3.

Auf den mit Paradiesblumen bemalten Tellern mit breitem schwarzem Rand befanden sich ein in feine Scheiben geschnittener Salm und marinierte Aale. Auf gewichtigem Brett ein schwitzender Käse und im silbernen Kübel, von Schnee umlegt – Kaviar. Zwischen den Tellern schmale Stamper und drei kleine Kristallkaraffen, gefüllt mit verschiedenfarbigen Schnäpsen. All das stand auf einem zierlichen Marmortischchen, welches gemütlich an ein gigantisches Büfett aus geschnitzter Eiche gerückt war, das ganze Büschel von gläsernem und silbernem Licht herausspie. Mitten im Zimmer, schwer wie ein Grabstein, eine Tafel mit weißem Tuch und darauf zwei Gedecke, Servietten, gefaltet in Form von päpstlichen Tiaren, sowie drei dunkle Flaschen.

Sina trug eine geschlossene Silberschüssel, darinnen etwas mürrisch brummte. Von der Schüssel ging ein solcher Duft aus, dass sich das Maul des Hundes flugs mit triefendem flüssigem Speichel füllte. »Die Gärten der Semiramis!«, dachte er und hämmerte mit dem Schwanz wie mit einem Spazierstock gegen das Parkett.

– Her damit –, kommandierte heißhungrig Filipp Filippowitsch. – Doktor Bormenthal, ich flehe Sie an, lassen Sie den Kaviar in Frieden! Und folgen Sie meinem freundschaftlichen Rat: Gönnen Sie sich statt des englischen Schnapses unseren gewöhnlichen russischen Wodka.

Jener Schönling, der Angeknabberte, der inzwischen den Arztkittel abgelegt hatte und im vornehmen schwarzen Sakko dasaß, zuckte mit seinen breiten Schultern, schmunzelte höflich und schenkte sich ein wenig von dem Klaren ein.

– Der neu abgesegnete?Anmerkung –, fragte er.

– Gott bewahre, mein Bester –, erwiderte der Hausherr. – Das ist Spiritus. Darja Petrowna macht selbst einen ausgezeichneten Wodka.

– Ach, kommen Sie, Filipp Filippowitsch, dabei gilt der doch als recht anständig. Er hat immerhin 30 Prozent intus.

– So ein Wodka muss aber 40 haben, von wegen 30, soviel zum Ersten –, unterbrach ihn belehrend Filipp Filippowitsch, – zum Zweiten, weiß der Himmel, was die außerdem so hineinmischen. Haben Sie vielleicht eine Ahnung, was denen sonst noch alles einfällt?

– Tja, könnte alles Mögliche sein –, sprach überzeugt der Angeknabberte.

– Ganz meiner Meinung –, fuhr der andere fort und schmiss sich in einem einzigen Knäuel den Inhalt des Stampers in den Rachen. – Ah … Mmm … Doktor Bormenthal, ich beschwöre Sie: Diesen Stoff hier, einmal auf ex, und wenn Sie sagen, es sei, na Sie wissen schon, was … dann bin ich Ihr Todfeind für den Rest meines Lebens!

Von Sevilla bis Granada …


Er selbst aber spießte bei diesen Worten auf eine pfotige Silbergabel so etwas wie ein dunkles Brotstückchen. Der Gebissene folgte seinem Beispiel. Filipp Filippowitschs Augen funkelten.

– Und? Etwa schlecht? –, fragte er kauend. – Schlecht? Nun, ich warte, werter Doktor.

– Unübertrefflich –, antwortete von ganzem Herzen der Angeknabberte.

– Was denn sonst … Bitte zu beachten, Iwan Arnoldowitsch: Mit kalten Häppchen und Suppen essen nur Gutsbesitzer nach, die seitens der Bolschewiken am Leben gelassen worden sind. Jemand, der auch nur etwas auf sich hält, operiert da ausschließlich mit warmen Speisen. Und in Moskau gilt das da als Nummer 1. Früher war der Slawenbasar Anmerkung berühmt dafür. Hier, bitte sehr!

– Sie füttern den Köter im Esszimmer –, ertönte eine weibliche Stimme, – und später kriegen Sie den hier mit keinen zehn Pferden mehr heraus.

– Macht nichts … Der Ärmste hat genug gehungert –, Filipp Filippowitsch reichte dem Hund auf der Gabelspitze ein Häppchen, nach welchem jener mit dem Geschick eines Zauberkünstlers schnappte, und kippte die Gabel mit viel Gerassel in den Spülnapf.

Dann entstieg den Tellern ein Dampf voll Hummerduft, der Hund saß im Schatten des Tischtuchs, ähnlich einer Wache am Pulverarsenal, während sich Filipp Filippowitsch den Schwanz einer steifen Serviette hinter den Hemdkragen steckte und weiterpredigte:

– Essen, verehrter Iwan Arnoldowitsch, ist eine vertrackte Angelegenheit. Essen ist etwas, das gelernt sein will, doch schauen Sie mal – die Mehrheit der Menschen verstehen nicht, dass Essen gelernt sein will. Dabei geht es nicht einzig um das Was, sondern auch um das Wie und das Wann. – (Filipp Filippowitsch schwang bedeutsam den Löffel.) – Um die angemessene Konversation, tja. Wenn Ihre Verdauung Ihnen lieb ist, dann tun Sie sich bitte den Gefallen und sprechen Sie beim Mittagessen nie über Bolschewismus und Medizin. Und – um Gottes willen – lesen Sie niemals vor Ihren Mahlzeiten Sowjetzeitungen!

– Hmmm … In Ermangelung anderer …

– Dann lieber gar keine. Wissen Sie, ich habe in meiner Klinik 30 Versuche durchgeführt. Und was glauben Sie? Die Patienten, die überhaupt keine Zeitungen lesen, fühlen sich durch und durch fit. Während diejenigen, die ich extra zwang, die Prawda zu lesen, allesamt an Gewicht verloren.

– Hmmm? … –, reagierte mit Interesse der Angeknabberte und rötete sich von Suppe und Wein.

– Und es kommt noch besser! Verminderte Kniereflexe, schwacher Appetit, depressive Zustände.

– Ein Jammer! …

– Tja. Doch was mache ich da eigentlich? Jetzt rede ich ja selbst von Medizin.

Filipp Filippowitsch lehnte sich zurück und läutete, und sogleich erschien hinter dem kirschroten Vorhang Sina. Der Hund hat ein bleiches und dickes Stück Stör abbekommen, das ihm leider kein bisschen schmeckte, doch gleich darauf gab es eine Scheibe blutigen Roastbeefs. Er mampfte sie schnell und fühlte auf einmal, dass er schlafen will und kein weiteres Essen mehr sehen kann. »Ein ungewöhnliches Gefühl«, dachte er und schloss seine lastenden Lider, »ich kann den Anblick des Essens nicht länger ertragen. Und nach der Mahlzeit zu rauchen ist Unfug …«

Das Esszimmer füllte sich mit unangenehmem blauem Dunst. Der Hund schlummerte, den Kopf auf die Vorderpfoten gelegt.

– Saint Julien – ein recht anständiger Wein –, hörte der Köter mitten im Schlaf, – doch er ist nun nimmer zu bekommen.

Ein dumpfer, durch Zimmerdecken und Teppiche ein wenig besänftigter Choral erklang von oben und von der Seite.

Filipp Filippowitsch läutete, herein trat Sina.

– Sinalein, was hat das zu bedeuten?

– Die haben schon wieder eine Generalversammlung einberufen –, gab Sina zur Antwort.

– Schon wieder! –, rief Filipp Filippowitsch wehmütig aus. – Nun, wie ich sehe, geht das jetzt so richtig los! Und das Kalabuchow-Haus ist verloren. Es bleibt also nur die Ausreise, fragt sich bloß, wohin. Alles wird wie am Schnürchen laufen. Zunächst jeden Abend Kammerchor, dann krepieren im Klo die Rohre, dann platzt der Kessel der Dampfheizung und was weiter kommt, kennen wir schon. Das Kalabuchow-Haus kollabiert!

– Oje, Filipp Filippowitsch ist untröstlich –, bemerkte Sina mit einem Lächeln und trug einen Haufen Teller hinaus.

– Da kann man doch nur untröstlich sein! –, wimmerte Filipp Filippowitsch. – Ach, was war das für ein Haus! Wann begreifen Sie es endlich!

– Sie sehen die Dinge viel zu negativ, Filipp Filippowitsch –, erwiderte ihm der angeknabberte Schönling, – die aber haben sich radikal geändert.

– Sie, mein Bester, Sie kennen mich. Oder? Ich bin ein Mann der Tatsachen, ein Mann, der beobachtet. Ich bin ein Feind haltloser Spekulationen. Und als solcher nicht allein in Russland, sondern auch in Europa geschätzt. Wenn ich von einer Sache rede, dann liegt ihr immer ein Faktum zugrunde, woraus ich meine Schlüsse ziehe. Und hier haben Sie so ein Faktum: der Kleider- und der Galoschenständer in unserem Haus.

– Klingt interessant …

»Galoschen sind Unsinn. Nicht Galoschen machen einen glücklich«, dachte der Köter, »doch Hand aufs Herz: Er ist schon was Besonderes.«

– Nun, zu Ihrer werten Kenntnisnahme – der Galoschenständer, sofern es beliebt. Bereits seit dem Jahr 1903 wohne ich hier im Haus. Und im Laufe all dieser Zeit bis April 1917 Anmerkung ist es kein einziges Mal vorgekommen – ich möchte es mit dickem Rot unterstreichen –, kein einziges Mal! –, dass aus dem Parterre, wo die Eingangstüre nicht zugesperrt wird, auch nur ein Galoschenpaar verschwunden wäre. Und bitte zu beachten: Da sind 12 Wohnungen und bei mir immer wechselnde Patienten. Aber im April 1917 verschwinden eines schönen Tages dort unten sämtliche Galoschen (meine 2 Paar mitgezählt), 3 Spazierstöcke, 1 Mantel und der Samowar des Portiers. Und das ist das Ende der Existenz des besagten Galoschenständers. Ja, mein Bester! Ich rede erst gar nicht von der Dampfheizung! Davon rede ich nicht! Von mir aus. Eine gesellschaftliche Revolution – was soll da noch groß geheizt werden? Obwohl ich mich eines Tages mal mit der Hirnforschung beschäftigen werde, dann beweise ich: Diese ganzen sozialen Wirren sind nur eine Wahnvorstellung … Doch ich frage mich: Als diese Geschichte begann, wieso haben da alle angefangen, in schmutzigen Galoschen und Filzstiefeln Marmorstufen hinaufzumarschieren? Wieso müssen Galoschen bis zum heutigen Tag hinter Schloss und Riegel aufbewahrt werden? Mit davor aufgestellten Wachposten, damit sie ja keiner stibitzt? Wieso wurde von der Vorderstiege der Teppich entfernt? Hat etwa Karl Marx höchstpersönlich verboten, Teppiche auf Stiegen auszurollen? Sagt Karl Marx irgendwo in seinen Schriften: Den Eingang Nr. 2 des Kalabuchow auf der Pretschistenka zunageln, bis auf Weiteres um den Block herumlaufen und durch den Hinterhof eintretenAnmerkung? Wem hilft es? Den ausgebeuteten Negern? Oder den Arbeitern in Portugal? Wieso kann ein Proletarier seine Galoschen nicht unten lassen, sondern muss stattdessen den Marmor verdrecken?

– Der hat doch, unter uns gesagt, überhaupt keine Galoschen … –, wagte der Angeknabberte einzuwenden.

– Na und ob! –, donnerte Filipp Filippowitsch und füllte sein Glas erneut mit Wein. – Hmmm … ich lehne Likör nach dem Essen ab: Zu schwer und zu schädlich für die Leber … Na und ob! Natürlich trägt er inzwischen Galoschen, und zwar … meine! Das sind exakt dieselben Galoschen, die am 13. April des Jahres 1917 verschwanden. Frage: Wer hat sie denn mitgehen lassen? Ich? Unmöglich. Der Großbürger Sablin? – (Filipp Filippowitsch zeigte mit dem Finger auf die Zimmerdecke.) – Eine drollige Annahme. Der Zuckerfabrikant Polosow? – (Filipp Filippowitsch wies zur Seite.) – Auf gar keinen Fall! Das taten exakt diese ganzen Singvögel! Jawohl! Doch dann sollten sie die Galoschen wenigstens auf der Stiege ausziehen! – (Filipp Filippowitsch begann tief zu erröten.) – Wieso zum Teufel nahmen sie dort die Blumen fort? Wieso muss die Elektrizität, die – Gott strafe mich, wenn ich Falsches behaupte – in 20 Jahren 2 Mal ausfiel, seit Neuestem mit peinlicher Genauigkeit ein Mal im Monat ausfallen? Statistik, mein lieber Doktor Bormenthal, ist eine unbarmherzige Sache. Sie, der Sie meine jüngste Arbeit kennen, wissen das besser als jemand anderes!

– Das ist halt der allgemeine Verfall.

– Nein –, versetzte Filipp Filippowitsch im Brustton der Überzeugung, – nein. Sie, mein lieber Iwan Arnoldowitsch, sollten sich als Erster abgewöhnen, dieses Wort in den Mund zu nehmen. Das ist nämlich eine Fata Morgana, Schall und Rauch, ein Hirngespinst! –, Filipp Filippowitsch spreizte seine kurzen Finger weit auseinander, woraufhin zwei schildkrötenartige Schatten anfingen, über das Tischtuch zu krabbeln. – Was ist denn Ihr allgemeiner Verfall? Eine Alte mit einer Krücke? Eine Hexe, die sämtliche Scheiben einschlägt, die sämtliche Lampen zum Erlöschen bringt? Die ist ein Produkt Ihrer Fantasie! Was meinen Sie bloß mit diesem Wort? –, fragte Filipp Filippowitsch jähzornig bei einer unseligen Pappente an, welche mit den Beinchen nach oben neben dem Eichenbüfett hing, und antwortete selbst an ihrer Stelle. – Ich sage Ihnen, was das ist: Wenn ich jeden Abend, anstatt zu operieren, in meiner Wohnung Hymnen singe, kommt es bei mir zum allgemeinen Verfall. Beginne ich in unserem Klosett – bitte verzeihen Sie den Ausdruck – an der Schüssel vorbeizuurinieren, anschließend auch Sina und Darja Petrowna, kommt es im Klosett zum allgemeinen Verfall. Folglich steckt der allgemeine Verfall nicht in den Klosetten, vielmehr in den Köpfen. Und wenn diese Heldentenöre brüllen »Krieg dem allgemeinen Verfall!«, kann ich darüber nur herzlich lachen. – (Filipp Filippowitsch verzog sein Gesicht derart, dass dem Angeknabberten einfach die Kinnlade herunterfiel.) – Jawohl – ich lache mich krank! Denn es bedeutet, dass jeder von ihnen sich selbst auf den Hinterkopf eindreschen müsste! Und wenn er dann alle Halluzinationen aus sich herausgedroschen hat, wie etwa die Weltrevolution, Engels, Nikolai Romanow, die unterdrückten Malaysier, und damit beginnt, den Stall auszumisten – was seine eigentliche Arbeit wäre –, hört der allgemeine Verfall schlagartig auf. Man kann nicht zwei Herren auf einmal dienen! Man kann nicht Trambahnschienen fegen und zugleich das Schicksal von irgendwelchen zerlumpten Spaniern bestimmen! Das Kunststück ist noch keinem gelungen, geschweige denn Menschen, die ganz Europa um 200 Jahre hinterherhinken und sich erst langsam daran gewöhnen, überhaupt eine Hose zu tragen!

Filipp Filippowitsch kam allmählich in Fahrt, seine Habichtnüstern waren gebläht. Gut gestärkt von kräftigen Speisen, ereiferte er sich wie ein biblischer Prophet, und sein Haupt erblitzte in Silberfunken.

Seine Worte senkten sich auf den duselnden Hund wie ein dumpfes unterirdisches Donnern. Dann hüpfte der Uhu mit dummen gelben Pupillen durch seinen Dämmerzustand, dann die Visage des dämlichen Scharfrichters in der weißen schmuddeligen Haube, dann der schneidige Schnauzbart von Filipp Filippowitsch, leuchtend im drastischen Licht der Lampe, dann ein dösender Winterschlitten, der knarzte und schwand, und im Magen des Köters dampfte indessen im eigenen Saft ein zerschundenes Roastbeefstück.

»Er könnte auf Meetings Moneten verdienen«, träumte der Rüde matt vor sich hin, »ein meisterhafter Geschäftemacher übrigens. Doch hat er ja ohnehin Geld wie Heu.«

– Wachen! –, rief Filipp Filippowitsch. – Wachen! – »U-huh-huh-huh!«, Blasen zerplatzten im Hundehirn … – Wachen! Das ist es, mehr bedarf’s nicht! Egal, ob die mit Kokarde kommen oder mit einem roten CappyAnmerkung. Man postiere Wachen vor jeden Menschen und bringe dieselbigen Wachen dazu, die vokalen Anwandlungen unserer Bürger ein wenig in die Schranken zu weisen. Sie sprechen vom allgemeinen Verfall! Und ich sage Ihnen, Doktor, in unserem Haus wird sich gar nichts zum Besseren wenden, wie auch in keinem anderen Haus, solange man nicht dem Singtrieb Einhalt gebietet! Denn sobald sie ihre Konzerte beenden, wird sich die Lage von selbst optimieren!

– Sie reden da konterrevolutionäres Zeug –, bemerkte scherzend der Angeknabberte, – Gott bewahre, dass Sie jemand belauscht!

– Ich sehe da keinerlei Gefahr! –, versetzte hitzig Filipp Filippowitsch. – Auch keinerlei Konterrevolution! Apropos – noch so ein albernes Wort! Mir ist völlig schleierhaft, was es bedeuten soll! Weiß der Kuckuck! Und darum sage ich: Meine Reden enthalten nicht die leiseste Spur dieser elenden Konterrevolution. Nur gesunden Menschenverstand und eine Menge Lebenserfahrung …

Nun zog Filipp Filippowitsch den Schwanz der gezackten glänzenden Serviette hinter seinem Kragen hervor, zerknüllte und legte sie neben das nicht geleerte Weinglas. Der Gebissene stand sofort auf und zeigte sich erkenntlich: – Merci.

– Warten Sie, Doktor! –, hielt ihn Filipp Filippowitsch an und entnahm seiner Hosentasche eine Börse. Dann kniff er die Augen zusammen, zählte einige weiße Zettel ab und überreichte sie dem Gebissenen: – Heute sind 40 Rubel Ihr Anteil, mein lieber Iwan Arnoldowitsch. Also bitte, bedienen Sie sich!

Der vom Hund Attackierte dankte höflich, errötete und steckte die Scheine in das Innere seines Sakkos.

– Werde ich heute Abend noch gebraucht, Filipp Filippowitsch? –, fragte er.

– Nein, ich danke Ihnen, mein Bester. Wir wollen den Feierabend genießen. Erstens, das Kaninchen ist tot, zweitens, im Bolschoi gibt’s heute Aida. Habe ich schon lange nicht mehr gehört. Köstlich … Sie erinnern sich? Allein das Duett … Ta-ri-ra-rimm.

– Ach, wie schaffen Sie das nur zeitlich? –, sprach voll Bewunderung der Arzt.

– Für jenen, der niemals in Eile ist, spielt die Zeit eben keine Rolle –, erklärte dozierend der Gastgeber. – Freilich, würde ich damit beginnen, von einer Sitzung zur nächsten zu rennen, immerzu Nachtigallenlieder zwitschernd, statt mich um meine Arbeit zu kümmern, dann käme ich überall zu spät –, unter den Fingern von Filipp Filippowitsch ertönte in der Tasche ganz engelhaft seine Repetieruhr, – schon kurz nach 9 … Ich werde zum zweiten Akt hinfahren … Bin nämlich ein Freund von Arbeitsteilung. Im Bolschoi singen sie, ich operiere. Fein, wo bleibt da der allgemeine Verfall? … Folgendes, Iwan Arnoldowitsch, Sie sollten trotzdem gut aufpassen: Wenn der Tod eintritt, schnell weg vom Tisch – in die Nährflüssigkeit und zu mir!

– Keine Sorge, Filipp Filippowitsch, die Pathologen haben es mir versprochen.

– Fein. Und inzwischen werden wir diesen Straßenneurastheniker beobachten, waschen. Soll ihm erst einmal die Seite verheilen.

»Er sorgt sich um mich«, dachte der Köter, »ein sehr guter Mensch. Ich weiß, wer das ist. Er ist ein Zauberer, ein Magier, ein Hexer aus Hundemärchen … Es kann doch nicht sein, dass ich das alles nur träume. Und wenn doch?« (Der Hund erbebte im Schlaf.) »Ich erwache, und nichts davon ist wahr. Keine Lampe unter dem Seidenschirm, keine wohlige Wärme, kein Gefühl der Sättigung. Und schon wieder die schummrige Toreinfahrt, der schwirrende Sturm, der erstarrte Asphalt, der Hunger, die scheußlichen Menschen … Der Speisesaal der Kantine, der Schnee … Mein Gott, wie schwer ich es haben werde! …«

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