6.

Ein Winterabend. Ende Januar. Die Zeit vor dem Essen und vor der Sprechstunde. Oben, am Türrahmen zum Wartezimmer, ein Streifen Papier mit der Schrift von Filipp Filippowitsch:

»In der Wohnung keine Sonnenblumenkerne knacken!«

F. Preobraschenski

Und mit blauem Stift in tortenstückgroßen Lettern von Bormenthals Hand:

»Musizieren von 17 Uhr bis 7 Uhr morgens untersagt.«

Dann mit Sinas Hand:

»Wenn Sie wiederkommen, richten Sie bitte Filipp Filippowitsch aus: Ich weiß nicht, wohin er gegangen ist. Fjodor sagt, er sah ihn zusammen mit Schwonder.«

Dann mit Preobraschenskis Hand:

»Wie lange noch soll ich auf den Glaser warten? Hundert Jahre vielleicht?«

Dann mit Darja Petrownas Hand (in Druckschrift):

»Sina ist einkaufen. Sie sagt, sie bringt ihn wieder heim.«

Im Esszimmer war es ganz abendlich, dank der Lampe mit dem kirschroten Schirm. Die Beleuchtung vom Büfett kam entzweigebrochen – von Facette zu Facette waren die Spiegelscheiben mit schiefen Kreuzen überklebt. Filipp Filippowitsch, über den Tisch geneigt, war in ein riesiges ausgebreitetes Zeitungsblatt versunken. Blitze verzerrten sein Gesicht, und durch die Zähne wurden abgerissene, karg gurrende Worte herausgepresst. Er las die Notiz:

»Kein Zweifel, es handelt sich hierbei um seinen (wie es in der verkommenen bürgerlichen Gesellschaft heißt) unehelichen Sohn. So vergnügt sich also unsere pseudointellektuelle Bourgeoisie! 7 Zimmer kann jeder für sich beanspruchen, bis das schimmernde Schwert der Gerechtigkeit mit rotem Feuer über ihm strahlt!

Sch…r«

Sehr aufsässig und mit kessem Schwung drang durch zwei Wände eine Balalaika, und der Klang der spitzfindigen Variation über »Scheint der MondAnmerkung« mischte sich in Filipp Filippowitschs Sinn mit den Sätzen der Zeitungsnotiz zu einer einzigen verhassten Grütze. Er las zu Ende, spuckte trocken über die Schulter und sang reflexartig durch die Zähne:

– Scha-a-aint der Mond … Scha-a-aint der Mond … Scha-a-aint der Mond … So ein lästiger Ohrwurm aber auch!

Er klingelte. Sinas Gesicht schob sich in die Tücher des Türvorhangs.

– Sag ihm, es ist 5. Er soll aufhören. Und sich bitte hierher begeben.

Filipp Filippowitsch saß im Sessel am Tisch. Zwischen den Fingern der linken Hand steckte ein brauner Zigarrenstummel. Vor dem Vorhang, gegen die Tür gestützt und die Beine übereinandergeschlagen, stand ein kleiner Mann von unsympathischem Äußeren. Auf seinem Kopf wuchsen stachlige Haare, wie Stoppeln auf gerodetem Feld, die Wangen bedeckte ungeschorener Flaum. Die Stirn erstaunte – so niedrig gesunken. Die schwarzen Pinsel der zerpflückten Brauen gingen über in die borstige Bürste.

Der Anzug, löchrig unter der linken Achsel, war über und über mit Stroh bestreut, die gestreifte Hose war angerissen am rechten Knie – das linke Knie war von lila Farbe bekleckert. Um den Hals des Mannes ein schrillblauer Schlips mit einer falschen Rubinnadel. Und dieser Schlips war von solch einem Schmiss, dass Filipp Filippowitsch, der von Zeit zu Zeit seine erschöpften Augen schloss, selbst bei völliger Finsternis mal an der Decke, mal an der Wand eine flackernde Fackel erblickte – von einem azurnen Kranz bekrönt. Doch sobald er die Augen wieder öffnete, war er stets blind, denn vom Fußboden aufwärts versprengten ihre grellen Lichtgarben die lackierten Stiefeletten mit den weißen Gamaschen.

»Fast wie Galoschen«, dachte Filipp Filippowitsch, vom unangenehmen Gefühl geplagt, seufzte, schnaufte und hantierte an der erkalteten Zigarre. Der Mann neben der Tür prüfte den Professor hin und wieder mit seinen trüben Pupillen und paffte dabei eine Papirossa, sich die Brust permanent mit Asche bepudernd.

Die Uhr an der Wand (neben dem hölzernen Haselhuhn) pochte fünfmal »Ping«. In ihrem Inneren stöhnte noch etwas, als Filipp Filippowitsch das Gespräch anfing.

– Habe ich nicht schon zweimal darum gebeten, nicht in der Küche am Herd zu schlafen – zumal tagsüber?

Der Mann hüstelte heiser, so als hätte er sich an einem Knochen verschluckt, und entgegnete:

– In der Küche ist die Luft besser.

Seine Stimme war ungewöhnlich, gedämpft, aber gleichzeitig hohl, wie aus einer Tonne.

Filipp Filippowitsch schüttelte den Kopf und fragte:

– Und woher stammt diese Scheußlichkeit? Ich rede von dem Schlips.

Der Mensch folgte mit den Augen dem Finger, schielte über die vorgestülpte Lippe liebevoll auf den Schlips herab.

– Wieso denn »Scheußlichkeit«? –, sagte er. – Schicker Schlips. Hat mir Darja Petrowna geschenkt.

– Dann hat Ihnen Darja Petrowna halt eine Scheußlichkeit geschenkt, passend zu den Schuhen. Was soll dieser glitzernde Kokolores? Wo kommt der her? Worum habe ich gebeten? Um ein Paar Schuhe, an-stän-di-ge Schu-he! Und was ist das da? Hat etwa Doktor Bormenthal die ausgesucht?

– Ich hab dem gesagt, das müssten schon Lackschuh sein. Bin doch nicht schlechter als die anderen! Am KusnetzkiAnmerkung laufen die alle in Lackschuhn rum.

Filipp Filippowitsch bewegte den Kopf und sprach mit Nachdruck:

– Das Schlafen in der Küche ist ab heute passé. Kapiert? Was ist das für eine Impertinenz! Sie stören doch! Dort sind Frauen am Werk.

Das Gesicht des Mannes verdüsterte sich, und seine Lippen wölbten sich.

– Blödsinn! Frauen. Bloß Personal. Aber aufgeblasen wie ’n Luftballon! Hat mich etwa die Sinka verpfiffen?

Filipp Filippowitsch blickte streng:

– Und Sina wird nie wieder Sinka genannt! Kapiert?

Keine Antwort.

– Kapiert, frage ich?

– Ist ja gut. Hab’s kapiert.

– Und diese Peinlichkeit wird vom Hals abgenommen. Sie … du … Sie … Schauen Sie sich doch einmal im Spiegel an – wie sehen Sie aus? Der reinste Hampelmann! Die Kippen werden nicht auf den Boden geschmissen – ich bitte darum, zum zigsten Mal. Und außerdem will ich in der Wohnung in Zukunft kein einziges Schimpfwort mehr hören. Gespuckt wird auch nicht. Da ist der Spucknapf. Das Pissoir wird pfleglich behandelt. Und kein Palavern mit Sina mehr! Die beschwert sich, Sie würden ihr im Dunkeln nachstellen. Passen Sie mir ja auf! Und wer sagt zu einem Patienten: »Weiß der Köter«? Ja, sind wir denn hier in einer Spelunke?

– Ist Paps nicht ganz schön gemein zu mir? –, sprach plötzlich der Mann im flennenden Tonfall.

Filipp Filippowitsch lief rot an, seine Brille funkelte.

– Wer soll hier bitte schön der »Paps« sein? Was nehmen Sie sich heraus! Ich will dieses Wort nicht noch einmal hören! Für Sie noch immer Filipp Filippowitsch!

Trotz flammte auf im Gesicht des Männleins.

– Du liebes bisschen … Nicht spucken, nicht paffen … Geh da nicht hin, geh dort nicht hin … Na prima. Putzblank wie in einer Tram. – Ist doch öde! Und das mit dem »Paps«, na ja … Sie wissen schon … Hab ich Sie vielleicht drum gebeten, mich zu operieren? He? –, und der Mann bellte empört. – Muss schon sagen, ein prächtiger Plan! Da packen die glatt so ein armes Biest, zerpicken ihm den Schädel mit einem Skalpell und wollen sich die Pfoten nicht schmutzig machen. Vielleicht hab ich die Operation ja auch gar nicht be-wil-ligt? Weder ich noch – (das Männlein hob die Augen zur Decke, bemüht, sich der passenden Formel zu entsinnen) – meine Fa-mi-li-en-an-ge-hö-ri-gen. Vielleicht könnt ich glatt Forderungen geltend machen?

Filipp Filippowitschs Augen wurden vollkommen rund, die Zigarre glitt ihm aus den Händen. »Ein richtiger Schuft«, schoss es ihm durch den Kopf.

– Sie hegen den Vorsatz, sich zu beschweren, in einen Menschen verwandelt worden zu sein? –, fragte er mit verkniffenen Augen. – Präferieren Sie ein Leben auf der Müllhalde? Wünschen Sie in der Toreinfahrt zu erfrieren? Potzblitz, hätte ich das nur geahnt …

– Dass Sie mich auch immer damit piesacken – Müllhalde hier, Müllhalde dort. Ich hab ums nackte Überleben gekämpft! Und wär ich unter Ihrem Messer krepiert? Was dann, Kumpel? Na, kein Kommentar?

– Für Sie immer noch Filipp Filippowitsch! –, echauffierte sich Filipp Filippowitsch. – Und ich bin überhaupt nicht Ihr Kumpel! Das ist ja ungeheuerlich! – »Ein Albtraum … ein Albtraum!«, dachte er.

– Na klar doch –, erwiderte ihm spöttisch der Mann und schob triumphierend ein Bein nach vorne, – schon verstanden. Wir zwei – keine Kumpels! Wie auch! Unsereins ist weder studiert noch hat unsereins in Buden gepennt mit 15 Zimmern und einem Pool. Aber das ist heute längst vorbei. Heute hat unsereins nämlich auch seine Rechte …

Filipp Filippowitsch lauschte erblassend den Überlegungen des Mannes. Der machte eine Pause und schritt provokant zum Aschenbecher mit der abgekauten Papirossa. Sein Gang war schlurfend. Er quetschte noch lange die Kippe in der Muschel aus, wobei seine Miene deutlich sagte: »Da hastes! Da hastes!« Doch dann schnappte er urplötzlich mit den Zähnen und steckte sich die Nase unter die Achsel.

– Die Flöhe gefälligst mit den Fingern fangen! Mit den Fingern! –, schrie zornig Filipp Filippowitsch. – Und wo kommen die überhaupt her?

– Was denn, züchte ich die vielleicht? –, sprach der Mann gekränkt. – Nun, wie es ausschaut, haben die Flöhe mich ein klein wenig lieb –, und er wühlte mit den Fingern im Futter des Anzugs, unter dem Ärmel, und warf darauf ein Büschel fuchsroter Watte in die Luft.

Filipp Filippowitsch sah hinauf, zu den Girlanden unter der Decke, und trommelte gegen die Tischplatte. Der Mann hatte den Floh exekutiert, er setzte sich hin und ließ dabei die Arme lose herabhängen. Die Augen schielten zu den Brettern des Parketts. Er fixierte sein Schuhwerk, was ihm offenbar ein überaus großes Vergnügen bereitete. Filipp Filippowitsch blickte dorthin, wo auf den abgestumpften Spitzen die scharfen Strahlen schillerten, kniff die Augen zu Schlitzen zusammen und sprach:

– Und in welch einer Sache wollten Sie mich denn außerdem noch konsultieren?

– Je nun, ’s ist ’ne ziemlich einfache Sache. Ich brauch Papiere, Filipp Filippowitsch.

– Hmmm … Verflucht! Papiere! Wohl wahr … Hmmm … lässt sich das nicht irgendwie … –, seine Stimme klang unsicher und traurig.

– Ach, kommen Se schon! –, sagte der Mann recht selbstbewusst. – Ohne Papiere? Nein, besten Dank. Sie wissen doch: Ohne Papiere ist es für Menschen strengstens verboten zu existieren. Die Hausverwaltung, damit fängt’s schon mal an!

– Was kümmert es denn die Hausverwaltung?

– Na klar doch kümmert’s die! Die sehen mich, die fragen mich: Wann meldste dich an, Verehrtester?

– Meine Güte –, rief trübe Filipp Filippowitsch, – die sehen ihn, und die fragen ihn … Ich kann mir lebhaft vorstellen, was Sie denen so erzählen! Dabei habe ich Ihnen untersagt, sich im Stiegenhaus herumzutreiben!

– Bin ich jetzt ein Knacki oder was? –, staunte der Mann, und das Wissen, im Recht zu sein, erglühte sogar im Nadelrubin. – Was heißt denn hier »sich herumtreiben«?! He? Klingt ja nicht grade nett. Ich gehe, wie jeder normale Typ.

Und dabei scharrte er auf dem Parkett mit seinen leuchtend lackierten Füßen.

Filipp Filippowitsch wurde still, seine Augen blickten zur Seite. »Man sollte sich besser im Zaum halten«, dachte er, näherte sich dem Büfett und leerte auf ex ein Wasserglas.

– Na fein –, sprach er gefasst weiter, – nur keine Wortklaubereien. Was sagt denn Ihr reizender Hausverwalter?

– Was soll der schon sagen? Und was beschimpfen Sie den als »reizend«. Der vertritt nämlich Interessen.

– Aha … Er vertritt Interessen?

– Na klar doch – die des werktätigen Elements.

Filipp Filippowitsch staunte Klötze.

– Dann sind Sie also ein Werktätiger?

– Na klar doch – nicht so ’n neureicher NöpmannAnmerkung.

– Schon gut. Und jetzt will er etwas tun, um Ihre revolutionären Interessen zu vertreten?

– Na klar doch – mich anmelden. Die sagen – ja, wo gibt’s denn so was, dass ein Kerl in Moskau unangemeldet lebt? Damit fängt’s schon mal an. Das Wichtigste ist – die Meldekarte. Ich meine, bin doch kein Deserteur. Und dann die Gewerkschaft, die Arbeitsbörse …

– Moment, doch womit soll ich Sie anmelden? – Mit diesem Tischtuch? Oder mit meinem Pass? Man muss doch auch die Situation berücksichtigen! Vergessen Sie nicht, Sie sind immerhin … äh … hmmm … sozusagen … ein Zufallsprodukt … ein Experiment … aus dem Labor … – Filipp Filippowitsch klang jetzt noch weniger überzeugt.

Der Mann aber schwieg siegesbewusst.

– Fein. Und was ist letzten Endes nötig, um Sie anzumelden und um überhaupt alles nach dem Plan einzurichten, der Ihrem Hausverwalter so vorschwebt? Sie haben weder einen Vor- noch einen Zunamen!

– Na, das stimmt ja wohl gar nicht. So ’nen Namen kann ich mir selber zulegen. Der wird in die Zeitung gesetzt und Sense!

– Und wie gedenken Sie sich zu nennen?

Der Mann richtete seinen Schlips und sagte:

– Polygraph PolygraphowitschAnmerkung.

– Sparen Sie sich die Blödeleien –, reagierte düster Filipp Filippowitsch, – die Sache ist ernst.

Ein höhnisches Grinsen durchzuckte den mickrigen Schnauzer des Mannes.

– Irgendwas schein ich hier nicht zu schnallen –, schwatzte er belustigt, doch mit Verstand. – Für mich also gilt: Fluchen? Nix da. Spucken? Nix da. Und was hör ich von Ihnen? Nur: »Blödel, Blödel«. Im Sowjetstaat dürfen wohl nur die Professoren schimpfen? Wie?

Filipp Filippowitsch stieg das Blut in den Kopf, er füllte ein Glas und zerbrach es dabei. Nachdem er ein anderes geleert hatte, überlegte er: »Es fehlt nicht mehr viel, dann fängt er an, mir Benimm beizubringen, und das zu Recht. Ich verliere vollkommen die Selbstbeherrschung.«

Er neigte voll übertriebener Höflichkeit den Oberkörper ein wenig vor und sagte mit eiserner Festigkeit:

– Ver-zeihn Sie. Die Nerven sind etwas angegriffen. Doch der Name erschien mir sonderbar. Ich würde nur zu gern erfahren, wo Sie den aufgestöbert haben?

– Zusammen mit der Hausverwaltung. Wir haben in so ’nem Kalender gesucht. Na, welchen davon findste gut? Hab ich mir halt den da ausgesucht.

– Ganz ausgeschlossen, in keinem Kalender kommt ein solcher Name vor.

– Ist ja zum Schießen –, feixte der Mann, – dabei hängt der in Ihrem Untersuchungszimmer.

Ohne aufzustehen bewegte sich Filipp Filippowitsch zum Knopf in der Tapete, und auf das Signal hin erschien Sina.

– Den Kalender aus dem Untersuchungszimmer.

Eine peinliche Pause. Sina kam mit dem Kalender zurück, und Filipp Filippowitsch fragte:

– Wo?

– Wird am 4. März gefeiert.Anmerkung

– Mal sehen … Hmmm … Verdammt … Sina, in den Ofen damit, auf der Stelle.

Sina machte erschrockene Augen und schritt hinaus, den Kalender in den Händen, der Mann aber schüttelte vorwurfsvoll den Kopf.

– Darf ich auch den Zunamen erfahren?

– Das soll von mir aus der Geburtsname sein.

– Wie? Der Geburtsname? Und der lautet?

– Lumpikow.


Vor dem Tisch im Kabinett stand der Vorsitzende der Hausverwaltung Schwonder in einer schwarzen Lederjacke. Doktor Bormenthal aber saß im Sessel. Dabei lag auf den vom Schnee draußen frostrot schimmernden Wangen des Doktors (er war gerade nach Hause gekommen) dasselbe Staunen wie bei Filipp Filippowitsch.

– Und was soll ich schreiben? –, fragte er ungeduldig.

– Tja, die Chose –, erwiderte Schwonder, – ist nicht so schwierig. Stellen Sie eine Bescheinigung aus, Bürger Preobraschenski. Also dies und jenes, der übliche Schnickschnack, der Überbringer des Papiers ist faktisch Lumpikow Polygraph Polygraphowitsch, hmmm … und kam zur Welt hier bei Ihnen in der Wohnung …

Bormenthal stutzte und ruckelte im Sessel. Filipp Filippowitsch zuckte mit dem Schnauzer.

– Hmmm … Verflixt …! Etwas Konfuseres kann man sich ja wohl kaum vorstellen. Er kam überhaupt nicht hier zur Welt, vielmehr … nun, in aller Kürze …

– Das ist einzig Ihr Problem –, sprach Schwonder mit stiller Schadenfreude, – ob er kam oder nicht kam … Im großen Ganzen war es doch Ihr Experiment, Professor! Und somit ist der Bürger Lumpikow ganz allein Ihre Fabrikation.

– War doch kinderleicht –, kläffte Lumpikow von der Bücherkommode her. Dabei starrte er auf seinen Schlips, der sich in der Tiefe der Scheiben spiegelte.

– Ich fände es schön –, schnauzte Filipp Filippowitsch, – wenn Sie sich nicht ins Gespräch einmischten! Und dann mit solch einem Kommentar wie »war doch kinderleicht«, Sie sollten wissen: Das war alles andere als kinderleicht.

– Nicht einmischen? Ich? Na klar doch –, plapperte Lumpikow gekränkt.

Schwonder stand ihm sofort zur Seite.

– Pardönnchen, Professor, aber die Polemik von Bürger Lumpikow ist begründet. Er besitzt das Recht, an der Besprechung seines weiteren Schicksals teilzunehmen, insbesondere, da es sich um Papiere dreht. Papiere sind das Wichtigste auf der Welt.

In dieser Sekunde wurde das Gespräch vom prasselnden Gerassel über dem Ohr gebremst. Filipp Filippowitsch sprach in den Hörer: »Ja!«, wurde rosarot und brüllte aufbrausend:

– Bitte keine Unterbrechung wegen solcher Possen! Was geht Sie das an? – Und er knallte den Hörer auf die Gabel.

Hellblaue Freude übergoss Schwonders Gesicht.

Filipp Filippowitsch rief, rot angelaufen:

– Kurz und gut, wir beenden das jetzt.

Er riss ein Blatt aus dem Schreibblock heraus, kritzelte darauf einige Sätze und las anschließend gereizt vor:

– »Hiermit bescheinige ich« … zum Teufel noch mal … hmmm … »dass der Überbringer« … hmmm … »ein Mensch, entstanden aus einem Laborversuch, als Resultat einer Hirn-OP, Papiere braucht« … zum Teufel noch mal! Dabei hasse ich doch wie die Pest all diese depperten Papiere. Unterschrift – »Professor Preobraschenski«.

– Ziemlich seltsam, Professor –, sagte Schwonder beleidigt, – dass Sie Papiere als »deppert« beschimpfen! Ich kann unmöglich die Präsenz einer Partei ohne Papiere in der Wohnung bewilligen, zumal nicht registriert beim Militär. Und was, wenn ein Krieg gegen die imperialistische Bestie ausbricht?

– Ich zieh auf keinen Fall in ’n Krieg! –, kläffte Lumpikow trübe in die Kommode.

Schwonder geriet für kurze Zeit aus dem Konzept, aber fasste sich wieder und bemerkte taktvoll zu Lumpikow:

– Sie, Bürger Lumpikow, sagen da etwas höchst Unbesonnenes. Sich zum Militärdienst zu registrieren, ist absolut nötig.

– Ich lass mich ja auch registrieren, doch in ’n Krieg ziehen – nix da! –, versetzte Lumpikow feindselig und fummelte an dem Schlips herum.

Jetzt war es für Schwonder an der Zeit, seinerseits verdutzt zu wirken. Preobraschenski wechselte, schmerzlich gereizt, einen Blick mit Bormenthal, nach dem Motto: »Tja, die Moral von der G’schicht«. Und Bormenthal nickte vielsagend.

– Vielleicht ist ja unsereins schwer verwundet nach der Operation –, heulte Lumpikow finster auf, – da, siehste, wie die mich zugerichtet haben? –, und er zeigte auf seinen Kopf. Entlang der Stirn verlief eine noch frische Operationsnaht.

– Sind Sie ein Individualist anarchistischer Prägung? –, fragte Schwonder und hob die Brauen.

– Ich krieg bestimmt ’nen BlankoscheinAnmerkung –, antwortete Lumpikow.

– Schon gut, auch egal –, sagte Schwonder erstaunt, – Tatsache ist, wir schicken die Bescheinigung des Professors an die Miliz und bekommen dafür die Papiere.

– Hmmm, apropos … –, unterbrach ihn auf einmal Filipp Filippowitsch, offenbar von einem Gedanken heimgesucht. – Haben Sie hier im Haus eventuell ein Zimmer frei? Ich wäre bereit, es käuflich zu erwerben.

Schwonders braune Augen funkelten gelblich.

– Nein, Professor, tut mir aufrichtig leid. Weder jetzt noch in absehbarer Zeit.

Filipp Filippowitsch biss sich die Lippen, sagte nichts. Wie verrückt dröhnte wieder das Telefon. Ohne auch nur ein Wort zu sagen, stieß Filipp Filippowitsch den Hörer von der Gabel, sodass er nach ein paar Pirouetten an der hellblauen Schnur schlapp hängen blieb. Alle fuhren zusammen. »Der Alte verliert allmählich die Nerven«, dachte Bormenthal, wogegen Schwonder sich mit funkelnden Augen verbeugte und ging.

Lumpikow, mit den Stiefeletten knarrend, folgte ihm hinaus.

Der Professor blieb allein mit Bormenthal.

Er schwieg eine Weile, schüttelte dann seinen Kopf und sprach:

– Ein Albtraum, wirklich. Haben Sie es gesehen? Ich könnte schwören, mein lieber Doktor, diese 2 Wochen haben mich viel mehr Kraft gekostet als die letzten 14 Jahre! Ich muss schon sagen – ein phänomenaler Schuft …

In der Ferne knackte verhalten Glas, dumpfes Kreischen entschwirrte, erlosch. Böser Spuk schoss im Flur die Tapeten entlang in Richtung des Untersuchungszimmers, dort krachte etwas und zischte zurück. Die Türen knallten, in der Küche tönte Darja Petrownas tiefes Geschrei. Und gleich darauf jaulte Lumpikow.

– Mein Gott! Was denn schon wieder? –, rief Filipp Filippowitsch und stürzte zur Tür.

– Der Kater –, begriff Bormenthal schnell und eilte hinterher. Sie rannten durch den Flur ins Vorzimmer, dort angekommen, bogen sie ab in den Korridor zu Bad und Toilette. Aus der Küche sauste Sina hervor und prallte mit Filipp Filippowitsch zusammen.

– Wie oft habe ich angeordnet – keine Kater im Haus –, brüllte Filipp Filippowitsch außer sich vor Wut. – Wo ist er? Iwan Arnoldowitsch, beruhigen Sie bitte die Patienten im Wartezimmer!

– Im Bad, da sitzt dieser Satansbraten –, sagte Sina und seufzte atemlos.

Filipp Filippowitsch warf sich mit Wucht gegen die Badezimmertür, aber die gab nicht nach.

– Aufmachen! Sofort!

Statt einer Antwort sprang im versperrten Badezimmer etwas von den Wänden herab, Bottiche polterten, die wilde Stimme Lumpikows knurrte gedämpft durch die Tür:

– Ich brrring dich um, Mistkerrrl …

Wasser begann in den Rohren zu rinnen. Filipp Filippowitsch stemmte sich gegen die Tür, um sie zu zerreißen. Die schweißnasse Darja Petrowna erschien mit entstelltem Gesicht an der Schwelle der Küche. Als das Fenster ganz oben unter der Decke (jenes zwischen Küche und Bad), wie vom Wurm befallen, einen Riss zeigte, aus dem zwei Glasscherben herausrieselten, und schon fiel herunter ein riesiger Kater, in Tigerringen und wie ein Wachmann mit einem schrillblauen Schlips um den Hals. Er plumpste auf den Tisch, in einen schmalen Teller, welcher sofort der Länge nach brach, dann vom Teller herab auf den Boden, drehte sich auf drei Beinen um, hob das rechte hoch, fast wie im Tanz, und entwischte durch den winzigen Schlitz ins Stiegenhaus. Der Schlitz schwoll an, anstelle des Katers: die greise Fratze einer alten Frau mit Kopftuch. Ihr weiß gepunkteter Rock gelangte in die Küche. Mit Daumen und Zeigefinger wischte sich die Alte den eingesunkenen Mund, überblickte mit ihren aufgequollenen stachligen Augen die Küche und staunte:

– Gott steh uns bei!

Der bleiche Filipp Filippowitsch durchquerte die Küche und fragte die Alte zornig:

– Sie wünschen?

– Das sprechende Hündchen würd ich gern mal sehen –, gab die Alte schmeichelnd zur Antwort und bekreuzigte sich.

Filipp Filippowitsch erbleichte noch mehr, schritt direkt auf die Alte zu, um mit erstickter Stimme zu zischeln:

– Raus aus der Küche, und zwar ruck, zuck!

Die Frau wich zurück in Richtung Tür und bemerkte beleidigt:

– Arg unfreundlich, Herr Professor.

– Ich sagte: Raus hier! –, wiederholte Filipp Filippowitsch, und seine Augen wurden rund, wie bei einem Uhu. Und er schleuderte die schwarze Tür hinter ihr höchstpersönlich zu, – Darja Petrowna, ich habe Sie gebeten!

– Filipp Filippowitsch –, rief Darja Petrowna verzweifelt, ihre entblößten Arme schwingend und die Hände zu Fäusten geballt, – was soll ich denn machen? … Die Leute stehen ja Tag und Nacht Schlange, die wirst du nicht los!

Das Wasser im Bad dröhnte dumpf und bedrohlich, und die Stimme war darin untergegangen. Doktor Bormenthal trat jetzt ein.

– Iwan Arnoldowitsch, ich bitte Sie inständig … hmmm … wie viele Patienten warten noch?

– 11 –, erwiderte Bormenthal.

– Lassen Sie alle nach Hause gehen, heute empfange ich niemanden mehr.

Filipp Filippowitsch pochte mit dem Fingerknöchel gegen die Tür und rief:

– Haben Sie die Güte, sofort herauszukommen! Wieso haben Sie abgesperrt?

– Huh-huh! –, gab Lumpikows Stimme zur Antwort, kläglich und matt.

– Wieso um alles in der Welt! … Ich kann Sie nicht hören! Drehen Sie den Hahn zu.

– Wau! U-u-uh …

– Los, drehen Sie den Hahn zu! Was tut er – ich verstehe rein gar nichts mehr … –, schrie Filipp Filippowitsch, beinahe schon tobsüchtig.

Sina und Darja Petrowna glotzten mit offenen Mündern verzweifelt auf die Tür. Zum Wasserrauschen mischte sich noch ein verdächtiges Plätschern. Filipp Filippowitsch donnerte noch einmal gegen die Tür.

– Da ist er! –, kreischte Darja Petrowna aus der Küche.

Filipp Filippowitsch stürzte dorthin. In der geplatzten Scheibe ganz oben prangte Polygraph Polgygraphowitschs Prachtvisage. Ziemlich ramponiert, in den Augen ein Plärren, und über die Nase purpurrot vom frischen Blut – ein Kratzer.

– Was ist in Sie gefahren? –, fragte Filipp Filippowitsch. – Warum kommen Sie nicht heraus?

Lumpikow, auch selbst schon genug eingeschüchtert, blickte sich um und antwortete:

– Hab mich eingesperrt!

– Dann sperren Sie halt wieder auf! Haben Sie noch nie ein Schloss gesehen?

– Das verdammte Ding klemmt –, sagte Polygraph erschrocken.

– Mein Gott! Die Sicherung ist zugeschnappt! –, schrie Sina auf und schlug die Hände zusammen.

– Da ist so ein Hebel! –, versuchte Filipp Filippowitsch, das rauschende Wasser zu übertönen. – Den drücken Sie nach unten … Nach unten drücken! Nach unten, sage ich!

Lumpikow verschwand, doch kurz darauf war er wieder oben zu sehen.

– Hundsmäßig finster –, bellte er voller Furcht durch die Fensteröffnung.

– Na, dann machen Sie doch Licht! Er ist übergeschnappt!

– Der Kater haut einfach die Lampe kaputt –, sagte Lumpikow, – ich versuch, das Vieh bei den Füßen zu packen, brech den Wasserhahn ab und find den jetzt nicht.

Nun schlugen alle drei verzweifelt die Hände vors Gesicht und erstarrten in dieser Haltung.

5 Minuten später saßen Bormenthal, Sina und Darja Petrowna gemeinsam auf einem zusammengerollten nassen Teppich, den sie mit ihren Hinterteilen gegen den Spalt unter der Tür drückten, während der Portier Fjodor mit der angezündeten Traukerze von Darja Petrowna in der Hand die Holzleiter zum Fenster hinaufstieg. Sein Gesäß, groß und grau kariert, erschien in der Luft und verschwand in der Öffnung.

– Du Penn… huh-huuuh! –, maulte Lumpikow durchs Wassergeplätscher.

Dann erklang Fjodors Stimme:

– Filipp Filippowitsch, wir müssen eh aufmachen, soll’s ruhig erst mal herausfließen, wir fangen’s in der Küche auf.

– Na, dann machen Sie auf! –, ärgerte sich Filipp Filippowitsch.

Die drei standen vom Teppich auf, die Tür wurde vom Bad aus gedrückt, gleich schoss eine Welle in den kleinen Flur. Dort teilte sie sich in drei Unterarme: direkt in die gegenüberliegende Toilette, nach rechts – in die Küche – und nach links – ins Vorzimmer. Watschelnd und hüpfend knallte Sina die Tür dorthin zu. Knöcheltief watend trat Fjodor heraus, warum auch immer mit breitem Grinsen. Er war wie in Wachstuch – klatschnass.

– Konnt es gerade noch zustopfen, der Druck ist stark –, erläuterte er.

– Wo steckt er? –, fragte Filipp Filippowitsch und hob fluchend ein Bein in die Luft.

– Hat wohl Angst, vor die Leute zu treten –, erklärte Fjodor mit dümmlichem Lächeln.

– Hab Angst, Paps Haue machen –, heulte Lumpikow aus dem Bad.

– Trottel! –, versetzte Filipp Filippowitsch kurz und trocken.

Sina und Darja Petrowna, in bis zum Knie hochgesteckten Röcken und mit nassen nackten Beinen, und Lumpikow mit dem Portier, barfuß, die Hose auf die Schenkel geschoben, patschten die schweren triefenden Wischlappen gegen den Küchenboden und wrangen sie über schmutzigen Kübeln und Becken aus. Der mutterseelenallein gelassene Herd dröhnte. Das Wasser versickerte unter der Tür auf die widerhallende Stiege, flog herab und verlor sich im Kellerloch.

Bormenthal, auf die Zehenspitzen gestreckt, stand in einer tiefen, sich über den Fliesen des Vorzimmers aufgestauten Pfütze und führte Verhandlungen durch die Kette der nur einen Spalt breit offenen Tür.

– Keine Sprechstunden heute, der Professor ist unpässlich. Seien Sie so lieb und gehen Sie ein Stück weit von der Tür weg, bei uns ist nämlich ein Rohr geplatzt.

– Wann empfängt er denn wieder? –, ließ die Stimme nicht locker. – Ich brauch nur ganz kurz …

– Tut mir leid –, jetzt verlagerte Bormenthal das Gewicht von den Zehenspitzen auf die Absätze. – Der Professor ist bettlägerig, ein Rohr ist geplatzt. Bitte kommen Sie morgen. Sina, Kindchen! Sie sollten lieber von hier aus wischen, sonst läuft’s auf die Stiege zum Vordereingang.

– Die Lappen packen’s nicht!

– Momentchen, wir schöpfen es gleich mit den Tassen! –, rief Fjodor zurück. – Momentchen noch!

Es klingelte und klingelte unaufhörlich, jetzt stand Bormenthal mit der Schuhsohle in der Flut.

– Und die OP? –, plapperte der Patient, erpicht, sich durch den Türspalt hineinzumogeln.

– Ein Rohr ist geplatzt …

– Ich trag eh Galoschen …

Hinter der Tür erschienen bläuliche Schemen.

– Das geht nicht, kommen Sie morgen wieder.

– Und mein Termin?

– Morgen. Wir haben einen Notfall. Die Wasserleitung.

Fjodor hockte zu Füßen des Doktors mit einem Pott, stochernd im Stausee, doch der zerkratzte Lumpikow hatte eine neue Methode erfunden. Er rollte einen riesigen Lappen zusammen, legte sich mit dem Wanst ins Wasser und schob es aus dem Vorzimmer zurück in die Toilette.

– Wieso jagst du das Wasser durch die ganze Wohnung, du Scheusal? –, schimpfte Darja Petrowna. – Es gehört in den Ausguss.

– Wieso in den Ausguss –, erwiderte Lumpikow, die trüben Fluten mit den Armen auffangend, – es läuft schon zur Stiege.

Aus dem Flur fuhr knarrend ein kleines Bänkchen, darauf balancierte Filipp Filippowitsch in seinen blauen gestreiften Socken.

– Iwan Arnoldowitsch, vergessen Sie die Leute. Gehen Sie ins Schlafzimmer, ich bringe Ihnen Hausschuhe.

– Wozu, es ist überhaupt nicht schlimm!

– Ziehen Sie doch wenigstens Galoschen an!

– Egal, ich habe eh schon nasse Füße.

– Meine Güte! –, jammerte Filipp Filippowitsch.

– Dieses elende Viech! –, gab Lumpikow von sich (er kroch mit einer Suppenschüssel in der Hand).

Bormenthal warf die Tür zu, hielt es nicht aus und prustete los. Filipp Filippowitschs Nüstern blähten sich, seine Brille flammte auf.

– Von wem reden Sie, wenn ich fragen darf? –, sprach er zu Lumpikow von oben herab.

– Den Kater mein ich. Den Schweinehund! –, sagte Lumpikow, dessen Augen huschten.

– Wissen Sie, Lumpikow –, entgegnete ihm Filipp Filippowitsch und holte tief Luft, – ich habe in meinem ganzen Leben kein frecheres Wesen gesehen als Sie.

Bormenthal kicherte.

– Sie –, setzte Filipp Filippowitsch fort, – sind ein waschechter Flegel! Wie können Sie es wagen, so zu reden! Sie haben all das angerichtet und gestatten sich … Also nein! Das übersteigt jetzt doch wirklich alles!

– Lumpikow, dürfte ich einmal erfahren –, begann jetzt Doktor Bormenthal, – wie lange haben Sie noch vor, Katzen zu jagen? Sie sollten sich schämen! Ist doch Unfug!

– Sie Tier!

– Ein Tier? –, reagierte Lumpikow trübe. – Wieso bin ich ein Tier? Ich kann den in der Wohnung nicht haben. Der sucht nur, wo er was klauen kann. Der hat Darja das Fleisch weggefressen. Dem wollt ich es mal so richtig zeigen.

– Ihnen würde ich es auch mal gerne zeigen! –, antwortete Filipp Filippowitsch. – Zum Beispiel dort im Spiegel – Ihre Visage.

– Hat mich fast am Auge erwischt –, sagte Lumpikow finster und berührte sein Auge mit der schwarzen nassen Hand.

Als das von Feuchtigkeit schwarze Parkett ein wenig getrocknet war, beschlugen alle Spiegel wie im Dampfbad, und das ständige Klingeln hörte auf. Filipp Filippowitsch stand nun in roten Saffian-Schuhen im Vorzimmer.

– Hier, Fjodor, für Sie.

– Ergebensten Dank …

– Sie sollten jetzt schleunigst Ihre Kleider wechseln. Ach, und noch etwas: Sich bei Darja Petrowna einen Wodka genehmigen.

– Ergebensten Dank –, Fjodor zögerte und brachte dann hervor: – Da wäre noch etwas, Filipp Filippowitsch … Ich bitte tausendmal um Vergebung, es ist mir fast selbst schon peinlich. Ich meine, für die Scheibe in Wohnung 7 … Bürger Lumpikow hat mit Steinen geschmissen …

– Nach dem Kater? –, fragte Filipp Filippowitsch, sich verdüsternd wie eine Wolke.

– Eben nicht, vielmehr nach dem Mieter. Der hat schon mit einer Klage gedroht.

– Verdammt! …

– Lumpikow hat seine Küchenmagd umarmt, also hat er ihn fortgescheucht … So sind sie aneinandergeraten …

– Um Gottes willen, wenn so etwas passiert, dann geben Sie doch mir bitte gleich Bescheid. Wie viel macht das?

– Anderthalb Rubel.

Filipp Filippowitsch holte 3 glänzende 50-Kopeken-Münzen hervor und überreichte sie Fjodor.

– Dem Penner auch noch 1,50 blechen –, erklang in der Tür die dumpfe Stimme, – der hat ja selber …

Filipp Filippowitsch drehte sich um, biss sich die Lippen, schob Lumpikow ins Wartezimmer und sperrte ihn ein. Von innen her polterte jener sofort lautstark gegen die Tür.

– Untersteh dich! –, rief Filipp Filippowitsch mit einer offensichtlich gebrochenen Stimme.

– Also das ist wohl wahr –, bemerkte Fjodor bedeutungsschwer, – einen solchen Frechdachs hab ich zeit meines Lebens noch nicht gesehen!

Bormenthal erschien, wie aus dem Boden gewachsen.

– Filipp Filippowitsch, bitte, nur ruhig Blut!

Der energische Äskulap schloss die Tür zum Warteraum auf, und von dort ertönte dann seine Stimme:

– Jetzt hören Sie mal zu! Das ist keine Kneipe!

– Jawohl! –, fügte Fjodor entschieden hinzu. – Jawohl! Und vielleicht noch eins auf die Schnute!

– Ach, nicht doch, Fjodor –, brummte Preobraschenski traurig.

– Es tut mir doch einzig um Sie leid, Filipp Filippowitsch!

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