8.

Was auch immer Filipp Filippowitsch da zu tun gedachte, in der nächsten Woche unternahm er jedenfalls nichts, und möglicherweise war es gerade diese Tatenlosigkeit seinerseits, welche das Leben in der Wohnung in Folge mit Ereignissen überfüllte.

Circa 6 Tage nach jener Geschichte mit dem Wasser und dem Kater bekam Lumpikow einen Besuch von dem jungen Mann, der in Wirklichkeit eine Frau war und ihm Papiere aushändigte, die jener sich sofort in die Tasche steckte, bevor er nach Doktor Bormenthal rief.

– Bormenthal!

– Wenn Sie mich schon rufen, dann nennen Sie mich bitte schön, wie es sich gehört, beim Vor- und Vatersnamen! –, antwortete Bormenthal, und sein Gesicht verzog sich.

Es sollte nicht unerwähnt bleiben, dass es während der letzten 6 Tage dem Chirurgen tatsächlich gelungen war, sich 8 Mal mit seinem Zögling zu zanken. So herrschte in den Obuchow-Räumen eine reichlich gesteigerte Stimmung.

– Ja, und was ist mit mir? Sie nennen mich auch bittschön beim Vor- und Vatersnamen! –, versetzte Lumpikow völlig zu Recht.

– Nein! –, donnerte in der Tür Filipp Filippowitsch. – Diese Namen sind in meiner Wohnung tabu! Klingt Ihnen »Lumpikow« zu familiär, dann werden Doktor Bormenthal und ich Sie in Zukunft »Herr Lumpikow« nennen.

– Nix Herr, die Herrschaften, die sind in Paris!Anmerkung –, kläffte Lumpikow.

– Alles Schwonders Arbeit! –, rief Filipp Filippowitsch. – Aber keine Sorge, dieser Schurke bekommt noch seine Rechnung serviert! Solange ich in meiner Wohnung lebe, werden sich in ihr nur Herrschaften aufhalten! Denn andernfalls werden ich oder Sie die Wohnung leider räumen müssen, und ich tippe da eher auf Sie! Wenn ich heute in der Zeitung eine Annonce aufgebe, dann findet sich schnell für Sie ein Zimmer, das können Sie mir glauben!

– Ach ja? Bin ich denn echt so blöd und zieh hier aus? –, sagte Lumpikow klipp und klar.

– Wie? –, fragte Filipp Filippowitsch, und sein Gesicht verfärbte sich so sehr, dass Bormenthal flugs herbeieilte und ihn sanft und sorgenvoll am Ärmel fasste.

– Ich muss schon sagen: Sie nehmen sich ganz schön viel heraus, Monsieur Lumpikow –, Bormenthal sprach mit einer sehr erhobenen Stimme. Lumpikow wich zurück und zog aus der Tasche 3 Papiere – grün, gelb, weiß – und tippte mit den Fingern darauf:

– Da. Mitglied der Wohnungsgenossenschaft, und mir steht auch eine Wohnfläche zu, und zwar in der Wohnung Nr. 5, bei der Mieterpartei Preobraschenski, insgesamt 55 Quadratmeter –, Lumpikow dachte kurz nach und sagte ein Wort, welches von Doktor Bormenthal im Nu als neu notiert wurde: Wu-a-la.Anmerkung

Filipp Filippowitsch biss sich die Lippen, bevor er durch sie hindurch sprach, zugegebenermaßen etwas unvorsichtig:

– Ich schwöre, früher oder später verpasse ich diesem Schwonder eine Kugel.

Lumpikow aber schenkte den Worten allerhöchste Aufmerksamkeit, so viel verrieten seine Augen.

– Filipp Filippowitsch, cave canem Anmerkung …–, ermahnte ihn Bormenthal.

– Nein, also wirklich … Eine solche Dreistigkeit! … –, rief Filipp Filippowitsch aus. – Sie sollten wissen, Lumpikow, Herr … dass ich … falls Sie es noch einmal wagen, so frech zu werden, dass Sie ohne Abendessen bleiben, beziehungsweise dass Sie nie wieder in meinem Haus speisen werden. 55 Quadratmeter, das ist herzallerliebst, aber ich bin gewiss nicht verpflichtet, Sie auf der Grundlage dieses Märchenbriefs auch noch durchzufüttern, oder?

Da erschrak Lumpikow und öffnete ein wenig den Mund.

– Kann aber nicht ohne Nahrungsmittel –, murmelte er, – was soll ich denn fressen?

– Dann verhalten Sie sich auch dementsprechend –, heulten beide Äskulaps unisono.

Lumpikow wurde deutlich stiller, und an diesem Abend fügte er keinem mehr irgendwelchen Schaden zu, außer vielleicht – sich selbst: Als Bormenthal kurz abwesend war, bemächtigte er sich seines Rasiermessers und schlitzte sich derart die Wange auf, dass Filipp Filippowitsch und Doktor Bormenthal ihm die Schnittwunde nähen mussten, wovon Lumpikow lange jaulte und Tränen vergoss.

In der folgenden Nacht saßen im Kabinett des Professors, in grünes Zwielicht gehüllt, zwei Personen – nämlich Filipp Filippowitsch selbst und sein getreuer Begleiter Doktor Bormenthal. Alle anderen schliefen bereits. Filipp Filippowitsch hatte seinen azurnen Hausmantel an sowie rote Schuhe, und Bormenthal ein Hemd mit blauen Hosenträgern. Zwischen den Ärzten auf dem runden Tisch neben dem aufgequollenen Album standen Cognac, ein Tellerchen mit Zitrone und eine Kiste Zigarren. Die Wissenschaftler hatten das ganze Zimmer vollgeraucht und besprachen hitzig die neuesten Entwicklungen: An dem Abend hatte Lumpikow aus dem Kabinett von Filipp Filippowitsch 2 Zehnrubelscheine mitgehen lassen, die dort unter einer Löschwiege lagen, und weg war er. Er kehrte erst sehr spät zurück, und zwar in vollkommen betrunkenem Zustand. Doch nicht genug – mit Lumpikow zusammen erschienen 2 unbekannte Gestalten, die noch lange im Stiegenhaus pöbelten und die Absicht äußerten, bei ihm zu übernachten. Die besagten Gestalten gingen erst, als Fjodor, welcher der ganzen Szene in einer Herbstjacke beiwohnte, die über sein Nachthemd gestülpt war, das Telefon nahm und anrief – bei dem 45. Revier der Miliz. Die Gestalten waren verpufft, sobald Fjodor den Hörer auflegte. Mit den Gestalten verschwanden allerdings aus dem Vorzimmer auf mysteriöse Weise ein malachitener Aschenbecher vom Spiegelschränkchen, Filipp Filippowitschs Biberfellmütze sowie sein Spazierstock mit den goldenen Schnörkeln: »Dem lieben und verehrten Professor Preobraschenski von seinen dankbaren Ordinationsgehilfen zum …«, und dann folgte ein römisches XXV.

– Was waren das für Leute? –, marschierte Filipp Filippowitsch mit geballten Fäusten auf Lumpikow los.

Jener torkelte, verfing sich in den Mänteln, lallte etwas davon, die Gestalten seien ihm unbekannt, aber keine Kanaillen, sondern, im Gegenteil, gute Menschen.

– Das Verblüffendste ist: Die waren beide volltrunken und haben es irgendwie doch noch geschafft! –, wunderte sich Filipp Filippowitsch mit einem Blick auf den Ständer, wo sich weiland sein Erinnerungsstück befunden hatte.

– Sind eben vom Fach –, erklärte Fjodor und entfernte sich, einen Rubel in der Tasche.

Das mit den beiden Zehnrubelscheinen bestritt Lumpikow kategorisch, dabei brabbelte er etwas Verschwommenes, nach dem Motto, in der Wohnung seien ja auch noch andere.

– Aha! Dann hat womöglich Doktor Bormenthal sich die Zehner gekrallt? –, fragte Filipp Filippowitsch mit einer leisen, doch dem Tonfall nach furchtbaren Stimme.

Lumpikow wankte, öffnete seine stockbesoffenen Augen und äußerte die Vermutung:

– Vielleicht war’s ja Sinka …

– Wie war das?! … –, schrie Sina, wie ein Gespenst in der Tür erscheinend und die an der Brust aufgeknöpfte Bluse mit den Händen schirmend. – Ich hör wohl nicht recht …

Filipp Filippowitschs Hals bekam rote Farbe.

– Ganz ruhig, Sinuschka –, sagte er und streckte ihr seine Arme entgegen, – nur keine Sorge, wir regeln das schon.

Sina heulte sofort, wölbte die Lippen, und ihre Hand fing an, vor dem Schlüsselbein zu hüpfen.

– Sina! Dass Sie sich nicht schämen! Pfui, wer hätte das nur gedacht! Reißen Sie sich gefälligst am Riemen! –, murmelte Bormenthal irritiert.

– Mit Verlaub, Sina, aber du bist schlicht und ergreifend eine dumme Gans –, begann Filipp Filippowitsch.

Da hörte Sinas Weinen ganz von selbst auf, und alles verstummte. Denn Lumpikow wurde es auf einmal schlecht. Er stieß mit dem Kopf gegen die Wand, gab einen Laut von sich – wie I oder E oder vielleicht noch treffender: Ä! Sein Gesicht wurde bleich, und der Kiefer zuckte in Konvulsionen.

– Schnell, einen Kübel für diesen Halunken!

Schon huschten allesamt hin und her und kümmerten sich um den kranken Lumpikow. Während er ins Bettchen gebracht wurde, taumelte er in Bormenthals Händen und gab sehr zärtlich und melodisch lauter üble Wörter von sich, die er nur mit Mühe herausbekam.

Diese ganze Geschichte hatte sich gegen 1 Uhr morgens abgespielt, jetzt aber war es bereits nach 3, doch die zwei im Kabinett wachten noch immer, vom Cognac angeheizt. Es ist so viel geraucht worden, dass der Dunst sich in dichten langsamen Flächen bewegte, die nicht einmal zitterten.

Doktor Bormenthal, blass, die Augen feurig, hob das Glas mit der Libellentaille.

– Filipp Filippowitsch! –, rief er in Rührung. – Ich werde es niemals im Leben vergessen, wie ich, ein halb verhungerter Student, zu Ihnen kam und Sie mich an Ihrem Lehrstuhl aufnahmen. Glauben Sie mir, Filipp Filippowitsch, Sie sind für mich mehr als Professor und Lehrer … Ich verehre Sie grenzenlos … Erlauben Sie mir, Sie zu küssen, oh mein lieber Filipp Filippowitsch.

– Ja, mein Bester … –, muhte verwirrt Filipp Filippowitsch und erhob sich. Bormenthal schloss ihn in seine Arme und küsste den Professor auf den buschigen, stark verrauchten Schnauzer.

– Vom ganzen Herzen, Filipp Fili…

– Bin richtig ergriffen, richtig ergriffen … Danke, danke –, sprach Filipp Filippowitsch, – mein Bester, dabei schreie ich Sie ab und zu an während der Operationen. Vergeben Sie es dem alten Hitzkopf. Denn im Grunde bin ich so einsam …

Von Sevilla bis Granada …


– Filipp Filippowitsch, Sie sollten sich schämen! … –, rief schwärmerisch Doktor Bormenthal, – Sie kränken mich, wenn Sie so etwas sagen …

– Danke, mein Lieber …

Zu des Niles heil’gem Ufer …


Danke … Auch ich habe Sie in mein Herz geschlossen – als einen recht talentierten Arzt.

– Filipp Filippowitsch, ich sage Ihnen … –, verkündete Bormenthal voller Emphase, dann sprang er auf, schloss die Tür zum Korridor, kehrte zurück und fuhr flüsternd fort: – Das erscheint mir als der einzig mögliche Ausgang. Natürlich wäre es anmaßend, Ihnen Ratschläge zu erteilen, aber sehen Sie sich doch an, Filipp Filippowitsch, Sie schinden sich zu Tode, so können Sie einfach nicht weiterarbeiten!

– Das ist leider wahr! –, bestätigte Filipp Filippowitsch mit einem Seufzer.

– Na, sehen Sie, absolut ausgeschlossen –, raunte Bormenthal, – Sie sagten das letzte Mal, Sie hätten Angst um mich, ach, wüssten Sie nur, lieber Professor, wie sehr mich das bewegt hat. Ich bin kein Kind mehr und begreife sehr wohl, was für schreckliche Folgen das haben kann. Aber aus tiefster Überzeugung sage ich: Einen anderen Ausweg gibt es nicht.

Filipp Filippowitsch richtete sich auf, fuchtelte mit den Händen und rief:

– War ein netter Versuch, doch genug davon –, der Professor tigerte durch das Zimmer, dass die rauchigen Wellen zu schaukeln begannen, – ich will darüber kein Wort mehr hören. Sie wissen doch, was passiert, wenn wir auffliegen? Rechnen Sie nicht mit »mildernden Umständen aufgrund sozialer Herkunft«, selbst wenn es für uns beide die erste Vorstrafe wäre. Sie sind doch nicht von entsprechender Herkunft, nicht wahr, mein Lieber?

– Ach wo, verdammt …! Mein Vater war ein Untersuchungsrichter in Wilna –, erwiderte Bormenthal verbittert und trank seinen Cognac aus.

– Na bitte, wer sagt’s denn. Verdorbene Gene. Schlimmer geht es ja kaum noch. Doch nein, mea culpa: Bei mir ist es schlimmer. Mein Vater war Erzpriester einer Kathedrale. Na, herzlichen Dank.

Von Sevilla bis Granada


klingt im Dämmerschein der Nacht …


Schöne Bescherung, zum Teufel noch mal.

– Filipp Filippowitsch, Sie sind eine international anerkannte Kapazität, und wegen so eines, Sie verzeihen mir den Ausdruck, Hundesohns … werden die Ihnen doch kein Haar krümmen!

– Umso weniger werde ich es tun –, entgegnete Filipp Filippowitsch nachdenklich, hielt inne und blickte hinüber zum Glasschrank.

– Aber wieso nicht?!

– Aus dem einen einfachen Grund: Sie sind keine international anerkannte Kapazität.

– Wahrlich nicht …

– Na, sehen Sie? In der Not einen Kollegen im Regen stehen lassen und sich selbst, dank der internationalen Anerkennung, schadlos halten, nein, tut mir leid … Ich bin doch ein Moskauer Student und kein Lumpikow! – Filipp Filippowitsch hob stolz die Schultern, ähnlich einem alten französischen König.

– Ach, herrje, Filipp Filippowitsch … –, rief Bormenthal wehmütig aus, – und nun? Sich gedulden? Sie wollen doch nicht etwa darauf warten, dass jemand aus diesem Schurken einen Menschen macht?

Mit einer Handbewegung hieß Filipp Filippowitsch ihn schweigen, schenkte sich Cognac ein, lutschte an der Zitrone und redete:

– Iwan Arnoldowitsch, eine Frage: Verstehe ich irgendetwas von der Anatomie und der Physiologie, nun, sagen wir mal, des menschlichen Hirnapparats? Was meinen Sie?

– Filipp Filippowitsch, dass Sie noch fragen! –, antwortete Bormenthal leidenschaftlich und zuckte die Achseln.

– Also gut. Ohne falsche Bescheidenheit. Auch meiner eigenen Meinung nach bin ich auf dem Gebiet wohl nicht der letzte Mensch in Moskau.

– Von wegen der Letzte, Sie sind der Erste, und zwar nicht allein in Moskau, sondern auch in London, in Oxford! –, fiel ihm Bormenthal pathetisch ins Wort.

– Nun gut, möge es so sein. Also, Herr Professor Bormenthal in spe: Das wird niemandem gelingen. Es ist aus. Vergessen Sie es. Nehmen Sie mich ruhig beim Wort: »Behauptet Professor Preobraschenski«. Finita! Klim! –, sprach Filipp Filippowitsch auf einmal feierlich, und der Schrank antwortete mit leisem Klirren. – Klim! –, wiederholte er. – Hören Sie, Bormenthal, Sie sind der erste Vertreter meiner Schule und außerdem, wie ich heute feststellen durfte, ein Freund. Also, hören Sie, mal ganz unter uns – natürlich weiß ich: Sie werden mich unter keinen Umständen bloßstellen, nach dem Motto: Preobraschenski, der alte Ochse, hat sich mit dieser Operation massiv übernommen, wie ein Drittsemestler. Den Wert der Entdeckung kennen Sie ja –, er wies mit den Händen auf die Gardine (wohl stellvertretend für ganz Moskau), – aber das einzige Resultat ist, dass wir alle diesen Lumpikow jetzt hier haben –, und Preobraschenski klopfte sich hinten auf seinen runden Paralyse-anfälligen Hals, – so wahr ich hier vor Ihnen sitze! Ach, würde mich jemand auf die Streckbank legen –, fuhr der Professor lüstern fort, – und mich einmal kräftig auspeitschen, es wäre mir 50 Rubel wert!

Von Sevilla bis Granada …


Hol mich der Teufel … 5 Jahre lang hockte ich hier und stocherte Hirnanhangdrüsen heraus … Sie wissen, wie viel Arbeit das war – es lässt sich ja kaum in Worte fassen. Jetzt aber frage ich mich – wofür? Um eines schönen Tages einen schnuckeligen Hund in einen solchen Abschaum zu verwandeln, dass einem die Haare zu Berge stehen!

– Und was für einen …

– Ganz recht, Doktor. Und das geschieht, wenn der Forscher, anstatt äußerst einfühlsam Hand in Hand mit der Natur zu gehen, die Fragen forciert und den Schleier lüftet! Bitte schön, da hast du deinen Lumpikow, na, wohl bekomm’s!

– Filipp Filippowitsch, und wäre das Hirn von SpinozaAnmerkung?

– Jawohl! –, brüllte Filipp Filippowitsch. – Jawohl! Und würde der unglückselige Hund mir nicht unter dem Messer krepieren, Sie haben doch gesehen, von welcher Art die Operation war. Kurz und gut: Ich, Filipp Preobraschenski, habe in meinem gesamten Leben nichts Komplizierteres durchgeführt. Natürlich können Sie die Hypophyse von Spinoza oder irgendeinem Waldschrat verpflanzen und auf diese Weise aus dem Hund ein hoch entwickeltes Wesen kreieren, fragt sich nur – was zum Teufel soll das? Erklären Sie mir bitte, was daran gut ist, künstlich Spinozas herzustellen, wo doch jedes x-beliebige Weib in der Lage ist, einen solchen zur Welt zu bringen. Da bekommt halt so eine Madame Lomonossow in Cholmogory ihren berühmten Spross Anmerkung. Wissen Sie, Doktor, das Menschengeschlecht kümmert sich ja selbst schon genug darum, und liest emsig im Sinne der Evolution Jahr für Jahr aus der Masse des Abschaums ein paar Handvoll Genies heraus, welche unsere Erde dann zieren. Vielleicht verstehen Sie jetzt, Doktor, warum ich über Ihre Schlussfolgerungen aus Lumpikows Krankengeschichte nur spötteln kann? Meine Entdeckung, zum Teufel noch mal, die Sie so enthusiastisch besingen, ist nicht einen Pfifferling wert … Keine Einwände, Iwan Arnoldowitsch, denn das steht für mich außer Frage. Ich spreche doch niemals in den Wind, und das wissen Sie ganz genau. Theoretisch ist es von Interesse, prima. Die Physiologen werden begeistert sein … In ganz Moskau ist jetzt die Hölle los … Aber praktisch gesehen? Wen haben Sie jetzt vor sich? –, Preobraschenski zeigte mit dem Finger in Richtung des Untersuchungszimmers, wo Lumpikow zu schlafen geruhte.

– Einen richtigen Schlawiner.

– Wer ist es? –, rief der Professor. – Es ist Klim! Es ist Klim! Es ist Klim Tschugunkin! – (Bormenthal öffnete den Mund.) – Also: 2 Vorstrafen, Alkoholismus, »alles nehmen und teilen«, eine Mütze weg, 2 Zehnrubelscheine – (jetzt erinnerte sich Filipp Filippowitsch an den Jubiläumsspazierstock und barst vor Wut) – ein Flegel, ein Schwein … Aber den Stock, den finde ich wieder. Kurzum: Die Hypophyse ist eine verschlossene Kammer, die das Wesen des jeweiligen Menschen bestimmt. Des jeweiligen!

Von Sevilla bis Granada …


schrie Filipp Filippowitsch und ließ dabei jähzornig seine Augen rollen, – und eben nicht eines jeden! Sie ist das Gehirn en miniature! Und als solches für mich unbrauchbar, also ab zu den Schweinen damit! Ich kümmerte mich um etwas ganz anderes, um Eugenik, um die Veredelung der Menschenrasse. Und ausgerechnet bei der Verjüngung hole ich mir eine blutige Nase! Sie glauben doch nicht, ich täte es für Geld? Ich bin, verdammt noch mal, ein Wissenschaftler …

– Und zwar ein großer Wissenschaftler, jawohl! –, sagte Bormenthal und schluckte den Cognac. Seine Augen füllten sich mit Blut.

– Ich wollte einen kleinen Versuch wagen, nachdem es mir vor 2 Jahren zum ersten Mal gelungen war, aus der Hypophyse ein Geschlechtshormon zu extrahieren. Und was ist aus all dem geworden? Himmel! Diese Hormone in der Hypophyse, die gibt es ja weiß Gott reichlich … Doktor, vor mir liegt ein aussichtsloser Nebel, ich schwöre, ich habe mich verirrt …

Da krempelte Bormenthal die Ärmel hoch und sagte, zur Nasenspitze schielend:

– Dann Folgendes, mein lieber und guter Lehrer, wenn Sie es nicht tun, dann nehme ich selbst das Risiko auf mich und gebe ihm Rattengift. Der Papa Untersuchungsrichter? Egal! Denn letzten Endes bleibt es ja doch einzig Ihr experimentelles Geschöpf.

Filipp Filippowitsch erlosch, erschlaffte, sank hinab in den Sessel und sprach:

– Nein, das werde ich gewiss nicht zulassen, mein lieber Bursch. Ich bin 60 Jahre alt und darf Ihnen Ratschläge erteilen. Verwahren Sie sich gegen das Verbrechen, ganz gleich, wem es gilt. Leben Sie bis ins hohe Alter mit reinen Händen.

– Ich bitte Sie, Filipp Filippowitsch, und was, wenn ihn dieser Schwonder bearbeitet, was wird dann aus ihm? Oh mein Gott, ich fange erst jetzt an zu begreifen, was aus diesem Lumpikow alles werden kann!

– Aha? Das haben Sie jetzt begriffen. Und ich einen Tag nach der Operation. Nun, dieser Schwonder ist der größte Kretin. Er versteht nicht, dass Lumpikow für ihn viel gefährlicher werden kann als für mich. Natürlich versucht er im Augenblick, ihn gegen mich aufzuhetzen, dabei ist ihm eine Sache nicht klar – sollte es jemandem gelingen, Lumpikow gegen ihn selbst aufzuhetzen, bleibt von Schwonder nicht mehr übrig als ein Kehrichthaufen!

– Nicht wahr? Man denke nur an die Kater! Immerhin ist das ein Mensch mit einem hündischen Herzen!

– Oh nein, oh nein –, tönte Filipp Filippowitsch, – lieber Doktor, Sie begehen einen schweren Fehler, um Gottes willen, verhöhnen Sie mir nicht den Hund. Kater sind nur was Vorübergehendes … Bei guter Disziplin eine Frage von 2, 3 Wochen. Ganz sicher. Noch 1 Monat, und er hört auf, ihnen nachzurennen.

– Und warum nicht gleich? …

– Iwan Arnoldowitsch, das sind Binsenweisheiten … Dass Sie noch fragen! Eine Hypophyse hängt doch nicht frei in der Luft herum. Sie wurde in das Hirn eines Hundes verpflanzt, geben Sie ihr die Chance, sich erst anzupassen. Es ist nur der Rest des Hundeverhaltens, was Lumpikow gerade noch an den Tag legt, und glauben Sie mir, das mit den Katern ist noch das Beste, was er tut. Begreifen Sie doch, das Furchtbare ist, dass er kein hündisches Herz mehr hat, sondern eben ein menschliches. Und zwar das scheußlichste von allen, die der Planet so hergibt.

Bormenthal, bis zum Äußersten aufgeladen, ballte seine starken hageren Hände zu Fäusten, spannte die Schultern und sprach mit fester Stimme:

– Es ist vorbei. Ich bringe ihn um!

– Nur über meine Leiche –, versetzte kategorisch Filipp Filippowitsch.

– Ich bitte Sie, seien Sie vern…

Plötzlich horchte Filipp Filippowitsch auf und erhob seinen Zeigefinger.

– Warten Sie mal … Ich hörte Schritte.

Nun horchten sie beide, aber im Korridor blieb es still.

– Ich habe mich verhört –, sagte Filipp Filippowitsch und fing an, erhitzt Latein zu sprechenAnmerkung. Doch durch die fremden Worte hindurch klang mehrere Male der Ausdruck »Halunken«.

– Momentchen –, Bormenthal spitzte die Ohren und ging zur Tür. Eindeutig Schritte in Richtung des Kabinetts. Außerdem Gebrabbel. Bormenthal riss die Tür auf und wich erstaunt zurück. Filipp Filippowitsch, vollkommen perplex, erstarrte im Sessel.

Im erleuchteten Viereck des Korridors stand im bloßen Nachtkleid Darja Petrowna mit kämpferischem Flammengesicht. Sowohl der Arzt als auch der Professor waren geblendet vom Übermaß und der Übermacht dieses, wie ihnen vor Schreck schien, ganz und gar nackten Leibes. Die gewaltigen Hände Darja Petrownas schleppten etwas, und dieses Etwas sperrte sich, setzte sich auf den Hintern und ließ seine kleinen, mit schwarzem Flaum bewachsenen Beine am Boden schleifen. Natürlich war dieses Etwas Lumpikow, durch und durch verwirrt, noch immer stockblau, völlig zerzaust und nur im Hemd.

Darja Petrowna, überwältigend, nackt, schwenkte Lumpikow wie einen Sack Kartoffeln und sprach dazu folgende Worte:

– Bitte sehr, Herr Professor, darf ich vorstellen: Unser nächtlicher Besucher Polygraph Polygraphowitsch. Ich war mal verheiratet, aber Sina ist noch ein unschuldiges Mädchen. Gut, dass ich rechtzeitig aufgewacht bin.

Am Schluss dieser Rede wurde Darja Petrowna plötzlich von Schamgefühl gepackt, schrie auf, verdeckte die Brust mit den Händen und schwirrte hinaus.

– Darja Petrowna, verzeihen Sie das alles, um Gottes willen! –, rief der zum Leben wiedererwachte rote Professor ihr nach.

Bormenthal schob die Ärmel noch höher und schritt direkt auf Lumpikow zu. Filipp Filippowitsch sah seine Augen und zuckte zusammen.

– Doktor, was tun Sie da! Halt, ich verbiete es Ihnen …

Bormenthal schnappte Lumpikow mit der rechten Hand am Schlafittchen und schüttelte ihn so kräftig durch, dass vorne am Hemd der Stoff zerriss.

Filipp Filippowitsch warf sich dazwischen und fing an, den schmächtigen Lumpikow aus den chirurgischen, ordentlich zupackenden Fingern Bormenthals zu befreien.

– Sie haben kein Recht zu hauen –, schrie der halbgedrosselte Lumpikow, sank auf den Hintern, kam langsam zu sich.

– Doktor! –, brüllte Filipp Filippowitsch.

Nun hatte sich Bormenthal wieder im Griff und ließ Lumpikow los, der sofort flennte.

– Also gut jetzt –, zischelte Bormenthal, – wollen wir einmal bis morgen warten. Wenn er nüchtern ist, verpasse ich ihm eine ordentliche Lektion.

Er fasste Lumpikow unter die Arme und schleppte ihn ins Wartezimmer zum Schlafen. Der schickte sich an, um sich zu treten, aber die Beine gehorchten ihm nicht.

Filipp Filippowitsch stellte sich breiter hin (die azurnen Rockschöße fuhren auseinander), hob die Arme und die Augen zur Deckenbeleuchtung im Flur und sagte:

– Menschenskind …

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