Heute ist bekanntlich der Tag, an dem du deine Frau umbringst, damit wir heiraten können. Eddie starrte die Frau verständnislos an und glaubte, nicht recht gehört zu haben. »Was werden wir?« stammelte er schließlich.
»Es ist alles schon arrangiert. Um zwei Uhr nachmittags ist sie immer im Musikzimmer und spielt Klavier. Da ist sie allein. Eine der Palastwachen schleicht sich hinein und erwürgt sie.«
»Er-würgt sie?«
»Ja!« Sie sah ihn verwirrt an. »Du hast es dir doch nicht etwa anders überlegt, oder, Schatz?«
»Nein«, sagte Eddie hastig. »Natürlich nicht.«
»Na, siehst du.« Sie küßte ihn schnell auf die Wange und verschwand.
Eddie stand da und starrte ihr nach, als sie die Tür hinter sich zumachte. Er sah auf die Uhr. Zwölf.
In zwei Stunden also sollte die Frau von Colonel Bolivar ermordet werden. Er mußte etwas unternehmen, um das zu verhindern. Aber was? Er hatte ja nicht einmal die leiseste Ahnung, wer diese Fremde Frau war. Doch offensichtlich hatte Colonel Bolivar ihr tatsächlich versprochen, sie zu heiraten. Mein Gott, dachte er, ist der Mann beschäftigt! Ich bin doch nur ein einfacher Schauspieler, kein Mensch kann von mir verlangen, daß ich pausenlos Menschenleben rette. Ich habe immer nur in Stücken gespielt, die andere Leute geschrieben haben. Ich wollte, ich hätte jetzt einen guten Stückeschreiber hier. Der könnte mir wenigstens sagen, wie ich aus dieser Situation herauskomme.
Capitan Torres trat ein. »Sie werden ein paar Minuten lang im Konferenzraum gebraucht.«
»Aber doch nicht jetzt«, sagte Eddie. »Ich bin beschäftigt. Ich habe eine Menge Dinge im Kopf.«
»Sie haben gar nichts im Kopf«, sagte Capitan Torres ungehalten. »Weil Sie nämlich nicht tatsächlich Colonel Bolivar sind! Da ist eine Delegation von Bürgern. Sie wollen den Colonel sprechen. Er erlaubt ihnen üblicherweise ein solches Gespräch einmal pro Monat. Sie werden mißtrauisch sein, wenn man sie nicht empfängt.«
»Wie lange dauert das?« fragte Eddie.
»Nur ein paar Minuten. Sie bitten wie üblich um Steuersenkungen. Sie sagen einfach nur nein und fertig, wie es der Colonel üblicherweise macht, und dann gehen sie auch schon wieder.«
Eddie wunderte sich. »Wenn er sowieso immer nur nein sagt, warum macht er sich dann die Mühe, sie ständig zu empfangen?«
»Weil das den Leuten das Gefühl gibt, daß er sich durchaus für ihre Probleme interessiert.«
»Aha.« Eddie sah auf die Uhr. Die Zeit wurde knapp. »Also gut, dann erledigen wir das schnell noch.«
Capitan Torres führte ihn in den Konferenzraum. Dort wartete etwa ein halbes Dutzend Leute. Sie waren alle mager und ärmlich gekleidet.
»Guten Morgen, Colonel Bolivar«, sagten sie im Chor.
Eddie setzte sich hinter den gewaltigen Schreibtisch, und Capitan Torres stellte sich an seine Seite.
»Guten Morgen«, sagte Eddie. »Was kann ich für Sie tun?«
Einer trat vor. »Wir bitten Sie, uns zu helfen, Herr. Letztes Jahr haben Sie die Steuern um zehn Prozent erhöht.«
»Das war notwendig«, sagte Capitan Torres, »um neue Schulen und Straßen zu bauen.«
»Aber wir haben keine neuen Schulen und Straßen!« wandte der Mann ein.
»Es wird daran gearbeitet«, beschied ihn Torres kurz.
Der Mann sprach weiter. »Colonel, wir haben gerade erst erfahren, daß Sie die Steuern um weitere zehn Prozent erhöhen wollen. Schon jetzt gehen achtzig Prozent unseres Geldes an den Staat. Es bleibt uns nicht mehr genug zum Leben übrig.«
Eddie reagierte schockiert. »Was? Achtzig Prozent?«
Capitan Torres sagte hastig: »Amador muß eine große Armee unterhalten. Wir müssen gewappnet sein gegen Angriffe unserer Feinde!«
»Was denn für Feinde?« rief der Mann. »Wir haben doch Frieden! Aber nicht genug Geld, um unsere Kinder zu ernähren!«
»Einen Moment mal«, sagte Eddie. »Das möchte ich jetzt genau wissen. Es bleiben euch tatsächlich nur zwanzig Prozent von eurem Einkommen?«
»Ja«, sagte der Mann, »so ist es.«
»Das ist ja unmöglich!« empörte sich Eddie.
Capitan Torres sah ihn eindringlich an. »Colonel ...«
Aber Eddie sagte bereits: »Da müssen wir schleunigst etwas tun, hören Sie mal.«
»Colonel ...!«
»Ich sorge augenblicklich dafür, daß diese Steuern reduziert werden.«
»Colonel ...!«
Doch Eddie hatte sich schon wieder Schreibzeug genommen und begann zu schreiben. »Ab sofort werden alle Steuern der Bürger von Amador reduziert auf .« Er dachte kurz nach. ». zehn Prozent.«
Die Leute ließen einen Jubelschrei los.
Capitan Torres schluckte schwer. »Colonel ...!«
Eddie beachtete ihn nicht und unterschrieb: Colonel Ramon Bolivar.
Dann hielt er den Leuten das Blatt hin, damit sie es genau sahen. »So, das wäre dieses.«
Die Delegation applaudierte und ließ ihn hochleben.
Eddie stand auf. »Wenn Sie mich jetzt entschuldigen«, sagte er und verließ den Konferenzraum. Er mußte schließlich das Leben »seiner« Ehefrau retten .
Capitan Torres rief wieder im Krankenhaus an und sprach erneut mit dem Arzt, der Colonel Bolivar operiert hatte. »Geben Sie mir einen genauen Bericht über den Zustand von Colonel Bolivar«, befahl er.
»Ich kann Ihnen leider nicht mehr sagen, als Sie schon wissen, Capitan«, sagte der Arzt bedauernd. Er zögerte kurz. »Ich fürchte, es sieht nicht gut aus.«
Capitan Torres lief ein eiskalter Schauer über den Rücken. »Was bedeutet das?«
»Colonel Bolivar liegt noch immer im Koma.«
»Wie lange wird das dauern?«
»Das kann man nie sagen.«
»Kommt er überhaupt wieder zu sich?«
»Das zu sagen, ist es zu früh. Sie können sicher sein, daß wir ihn pausenlos sehr sorgfältig beobachten. Die Lebensfunktionen sind an sich ganz gut. Es ist immer noch möglich, daß er wieder völlig genesen wird.«
»Das ist nicht gut genug!« fuhr ihn Capitan Torres an. »Sie müssen ihn wieder völlig gesund machen!«
»Capitan«, sagte der Arzt, »ich bin nicht der liebe Gott. Ich kann lediglich.«.
»Sie sorgen besser dafür, daß Colonel Bolivar überlebt und gesund wird, oder Sie kommen eher, als Ihnen lieb ist, zu Ihrem lieben Gott!«
Capitan Torres warf zornig den Telefonhörer auf die Gabel. Ich muß mich selbst überzeugen, dachte er, wie sein Zustand ist.
Fünf Minuten darauf war er auf dem Weg in die Klinik.
Colonel Bolivar lag auf einer Sonderstation der Klinik, die hermetisch abgeriegelt worden war, so daß kein Besucher oder selbst Personal des Krankenhauses sie betreten und in seine Nähe kommen konnte. Er war unter dem Namen Peron registriert, und dem Personal hatte man gesagt, der Patient habe eine hochansteckende Krankheit und müsse deshalb total isoliert bleiben. Die einzigen, die Zutritt zu der Sonderstation hatten, waren der Arzt, der ihn operiert hatte, sein Assistent und eine auf absolutes Stillschweigen eingeschworene Krankenschwester.
Capitan Torres ließ den Arzt kommen. »Irgendwelche Veränderungen in seinem Zustand?« fragte er.
»Wir haben doch erst vor zehn Minuten telefoniert«, sagte der Arzt. »Nein, er ist noch immer im Koma.«
»Wie groß ist die Gefahr einer Gehirnschädigung, wenn er daraus erwacht ist?«
»Das zu sagen, ist unmöglich, Capitan. Manchmal erwachen solche Patienten aus dem Koma und sind wieder völlig normal. Manchmal bleiben aber auch Hirnschäden.« Dann zögerte er etwas, ehe er weitersprach. »Manchmal erwachen sie auch nicht mehr und sterben.«
Capitan Torres packte den Arzt an der Kehle. »Wenn er stirbt, werden Sie sich wünschen, nie geboren zu sein!« Er ließ ihn wieder los. »Wer weiß sonst noch, daß der Colonel hier ist?«
»Außer mir nur mein ärztlicher Assistent und die Krankenschwester.«
Sie müssen alle drei sterben, dachte Capitan Torres.
»Sie melden mir telefonisch jede kleinste Veränderung in seinem Zustand«, befahl er dem Arzt. »Und zwar noch in derselben Minute.«
»Jawohl, Capitan.« Der Arzt war zu Tode erschrocken. Er haßte den Colonel genauso wie das ganze Volk von Amador. Als man ihm gesagt hatte, daß er den Diktator operieren müsse, hatte er mit seiner Frau darüber gesprochen.
»Was, der Colonel braucht eine Bypass-Operation?« hatte diese gesagt. »Das ist ja wunderbar. Da kannst du ihn doch leicht bei der Operation sterben lassen!«
»Daran habe ich auch schon gedacht«, hatte er zugegeben.
»Aber da gibt es natürlich ein Problem.«
»Wieso?«
»Nun ja, seine Leute werden mich selbstverständlich umbringen, wenn ich ihn sterben lasse.«
»Aber du kannst doch sagen, daß nichts zu machen war. Es kommt doch immer wieder vor, daß Menschen Herzoperationen nicht überleben.«
»Ja schon, aber sie werden mir doch niemals glauben.«
Da hatte ihn seine Frau besorgt angesehen. »Ja aber, was passiert denn dann, wenn er wirklich unabsichtlich bei der Operation stirbt?«
Er hatte traurig den Kopf geschüttelt. »Auch dann werden sie es mich büßen lassen.«
Als Capitan Torres von der Klinik zurück war, kam sein Adjutant, Teniente (das heißt Leutnant) Gomez, sogleich mit sorgenvoller Miene in sein Büro.
»Was ist eigentlich los?« fragte er. »Gerade höre ich, daß der Colonel alle politischen Gefangenen freigelassen hat.«
»Was?« rief Capitan Torres und war total geschockt.
»Ja. Er schenkt den Bauern Land, er verteilt Lebensmittel an die Waisenkinder . Was ist mit ihm passiert, ist er auf einmal verrückt geworden?«
Capitan Torres sah seinen Adjutanten eindringlich an und beschloß, daß es an der Zeit und unumgänglich war, ihn einzuweihen und ihm die Wahrheit zu sagen. Er wußte, daß er sich auf die Verschwiegenheit von Gomez verlassen konnte.
»Setzen Sie sich«, sagte er. »Ich muß Ihnen etwas mitteilen.«
Gomez setzte sich.
»Colonel Bolivar ist im Krankenhaus. Er mußte sich einer schwierigen Herzoperation unterziehen.«
Gomez starrte ihn verständnislos an. »Aber ... ich habe ihn doch eben erst auf dem Flur gesehen!«
»Das war nicht der Colonel, lieber Freund. Der Mann, den Sie gesehen haben, war ein Schauspieler namens Eddie Davis.«
»Ein was?«
»Ja, Sie haben schon richtig gehört. Der Colonel hat ihn ausgesucht, daß er ihn während seiner Abwesenheit im Krankenhaus vertritt.«
»Das ist ja - das ist ja unglaublich!«
»Wenn das Volk Verdacht schöpfen würde, daß Colonel Bolivar ernsthaft krank ist, würden Aufrührer die Gelegenheit zu einem Umsturz ergreifen. Dieses Risiko konnten wir nicht eingehen.«
»Also das«, sagte der Teniente langsam, »ist die Erklärung dafür, warum die Gefangenen freigelassen wurden.« Er sah zu seinem Capitan hoch. »Ja, aber warum haben Sie denn diesen Schauspieler nicht daran gehindert, all das zu tun?«
»Ja, wie denn? Wenn ich etwas gegen seine Anordnungen unternehmen würde, wäre doch erst recht offenbar, daß etwas nicht stimmt! Niemand widerspricht Colonel Bolivar, das wissen Sie doch so gut wie ich. Aber keine Sorge. Sobald der Colonel wieder da ist, wird das alles sogleich wieder zurückgenommen.«
»Und was passiert mit dem Schauspieler?«
»Der wird beseitigt.«
»Aber was machen wir jetzt, bis dahin, Capitan?«
»Wir warten einfach ab. Ich war gerade in der Klinik. Sie sind sich nicht sicher, ob der Colonel überhaupt überlebt.«
Gomez hatte Stirnfalten. »Und wenn er stirbt, was dann? Dann gibt es eine Revolution im Volk.«
»Die werden wir verhindern, Gomez. Wenn der Colonel tatsächlich stirbt, dann behalten wir einfach den Schauspieler weiter, aber unter unserer strikten Kontrolle.«
Es war ein Uhr. In einer Stunde, dachte Eddie, wollen sie die Frau des Colonel Bolivar umbringen. Er mußte sie zuvor aus dem Palast schaffen. Vielleicht fuhr er mit ihr zusammen irgendwohin. Es war ein schöner Tag. Er konnte sie zu einer Spazierfahrt einladen.
Er eilte hinaus in die riesige Garage, in der alle Autos des Colonel Bolivar standen. Da gab es einen Rolls-Royce und einen Mercedes und ein Ferrari-Cabrio. Eddie sah sie sich der Reihe nach an und bewunderte sie. Besonders den Ferrari fand er toll. Er hatte noch nie in einem gesessen.
Einer der Fahrer kam herbeigeeilt. »Kann ich Ihnen helfen, Colonel?«
»Ja«, sagte Eddie. »Es ist so ein schöner Tag, ich dachte mir, ich mache eine kleine Spazierfahrt.«
»Selbstverständlich, Colonel. Welchen Wagen sollen wir nehmen?«
»Ich fahre allein«, sagte Eddie. »Das heißt, zusammen mit Senora Bolivar. Ich denke, ich nehme den Ferrari. Und ich fahre ihn selbst.«
Der Fahrer war verblüfft. »Jawohl. Ich lasse ihn gleich vor den Palast vorfahren.«
»Danke«, sagte Eddie. Jetzt mußte er nur noch die Senora zu der Fahrt überreden.
Sobald Eddie die Garage verlassen hatte, eilte der Fahrer zum nächsten Telefon, wählte eine Nummer, und eine Stimme meldete sich, als abgehoben wurde:
»Hallo? Hier spricht Juan.«
»Juan«, sagte der Fahrer aufgeregt, »ich glaube, deine große Gelegenheit ist gekommen!«
»Wieso, was?«
»Er fährt in einer Stunde mit dem Auto spazieren und fährt selbst.«
»Sehr gut. Ich bin gleich da.«
Als Juan auflegte, war er sehr zufrieden. Sein mißlungener erster Versuch, den Diktator im Park mit dem Gewehr zu erschießen, nagte noch immer an ihm. Diesmal, dachte er, soll es nicht noch einmal schiefgehen. Er ging hinüber in den anderen Raum, wo die Rebellen gerade wieder eine Sitzung hatten, und wo über alle denkbaren anderen Möglichkeiten gesprochen wurde, wie man den Diktator töten könnte.
»Gute Nachrichten!« gab er bekannt. »In einer Stunde ist Colonel Bolivar tot!«
Sofort gab es aufgeregte Unruhe.
»Wieso, was ...?«
»Bist du sicher ...?«
»Wie soll es geschehen ...?«
Juan hob die Hand und gebot Ruhe. »Augenblick, so laßt mich doch erklären! Wie ihr wißt, fährt der Colonel an sich niemals allein aus. Immer hat er ein halbes Dutzend Leibwächter um sich. Aber jetzt hat er aus irgendeinem Grund seinem Fahrer soeben mitgeteilt, daß er mit seiner Frau eine Spazierfahrt machen will, und zwar ganz allein mit ihr.«
»Großartig!« rief einer. »Da brauchen wir nur noch herauszufinden, wohin er fährt, und können ihn auf der Straße abpassen.«
Und ein anderer sagte: »Wir können einen unserer Lastwagen nehmen und ihn rammen. Das überlebt er nicht.«
»Ich glaube«, erklärte Juan jedoch, »ich habe eine bessere Idee.« Er wandte sich an einen aus der Gruppe, der Pedro hieß. »Wie lange brauchst du, um eine Bombe zu basteln?«
Pedro machte eine unbestimmte Bewegung. »Eine halbe Stunde vielleicht.«
»Du mußt es noch schneller schaffen. Ich bring’ sie in den Palast hinüber und schmuggel’ sie in sein Auto. Und sobald er den Motor anläßt -«, er klatschte die Hände zusammen, »geht sie hoch.«
Alle applaudierten begeistert.
»Großartige Idee .«
»Wundervoll .«
»Er verdient es nicht anders ...!«
Juan gebot wieder Schweigen. »Aber wir müssen uns beeilen.
Viel Zeit haben wir nicht.«
»Ich fange sofort an«, versicherte Pedro. »In zwanzig Minuten bin ich wieder da.«
Und tatsächlich kam er nach genau zwanzig Minuten wieder mit einem Schuhkarton. »Hier«, sagte er und hob den Deckel. In der Schachtel lag ein kleiner, ganz harmlos aussehender Gegenstand.
»Bist du sicher, daß sie funktioniert und ausreicht?« fragte Juan.
»Darauf kannst du dich verlassen. Vom ganzen Auto und vom Diktator bleiben nur kleine Fetzen übrig, glaube mir.« »Gut«, sagte Juan und war schon auf dem Weg zum Palast.
Die Frau von Colonel Bolivar setzte sich gerade an den Mittagstisch, als Eddie hereinkam. Sie sah überrascht auf und sagte freudig: »Kommst du, um mit mir zu essen, Ramon?«
»Nein«, sagte Eddie. »Ich habe etwas anderes vor. Was hältst du davon, in einem Landgasthaus draußen zu essen? Wir könnten eine kleine Spazierfahrt machen.«
»Nur wir beide? Meinst du das wirklich, im Ernst?«
»Ja!« sagte Eddie.
Sie strahlte. »Aber liebend gern!« Sie stand sogleich auf. »Nur ein paar Minuten, bis ich mich zurechtgemacht habe, Schatz!«
Eddie sah auf die Uhr. Es war bereits halb zwei. »Aber brauche nicht zu lange«, sagte er. »Ich will um zwei weg sein.« »Was?«
»Ich meine, ich will nicht so lange warten. Ich bin hungrig.« Sie küßte ihn auf die Wange. »Schon gut, ich beeile mich.« Zumindest, dachte Eddie, kann ich ihr vorerst das Leben retten. Aber ich muß mir noch mehr ausdenken.
In der Palastgarage waren Juan und der Fahrer inzwischen dabei, die Bombe unter die Kühlerhaube des Ferrari zu praktizieren.
»Seid ihr auch sicher, daß sie funktioniert?« fragte der Fahrer.
»Hundertprozentig«, sagte Juan. »Sobald er startet, geht sie hoch. Und dann fliegen nur noch tausend winzige Colonel Bolivars durch die Luft.«
Der Fahrer lächelte zufrieden. »Darauf warten wir schon so lange.«
»Wie ganz Amador«, nickte Juan.
Sie machten die Motorhaube zu.
»Ich habe einen Draht lose gelassen«, sagte Juan. »Fahr den Wagen vor, und dann machst du die Motorhaube noch einmal auf und schließt diesen Draht auch an. Dann ist die Zündung der Bombe scharf. Auf keinen Fall darfst du danach mehr starten.«
»In Ordnung«, sagte der Fahrer. Er schüttelte Juan die Hand. »Das ganze Volk von Amador wird stolz auf dich sein.«
Juan sah noch zu, wie der Fahrer in den Ferrari einstieg, den Motor anließ und aus der Garage fuhr. Er sah auf die Uhr. In ein paar Minuten, dachte er, gibt es keinen Colonel Bolivar mehr. Und dann ist Amador frei.
Der Fahrer parkte den Ferrari vor dem Hauptportal des Palastes. Er sah sich um, ob auch niemand da war. Dann machte er die Motorhaube auf und schloß den losen Draht an. Alles war nun bereit. Er ließ die Schlüssel stecken, stieg aus und rannte zurück in die Garage.
Es war fünf Minuten vor zwei. Eddie wartete in der Halle, aber von Senora Bolivar war immer noch weit und breit nichts zu sehen. Dabei war in fünf Minuten ihr Mörder da! Er lief zu ihrem Schlafzimmer und klopfte an. Dann wollte er sie beim Namen rufen. Aber er wußte ja gar nicht, wie sie hieß. Und jemanden fragen, ging nicht gut. Ach, sagen Sie doch mal schnell, wie heißt meine Frau gleich wieder? Nein, wirklich.
Also klopfte er noch einmal an und rief einfach: »Bist du soweit, Schatz?«
Kurz darauf ging wirklich die Tür auf, und sie stand vor ihm. Sie sah wunderschön aus. Wozu braucht der Colonel andere Frauen, wunderte sich Eddie, wenn er doch diese hier hat?
»Ich bin soweit, Ramon«, sagte sie.
»Gut.« Eddie schaute wieder auf die Uhr. Nur noch zwei Minuten Zeit. Er nahm sie am Arm und zog sie hastig mit sich den Korridor entlang.
»Was eilt es denn so?« fragte sie.
»Ich bin halb verhungert«, sagte Eddie.
Sie gelangten zum Hauptportal und gingen hinaus. Da stand der schöne Ferrari. Das Dach war unten.
»Ach du lieber Gott!« sagte Senora Bolivar. »Das wußte ich nicht, daß das Dach offen ist. Ich gehe mir schnell noch einen Hut holen.«
Und sie hatte sich schon umgedreht, aber da packte Eddie sie am Arm. »Nein ... keinen Hut.«
»Aber wieso denn nicht?«
»Weil. ich dein Haar im Wind flattern sehen möchte«, sagte Eddie, weil ihm sonst nichts einfiel. Es war eine Stelle aus einem Stück, das er einmal gespielt hatte. Die Sonnenstrahlen streicheln dein schönes Haar, Geliebte. Du bist eine Göttin! Das Stück war nach zwei Vorstellungen wieder abgesetzt worden.
Er half ihr in den Wagen und setzte sich dann selbst ans Steuer.
»Weißt du eigentlich, Ramon«, sagte die Senora, »wie lange es her ist, daß wir zuletzt allein waren? Als wir erst kurz verheiratet waren, fuhren wir oft so aus.«
»Ja, ja, ich weiß es noch gut.«
Aus der Entfernung, in der Garage, sahen Juan und der Fahrer gespannt zu. Sie sahen, wie Eddie den Zündschlüssel packte.
»Jetzt!« sagte Juan freudig erregt. »In einer Sekunde hat es Colonel Bolivar und seine Frau in tausend Stücke zerrissen.«