Kapitel 3

Palermo bei Nacht, auch und gerade wenn man es aus der Luft sieht, ist ein Erlebnis.

Der Pilot drückte den Jet tief hinunter. Sie flogen so tief über der Stadt, als fehlte nicht viel, und sie streiften die Türme der von Scheinwerfern angestrahlten Cattedrale oder die berühmte Kirche San Gio-vanni degli Eremiti.

Zwar war es verboten, so dicht über die Dächer zu fliegen, aber auf dem Flugplatz wußte man ja, wem die Maschine gehörte. Warum sollte man Schwierigkeiten machen, wenn es um Dr. Soriano ging? Verlorene Zeit, amici…

Auf dem Rollfeld wurden sie bereits von einer großen amerikanischen Limousine erwartet. Ein Chauffeur in dunkelroter Livree zog devot seine Mütze und riß die Türen auf. Dr. Volkmar und Gal-lezzo stiegen ein, die drei anderen Herren gingen zu Fuß zum Airport-Gebäude, wo auf dem Parkplatz ein normaler Wagen, ein Lancia, stand.

Die Fahrt ging um Palermo herum, auf einer Umgehungsstraße zur Küste.»Wir haben auch eine Autobahn bis Catania«, erklärte Gallezzo,»aber Autobahnen kennen Sie ja von Deutschland her. Die Küstenstraße ist schöner. Auch bei Nacht.«

Sie fuhren am Golf von Palermo entlang, sahen die Schiffe auf dem Meer, die Villen in den Palmengärten und die Lichterketten der Hafenanlagen. Perlenschnüre aus Licht.

Dann wurde es plötzlich einsam, eine schmale Straße bog ab zum Capo Zafferano, gegen den fahlen Nachthimmel hoben sich die wuchtigen Ruinen von Solunto ab, in der Ferne griff der Lichtfinger eines Leuchtturmes in das Meer. Eine lange, hohe, weiße Mauer begrenzte rechts die Straße.

«Der Park!«sagte Gallezzo stolz.»Dr. Soriano hat den schönsten Park auf ganz Sizilien. Über hundert Regner bewässern die Blumenbeete und Bäume. Er hat sogar einen künstlichen See angelegt, nur kann man auf ihm nicht mit dem Boot fahren. Er hat Krokodile ausgesetzt. «Gallezzo lächelte freundlich.»Dr. Soriano ist ein großer Tierfreund. Am liebsten würde er sich einen eigenen Zoo anlegen. Genug Affen habe ich schon, sagt er manchmal und meint uns damit. Ein fröhlicher Herr, Don Eugenio…«

Der Wagen bog in eine breite Auffahrt, rollte durch ein doppel-flügeliges, wundervoll geschmiedetes Gittertor und glitt lautlos vor ein Haus, das eher einem maurischen Palast glich als einer normalen

Villa. Vor dem breiten gläsernen Eingang brannten hohe Kandelaber, zwei Diener in schneeweißer Livree warteten auf den Gast. Irgendwoher, von seitlich, hinter einem der kubischen Bauten, die ineinander verschachtelt waren, Innenhöfe bildeten, Terrassen, verbindende Treppen und Dachgärten, ertönte dumpfes, schläfriges Gebrüll. Dr. Volkmar stieg aus dem Wagen und machte ein verdutztes Gesicht.

«Das sind vier Löwen, Dottore«, erklärte Gallezzo.»Ich sagte ja: Don Eugenio ist ein Tiernarr. Wir haben hier einen sogenannten Löwenhof, wo die Tiere frei herumlaufen können. Über Nacht sind sie natürlich im Käfig. Was man so Käfig nennt. Don Eugenio hat ihnen ein Haus gebaut, das — verzeihen Sie, Dottore — vielleicht schöner als Ihres ist.«

«Sicherlich. Davon bin ich überzeugt, zumal ich gar keins besitze. Geld spielt hier wohl keine Rolle.«

«Kaum. «Gallezzo lächelte breit.»Natürlich muß es verdient werden, aber es macht Freude, für Dr. Soriano zu arbeiten.«

«Daß man so etwas erlaubt!«sagte Volkmar. Das Löwengebrüll erstarb. Wo bei normalen Sterblichen Wachhunde bellten, rumorten hier Raubtiere.»Frei herumlaufende Löwen, Krokodile im Garten.«

«Wer könnte Don Eugenio etwas verbieten?«Gallezzo ging voraus. Sie betraten eine riesige, offenbar klimatisierte Halle, ganz im orientalischen Stil mit zierlichen ziselierten Säulen und Trennwänden mit kunstvollen Schnitzereien nach marokkanischen Motiven. Auf dem weißen Marmorboden lagen Teppiche von traumhafter Schönheit. Aus goldenen Lampen floß weiches, wohltuendes, geradezu erotisierendes Licht. Ein Diener mit goldenen Schulterstücken, wie sie sonst nur ein General trägt, kam Dr. Volkmar würdevoll entgegen. Gallezzo lachte leise.

«Der Butler, Dottore. Ein echter! Aus England. Mr. Reginald Worth-low. Das einzige, was ihn maßlos stört, ist seine Uniform. Don Eugenio brauchte ein halbes Jahr, um ihm die steife britische Butlertracht abzugewöhnen. Aber er geht immer noch so, als trage er sein gestreiftes Dinnerjacket.«

Mr. Worthlow verbeugte sich distinguiert, bedachte Gallezzo mit einem herabwürdigenden Blick und sprach Dr. Volkmar auf deutsch an.

«Ich darf Ihnen Ihre Suite zeigen, Herr Doktor«, sagte er.»Wenn Sie mir bitte folgen wollen.«

«Sie sprechen Deutsch, Mr. Worthlow?«fragte Volkmar erfreut.

«Ich spreche sieben Sprachen, Sir. In welcher möchten Sie angesprochen werden?«

«Was ist Ihnen lieber, Worthlow?«

«Die Gäste haben Wünsche, nicht ich. «Mr. Worthlow lächelte verhalten.»Die Umgangssprache im Haus ist Italienisch, aber natürlich passen wir uns jedem Gast an.«

«Dann einigen wir uns, Worthlow«, sagte Volkmar herzlich.»Mit Ihnen spreche ich englisch und sonst italienisch.«

«Zu gütig, Sir. «Worthlow ging voraus, sie stiegen über breite Marmortreppen und gingen durch prunkvolle, säulengestützte Flure an Innenhöfen vorbei, bis sie eine große Diele mit Sesselgruppen und einer Bar erreichten. Mr. Worthlow blieb stehen und wies auf eine Reihe wiederum mit reichem Schnitzwerk versehener Türen.

«Ihre Suite, Sir. Dies ist die Zentralhalle. Die Tür ganz links führt zur Bibliothek, daneben ist eine Art Arbeitskabinett, es folgt ein Salon mit Stereoanlage und Fernseher. Die Tür ganz rechts gehört zum Schlafzimmer, gleich dahinter ist das Bad. Sie haben auch einen eigenen kleinen Swimming-pool mit angrenzender Dachterrasse. Von dort blicken Sie direkt auf das Meer.«

«Enorm! Und alles für einen einzigen Gast?«

«Wir haben in unserem Komplex vier solcher Gästehäuser, Sir. Allerdings ist dieses das schönste.«

«Und die Löwen?«

«Sind auf der anderen Seite. Die Gäste sollen durch das Gebrüll nicht gestört werden. «Worthlow ging herum, öffnete alle Türen und schaltete in den Räumen das Licht ein. Eine solche Pracht hatte Dr. Volkmar noch nicht einmal im Film gesehen.»In jedem Zimmer finden Sie eine Telefonanlage, mit der Sie einen Diener oder mich rufen können, Sir.«

«Das wird auch nötig sein, Worthlow!«Dr. Volkmar lachte unsicher.»Allein verlaufe ich mich hier und lande vielleicht doch noch bei den Löwen.«

«Noch nicht, Sir«, sagte Worthlow würdevoll. Volkmars Kopf zuckte herum, aber Worthlows Augen blickten unpersönlich und kühl, wie es einem britischen Butler zukommt.

«Das Telefon ist nur ein Hausanschluß, Sir«, fügte Worthlow hinzu.

«Das dachte ich mir.«

«Wenn Sie über das Amt telefonieren wollen, stelle ich die Verbindung gerne her.«

«Nach Rückfrage bei Don Eugenio?«

«Wir haben eine gewisse Hausordnung, Sir. Sie haben kein Gepäck?«

«Ich werde morgen eingekleidet, Worthlow.«

Dr. Volkmar ging in sein Schlafzimmer. Das war ein Tanzsaal mit einem ungewöhnlich breiten Doppelbett, auf dem eine Decke aus weißem Nerz lag. Spiegel zwischen den maurischen Wandverkleidungen warfen sein Bild von allen Seiten zurück. Hinter einer Glastür leuchtete schwach, von einem Unterwasserscheinwerfer erhellt, der Swimming-pool. Palmen und Blütenbüsche wogten auf der Dachterrasse im Meereswind. Weiße, bequeme Sessel mit dicken Polstern standen um den Pool herum. Die Markise war hochgezogen.

«Ein Märchen!«sagte Dr. Volkmar mit gepreßter Stimme.»Ich wußte gar nicht, daß es so riesige Betten gibt.«

«Auch in bezug auf individuelle Unterhaltung sind die Wünsche unserer Gäste jederzeit erfüllbar, Sir.«

«Aha! Das haben Sie mit unnachahmlicher britischer Eleganz gesagt, Worthlow. Aber ich bedanke mich schon jetzt.«

Worthlow machte eine Verbeugung und entfernte sich mit gemessenem Schritt. Die Tür zu der riesigen Halle verschloß er lautlos. Dr. Volkmar stand unschlüssig herum. Er war allein, wartete, ob nicht doch wieder Gallezzo erscheinen würde, aber anscheinend hielt man es für richtiger, ihn zunächst mit seinen Eindrücken und Gedanken allein zu lassen. Auch ein Mensch wie Volkmar brauchte Zeit, um eine solche Umgebung zu verkraften.

Er ging zur Bar und fand sie — wie konnte es anders sein — vollkommen eingerichtet. Es fehlte nichts. Auf einen Knopfdruck spuckte ein amerikanischer Würfeleishersteller genau die Menge Eisstückchen aus, die man für einen Cocktail oder einen Longdrink brauchte. In einem Kaffeeautomaten kochte das Wasser.

Volkmar entschloß sich, ganz bieder einen Wodka mit Bitter Lemon zu mixen, tat noch einmal einen Schuß Wodka dazu und setzte sich in einen der tiefen, mit afrikanischer Brokatstickerei bezogenen Sessel. Langsam trank er den Wodka-Bitter Lemon, und wenn er auch kein Trinker war, so fühlte er doch plötzlich, wie die ersten Schlucke eine gewisse innere Verkrampfüng lösten. Er wurde sich über seine Lage klar: Man hatte ihn in das luxuriöseste Gefängnis eingeliefert, das sich denken ließ. Ein Palast als Käfig.

Aber warum? Ein Dr. Soriano hatte es nicht nötig, gegen eine lächerliche Summe einen entführten deutschen Arzt auszutauschen. Was man für einen Dr. Volkmar im Notfall bezahlen würde, war weniger, als der Swimming-pool gekostet hatte. Es war ein Geschäft, das eines Dr. Soriano unwürdig war.

Warum also?

Volkmar erhob sich, ließ das Eis im Glas klingeln und besichtigte das Gästehaus. Neben der Stereoanlage stand ein geschnitzter Kasten voller Musikkassetten. Er wählte das Klavierkonzert Nr. 1 von Beethoven aus, gespielt von Swjatoslaw Richter, setzte sich an den Rand des Pools und versuchte, Ordnung in seine Gedanken zu bekommen.

Welches Interesse konnte die Mafia an einem deutschen Arzt haben? Wenn Dr. Soriano krank sein sollte — die besten Ärzte der Welt standen ihm zur Verfügung. Mit seinem eigenen Jet konnte er sie von allen Ecken der Welt nach Palermo holen. Das Honorar spielte keine Rolle. Mußte es ausgerechnet ein deutscher Chirurg sein, der reichlich utopisch anmutende Forschungen und Experimente auf dem Gebiet der Transplantationen unternahm?

Dr. Volkmar fand keine Antwort auf seine vielen Fragen. Er resignierte vorläufig, legte sich auf das Bett, auf die weiche weiße Nerzdecke, und versuchte zu schlafen.

Es war das erste Mal, daß Beethovens Klavierkonzert wie ein Schlafmittel auf ihn wirkte.

Er war ausgeschlafen, hatte gründlich geschwommen, hatte an der Mauer des Dachgartens über das Meer geblickt, war am Morgen noch einmal durch >sein< Haus gegangen und noch mehr als in der Nacht überwältigt worden von diesem harmonischen Einklang von Architektur und Einrichtung.

Mr. Worthlow erschien, nachdem die Tür der großen Halle ein Glockenspiel in Gang gesetzt hatte, das die Klingel ersetzte. Volkmar öffnete.

Worthlow brachte auf einem Tablett einen elektrischen Rasierapparat und eine Auswahl französischer Gesichtswasser, After shaves, Eau de Toilettes, Cremes und sogar Puder.

«Das Frühstück ist angerichtet, Sir«, sagte er und trug das große Tablett ins Badezimmer.»Mir fiel ein, daß ich vergessen habe, Ihnen die Kosmetika zu bringen. Ich bitte um Entschuldigung. So etwas ist mir noch nie vorgekommen. Ich bin untröstlich, Sir.«

«Aber Worthlow! Das ist doch kein Verbrechen!«Volkmar rasierte sich schnell, wählte ein frisches, nach Limonen duftendes Gesichtswasser und betrachtete kopfschüttelnd die Puderdosen.

«Gibt's das auch, Worthlow? Für Männer?«

«Schönheit und Ästhetik sind an kein Geschlecht gebunden, Sir. Es gibt Herren, denen ein Pickel im Gesicht körperliche Qualen verursacht. «Worthlow fuhr mit einer kleinen Handbürste schnell über Volkmars zerknitterten Anzug. Eine rührende Geste, die beweisen sollte, daß ein Gentleman in jeder Lage ein Gentleman bleibt.

Nach einer Wanderung durch die offenen Säulengänge, vorbei an verschwenderisch blühenden Innenhöfen mit wasserspeienden maurischen Brunnen, erreichten sie die Terrasse, von der eine Treppe in den Park führte. Unter einem Sonnensegel aus orangefarbener Seide war ein runder Tisch gedeckt. Silberkannen blitzten in der Sonne. Links und rechts von einer breiten Tür, die ins Innere des Haupthauses führte, standen die beiden Diener in ihrer weißen Livree.

Als Dr. Volkmar die Terrasse betrat, erhob sich aus dem Sessel am Tisch ein schlanker, mittelgroßer Mann. Sein gelocktes Haar schimmerte in bläulichem Weiß, wie Gletschereis bei Sonnenaufgang. Sonst war an ihm nichts Auffälliges. Er trug eine einfache weiße Hose, weiße Lederschuhe, ein weißes Hemd mit breiten, mattroten Streifen, die Hemdsärmel bis zu den Ellenbogen hochgerollt, die oberen drei Knöpfe offen. Auf dem schon weiß werdenden Brusthaar lag an einer goldenen Kette ein Medaillon mit eingelassenen Rubinen. Anders als die meisten italienischen Reichen trug er an den Fingern keinen Brillantring, auch kein Goldkettchen um das Handgelenk; die Hände waren nackt für südländische Begriffe. Es nahm sich aus wie eine Demonstration der Unauffälligkeit und der Bescheidenheit. Und das in dieser Umgebung.

Dr. Eugenio Soriano.

Mit federnden Schritten kam er Dr. Volkmar entgegen und streckte beide Arme nach ihm aus, als müsse er einen Bruder umarmen, der aus weiter Ferne heimgefanden hat.

«Willkommen!«rief er, und es klang ehrlich.»Verzeihen Sie, daß ich nicht Deutsch, sondern meine Muttersprache spreche. Mein Deutsch ist miserabel für ein deutsches Ohr. Aber ich weiß, Sie sprechen Italienisch sehr gut. «Er ergriff Volkmars beide Hände und schüttelte sie.»Ich bin Soriano.«

«Das habe ich mir fast gedacht. «Dr. Volkmar blickte in den riesigen Park. Über die Mauer ragten die Ruinen von Solunto. Ein Himmel wie Seide; Gallezzo hatte nicht gelogen. Nur die Löwen und die Krokodile störten Volkmar.»Ein Paradies!«sagte er und folgte Soriano an den runden Tisch. Worthlow schenkte bereits den Kaffee ein.»Wie komme ich zu dieser Auszeichnung?«

«Das werde ich Ihnen gleich erklären. Ich bin ein ehrlicher Mensch. «Es war offenbar kein Sarkasmus, das stellte Volkmar verblüfft fest.»Aber zuerst essen wir! Ich habe für Sie ein kräftiges Frühstück herrichten lassen mit Eiern, Wurst, kaltem Braten, Käse. Ich selber esse lieber leicht. Etwas Käse, ein Stück Brot, viel Obst, vielleicht eine Tomate, dazu einen Espresso. Aber Sie sollen auf Ihr deutsches Frühstück nicht verzichten, lieber Dr. Volkmar.«

Sie setzten sich, die beiden Türsteher verschwanden im Inneren des Hauses, Worthlow servierte. Stumm, unauffällig, man merkte ihn kaum. Soriano lehnte sich in seinem Sessel zurück und knabberte an einem Käsestück. Volkmar, vom Hunger überwältigt, belegte eine Toastschnitte dick mit kaltem Roastbeef. Soriano schien das zu gefallen.

«In einer Stunde kommt der Schneider«, sagte Soriano.»Zwei Herrenmodesalons werden Ihnen die nötigsten Dinge bringen, von den Schuhen bis zum Unterhemd. Sie Ärmster haben ja alles verloren.«

«Es liegt in meinem Zelt am Capo San Marco auf Sardinien. Ich brauche es bloß zu holen.«

«Sie sind ertrunken, das wissen Sie doch! Es stand in allen Zeitungen. Eine Wasserleiche kann doch nicht plötzlich wieder leben.«

«Man könnte den Irrtum aufklären.«

«Aber warum, mein lieber Doktor?! Welche Verwirrung gäbe das!«

Dr. Volkmar legte seinen Toast auf den Teller zurück. Er schmeckte auf einmal bitter. Eine furchtbare Erkenntnis war ihm in dieser Minute aufgegangen. Sie auszusprechen, verlangte schon Mühe und Überwindung.

«Sie wollen damit sagen, daß ich für immer tot bin?«

«Sollen wir Ihre bisherige Welt in Konflikte stürzen?«

«Ich soll bis an mein Lebensende bei Ihnen wohnen?«

«Gefällt es Ihnen nicht bei mir? Was fehlt? Sagen Sie es. Es wird sofort beschafft!«

«Die Freiheit!«

«Die haben Sie. «Soriano lächelte milde und nippte an seinem Es-presso. Er hatte elegante, geradezu zierliche Bewegungen.»Ist der Lebensraum, den ich Ihnen biete, nicht groß genug für einen Menschen? Wer hat draußen so viel Raum, so viel Luxus? Wer kann sich jeden Wunsch erfüllen? Sie können es! Freiheit! Was ist Freiheit?! Es gibt nichts Relativeres als den Begriff Freiheit. Der eine braucht nur ein kleines möbliertes Zimmer, der andere einen ganzen Staat!«

Mr. Worthlow schenkte wieder Kaffee nach, aber Volkmar trank nicht mehr.»Was haben Sie mit mir vor, Don Eugenio?«fragte er.

Soriano schien es Spaß zu machen, daß Volkmar Don zu ihm sagte. Er schlug die Beine übereinander.»Sie werden einige der bedeutendsten Persönlichkeiten Siziliens kennenlernen«, sagte er.»Sogar ein Staatsanwalt ist dabei.«

«Dann kann ja nichts passieren!«antwortete Volkmar trocken. Soriano nickte freudig; er hatte Sinn für schwarzen Humor.

«Zum Mittagessen werden Sie einen Kollegen begrüßen können: Dr. Pietro Nardo. Chirurg wie Sie. Er ist offiziell Leiter eines von mir gestifteten Altersheimes. Seine Hauptarbeit aber, die er zusammen mit einer Ärztegruppe verrichtet, gilt der Organverpflanzung, vor allem der Herztransplantation.«

«Jetzt ist es heraus!«sagte Dr. Volkmar dumpf.»Darum also.«

«Ja.«

«Und warum dieser Weg durch den Tunnel? Mit Ihrem Geld könnten Sie ein ganzes Forschungszentrum bauen!«

«Sie werden diese Mittel bekommen, Dr. Volkmar. «Soriano hielt seine Tasse hoch. Mr. Worthlow goß Espresso nach.»Und warum auf diesem Wege? Das wird man Ihnen nach dem Mittagessen erklären. Um 15 Uhr tritt der Große Rat zusammen.«

«Von so etwas habe ich schon gelesen. «Volkmar schluckte, ein Kloß steckte in seinem Hals. Das Parlament der Mafia, dachte er. Die Chefs aller >Familien<. Ein Gremium, dessen Beschlüsse auf rätselhafte Weise sogar auf die Entscheidungen der Staatsführung einwirken konnten.

«Gelesen!«sagte Dr. Soriano,»was ist das schon! Sie werden sie alle persönlich kennenlernen. Interessante Herren mit einem kosmopolitischen Blick. Ich garantiere Ihnen: Sie werden sich in unserem Freundeskreis wohl fühlen.«

Dr. Volkmar antwortete nicht. Eine Erscheinung, die in dieses Paradies paßte, verschlug ihm die Sprache.

Durch den Säulengang kam ein junges Mädchen auf sie zu. Ein langes, im Meerwind sich blähendes weißes Kleid mit großen roten Blüten, im Sonnenlicht durchsichtig wie ein Schleier, verriet, daß sie auf ihrem vollendet geformten Körper einen goldfarbenen Bikini trug. Das wie Lack glänzende schwarze Haar reichte ihr bis zu den Hüften und wogte bei jedem Schritt auf. Braungrüne, mandelförmige Augen beherrschten das Gesicht; ihre Lippen wölbten sich wie leuchtendrote Blütenblätter.

«Meine Tochter«, sagte Soriano.»Meine Tochter Loretta.«

Man muß Ungeschicklichkeiten entschuldigen bei einem Mann, den eine Frau so fasziniert. Als Dr. Volkmar aufsprang, stieß er die silberne Kaffeekanne um.

Mr. Worthlow legte sofort eine Serviette über den großen braunen Fleck. Loretta blieb vor Dr. Volkmar stehen und reichte ihm ihre schmale Hand. Sie trug nur einen Ring, ein daumennagelgroßer, klarer Rubin spiegelte die Sonnenstrahlen zurück.

«Das ist Dr. Volkmar«, sagte Dr. Soriano und suchte aus der Käseplatte ein Stück Hirtenkäse heraus.

«Papa hat mir von Ihnen erzählt. Ich war richtig neugierig auf Sie. «Sie lächelte, als Volkmar, wiederum sehr linkisch, ihre Hand küßte.»Sie lieben Beethoven, Dottore?«

Dr. Volkmar spürte, wie ihm Röte ins Gesicht stieg.»Ich war zu laut, gestern nacht?«fragte er und hielt Lorettas Hand unwillkürlich fest. Sie entzog sie ihm nicht. Der Hauch eines herbsüßen Parfüms wehte aus ihren Haaren und dem weiten Schleierkleid.

«Sie hatten die Tür zur Terrasse auf. Meine Wohnung liegt neben Ihnen, und auch ich schlafe gern bei offenem Fenster. «Worthlow schob ihr einen Sessel hin, und erst jetzt, als sie sich setzen wollte, merkte Volkmar, daß er noch immer ihre Hand festhielt. Er wußte nicht, ob er sich entschuldigen sollte, es gelang ihm nur, dümmlich zu lächeln. Er wartete, bis Loretta saß und mit beiden Händen das lange Haar um ihre Schulter warf. Dann setzte auch er sich.

«Ich habe Sie also geweckt?«fragte Volkmar. Er hielt sich an Beethoven fest. Vergeblich suchte er nach charmanten Redewendungen, nach Konversationsthemen. Lorettas Augen irritierten ihn und verstärkten eine Unsicherheit, die er noch nie in seinem Leben, schon gar nicht Frauen gegenüber, verspürt hatte. Sie blickte ihn unbefangen und mit deutlichem Interesse an.

«Ich mag Beethoven«, sagte sie.»Es war Richter, der spielte, nicht wahr? Seinen Anschlag höre ich sofort heraus.«

«Loretta wurde in einem Kloster erzogen. Bei den frommen Schwestern vom blutenden Herzen Maria. «Dr. Soriano hielt Worthlow seine Espressotasse hin.»Sie haben dort die armen Mädchen mit Bildung malträtiert. Merkwürdig, daß sie Beethoven nicht ausgespart haben. Der Mann war doch ein Choleriker und konnte herzerfrischend Scheiße sagen.«

«Papa!«Loretta schien es warm in der Morgensonne zu werden. Sie öffnete ihr durchsichtiges Kleid und streifte es über die Schulter ab. Der goldene Bikini glitzerte auf ihrem braunen, biegsamen Körper.

«Sie hält mich für ordinär!«sagte Soriano.»Dabei bin ich Präsident der Kulturgemeinde Palermo und Mäzen der Opernfestspiele. Das Leben schleift ab, Dottore. Am schlimmsten hat's ein Rechtsanwalt. Überall Unrecht, überall Kriminalität — man ist versucht zu sagen: Es gibt keinen Menschen, der nicht Dreck am Stecken hat. Selbst Loretta hat ihre Tücken: Sie hat in der Klosterküche Obst geklaut.«

«Ich hatte Hunger!«

«Es war Fastenzeit!«

«Es war Richter«, sagte Dr. Volkmar. Soriano sah ihn entgeistert an.

«Wie bitte?«

«Swjatoslaw Richter. Der Pianist. Ihre Tochter fragte danach.«

«Ach! Da sind Sie noch?«Er blickte Mr. Worthlow an. Der But-ler sah auf seine Taschenuhr, die an einer Silberkette hing.

«Noch zehn Minuten, Sir.«

Soriano erhob sich. Er aß noch ein Käsestückchen und tauchte dann die Finger in eine Schale mit Wasser und Zitronenscheiben. Worthlow reichte ihm eine große Serviette zum Abtrocknen.

«Kommen Sie mit, Dr. Volkmar?«fragte er dann.»Die Löwen und die Krokodile werden gefüttert. Haben Sie das schon mal gesehen? Ein grandioses Schauspiel.«

«Ich möchte Signorina Loretta nicht allein lassen. «Dr. Volkmar wußte, wie dämlich dieser Satz klang, aber er befand sich im Stadium absoluter Verworrenheit. Es ist zum Kotzen, dachte er. Mit zweiundvierzig Jahren, und noch dazu als Arzt, sitzt man da wie ein halbreifer Knabe, der zum erstenmal einen halb nackten Frauenkörper sieht und davon träumt, ihn mal anfassen zu dürfen. Er dachte, wie hilfesuchend, an Dr. Angela Blüthgen, aber sie half ihm nicht. Bei ihr war alles so unkompliziert gewesen. Man wußte den Ablauf der Dinge bis zum nächsten Morgen. Und bei seinen anderen Erlebnissen war es ähnlich gewesen: Zärtlichkeit und Hingabe, Versprechungen, an die keiner glaubte und die auch schnell vergessen wurden.

Mit Loretta war schon jetzt alles anders. Ihre braungrünen Mandelaugen blickten Volkmar an, als könne sie seine Gedanken lesen. Der Wind, der warm und nach Salz riechend vom Meer herüberwehte, spielte mit ihrem Haar.

«Ich komme mit«, sagte sie mit ihrer samtenen Stimme.

Sie stand auf, legte das Schleierkleid lose um ihre Schultern. Volkmar sprang auf, sie legte ihre Hand auf seinen Arm, und es war ihm, als drückten ihre Finger ganz leicht in seine Haut. Es konnte ein Irrtum sein, aber Volkmar war in dieser Stunde bereit, vieles zu glauben, was er sonst als pubertären Blödsinn abgetan hätte. Lorettas Gegenwart paralysierte ihn. Ja, das ist der richtige Ausdruck, dachte er. Das ist medizinisch korrekt: Mein Hirn ist aufgeweicht, gelähmt! Ich denke nichts mehr — ich sehe nur noch. Ich sehe nur sie. Was um sie herum atmet, spricht, geht, ist unwichtig, ist gar nicht vorhanden. Das ist tatsächlich der Zustand totaler Umnachtung. Und das erschreckendste: Man weiß es und tut nichts dagegen!

Dr. Soriano ging voraus. Mr. Worthlow blieb zurück und überwachte das Abdecken des Frühstückstisches.»Zuerst die Krokodile«, sagte Soriano.»Die meisten Menschen halten sie für abscheuliche Tiere.«

«Ich gehöre auch dazu«, sagte Loretta. Dr. Volkmar zuckte zusammen, als Loretta ihren Arm unter den seinen schob. Sie gingen eng beieinander, berührten sich mit den Schultern, er sah, wenn er zur Seite blickte, die Wölbung ihrer Brüste in dem goldenen Bikini, die abfallende Linie ihres Leibes, das dreieckige Stückchen Goldstoff und die langen Beine, die den Plattenboden kaum zu berühren schienen. Sie schwebt, dachte Volkmar. So verrückt bin ich schon, daß ich das für möglich halte! Aber man hörte sie tatsächlich nicht. Kein Klicken der hochhackigen, goldbestickten Schuhe. Sie muß knapp über 110 Pfund wiegen, dachte er. Als Arzt hat man dafür ein Auge. Wie können 110 Pfund so lautlos sein?

Er sah den herrlichen Park kaum, aber als sie an dem großen Teich standen und sich von ihrer Insel die hornigen Riesenechsen klatschend ins Wasser wälzten und zu ihnen geschwommen kamen, riß sich Volkmar endlich von Lorettas Bewunderung los.

Zwei Männer in Gummischürzen schoben einen großen Karren mit zerteiltem Fleisch heran. Das Blut tropfte ihnen über die Stiefel, mit einer dreizackigen Gabel stießen sie in das Fleisch und warfen die großen Brocken in den See. Das Wasser schäumte auf, gehörnte Körper schnellten in die Luft, Rachen mit mörderisch spitzen Zahnreihen stürzten sich auf das blutige Fleisch und zerhackten es. Knochen knirschten, Reptilienpanzer krachten aneinander, in den vorstehenden Augen funkelte Mordlust. Blut. Blut. Blut.

«Wir verbrauchen jeden Tag zwei Rinder«, sagte Soriano.»Zuerst haben wir Pferdefleisch verfüttert, aber seit Loretta eine so begeisterte Reiterin ist und Pferde geradezu anbetet, sind wir auf Rindfleisch umgestiegen. Das dürfen wir: Steaks ißt sie selber gern!«So-riano lachte gemütlich. Zwei große Krokodile balgten sich um ein Stück Fleisch. Es sah in seiner Art spielerisch aus, aber sie schienen es tödlich ernst zu meinen.

«Sie müssen sich daran gewöhnen, Dottore, daß Papa ein Sarka-stiker ist«, sagte Loretta und drückte Volkmars Arm.»Ich mag diese Tiere auch nicht. Ich hasse sie!«

Soriano betrachtete den Kampf der Krokodile wie einen sportlichen Wettkampf. Wenn sie über die blutigen Fleischbrocken herstürzten und sich mit ihren harten, gepanzerten, gezackten Schwänzen gegenseitig aus dem Weg schlugen, wenn ihre schrecklichen langen Mäuler aufklappten und dann zuhackten, zog er ab und zu die Augenbrauen hoch und neigte den Kopf wohlgefällig betrachtend zur Seite. Dr. Volkmar wollte schon bemerken, man habe nun von diesem Schauspiel genug gesehen, als er etwas entdeckte, an dessen Realität er zunächst nicht glauben konnte oder wollte. Sein medizinischer Verstand rebellierte gegen jeden Beschwichtigungsversuch — und doch redete er sich ein: Es ist nicht wahr! Du hast dich geirrt! Dreh den Kopf weg, du hast nichts gesehen. Du hast dich geirrt.

«Nun die Löwen!«hörte er Soriano sagen.

«Muß das sein?«fragte Volkmar zurück.»Ihr Haus bietet schönere Anblicke.«

«Haben Sie ein Raubtier schon einmal richtig betrachtet, Dottore? Diese Kraft, dieser Urinstinkt, diese Gnadenlosigkeit, dieses herrliche Bewußtsein, stark zu sein, stärker als alle anderen, und dank dieser Stärke zu herrschen? Aber wie Sie wollen! Sie sind mein Gast, Sie sollen sich wohl fühlen. Loretta mag Löwen auch nicht. Merkwürdig, wie unähnlich Töchter ihrem Vater sein können. Schon als Kind habe ich mit verwilderten Katzen gespielt, in der Altstadt von Palermo, und ich bin nie gebissen worden. Also: Was schlagen Sie vor, Dottore?«

«Wie wäre es mit Schwimmen?«fragte Loretta. Sie hängte sich wieder in Volkmars Arm.»Ins Wasser kann uns Papa nicht folgen. Er schwimmt nie. Dabei besitzt er die teuerste Jacht von Sizilien! Was ist, wenn er mal ins Meer fällt?«

«Man wird ihn retten!«sagte Volkmar und blickte auf die Stelle, die ihn so aus der Fassung gebracht hatte.»Im Mittelmeer gibt es keine Krokodile.«

Soriano warf einen schnellen Blick auf Volkmar. Nur für eine Sekunde versteinerte sein Gesicht, dann zog wieder das sonnige Lächeln über seinen Mund.

«Also gut — schwimmen Sie mit Loretta. Ich schaue Ihnen gern zu.«

Er ging voraus, sie erreichten die Terrasse, auf der jetzt dick gepolsterte Liegebänke standen. Eine breite Bar war unter die Markise gerollt worden. Mr. Worthlow mixte gerade drei Drinks. Er wußte, was jemand brauchte, der von den Krokodilen kam.

«Ich ziehe mich um«, sagte Loretta und löste sich aus Volkmars Arm.

«Aber Sie haben doch einen zauberhaften Bikini an!«Volkmar half ihr, in das Schleierkleid zu schlüpfen.

«Im Becken ist Meerwasser. Darunter leidet der Goldstoff.«

«Ein sparsames Mädchen!«sagte Soriano, als Loretta im wahrsten Sinne des Wortes, wie es schien, davongeschwebt war. Er nahm Worth-low das Cocktailglas ab und reichte es an Volkmar weiter.»Das hat sie von ihrer Mutter geerbt. Elena-Maria — meine Frau, der Erlöser habe sie selig — stammte aus einer alten Bürgerfamilie von Trapani. Sie trug zehn Jahre lang jeden Sonntag zum Kirchgang den gleichen Kopfschleier, auch als ich schon das Haus hier gebaut hatte. Sie starb vor drei Jahren an Leukämie. Ich habe ihr einen goldenen Sarg machen lassen, wie einem Pharao, und um ihn herum ein Mausoleum aus Carrara-Marmor gebaut. Ich habe sie sehr geliebt. Sie war wie eine Heilige. Loretta hat einiges von ihrer Mutter geerbt.«

«Hoffentlich das meiste von ihr«, sagte Volkmar zweideutig.

Soriano hob die Brauen.»Ich habe den Eindruck — und das betrübt mich —, Sie fühlen sich bei mir nicht wohl, Dottore. Was kann ich für Sie tun?«

«Am Rande des Krokodilteichs lagen zwei Knochen. «Dr. Volkmar atmete tief durch und stürzte dann den Cocktail hinunter.»Ein menschlicher Oberarmknochen und das Teil eines menschlichen Schulterblattes.«

«Wirklich?«sagte Soriano ungerührt.

«Sie dürfen mir anatomische Kenntnisse zutrauen.«

«Wer zweifelt daran, Dottore? Natürlich erkennt ein Chirurg Oberarme und Schulterblätter. Oh, da kommt Loretta. Ihre Mutter war auch eine Schönheit, nur ein wenig fülliger, bis die Leukämie sie auffraß.«

«Ich warte auf Ihre Erklärung, Don Eugenio.«

«Worthlow wird Ihnen eine Badehose geben.«

«Nicht nötig. Ich habe eine an. Als man mich kidnappte, trug ich sie im Bett.«

Loretta, in einem ganz knappen weißen Bikini, stand, von der Sonne überstrahlt, an der Marmoreinfassung des großen Pools und winkte mit beiden Armen.

«Noch eins«, sagte Soriano mit ruhiger Stimme, während er in sein Cocktailglas blickte.»Loretta wird einen ehrbaren reichen Mann heiraten, eine Schar Kinder bekommen und eine brave italienische Hausfrau werden. Sie ist mein einziges Kind.«

«Ich verstehe, Don Eugenio.«

«Sie sind ja auch ein hochintelligenter Mann, Dottore. Und nun springen Sie ins Wasser. In einer halben Stunde kommen der Schneider und die beiden Herren. Sie werden einen eleganten Mann aus Ihnen machen.«

Um 15 Uhr hatte sich der Große Rat im Speisesaal versammelt.

Zwei Männer wären glücklich gewesen, dabeisein zu dürfen: der Verleger des Prominentenlexikons >Who's who in Italy?< und der Generalstaatsanwalt in Rom. So viel bekannte, ja berühmte Namen, die zugleich Anwärter auf lebenslängliche Zuchthausstrafen waren, trafen selten zusammen. Nur ganz besonders delikate Probleme beschäftigten den Großen Rat; so etwa, wenn die USA einen Don herüberschickten, der sich für einige Zeit im geliebten Mutterland verstecken mußte, oder wenn es darum ging, den Rauschgifthandel zu koordinieren und neue Märkte zu erschließen. Zum letztenmal war der Große Rat in Dr. Sorianos Haus zusammengetreten, um den Einstieg in ein scheinbar vielversprechendes Geschäft zu diskutieren: Es ging um den Vertrieb von chemischen Kampfstoffen. Es kam nicht zustande. Bis auf zwei Mitglieder waren sich alle einig, daß die Grenzen der Ehrenwerten Gesellschaft dort liegen, wo die Gefahr der Selbstvernichtung entstand. Dafür kaufte man eine pharmazeutische Fabrik in Frankreich, über eine französische Aktiengesellschaft natürlich, deren Vorstand von der >Gesellschaft< kontrolliert wurde, und produzierte als Schwerpunkt ein starkes Mittel gegen Schmerzen in flüssiger und in Tabletten-Form, das nicht unter das strenge Betäubungsmittelgesetz fiel. Die Verdienstspanne war enorm, die Kundschaft schwoll lawinenartig an. Von späteren Leberschäden sprach niemand.

Es geschah also selten, daß der Große Rat zusammentrat. Und diesmal ging es nur darum, Dr. Heinz Volkmar kritisch zu betrachten. Die Herrenausstatter hatten aus ihm innerhalb einer Stunde einen Mann gemacht, der die Titelseite jedes Modejournals hätte schmücken können. Er trug einen ganz auf Figur geschnittenen weißen Anzug mit diskreten schwarzen Nadelstreifen, ein schwarzes Hemd und einen weißen Seidenschlips, weiße Socken und weiße Lederschuhe, die so weich und leicht waren, daß er glaubte, er gehe barfuß. Ferner hatte man ihm zwei Smokings überlassen — einen silbergrauen mit Brokateffekt und natürlich den obligatorischen cremefarbenen. Die schwarzen Hosen waren aus bester, federleichter Wolle, die Lackstiefeletten von unnachahmlichem Schick. Dr. Volkmar stand, als die beiden Herren und der Schneider, der die Maße genommen hatte, gegangen waren, vor dem großen Spiegel im Baderaum und betrachtete sich kritisch. Hinter ihm packte Worthlow die alten Kleider in einen Karton. Man würde sie verbrennen; sie verletzten die Schönheit des Hauses.

«Worthlow«, sagte Volkmar nachdenklich.»Seien Sie ehrlich: Sehe ich nicht aus wie ein Gangster?«

«Sie haben einen Körper, der Eleganz verträgt, Sir«, antwortete der Butler.»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf: Ich möchte keine Frau sein, die Ihnen begegnet.«

«Was geht hier vor, Worthlow?«

«Sir, wir haben nur noch zehn Minuten Zeit.«

«Sie wissen, was hier los ist? Sie wissen, wo Sie sind?«

«Ja, Sir.«

«Ich habe eine Beobachtung gemacht.«

«Hirn und Herz sollten in diesem Hause wie ein Tresor sein, Sir, in den man seine Beobachtungen verschließt. Vor allem, wenn man integriert ist.«

«Ich bin nicht integriert!«Was sollte denn das nun wieder heißen? Volkmar ging hinaus in seine große Privathalle. Worthlow folgte ihm, den Karton unterm Arm.»Und ich lasse mich auch künftig nicht integrieren, wie Sie das nennen, weder durch Maßanzüge noch durch Geld oder die schöne Loretta! Worthlow, wie kann ein Mädchen wie Loretta so etwas mitmachen?!«

«Miß Loretta ist ahnungslos.«

«Sie ist doch nicht blind!«

«Seit sie lebt, wird sie wie ein Engel behandelt. Ihre Welt war immer schön, rein und glücklich. Daß die Welt elend und gemein ist, hat sie nur einmal erfahren, in der Klosterschule. Da hat eine Mitschülerin zu ihr gesagt: >Geh weg, du Mafia-Bastard!< Dr. Soriano blieb ganz ruhig. Er verlangte nur, daß der Vater des Mädchens sich für seine Tochter entschuldigte. Der Vater, Besitzer einer Marmeladenfabrik, tat das nicht. Er schrieb einen Brief:>Ich freue mich über die Wahrheitsliebe meiner Tochter. Soll ich Wahrheit entschuldigen? <«

«Und dann?«Volkmar ahnte es.

«Die Marmeladenfabrik brannte ab. Vollkommen. Keine Menschenverluste, es geschah in der Nacht. Sachverständige stellten als Ursache einen Kurzschluß fest. Der Vater des Mädchens kam einen Monat später zu Dr. Soriano und entschuldigte sich. Er bekam nir-gendwo Geld oder einen Kredit, die Fabrik wieder aufzubauen. Dr. Soriano kaufte sie, aus reiner Wohltätigkeit. Der Vater des Mädchens hat Don Eugenio vor Glück weinend die Hände geküßt.«

«Und so etwas erwartet man nun auch von mir?«Dr. Volkmar schüttelte heftig den Kopf.»Bei mir gibt es Widerstand, Worthlow!«

«Ich würde mich nicht festlegen, Sir. «Worthlow blickte auf seine dicke Taschenuhr.»Wir müssen gehen, Sir.«

«Noch eine Frage, Worthlow: Was sind Sie? Butler oder Gefängniswärter?«

«Wenn Sie erlauben, Sir: Ihr Freund.«

«Von Freundschaft habe ich einen anderen Begriff.«

«Sie sind ja auch erst einen Tag hier, Sir. «Worthlow riß die geschnitzte, maurische Tür auf.»Die Herren warten mit Ungeduld auf Sie, Sir.«

Ungeduld war nicht der richtige Ausdruck. Fairerweise muß man sagen: Den Großen Rat plagte die Neugier. Dr. Soriano hatte bei seinen Einladungen, die grundsätzlich weder schriftlich noch telefonisch, sondern nur durch persönliche Kuriere überbracht wurden, den Komplex, der zur Sprache kommen sollte, nur angedeutet. Aber gerade das hatte Anlaß zu den abenteuerlichsten Spekulationen gegeben.

Die beruhigten sich ein wenig, als Dr. Pietro Nardo eine halbe Stunde vor Erscheinen Dr. Volkmars das Problem im groben erläuterte. Er verzichtete auf medizinische Details und Fachausdrücke, die ohnedies die wenigsten in dieser Runde verstanden, und beschränkte sich darauf, das Technische zu erklären. Das war etwas, was alle begriffen.

«Eugenio, du bist verrückt!«sagte der dicke Don Giacomo aus Catania.»Total verrückt! Ich hätte mich nicht gewundert, wenn du gesagt hättest: >Wir errichten auf dem Petersplatz einen Puff!< Aber das hier? Liebe Freunde, ich bin ein Laie auf diesem Gebiet, aber wenn das möglich ist, gehe ich mit meiner Alten wieder ins Bett! Verdammt, ich handele lieber mit Zitronen als mit Utopien!«

«Ich glaube an den Erfolg, weil ich den Erfolg will!«sagte Dr. So-riano laut.»Mein Gast ist der beste Herzchirurg der Welt — er weiß es bloß noch nicht! Seine Mittel waren bisher beschränkt. Ich werde ihm neue Dimensionen der Medizin öffnen!«

«Das ist das erste Geschäft, das wir auf Pudding bauen sollen«, sagte Don Franco aus Messina. Er hatte sich einige Sätze aus Dr. Nardos Erklärungen notiert und überflog sie jetzt.»Alles nur Hypothesen. Theorien! Alles Phantasie. Märchen unter der OP-Lam-pe!«

«Hast du ein Herz, Franco?«fragte Soriano kalt.

«Na und?«rief der Mann aus Messina.

«Was würdest du bezahlen, wenn dieses Herz kaputtgeht und jeder Arzt zu dir sagt: Vorbei, Don Franco. Rettungslos verloren. Beten Sie, mein Lieber. Stiften Sie am besten noch eine Kirche. Und dann kommt jemand und sagt zu dir: Wieso vorbei? Sie haben ein kaputtes Herz, Don Franco? Ist das ein Problem? Ich setze Ihnen ein neues, frisches, gesundes, junges Herz ein. - Was wäre dir das wert?«

Don Franco starrte Dr. Soriano mit bebenden Wangen an. Er war fahl geworden, so sehr hatte ihn erschreckt, was Soriano ihm suggerierte.

«Alles, was ich habe«, sagte er heiser.»Madonna! Alles! Wenn man weiterleben könnte. Aber man kann es nicht. «Er schlug mit der Faust auf den Tisch und sprang auf.»Man kann es nicht!«Seine Stimme überschlug sich. Mit der dicken Faust hämmerte er unentwegt auf den Tisch.»Niemand kann das! Ich glaube es nicht! Da hört die Medizin auf!«

«Im Gegenteil. Die neue Medizin fängt damit erst an. «Dr. Soriano lehnte sich in seinem geschnitzten Sessel zurück.»Bertoldo, an was ist deine Mutter gestorben?«

Don Bertoldo aus Siracusa wischte sich über das breitflächige Gesicht.»An einer Blinddarmentzündung.«

«Du hast erzählt, daß der Arzt damals von Schicksal sprach. Heute ist eine Blinddarmoperation eine Lappalie, und für die Nachbehandlung gibt es die Antibiotika. Die Revolutionen in der Me-dizin sind nachhaltiger als die politischen Revolutionen!«

«Aber beim Herzen hört's auf!«sagte der dicke Don Franco.»Außerdem ist das kein Geschäft.«

Der kritische Punkt war erreicht. In dieser ehrenwerten Runde galt nur der Umsatz. Mit was er erreicht wurde, war zweitrangig. Stieg man in ein Unternehmen ein, so nur dann, wenn man von Anbeginn wußte, daß Risiko und Verdienst sich zumindest die Waage hielten. Geschäftliche Saltos, wie sie manchmal die amerikanischen Freunde drehten, waren auf Sizilien nicht beliebt. Sicherheit war das wichtigste, vor allem aber, daß die gesellschaftliche Achtung, die Un-beflecktheit des guten Namens erhalten blieben. Man mußte, ohne sich zu schämen, sonntags zur Kommunion gehen können.

Dr. Soriano sah Dr. Nardo an. Ein Wink mit den Augen. Der Arzt trat vor.

«Die Zahl der Menschen, die an inoperablen Herzfehlern gestorben sind, kann nur geschätzt werden«, sagte er.»Wieviel Menschen mit einem geschädigten Herzen herumlaufen, Opfer der sogenannten >stillen< Herzinfarkte, weiß niemand. Ich kann Ihnen die ganze Liste der lebensbedrohenden Herzerkrankungen nicht vorlesen oder gar erklären, das wäre ein medizinisches Kolleg. Es ist aber sicher, daß sich in den Kreisen, die wir ansprechen wollen, einige hundert Kranke befinden, die man — wenn die Operationsmethode reif ist — retten könnte. Setzen wir voraus, daß solch ein neues Leben mit 500.000 bis 1 Million Dollar bewertet wird, je nach Finanzlage des Patienten, dann wären das bei 100 Fällen schon 100 Millionen Dollar!«

«Idiotisch!«sagte Don Bertoldo laut.»So rechnen Analphabeten. Wie kann man einer Utopie Rentabilität zugrunde legen?! Eugenio, was ist mit dir los?! Seit wann fängst du an, die Sterne zu verkaufen?«

«Fragen wir Dr. Volkmar!«Dr. Soriano drückte auf einen Knopf an seinem Tisch. Ein Minisender schickte daraufhin einen Impuls hinaus: In Worthlows Uniformtasche piepste es leise. Der Butler stand mit Volkmar im Eßsaal und öffnete einen Flügel der breiten Tür.

«Viel Glück«, sagte er leise,»und denken Sie daran, Sir: Machen Sie aus Ihrem Herzen einen Tresor.«

Der Große Rat erhob sich von den Stühlen, als habe jemand» Aufstehen!«kommandiert. Achtundzwanzig Augen richteten sich auf Dr. Volkmar, die Stille, die ihn empfing, war wie eine Wand, gegen die er anlief Dr. Soriano kam um seinen Tisch herum und begrüßte ihn, als habe man sich lange nicht gesehen.

«Prächtig schauen Sie aus!«sagte er leise.»Es ist nicht übertrieben: Nur italienische Schneider machen aus einem männlichen Individuum einen Mann!«Und dann, lauter:»Darf ich Ihnen meine Freunde — sicherlich bald auch Ihre Freunde — vorstellen? Und das ist Dr. Nardo, ein Kollege von Ihnen.«

Dr. Volkmar gab Dr. Nardo die Hand. Der typische Süditaliener, dachte er. Schlank, fast grazil, schwarze, wie gelackte Haare, beweglich, schwarzbraune Augen. Ein Mann, wie ihn nordeuropäische Frauen suchen, wenn sie in den Süden reisen.

«Ich freue mich«, sagte Dr. Nardo etwas reserviert.»Auf eine gute Zusammenarbeit, Herr Kollege.«

Volkmar verzichtete auf den Hinweis, daß es zur Zusammenarbeit wohl gar nicht erst kommen dürfte. Er wandte sich zu dem Hufeisentisch um und betrachtete die berühmten Herren Siziliens mit ehrlichem Interesse. Er dachte an Worthlows Worte. Wenn dieser Große Rat zusammentrat, war mehr Macht auf einem Raum versammelt als bei mancher internationalen Gipfelkonferenz. Der Einfluß dieser Männer machte auf Ministerebene nicht halt.

Die Herren setzten sich wieder, als sei eine stille Gedenkminute vorbei. Don Franco räusperte sich, Don Bertoldo wischte sich wieder über das breite Gesicht. Don Giacomo, in seiner Ungeduld, fragte, noch bevor Dr. Soriano zum Thema überleiten konnte, in die Stille hinein:

«Sie sind also der Mann, der Herzen verpflanzen kann?!«

«Nein. «Es tat Volkmar gut, dieses Nein klar und hart zu sagen.

«Aha!«rief Don Franco.»Was hat man uns denn da erzählt?!«

Dr. Soriano schien nicht im geringsten betroffen. Er ging zu seinem Tisch zurück und setzte sich. Wie vor einem Gerichtshof stand Dr. Volkmar allein vor den Blicken des Großen Rates. Auch Dr. Nar-do war in den Hintergrund getreten und hatte sich auf einen Stuhl neben einer aufgespannten Kinoleinwand gesetzt. Die Demonstration mit Fotos aus der Versuchsklinik, die man in Palermo nur als >soziales Altersheim< kannte, stand noch aus.

«Wir wollen uns den Beginn unserer Freundschaft erleichtern, Dottore«, sagte Soriano milde.»Wir sind eine große Familie, und Sie, als neues Mitglied, sollen vorgestellt werden. Sie sind Chirurg.«

«Ja«, antwortete Dr. Volkmar.

«Sie haben sich bei Ihren Forschungen mit der Herztransplantation beschäftigt und gelten auf diesem Gebiet als Experte.«

«Ich maße mir kein Urteil an.«

«Ich weiß es, Dottore. Es ist Ihnen gelungen, Affen und Hunde mit fremden Herzen wochenlang leben zu lassen. In spätestens einer Woche haben wir die Fotokopien all Ihrer wissenschaftlichen Arbeiten hier. Meine Mitarbeiter sind pausenlos unterwegs. Ein Fernschreiben aus München, das ich vor einer Stunde erhielt, gibt einen Kommentar Ihres Klinikchefs wieder. Er sagt: >Mit dem tragischen Unglücksfall, dem Dozent Dr. Volkmar zum Opfer fiel, ist der Forschung auf dem Gebiet der Organverpflanzung ein unersetzlicher Verlust entstanden. Ich befürchte, daß wir um mindestens ein Jahr zurückgeworfen worden sind. Dr. Volkmar arbeitete an völlig neuen Operationsmethoden und serogenetischen Forschungen, die das Risiko vor allem von Transplantationen im Cardiabereich vermindern.. <«

Dr. Volkmar schüttelte lächelnd den Kopf.»Das hat Professor Hatzport an die Presse gegeben? Unbegreiflich. Vor drei Wochen hörte sich das noch anders an.«

«Der Toten Ruhm ist der Sessel der Lebenden!«Dr. Soriano legte das Fernschreiben zurück auf den Tisch.»Stimmt das, Dottore? Sie haben neue Wege entdeckt?«

«Vielleicht. Wir stehen noch am Anfang.«

«Aber Sie sind fest davon überzeugt, daß man Herzen verpflan-zen kann?«

«Ja. Technisch ist das Problem fast gelöst, nur immunbiologisch noch nicht. Unter tausend oder zweitausend Menschen sind vielleicht zwei, deren Proteine und Proteide miteinander harmonisieren. Aber das ist noch laienhaft ausgedrückt. Die körpereigene Abwehr setzt sich aus vielen Komponenten zusammen, die wir zum Teil noch gar nicht kennen oder, selbst wenn sie uns bekannt sind, noch nicht beherrschen.«

«Danke, Dottore. «Dr. Soriano war zufrieden. Volkmar hatte mehr gesagt, als er erwartet hatte. Er hatte mit stummem Widerstand gerechnet, mit eisigem Schweigen. Jetzt aber konnte er mit seinem Vorschlag herausrücken:»Wir haben Sie gebeten, unser Gast zu sein, weil wir Sie überraschen wollen. Sie werden alle finanziellen und technischen Möglichkeiten erhalten, um Ihre Forschungen weiterzuführen. Operationsräume, Labors, Versuchstiere stehen bereits zur Verfügung. Dr. Nardo arbeitet seit zwei Jahren an dem gleichen Problem, mit wechselndem Erfolg. In den Bergen von Camporeale entstehen zur Zeit eine große Kinderklinik und ein Kinderheim. Ein Seitentrakt wird eine Herzklinik beherbergen, ausgestattet nach den modernsten Erfahrungen. Sie wird Ihnen Arbeitsmöglichkeiten bieten, wie sie kein anderer Chirurg auf der Welt besitzt. Sie, Dr. Volkmar, werden diese Herzklinik leiten. Wir freuen uns, Ihnen das sagen zu können. Mit dem Bau und der kompletten Einrichtung werden wir in einem halben Jahr fertig sein. «Dr. Soriano nickte Volkmar fast väterlich-stolz zu.»Ist das eine Überraschung, Dottore?«

«Das kann man sagen. «Volkmar blickte in die Runde.»Ich lehne ab!«

«Wie erwartet. «Soriano hob die Hand, als er sah, daß Don Ber-toldo und Don Franco etwas fragen wollten.»Wir sprechen noch darüber, Dottore. Es ist unser Vorteil, daß wir nicht unter Zeitdruck stehen. Fragen Sie Ihr ärztliches Gewissen: Ich kann für die ganze Menschheit etwas tun und sage nein! Ist das richtig?! Wer sonst bietet Ihnen diese Möglichkeiten? Keiner! Bei uns können Sie nicht nur an Ratten, Kaninchen, Hunden und Affen forschen. Sie können auch am Menschen.«

Wortlos drehte sich Dr. Volkmar um und ging aus dem Zimmer. Er lief auf die Terrasse, ließ sich in einen der Polstersessel fallen und bedeckte mit beiden Händen sein Gesicht. Er schrak erst auf, als hinter seinem Rücken etwas klapperte.

«Whisky oder einen scharfen Longdrink, Sir?«fragte Worthlow.

«Zyankali bitte!«Volkmar legte den Kopf zurück auf die Lehne. Worthlow mixte an der Gartenbar einen grünschillernden Drink.»Das ist ungeheuerlich, Worthlow!«sagte er heiser.»Sie wollen mit Herzen Geschäfte machen. Das sind Verrückte! Alles Verrückte! Allein die Beschaffung von Spenderherzen.«

«Das ist das geringste Problem, Sir«, sagte Worthlow und reichte Volkmar das hohe Glas mit dem Drink.»Für Don Eugenio ist alles greifbar, auch ein Herzspender oder mehrere.«

Volkmar umklammerte sein Glas, kroch in sich zusammen und schloß die Augen. Plötzlich fror er in der heißen sizilianischen Sonne.

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