwirrung lächeln.»Außer natürlich, wenn etwas wirklich Wichtiges vorliegt; aber Ihre Beförderung gehört nicht dazu. «Er klopfte ihm auf die Schulter.»Trotzdem — meine Gratulation!»

Bolitho hatte die beiden schon vergessen. Er hatte den dunklen Streifen Land gesehen, der gerade über der glitzernden Kimm auftauchte, und dachte darüber nach, was er dort wohl vorfinden würde. Aus der Entfernung sah es wie eine einzige weite Landmasse aus, aber er wußte, es war in Wirklichkeit eine Ansammlung kleiner Inseln, manche noch kleiner als die, vor der sie den Schoner aufgebracht hatten. Die Holländer hatten sie ursprünglich wegen ihrer günstigen Struktur und Lage okkupiert. Schiffe, die im Innern dieses Archipels ankerten, konnten bei jedem Wind nach jeder Richtung in See gehen und sich unter mehreren Passagen die kürzeste und beste aussuchen. Die Festung war zum Schutz vor Marodeuren gebaut worden, auch vor solchen wie dem, welcher jetzt selbst darin saß und jedem Staat, jeder Flagge Trotz bot. Die Holländer zählten die Benuas immer noch zu ihrem Besitz, aber wohl nur der Form halber; zweifellos waren sie froh, diesen Archipel mit seiner unheilvollen Geschichte los zu sein.

Unter der Back unterhielt sich der Segelmacher mit Potter. Ob der sich wohl jemals wieder richtig erholen würde? Es mochte ihm nicht leicht fallen, schon wieder so dicht bei Muljadis Festung zu sein. Aber außer dem Gefangenen war er der einzige, der gesehen hatte, was hinter den schützenden Riffen und Sandbänken lag.

Trotz seines schweren Rockes überlief Bolitho ein Schauer.

Wenn er nun seinen Gegner falsch eingeschätzt hatte? Dann konnte aus ihm ein zweiter Potter we rden, ein elendes, gebrochenes Wrack, so gut wie tot für seine Schwestern und alle seine Bekannten in England. Und Viola Raymond? Wie lange würde sie brauchen, um ihn zu vergessen?

Er schüttelte diese Stimmung ab und sagte:»Mr. Soames! Sie können auf Gefechtsstationen trommeln lassen. «Er sah, wie eine Welle der Erregung die Männer an Deck durchlief.»Üben Sie zuerst mit der Backbordbatterie!»

Allday kam das schiefliegende Deck herauf und drehte den Degen in den Händen, bevor er ihn Bolitho umschnallte.

«Sie nehmen mich doch mit, Captain?«Er fragte ganz ruhig, aber Bolitho sah an seinen Augen, wie gespannt er war.«»Diesmal nicht, Allday.»

Befehle schrillten durch das Mannschaftsdeck, atemlos rannten die Trommeljungen der Marineinfanterie zur Achterdeckreling, zogen die Schlegel aus dem weißen Koppel und begannen ihren drängenden Wirbel.

Allday beharrte:»Aber Sie werden mich brauchen!»

«Ja. «Bolitho blickte ihn ernst an.»Das werde ich immer… «Aber im Wirbeln der Trommeln und im Getrampel der Männer, die wieder einmal auf Gefechtsstation eilten, gingen die letzten Worte unter.

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