12. Kapitel


Der Heimflug verlief ohne weitere Ereignisse. Eddie schlief die meiste Zeit. Es war ihm nicht bewußt gewesen, wie erschöpft und müde ihn der ganze Streß gemacht hatte, dem er ausgesetzt gewesen war. Ein Land regieren, hatte er gelernt, ist gar nicht so einfach.

Im Flugzeug mit ihm war eine schöne Stewardeß. Sie trug eine sehr verführerische Uniform.

»Guten Tag, Liebling.«

Liebling? Dieser Diktator mußte ein wahrer Wundermann sein.

»Hungrig?« fragte sie.

Und da merkte Eddie, wie hungrig er war. Wegen seiner Furcht, vergiftet zu werden, hatte er schon seit zwei Tagen keinen Bissen mehr zu sich genommen.

»Ja, doch«, sagte er. »Haben wir denn etwas zu essen da?«

Sie lächelte. »Aber selbstverständlich. Soll ich jetzt servieren?«

»Ja«, sagte Eddie.

Sie lächelte ihn wieder an. »Ich bin gleich wieder da.«

Sie brachte ihm einen Scotch mit Soda. »Hier erst mal der Colonel-Lieblingsdrink.«

Aber Eddie haßte Scotch mit Soda.

»Ich habe auch alle anderen Colonel-Lieblingssachen da«, sagte sie.

»Sehr schön«, erklärte Eddie begeistert. Er konnte es kaum erwarten.

Die Stewardeß brachte ihm eine Mahlzeit und stellte sie auf das Tablett vor ihm.

»Was ist das?« fragte Eddie.

»Nun, Schweinsfüße. Das Colonel-Lieblingsgericht.«

Eddie haßte Schweinsfüße. »Oh«, sagte er nur.

Alles andere war genauso. Lauter Sachen, die er nicht ausstehen konnte. Er brachte kaum einen Bissen hinunter.

Danach hoffte er wenigstens auf eine heiße Tasse Kaffee. Aber sie brachte ihm Tee. Und auch Tee haßte er.

»Der Colonel-Lieblingstee!« sagte sie und kam nahe zu ihm. »Kann ich sonst noch etwas für den Colonel tun?«

Eddie schluckte schwer. »Äh ... nein, vielen Dank.« Nicht mehr lange, und er sah schließlich Mary wieder.

Die Stewardeß sah ehrlich betrübt aus. »Ich bin auf jeden Fall im Cockpit vorne, wenn irgend etwas gewünscht wird.«

Und die Betonung lag auf irgend etwas.

»Ich denke daran«, sagte Eddie.

Als er nach Stunden aus dem Fenster sah, konnte er weit unten bereits die Lichter New Yorks erkennen. Es erschien ihm auf einmal, nach allem, was war, ganz unwirklich, heimzukehren.

Das riesige Düsenflugzeug kreiste über dem KennedyAirport, und zwanzig Minuten danach waren sie gelandet.

Der Pilot kam zu ihm in die Kabine. »Fliegen Sie wieder zurück nach Amador?« erkundigte er sich.

Das Lächeln auf Eddies Gesicht hätte ausgereicht, ganz New York zu erleuchten. »Nein«, sagte er. »Ich fliege nicht zurück nach Amador.«

»Und was soll ich machen?« wollte der Pilot wissen.

»Ruhen Sie sich erst mal aus«, sagte Eddie, »und dann fliegen Sie zurück nach Hause.«

»Jawohl, Colonel.«

Das ist das letzte Mal, daß mich jemand Colonel nennt, dachte Eddie.

Na ja, immerhin war es eine ganz spannende Zeit gewesen, solange sie gedauert hatte. Jetzt wollte er erst mal zusehen, daß er sein Stück auf die Bühne brachte. Und es zog ihn nach Hause zu Mary.

Er stieg aus dem Flugzeug und dachte, jetzt muß ich ein Taxi finden.

Zu seiner Überraschung kam ein großer Wagen an das Flugzeug herangefahren. Ein schönes Mädchen saß am Steuer und öffnete ihm die Tür.

»Wohin möchten Sie gebracht werden, Colonel Bolivar?«

Der Mann weiß, wie man lebt, das muß man ihm lassen, dachte Eddie.

Er wollte schon sagen: nach Hause, als ihm erst wieder einfiel, daß sein »Zuhause« ja der Palast in Amador zu sein hatte.

»Ich werde Freunde besuchen«, sagte er dem Mädchen und gab ihm die Adresse seines eigenen Wohnblocks.

Eine dreiviertel Stunde später fuhren sie vor Eddies Apartmenthaus vor. Mary blickte zufällig gerade aus dem Fenster. Sie sah eine lange, schwarze Limousine, aus der ihr Ehemann stieg, und zwar in einer prächtigen weißen Militäruniform.

Die schöne Chauffeuse flüsterte Eddie noch zu: »Sehe ich den Colonel dann heute abend?«

Großer Gott, dachte Eddie, der Mann muß aus Stahl sein.

»Nein, heute nicht«, sagte er.

Er wandte sich ab und ging in das Haus. Er machte die Tür zu seiner Wohnung auf, und Mary kam in seine Arme geflogen.

»Mary«, sagte Eddie, »ich habe dir einiges mitzuteilen.«

Aber da griff sich Mary an den Leib und wurde blaß.

»Eddie«, stammelte sie, »zuvor aber habe ich dir etwas mitzuteilen. Unser Baby kommt!«

Zum Glück stand die Limousine noch immer unten vor dem Haus. Sie wollte eben wegfahren, als Eddie rief: »Augenblick, warten Sie!«

Die Fahrerin hielt an.

»Bringen Sie uns zur Klinik«, sagte er. »Schnell.«

Er half Mary hinein, und der Wagen begann durch die Straßen New Yorks zu brausen.

»Ich glaube nicht, daß ich es noch aushalte«, stöhnte Mary. »Das Baby wird jede Minute kommen!«

»Halte durch«, sagte Eddie. »Wir sind schon so gut wie da.«

Die Chauffeuse überfuhr ein Rotlicht, und gleich danach war auch schon die Sirene eines Verkehrspolizisten auf einem Motorrad hinter ihnen und kam neben sie.

»Rechts ran«, sagte der Polizist.

»Wir können jetzt nicht anhalten!« rief Mary.

»Keine Sorge«, sagte Eddie. »Ich rede schon mit ihm.«

Der Wagen hielt an einem Seitenstreifen. Eddie stieg aus. Erst am Abend zuvor waren Bilder des Diktators von Amador überall im Fernsehen gewesen, wegen der Revolution, die dort das ganze Land ergriffen hatte.

Als der Polizist Eddie erblickte, nahm er sofort Haltung an. »Verzeihung, Sir, aber sind Sie nicht Colonel Bolivar?«

Eddie sagte: »Nein, ich bin ...« Dann wurde ihm erst klar, was er da tat. »Ja natürlich«, sagte er, »und meine Frau kriegt ein Kind. Wir müssen sie schnellstens ins Krankenhaus schaffen.«

»Ja, Sir. Ist mir eine Ehre, behilflich zu sein. Folgen Sie mir.«

Er stellte seine Sirene an und sein Blaulicht, fuhr vor ihnen her und machte ihnen den Weg durch die Straßen frei. Wie durch Zauberei öffnete sich überall eine Gasse für sie.

Schon nach fünf Minuten hatten sie die Klinik erreicht und fuhren vor dem Eingang für Notfälle vor.

»Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?« fragte der Polizist.

»Nein, danke«, sagte Eddie. »Sie haben schon viel geholfen. Vielen Dank. Sobald ich wieder zu Hause bin, veranlasse ich, daß Sie einen Orden bekommen.«

»Oh, vielen Dank auch, Sir«, sagte der Polizist.

Mary wurde eiligst ins Krankenhaus hineingebracht, und nach drei Stunden war ein gesundes Kind geboren.

»Er sieht genauso aus wie du«, sagte Mary glücklich und stolz.

Aber das Baby war noch runzlig und häßlich.

»Danke«, sagte Eddie.

»Sag mal, Darling, was ist das eigentlich für eine Uniform, die du anhast?«

»Uniform? Ach so, das da«, stammelte Eddie. »Ja, weißt du, das ... die gehört ... zu dem Stück gehört die, ja. Die habe ich in My fair Lady getragen.«

»Wieso?« fragte Mary. »In My fair Lady kommt doch gar keine Uniform vor?«

»Na ja, das ist die Inszenierung, verstehst du. In diesen südamerikanischen Ländern da unten, du weißt doch, wie die sind. Die wollten das eben ein wenig umgeschrieben haben.«

Mary nahm seine Hand. »Es muß doch ziemlich langweilig gewesen sein, wie? So tagsüber, wenn ihr nicht spieltet, und abends immer wieder derselbe Text? War es sehr, sehr langweilig, mein Darling? Was hast du denn die ganze Zeit gemacht? Und wieso hast du übrigens deinen Schnurrbart abrasiert?«

Eddie grinste. »Das ist eine lange Geschichte, weißt du. Ich erzähle sie dir, ganz von vorne.«

Und das tat er dann in den nächsten zwei Stunden. Er berichtete ihr alle seine Abenteuer in Amador.

»Zuvor konnte ich kein Wort darüber reden«, sagte er, »weißt du, weil ich Geheimhaltung schwören mußte.«

Als er ihr den Stierkampf erzählte, erschauderte Mary. »Du hättest getötet werden können, Darling!«

»Nein«, sagte Eddie. »Ich war einfach zu schnell für den Stier, weißt du.«

»Und was hast du gemacht«, wollte sie wissen, »als man dir dann sagte, daß du in Wirklichkeit mit El Negro gekämpft hast?«

»Ach, da habe ich nur gelacht«, sagte Eddie.

Warum sollte er ihr noch nachträglich Sorgen machen und eingestehen, daß er in Ohnmacht gefallen war?

»Wann triffst du dich mit deinem Agenten?«

»Morgen früh habe ich einen Termin bei Johnson.«

»Und er ist wirklich begeistert von deinem Stück?«

»Du machst dir keinen Begriff, wie sehr!« sagte Eddie. »Tom Burke will es inszenieren.«

»Das ist ja wundervoll!« rief Mary. »Und wer soll die Hauptrolle spielen?«

»Das ist meine große Überraschung«, sagte Eddie und strahlte. »Ich selbst!«

»Darling!«

»Denn wer könnte sie schließlich besser spielen als ich selbst?« fragte Eddie. »Ich habe die Geschichte doch in Wirklichkeit erlebt. Ich bin selbst die Hauptperson. Glaube mir, Mary, wenn sie mich erst mal auf der Bühne sehen und wie großartig ich da bin, werde ich ein größerer Star als Arnold Schwarzenegger!«

Am nächsten Morgen begab Eddie sich zu seinem Agenten Johnson. Wenn er früher in dessen Büro erschienen war, ließ man ihn oft stundenlang warten. Diesmal war alles anders.

Kaum hatte Johnsons Sekretärin Eddie gemeldet, als Johnson auch schon herausgestürzt kam und Eddie freudig umarmte.

»Eddie, mein Junge, wie freue ich mich, Sie zu sehen. Kommen Sie herein, kommen Sie!«

Er führte Eddie in sein Büro.

»Mein Telefon steht überhaupt nicht mehr still«, sagte er. »Ich habe Ihr Stück einem halben Dutzend Leute geschickt, und alle wollen sie sich daran beteiligen. Sie wissen ja, wie schnell in New York etwas die Runde macht. Alle Welt ist sich bereits darin einig, daß es ein Spitzenerfolg werden wird. Wir haben bereits die gesamte Finanzierung zusammen und auch schon ein Theater gebucht. In all den Jahren, in denen ich jetzt in dem Geschäft bin, habe ich noch nichts erlebt, das dermaßen schnell ging. Morgen früh hält Tom Burke die ersten Auditions für die Hauptrolle.«

Eddie lächelte. »Sagen Sie ihm, das kann er sich sparen.«

»Wieso?«

»Es gibt nur einen einzigen Schauspieler«, sagte Eddie, »der ideal für die Rolle ist.«

»Wer denn?«

»Na, ich selbst«, sagte Eddie.

»Sie?«

»Genau. Wer weiß schließlich mehr über das ganze Stück als ich?«

Johnson betrachtete ihn eine Weile. Dann nickte er. »Da könnten Sie sogar recht haben.«

»Selbstverständlich habe ich recht.«

Am Nachmittag fuhr Eddie ins Krankenhaus und besuchte Mary. Sie hielt ihr Baby im Arm.

»Er sieht wirklich ein wenig aus wie ich«, sagte er.

»Warte ab, bis er herausfindet, wie berühmt sein Vater ist«, sagte Mary. »Stell dir nur mal vor, ein ganzes Land allein regieren ...!«

»Das habe ich gar nicht schlecht gemacht, wenn ich das mal selbst feststellen darf«, erklärte Eddie. »Ich habe mich um die Waisenkinder gekümmert, ich habe den Bauern ihr Land zurückgegeben, ich habe die Steuern gesenkt und dem Land die Demokratie gebracht.«

Mary sah ihren Mann voller Bewunderung an. »Sag mal, Eddie, hast du je daran gedacht, für das Weiße Haus zu kandidieren?«

Eddie schüttelte den Kopf. »Das ginge nicht. Ich sehe doch überhaupt nicht aus wie unser Präsident.«

Eine Schwester kam und holte das Baby ab.

»Es ist Zeit, daß Mrs. Davis sich ausruht«, erklärte sie Eddie.

»O ja, selbstverständlich«, sagte Eddie und stand auf. »Da will ich mal wieder.«

»Bis morgen früh dann«, sagte Mary.

»Es könnte etwas später werden«, sagte Eddie.

»Wieso das?«

»Ich muß ins Theater wegen der Besetzung. Ich muß Tom Burke sagen, daß ich selbst die Hauptrolle spiele.«

»Oh, das wird ihn aber sehr freuen«, meinte Mary.

Eddie nickte. »Ja.«

Am nächsten Vormittag um zehn Uhr betrat Eddie das Theater, wo sich Tom Burke verschiedene Schauspieler für die Hauptrolle ansah. Burke war ein großgewachsener Mann mit enorm viel Energie.

Eddies Agent Johnson saß hinten in einer der letzten Reihen des Zuschauerraums und verfolgte das Vorsprechen der verschiedenen Schauspieler. Als er Eddie erblickte, sprang er auf und schüttelte ihm die Hand. »Es hat gerade erst angefangen«, erklärte er ihm. »Setzen Sie sich her und schauen Sie zu.«

Eddie setzte sich und beobachtete, wie eine Anzahl Schauspiel er versuchte, seine Texte zu sprechen. Sie waren alle so schlecht, daß er fast laut herauslachte.

»Burke verschwendet seine Zeit damit«, sagte er schließlich. »Kommen Sie, wir teilen ihm die große Neuigkeit jetzt mit.«

Sie gingen nach vorne bis zur Bühne.

Johnson stellte Eddie vor: »Tom, ich möchte Ihnen hier den Autor vorstellen, Eddie Davis.«

Sie gaben sich die Hand.

»Freut mich, den Autor des besten Stücks kennenzulernen, das ich gelesen habe«, sagte Tom Burke.

»Oh, danke«, sagte Eddie bescheiden.

»Es ist ein brillantes Stück. Alles daran gefällt mir, die Personen, die Szenen, die Dialoge. Wir finden Ihnen schon einen erstklassigen Hauptdarsteller.«

»Sie haben ihn schon«, sagte Eddie.

Tom Burke besah sich der Reihe nach die Schauspieler, die er bisher angehört hatte. »Welchen meinen Sie?« fragte er.

»Mich.«

»Sie?«

»Ja. Ich spiele selbst die Hauptrolle. Ich bin schließlich Schauspieler von Beruf, nicht?«

Tom Burkes Gesicht hellte sich auf. »Ja, natürlich. Richtig. Habe ich Sie nicht in einigen Stücken gesehen, mit kleinen Rollen allerdings nur?«

»Richtig«, sagte Eddie. Und »natürlich« wird sich das jetzt grundlegend ändern, dachte er dazu.

»Warum gehen Sie nicht gleich mal hinauf auf die Bühne, Eddie, und lesen aus der Rolle?«

Eddie mußte selbstverständlich nicht eigens lesen. Aber er sagte nichts. Immerhin war Tom Burke derzeit der bedeutendste Regisseur am Broadway.

»Gewiß«, sagte er also nur, »warum nicht?«

Er ging hinauf und stellte sich mitten auf die Bühne.

»Soll ich Ihnen mein Skript leihen?« rief ihm Burke zu.

»Nein, nein.« Eddie kannte schließlich sein eigenes Stück Wort für Wort auswendig. Jedes dieser Worte hatte er auch in der Wirklichkeit gesagt.

»Also gut«, sagte Tom Burke. »Dann mal erster Akt, erste Szene. Sie kommen von links auf die Bühne.«

Eddie begann mit seinem Text. Er spielte die ganze Szene durch. Manche Stellen sprach er leise, manche laut, einmal mit der Stimme des Schauspielers, dann wieder mit der des Diktators. Die Szene ließ alles wieder vor ihm auferstehen und weckte die Erinnerungen an die aufregenden Dinge, die er getan hatte.

Als er zu Ende war, hatte er keinen Zweifel mehr, daß ihm die Rolle gewiß war. Er ging bis zur Rampe vor und lächelte zu dem Regisseur hinab.

»Nun?«

Tom Burke sah zu ihm empor und sagte: »Nein.«

Eddie glaubte nicht richtig zu hören. »Wie war das? Nein?«

»Nein, Sie sind nicht der Richtige für die Rolle.«

»Was bin ich nicht?« schrie Eddie. »Das ist wohl nicht Ihr Ernst! Ich bin schließlich die Rolle . ich meine: ich bin Colonel Bolivar!«

»Nein, sind Sie nicht!« beharrte der Regisseur. »Sie haben das Stück geschrieben, aber Sie sind nicht der Charakter der Hauptrolle. Ich meine, es ist ja schließlich nur ein Stück und nicht das wirkliche Leben.«

»Aber -«

»Tut mir leid«, sagte Tom Burke. »Wenn Sie wollen, daß ich das Stück inszeniere, brauche ich einen anderen Hauptdarsteller.«

Eddie stand da und dachte nach. Die Rolle nicht zu bekommen, gefiel ihm gar nicht. Andererseits wurde er reich, wenn das Stück gespielt wurde. Und Tom Burke war nun einmal der beste Regisseur, den es gab.

»Also gut«, sagte er schließlich. »Dann besetzen Sie die Rolle eben anders.«

»Sie werden das nicht bereuen«, sagte Tom Burke. »Ich verspreche Ihnen einen Sensationserfolg.«

Als Eddie im Krankenhaus Mary die Neuigkeit mitteilte, sagte sie: »Ach weißt du, es ist doch egal, ob ein anderer Schauspieler die Rolle spielt, Darling. Hauptsache ist doch, daß dein Stück ein großer Erfolg wird. Damit verdienst du eine Menge Geld, und wir haben alles, was wir uns schon immer gewünscht haben.«

»Ja, aber denke doch mal nur, was der Mann für Nerven hat. Mir zu sagen, ich sei nicht der Richtige für die Rolle! Ich meine, die Rolle ist doch, bin doch, ich selbst!«

»Schau«, sagte Mary begütigend, »du weißt es, und ich weiß es. Aber wir können doch nicht der ganzen Welt sagen, daß es in Wirklichkeit so war. Man würde dich für verrückt halten!«

»Vermutlich hast du recht«, sagte Eddie, nachdem er darüber nachgedacht hatte. »Es muß wohl unser Geheimnis bleiben. Die einzigen, die es noch wissen, sind Colonel Bolivar und Capitan Torres.«

Colonel Bolivar und Capitan Torres saßen im gleichen Augenblick im Gefängnis und wußten nicht, was ihr weiteres Schicksal sein würde. In Amador war alles auf den Kopf gestellt. Es hatte eine Revolution gegeben, und das Volk hatte Senatoren gewählt und sich eine Verfassung gegeben.

Das erste, was der neue Senat beschlossen hatte, war, Colonel Bolivar für seine Verbrechen in der Vergangenheit zur Rechenschaft zu ziehen und vor Gericht zu stellen. Auch wenn seine überraschenden Reformen in den letzten Wochen seiner Herrschaft anerkannt wurden, so standen dem doch jahrelange Untaten gegenüber.

»Sie werden sehen«, sagte Colonel Bolivar verbittert zu Ca-pitan Torres, »sie werden uns alle beide erschießen. Und das alles wegen Ihnen und Ihrem verdammten Schauspieler.«

Als Eddie Mary vom Krankenhaus nach Hause brachte, wartete ein blitzender Rolls-Royce auf sie.

»Was ist das denn für ein Auto?« fragte Mary.

»Deines«, sagte Eddie. »Ein Weihnachtsgeschenk.«

»Ja, können wir uns das denn leisten?«

»Wir können uns von jetzt ab alles leisten. Warte nur, bis du unsere neue Wohnung siehst.«

Die neue Wohnung war ein wunderschönes zweistöckiges Apartment mit Blick über den Central Park.

»Das ist alles wie ein Traum«, sagte Mary.

»Es ist erst der Anfang!« erklärte Eddie. »Und wenn erst das Stück Premiere hat und nur ein halb so großer Erfolg wird, wie Tom Burke voraussagte, dann schwimmen wir im Geld.«

Der Abend der Uraufführung des Stücks Der Diktator war gekommen. Das Theater war der Winter Garden, das größte in ganz Manhattan, und es war bis auf den letzten Platz ausverkauft. Es gab nur noch Stehplätze. Es hatte sich wie ein Lauffeuer herumgesprochen, daß es sich um ein ganz ungewöhnliches Stück handle, und alle Welt drängte sich also danach.

Eddie, Mary und Johnson wurden auf ihre Plätze geleitet. Eddie war nervös. Er begann an seinen Fingernägeln zu kauen.

»Und wenn es den Leuten nun doch nicht gefällt?«

»Aber selbstverständlich wird es allen gefallen, Darling.«

Die Lichter erloschen, und der Vorhang ging auf. Ein Raunen ging durch das Publikum. Einer der ganz großen Broadwaystars war als Hauptdarsteller angekündigt, und als er die Bühne betrat, prasselte Begrüßungsbeifall auf.

Dann begann das Stück. Es dauerte zwei Stunden, und schon nach dem Ende des ersten Aktes war jedermann im Publikum klar, daß der Broadway einen neuen Superhit hatte. Die Erregung war in der Luft spürbar.

Johnson griff aufgeregt nach Eddies Hand und sagte. »Sie haben es geschafft, Junge. Dieses Stück wird endlos laufen.«

Der zweite Akt verlief noch aufregender als der erste: Die Waisenkinderszene fand Beifall auf offener Bühne, ebenso die mit den Bauern. Und als dem Schauspieler am Ende die Flucht gelang, jubelte das Publikum erneut.

Es gab zwanzig Vorhänge.

Eddie, Mary und Johnson gingen hinter die Bühne, um dem Ensemble zu gratulieren.

»Sie waren großartig«, sagte Eddie dem Hauptdarsteller.

Aber insgeheim war er dennoch überzeugt davon, daß er selbst die Rolle noch viel besser gespielt hätte.

»Nein, Sie waren großartig«, gab der Hauptdarsteller das Kompliment zurück. »Wir müssen Ihnen für ein wundervolles Stück danken.«

Dann begaben sie sich alle zu Sardi’s Restaurant, um dort die ersten Kritiken abzuwarten. Und die Kritiken waren überwältigend.

»Gratuliere«, sagte Johnson zu Eddie. »Das Stück läuft hier in New York unter Garantie erst schon mal mindestens zwei Jahre lang. Doch inzwischen ruhen wir uns nicht auf unseren Lorbeeren aus. Schon von morgen an schicken wir Gastspieltruppen damit in die ganze Welt.«

Eddie sah ihn an und sagte: »Ja, und tun Sie mir einen Gefallen.«

»Selbstverständlich. Was denn?«

Und Eddie sagte: »Schicken Sie auf jeden Fall auch eine nach Amador.«

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