Durch die hohen, schmalen Fenster des höhlenartigen Thronraumes im Red Keep fiel das Licht der untergehenden Sonne auf den Boden, warf dunkelrote Streifen an die Wände, von denen einst die Drachenköpfe gehangen hatten. Nun war der Stein mit Wandteppichen von Jagdszenen behängt, lebhaft in Grün und Braun und Blau, und doch schien es Ned Stark, als sei die einzige Farbe in der Halle das Rot von Blut.
Er saß hoch oben auf dem mächtigen, uralten Thron Aegons des Eroberers, einer eisernen Monstrosität aus Stacheln und gezackten Rändern und grotesk verformtem Metall. Der Stuhl war, wie Robert ihn gewarnt hatte, höllisch unbequem, und das nie mehr als jetzt, da es in seinem zertrümmerten Bein mit jeder Minute heftiger pochte. Das Metall unter ihm war von Stunde zu Stunde härter geworden, und der mit Reißzähnen besetzte Stahl in seinem Rücken machte es ihm unmöglich, sich zurückzulehnen. Ein König sollte nie bequem sitzen, hatte Aegon der Eroberer gesagt, als er seinen Waffenschmieden befohlen hatte, einen großen Stuhl aus den Schwertern zu schmieden, die seine Feinde niedergelegt hatten. Verdammt sei Aegon für seine Arroganz, dachte Ned trübsinnig, und verdammt sei auch Robert mit seiner Jagd.
«Ihr seid ganz sicher, daß diese Leute mehr als Räuber waren?«fragte Varys leise vom Ratstisch unterhalb des Thrones her. Grand Maester Pycelle rührte sich unruhig neben ihm, während Littlefinger mit einer Feder spielte. Sie waren die einzigen anwesenden Ratsherren. Ein weißer Hirsch war im Königswald gesichtet worden, und Lord Renly und Ser Barristan hatten sich dem König auf dessen Jagd angeschlossen, dazu Prinz Joffrey, Sandor Clegane, Balon Swann und der halbe Hofstaat. Deshalb mußte Ned in seiner Abwesenheit den Thron besetzen.
Wenigstens konnte er sitzen. Sah man vom Rat ab, mußten alle anderen respektvoll stehen oder knien. Die Bittsteller drängten sich an den hohen Türen, die Ritter und die hohen Herren und Damen unter den Wandteppichen, das gemeine Volk auf der Empore, die Gardisten mit Kettenhemd und Umhang, golden oder grau: Sie alle standen.
Die Dörfler knieten: Männer, Frauen und Kinder gleichermaßen zerlumpt und blutig, die Mienen von Angst gezeichnet. Die drei Ritter, die sie hergebracht hatten, warteten hinter ihnen.
«Räuber, Lord Varys?«Ser Raymun Darrys Stimme troff vor Hohn.
«Oh, es waren Räuber, zweifelsohne. Lannister-Räuber.«
Ned spürte die Anspannung im Saal, als hohe Herren und Diener gleichermaßen angestrengt lauschten. Er konnte nicht vorgeben, überrascht zu sein. Der Westen war eine Zunderschachtel, seit Catelyn Tyrion Lannister festgenommen hatte. Sowohl Riverrun als auch Casterly Rock hatten zu den Fahnen gerufen, und die Armeen sammelten sich im Bergpaß unterhalb des Golden Tooth. Es war nur eine Frage der Zeit, bis Blut floß. Die Frage blieb nur, wie die Wunde danach am besten zu stillen war.
Ser Karyl Vance mit den traurigen Augen, der schmuck ausgesehen hätte, wäre da nicht das weinrote Muttermal gewesen, das sein Gesicht entstellte, deutete auf die knienden Dörfler.»Das ist alles, was von der Feste Sherrer geblieben ist, Lord Eddard. Der Rest ist tot, ebenso die Bevölkerung von Wendish Town und Mummer' s Ford.«
«Steht auf«, befahl Ned den Dörflern. Er traute Worten nicht, die auf Knien gesprochen wurden.»Ihr alle, steht auf.«
Die Feste Sherrer erhob sich auf die Beine. Einem alten Mann mußte geholfen werden, und ein junges Mädchen in blutigem Kleid blieb auf den Knien und starrte leeren Blickes
Ser Arys Oakheart an, der in der weißen Rüstung der Königsgarde am Fuße des Thrones stand, bereit, den König zu beschützen und zu verteidigen… oder, wie Ned vermutete, die Rechte Hand des Königs.
«Joss«, sagte Ser Raymun Darry zu einem dicklichen Mann mit wenig Haaren und einer Brauerschürze.»Erzählt der Hand, was in Sherrer vorgefallen ist.«
Joss nickte.»Wenn es Seiner Majestät beliebt…«
«Seine Majestät ist jenseits von Blackwater auf der Jagd«, erwiderte Ned und fragte sich, wie ein Mann sein Leben lang nur wenige Tagesritte vom Red Keep entfernt wohnen und dennoch keine Ahnung davon haben konnte, wie sein König aussah. Ned trug ein weißes Leinenwams mit dem Schattenwolf der Starks auf der Brust. Sein schwarzer Wollumhang war am Kragen mit der silbernen Hand seines Amtes befestigt. Schwarz und weiß und grau, alle Schattierungen der Wahrheit.»Ich bin Lord Eddard Stark, die Rechte Hand des Königs. Sagt mir, wer Ihr seid und was Ihr über diese Räuber wißt.«
«Ich führte… ich führte… ich führte eine Bierschenke, M'lord, in Sherrer. Das beste Bier südlich vom Neck, alle sagten das, ich bitte um Verzeihung, M'lord. Jetzt ist es weg wie alles andere auch, M'lord. Sie kamen und tranken und verschütteten den Rest, bevor sie mein Dach anzündeten, und sie hätten auch mein Blut vergossen, wenn sie mich zu fassen bekommen hätten, M'lord.«
«Sie haben uns ausgeräuchert«, berichtete der Bauer neben ihm.»Kamen in der Dunkelheit geritten, von Süden her, und haben Felder und Häuser gleichermaßen angesteckt und jeden getötet, der versuchte, sie aufzuhalten. Nur waren es keine Räuber, M'lord. Sie wollten unsere Vorräte nicht stehlen, nein, denn sie haben meine Milchkuh erschlagen und sie den Fliegen und Krähen überlassen.«
«Sie haben meinen Lehrlingsjungen niedergeritten«, wagte sich ein stämmiger Mann mit den Muskeln eines Schmieds und einem Verband um den Kopf vor. Er hatte seine feinsten Kleider angelegt, um bei Hofe zu erscheinen, doch seine Hosen waren geflickt, sein Umhang von der Reise verschmutzt und voller Staub.»Haben ihn auf ihren Pferden kreuz und quer über die Felder gejagt, mit ihren Lanzen auf ihn eingestochen, als wäre es ein Spiel, und dabei haben sie gelacht, und der Junge taumelte und schrie, bis der Große ihn glatt durchbohrt hat.«
Das Mädchen auf den Knien reckte den Hals zu Ned auf, hoch über ihr auf dem Thron.»Auch meine Mutter haben sie getötet, Majestät. Und sie… sie…«Ihre Stimme erstarb, als hätte sie vergessen, was sie eben sagen wollte. Sie begann zu schluchzen.
Ser Raymun Darry nahm die Geschichte auf.»In Wendish Town haben die Leute Zuflucht in ihrer Festung gesucht, aber die Mauern waren aus Holz. Die Angreifer haben Stroh daran aufgehäuft und sie alle bei lebendigem Leib verbrannt. Als die Menschen ihre Tore öffneten, um dem Feuer zu entfliehen, hat man sie mit Pfeilen niedergemacht, selbst Frauen mit Säuglingen.«
«Oh, grauenvoll«, murmelte Varys.»Wie grausam können Menschen sein!«
«Mit uns hätten sie dasselbe gemacht, nur ist die Feste Sherrer aus Stein«, sagte Joss.»Einige wollten uns ausräuchern, aber der Große sagte, flußaufwärts gäbe es reichere Ernte, und da sind sie nach Mummer's Ford gezogen.«
Ned fühlte den Stahl an seinen Händen, als er sich vorbeugte. Zwischen allen Fingern waren Klingen, und die Spitzen verdrehter Schwerter breiteten sich wie Krallen fächerförmig von den Lehnen des Thrones aus. Selbst noch nach drei Jahrhunderten waren einige davon so scharf, daß man sich an ihnen schneiden konnte. Der Eiserne Thron war voller
Fallen für den Unachtsamen. In den Liedern hieß es, tausend Klingen seien nötig gewesen, ihn zu bauen, weißglühend erhitzt im Höllenatem von Balerion, dem Schwarzen Schrecken. Neunundfünfzig Tage hatte das Hämmern gedauert. Am Ende war dieses bucklige, schwarze Ungetüm aus scharfen Kanten und Widerhaken und gezacktem Metall herausgekommen. Ein Stuhl, der einen Menschen töten konnte und das auch schon getan hatte, falls man den Geschichten Glauben schenken durfte.
Weshalb Eddard Stark darauf saß, würde er nie begreifen, aber hier saß er, und diese Leute suchten bei ihm Gerechtigkeit.»Welchen Beweis habt Ihr, daß es Lannisters waren?«fragte er und bemühte sich, seinen Zorn im Zaum zu behalten.»Haben sie rote Umhänge getragen oder ein Löwenbanner geschwenkt?«
«Nicht einmal die Lannisters wären so strohdumm«, fuhr Ser Marq Piper ihn an. Er war ein großspuriger, draufgängerischer kleiner Bursche, für Neds Geschmack zu jung und zu heißblütig, doch ein enger Freund von Catelyns Bruder Edmure Tully.
«Sie alle waren zu Pferd und mit Kettenhemd gepanzert, Mylord«, antwortete Ser Karyl ruhig.»Stahlbeschlagene Lanzen und Langschwerter trugen sie und Streitäxte zum Morden. «Er deutete auf einen der zerlumpten Überlebenden.»Du. Ja, du, keiner tut dir was. Erzähl der Hand, was du mir erzählt hast.«
Der alte Mann wackelte mit dem Kopf.»Was ihre Pferde angeht«, sagte er,»so sind sie auf Streitrössern geritten. Manches Jahr habe ich in den Ställen vom alten Ser Willum gearbeitet, daß ich den Unterschied erkenne. Keines davon hat je einen Pflug gezogen, die Götter stehen mir bei, falls ich mich täuschen sollte.«
«Räuber zu Pferd«, bemerkte Littlefinger.»Vielleicht haben
sie die Pferde bei ihrem letzten Überfall gestohlen.«
«Aus wie vielen Männern bestand diese Bande?«
«Einhundert mindestens«, antwortete Joss im selben Augenblick, während der bandagierte Schmied» Fünfzig «sagte, die Großmutter hinter ihm dagegen:»Hunderte und Aberhunderte, M'lord, eine ganze Armee war das.«
«Damit liegt Ihr richtiger, als Ihr glaubt, gute Frau«, erklärte Lord Eddard ihr.»Ihr sagt, sie härten keine Banner geschwenkt. Was ist mit den Rüstungen, die sie trugen? Hat jemand Schmuck oder Verzierungen bemerkt, Bilder auf Schild oder Helm?«
Der Brauer, Joss, schüttelte den Kopf.»Es tut mir leid, M'lord, aber nein, ihre Rüstungen waren schlicht, nur… der eine, der sie anführte, er war gerüstet wie die anderen, doch konnte man ihn nicht verwechseln. Schon seine bloße Größe, M'lord! Wer behauptet, die Riesen seien ausgestorben, hat diesen Mann noch nie gesehen, das schwöre ich. Groß wie ein Ochse war er, mit einer Stimme wie ein berstender Stein.«
«Der Berg!«sagte Ser Marq laut.»Hat jemand daran Zweifel? Es war Gregor Cleganes Werk.«
Ned hörte einiges Murmeln unter den Fenstern und am anderen Ende der Halle. Selbst auf der Empore tauschte man unruhiges Flüstern. Hohe Herren und kleine Leute gleichermaßen wußten, was es bedeutete, falls Ser Marq recht behalten sollte. Ser Clegane war ein Vasall Lord Tywin Lannisters.
Er betrachtete die furchtsamen Gesichter der Dörfler. Kein Wunder, daß sie so verängstigt waren. Sie hatten geglaubt, sie würden hergebracht, damit sie Lord Tywin einen Schlächter nannten, und zwar vor einem König, der durch Heirat dessen Sohn war. Er fragte sich, ob die Ritter ihnen eine Wahl gelassen hatten.
Gewichtig erhob sich Grand Maester Pycelle vom Ratstisch, und seine Amtskette klirrte.»Ser Marq, bei allem Respekt, Ihr könnt nicht wissen, ob dieser Verbrecher Ser Gregor war. Es gibt viele große Männer im Reich.«
«So groß wie der Reitende Berg?«sagte Ser Karyl.»Ich bin noch nie einem begegnet.«
«Wie auch alle anderen hier«, fügte Ser Raymun aufgebracht hinzu.»Selbst sein Bruder ist ein Welpe neben ihm. Mylords, öffnet Eure Augen! Müßt Ihr sein Siegel auf den Leichen sehen? Es war Gregor.«
«Warum sollte Ser Gregor zum Räuber werden?«fragte Pycelle.»Dank seines Lehnsherrn verfügt er über eine solide Festung und eigene Ländereien. Dieser Mann ist ein gesalbter Ritter.«
«Ein falscher Ritter!«sagte Ser Marq.»Lord Tywins wilder Hund.«
«Mylord Hand«, verkündete Pycelle mit steifer Stimme,»ich ersuche Euch, diesen guten Ritter daran zu erinnern, daß Lord Tywin Lannister der Vater unserer gütigen Königin ist.«
«Danke, Maester Pycelle«, sagte Ned.»Ich fürchte, es wäre in Vergessenheit geraten, wenn Ihr uns nicht darauf hingewiesen hättet.«
Von seinem Aussichtspunkt auf dem Thron konnte er sehen, daß Männer aus der Tür auf der anderen Seite des Saales schlichen. Hasen, die in ihren Löchern verschwanden, so kamen sie ihm vor… oder Ratten, die am Käse der Königin nagen wollten. Kurz erkannte er Septa Mordane auf der Empore, mit ihrer Tochter Sansa neben sich. Ned spürte kurz seinen Zorn aufwallen. Das war nicht der rechte Ort für ein Mädchen. Doch hatte die Septa nicht wissen können, daß heute anderes als das ermüdende Geschäft des Anhörens von Bittgesuchen, der Klärung von Disputen zwischen rivalisierenden Festungen und der Anerkennung von Grenzsteinen zu erwarten war.
Am Ratstisch unter ihm verlor Petyr Baelish das Interesse an seinem Federkiel und beugte sich vor.»Ser Marq, Ser Karyl, Ser Raymun… vielleicht darf ich Euch eine Frage stellen? Diese Festungen standen unter Eurem Schutz. Wo wart Ihr, während das Morden und Brennen vor sich ging?«
Ser Karyl Vance antwortete.»Ich habe meinen Hohen Vater durch den Paß unterhalb des Golden Tooth begleitet, wie auch Ser Marq. Als Ser Edmure Tully von diesen Greueltaten erfuhr, sandte er uns Nachricht, daß wir einen kleinen Trupp zusammenstellen sollten, um mögliche Überlebende zu finden und diese vor den König zu bringen.«
Ser Raymun Darry meldete sich zu Wort.»Ser Edmure hat mich mit meinen Mannen nach Riverrun gerufen. Ich lagerte am Fluß, seinen Mauern gegenüber, erwartete seine Befehle, als die Nachricht mich erreichte. Bis ich wieder auf meinem eigenen Land war, hatte Clegane mit seinem Ungeziefer den Roten Arm schon wieder überquert und ritt den Hügeln der Lannisters entgegen.«
Nachdenklich strich Littlefinger an seiner Bartspitze herum.»Und falls sie wiederkommen, Ser?«
«Falls sie wiederkommen, werden wir mit ihrem Blut die Felder wässern, die sie uns verbrannt haben«, erklärte Ser Marq Piper erhitzt.
«Ser Edmure hat Reiter in alle Dörfer und Festungen geschickt, die einen Tagesritt von der Grenze entfernt liegen«, erklärte Ser Karyl.»Der nächste Angreifer wird kein so leichtes Spiel haben.«
Und das könnte genau sein, was Lord Tywin plant, dachte Ned bei sich, die Stärke Riverruns ausbluten, den Jungen dazu verleiten, seine Recken zu zerstreuen. Der Bruder seiner Frau war jung und eher tapfer denn weise. Er würde versuchen, jede Handbreit seines Bodens, jeden einzelnen Mann zu verteidigen, und Tywin Lannister war gerieben genug, das zu wissen.
«Wenn Eure Felder und Festungen vor Schaden sicher sind«, fragte Lord Petyr gerade,»worum bittet ihr dann den Thron?«
«Die Lords vom Trident wahren den Frieden des Königs«, sagte Ser Raymun Darry.»Die Lannisters haben ihn gebrochen. Wir bitten um Erlaubnis, ihnen entsprechend zu antworten, Stahl gegen Stahl. Wir bitten um Gerechtigkeit für die Menschen von Sherrer und Wendish Town und Mummer's Ford.«
«Edmure gibt uns recht, wir müssen es Gregor Clegane mit blutiger Münze heimzahlen«, erklärte Ser Marq,»doch der alte Lord Hoster hat uns befohlen, herzukommen und die Erlaubnis des Königs zu erbitten, bevor wir losschlagen.«
Dann danken wir den Göttern für den alten Lord Hoster. Tywin Lannister war ebenso ein Fuchs wie auch ein Löwe. Falls er tatsächlich Ser Gregor zum Brennen und Plündern geschickt hatte — und Ned zweifelte nicht daran — , so hatte er dafür gesorgt, daß er im Schutz der Nacht ritt, ohne Banner, in der Aufmachung gemeiner Räuber. Sollte Riverrun zurückschlagen, würden Cersei und ihr Vater darauf beharren, daß es die Tullys gewesen waren, welche den Frieden gebrochen hatten, nicht die Lannisters. Die Götter allein mochten wissen, wem Robert glauben würde.
Erneut war Grand Maester Pycelle auf den Beinen.»Mylord Hand, wenn diese guten Leute glauben, daß Ser Gregor seinen heiligen Schwüren entsagt hat, um zu plündern und zu schänden, laßt sie zu seinem Lehnsherrn gehen und ihre Beschwerde vorbringen. Diese Verbrechen sind nicht Sache des Thrones. Sollen sie Lord Tywin um Gerechtigkeit ersuchen.«
«Alles ist das Recht des Königs«, erklärte Ned.»Norden, Süden, Osten oder Westen, wir handeln stets in Roberts Namen.«
«Das Recht des Königs«, sagte Grand Maester Pycelle.»So ist es, und daher sollten wir diese Angelegenheit aufschieben, bis der König…«
«Der König ist jenseits des Flusses zur Jagd und wird wahrscheinlich noch einige Tage fort sein«, unterbrach ihn Lord Eddard.»Robert hat mir befohlen, hier an seiner Stelle zu sitzen und mit seiner Stimme zu sprechen. Genau das gedenke ich zu tun, obwohl ich Euch zustimme, daß man es ihm mitteilen sollte. «Er sah ein vertrautes Gesicht bei den Wandteppichen.»Ser Robar.«
Ser Robar Royce trat vor und verneigte sich.»Mylord.«
«Euer Vater ist mit dem König auf der Jagd«, sagte Ned.»Würdet Ihr ihnen von dem, was heute hier verhandelt wurde, Nachricht bringen?«
«Umgehend, Mylord.«
«Dann haben wir Eure Erlaubnis, unsere Vergeltung gegen Ser Gregor auszuführen?«fragte Marq Piper den Thron.
«Vergeltung?«sagte Ned.»Ich dachte, wir sprächen von Gerechtigkeit. Cleganes Felder niederzubrennen und seine Leute zu erschlagen wird nicht den Frieden des Königs wiederherstellen, sondern nur Euren verletzten Stolz. «Er wandte sich ab, bevor der junge Ritter seinen wütenden Protest vorbringen konnte, und sprach die Dorfbewohner an.»Bewohner von Sherrer, ich kann Euch weder Eure Häuser noch Eure Ernte wiedergeben, und auch Eure Toten kann ich nicht zum Leben erwecken. Aber vielleicht kann ich Euch etwas Gerechtigkeit zukommen lassen im Namen unseres Königs Robert.«
Alle Augen im Saal waren erwartungsvoll auf ihn gerichtet. Langsam erhob sich Ned auf die Beine, stieß sich mit der Kraft seiner Arme vom Thron ab, wobei sein zertrümmertes Bein im Gips vor Schmerzen schrie. Er gab sich alle Mühe, den Schmerz zu überhören. Es war nicht der rechte Augenblick, vor ihnen Schwäche zu zeigen.»Die Ersten Menschen glaubten, daß ein Richter, der den Tod forderte, selbst das Schwert schwingen sollte, und im Norden halten wir noch heute daran fest. Mir mißfällt es, einen anderen auszusenden, damit er für mich tötet… nur scheint es, als hätte ich keine Wahl. «Er deutete auf sein gebrochenes Bein.
«Lord Eddard!«Der Ruf kam von der Westseite der Halle, und ein ansehnliches Bürschchen von einem Jungen trat kühn vor. Ohne seine Rüstung wirkte Ser Loras Tyrell sogar noch jünger als seine sechzehn Jahre. Er trug hellblaue Seide, sein Gürtel war eine Kette aus goldenen Rosen, dem Siegel seines Hauses.»Ich bitte um die Ehre, an Eurer Stelle handeln zu dürfen. Übertragt mir diese Aufgabe, Mylord, und ich schwöre, ich werde Euch nicht enttäuschen.«
Littlefinger gluckste.»Ser Loras, wenn wir Euch allein gehen lassen, schickt uns Ser Gregor Euren Kopf mit einer Pflaume in Eurem hübschen Mund zurück. Der Berg gehört nicht zu den Männern, die sich dem Recht irgendeines anderen unterwerfen.«
«Ich fürchte Gregor Clegane nicht«, antwortete Ser Loras überheblich.
Langsam ließ sich Ned auf Aegons mißgestalteten Thron herab. Seine Augen suchten in den Gesichtern entlang der Wand.»Lord Beric«, rief er aus.»Thoros von Myr. Ser Gladden, Lord Lothar. «Einer nach dem anderen traten die genannten Männer vor.»Jeder von Euch soll sich zwanzig Männer nehmen und mein Wort zu Gregors Festung bringen. Zwanzig meiner eigenen Garde werden mit Euch gehen. Lord Beric Dondarrion, Ihr sollt das Kommando übernehmen, wie es Eurem Rang entspricht.«
Der junge Lord mit dem rotgoldenen Haar verneigte sich.»Wie Ihr befehlt, Lord Eddard.«
Ned sprach mit lauter Stimme, damit sie auch am anderen Ende des Thronsaales zu verstehen war.»Im Namen Roberts aus dem Hause Baratheon, dem Ersten seines Namens, König der Andalen und der Rhoynar und der Ersten Menschen, Lord der Sieben Königslande und Protektor des Reiches, durch das Wort Eddards aus dem Hause Stark, seiner Rechten Hand, befehle ich Euch, in aller Eile in die Westlande zu reiten, unter der Flagge des Königs den Roten Arm des Trident zu überqueren und dort den falschen Ritter Gregor Clegane und alle, die an seinen Untaten teilhatten, dem Recht des Königs zu unterwerfen. Ich klage ihn an, verurteile ihn zur Ehrlosigkeit und entbinde ihn allem Rang und Titel, sämtlicher Ländereien und Einkommen und Pachtungen und verurteile ihn hiermit zum Tode. Mögen die Götter Erbarmen mit seiner Seele haben.«
Als das Echo seiner Worte verhallt war, zeigte sich der Ritter der Blumen bestürzt.»Lord Eddard, was ist mit mir?«
Ned blickte auf ihn hinab. Von dort oben sah Loras Tyrell fast so jung wie Robb aus.»Niemand bezweifelt Euren Heldenmut, Ser Loras, hier jedoch geht es um Gerechtigkeit, und was Ihr sucht, ist Vergeltung. «Er wandte sich Lord Beric zu.»Reitet im ersten Morgenlicht. Solcherart Dinge erledigt man am besten gleich. «Er hob eine Hand.»Der Thron wird heute keine Bittgesuche mehr anhören.«
Alyn und Porther erklommen die steilen Eisenstufen, um ihm herabzuhelfen. Beim Abstieg spürte er Loras Tyrells verdrossenen Blick, doch war der Junge davonstolziert, bevor Ned den Boden des Thronraumes betreten hatte.
Am Fuße des Eisernen Thrones sammelte Varys Papiere vom Ratstisch zusammen. Littlefinger und Grand Maester Pycelle hatten sich bereits entfernt.»Ihr seid ein kühnerer Mann als ich, Mylord«, sagte der Eunuch mit sanfter Stimme.
«Wie das, Lord Varys?«fragte Ned barsch. In seinem Bein pochte es, und er war nicht in der Stimmung für Wortspiele.
«Hätte ich dort oben gesessen, hätte ich Ser Loras geschickt.
Er wollte es so sehr… und ein Mann, der die Lannisters zu Feinden hat, täte gut daran, die Tyrells zu seinen Freunden zu zählen.«
«Ser Loras ist jung«, erwiderte Ned.»Ich wage die Prophezeiung, daß er seine Enttäuschung überleben wird.«
«Und Ser Ilyn?«Der Eunuch strich über eine feiste, gepuderte Wange.»Schließlich übt er das Recht des Königs aus. Andere Männer auszusenden, um seine Aufgabe auszuführen… manch einer könnte das als schwerwiegende Beleidigung auffassen.«
«Eine Kränkung lag nicht in meiner Absicht. «In Wahrheit vertraute Ned dem stummen Ritter nicht, wenn auch vielleicht nur, weil er Henker nicht mochte.»Ich erinnere Euch daran, daß die Paynes Bundesgenossen des Hauses Lannister sind. Ich hielt es für das Beste, Männer auszuwählen, die Lord Tywin nicht zu Treue verpflichtet sind.«
«Zweifellos sehr umsichtig«, sagte Varys.»Allerdings habe ich Ser Ilyn hinten in der Halle zufällig gesehen, wie er uns mit diesen Augen angestarrt hat, und ich muß gestehen, er wirkte nicht eben erfreut, obwohl das bei unserem schweigsamen Ritter sicher schwer zu sagen ist. Ich hoffe, daß auch er seine Enttäuschung überwindet. Er liebt seine Arbeit so sehr…«