8. Kapitel


Eddie Davis gewöhnte sich immer besser an die Rolle, die er spielte. Wie jeder gute Schauspieler war er ganz in seiner Rolle aufgegangen. In seinem Kopf war er bereits Colonel Bolivar. Er brauchte es gar nicht mehr bewußt zu spielen. Ganz instinktiv und automatisch sprach er und bewegte sich inzwischen wie der Diktator selbst. Capitan Torres bewunderte im Grunde, wie tatsächlich perfekt Eddie den Diktator darstellte. Das Problem war nur, daß Eddie auch versuchte, das Land wirklich zu regieren. Und genau deshalb muß er eben sterben, dachte er.

Eddie begann das Theaterstück zu schreiben, das ihn berühmt machen sollte: das Stück über einen Schauspieler, der engagiert wird, als Doppelgänger eines Diktators aufzutreten. Jeden Morgen nach dem Aufstehen verbrachte er jetzt zwei Stunden an der Schreibmaschine.

»Was machen Sie da eigentlich?« fragte ihn Capitan Torres schon bald.

»Ach, das ist nichts weiter«, sagte Eddie, »nur eine kleine Geschichte, die ich niederschreibe.«

Ihm die volle Wahrheit zu sagen riskierte er denn doch nicht.

»Übrigens«, fragte er, »wie lange werden Sie mich eigentlich voraussichtlich noch brauchen?«

»Ihre Aufgabe«, antwortete Capitan Torres, »wird in Bälde erfüllt sein, soviel kann ich Ihnen sagen. Der Colonel ist auf dem besten Wege der Genesung, und sobald es ihm wieder gut genug geht, bringen wir ihn hierher zurück in den Palast, und dann sind Sie entlassen und können nach Hause reisen.«

»Sehr schön«, sagte Eddie, ohne zu ahnen, was der Capitan im stillen zu seinen Worten dazudachte, nämlich: Dein Zuhause, mein Lieber, wird aber ein Grab sein, in das du reisen wirst. Und über dieses können dann schöne Blumen und viel Gras wachsen.

Eddie aber war fest entschlossen, in zehn Tagen zu Hause zu sein, weil dann ja sein Baby auf die Welt kommen sollte. Doch das wollte er dem Capitan Torres ebenfalls nicht auf die Nase binden. Und wenn der Colonel Bolivar, dachte er, nicht rechtzeitig aus der Klinik kommt, ist es mir auch egal. Ich bin so oder so weg, da können die gar nichts machen. Ist ja schließlich ein freies Land hier.

Oder?

Er rief Mary wieder an. Sie freute sich sehr, seine Stimme zu hören.

»Wie geht es dir?« fragte Eddie.

»Ach, ich gehe weiter auf wie ein Hefeteig, Eddie«, klagte Mary. »Und das Baby strampelt und tritt in einer Tour. Es will raus.«

»Was sagt der Doktor? Ist alles normal?«

»Das schon, alles ist in Ordnung. Nur, daß du mir eben fehlst. Wirst du auch wirklich rechtzeitig da sein?«

»Nichts auf der Welt kann mich davon abhalten«, erklärte Eddie mit Überzeugung. »Übrigens, ich überweise dir zehntausend Dollar.«

»Was??« Marys Stimme war ganz schrill vor Verwunderung. »Wo hast du denn zehntausend Dollar her?«

»Na ja«, log Eddie, daß sich die Balken bogen, »ich hatte solchen Erfolg in dem Stück, daß ich gleich einen ordentlichen Vorschuß bekam.«

»Oh, Darling, das ist ja wundervoll!«

Er wagte ihr nicht zu gestehen, daß er außerdem noch weitere neunzigtausend Dollar hatte. Das konnte er ihr alles in Ruhe erklären, wenn er wieder zu Hause war, dachte er.

»Da kann ich ja die ganzen Arztrechnungen bezahlen«, freute sich Mary überglücklich, »und den Lebensmittelhändler. Oh, Eddie, ich bin so stolz auf dich!«

»Paß du nur gut auf dich auf«, ermahnte er sie gönnerhaft. »In zehn Tagen bin ich da. Auf Wiedersehen, mein Darling.« »Wiedersehen, Eddie!«

Ich bin doch eigentlich der glücklichste Mann der Welt, dachte Eddie. Ich habe eine wundervolle Frau, und in zehn Tagen kriegen wir unser erstes Baby. Nichts kann jetzt mehr schiefgehen.

Er blickte hinauf zu dem großen Gemälde von Colonel Boli-var an der Wand. Dessen Augen schienen auf ihn herabzufunkeln. Aber Eddie wischte das gleich von sich weg. Das ist natürlich nur meine Einbildung, dachte er.

In Amador war jeder Sonntag Stierkampftag. Dieses südamerikanische Volk liebte Stierkämpfe ebenso wie die Spanier, und die Toreros waren seine Helden.

Eddie saß gerade wieder im Arbeitszimmer des Diktators und arbeitete an seinem Theaterstück, als Capitan Torres bei ihm eintrat.

»Wir haben ein Problem.«

»So?« sagte Eddie. »Was für eines?«

»Es gibt hier einen Brauch im Land. Jeden Sonntag finden Stierkämpfe in der Arena statt. Das hält die Leute bei Laune. Colonel Bolivar selbst ist einer unserer berühmtesten Stierkämpfer, und jeden vierten Sonntag geht er gegen den größten und stärksten Bullen in die Arena. Und heute ist wieder ein solcher vierter Sonntag.«

»Verstehe«, sagte Eddie. »Das ist das Problem. Er ist nicht da, um den Stierkampf zu bestreiten.«

»Richtig«, sagte Torres. »Und es ist ganz unmöglich, es dem Volk zu erklären!«

»Tja«, sagte Eddie, »das mag ja sehr bedauerlich sein. Aber dann sagt man eben den Leuten einfach, daß er heute mal nicht kämpft.«

»Das geht nicht«, erwiderte Capitan Torres. »Er hat noch niemals einen Stierkampf ausgelassen. Das würde sofort Verdacht erregen.« »Ja, aber was sonst wollen Sie tun?«

»Na, Sie bestreiten den Stierkampf!«

Eddie lachte laut auf. »Sie spinnen wohl!« sagte er und wandte sich ohne weiteres Wort wieder seiner Schreibmaschine zu.

»Das ist mein voller Ernst«, erklärte Capitan Torres.

»Sie spinnen, habe ich gesagt! In meinem ganzen Leben habe ich noch keine Stierkampfarena von innen gesehen. Ich wüßte doch überhaupt nicht, was ich tun und wie ich mich bewegen soll. Der Stier würde mich beim ersten Anlauf in Stücke reißen.«

»Aber nein«, widersprach der Capitan. »Sie sind sicher wie in Abrahams Schoß. Ich habe da nämlich einen Plan.«

»Was denn für einen Plan?« erkundigte sich Eddie mißtrauisch.

»Das Landgut, von dem die Stiere kommen, hat zwei Sorten Stiere. Wilde und ganz sanfte. Der Colonel hat zwar immer gegen die ganz Wilden gekämpft, aber für Sie nehmen wir einfach einen von den Sanften.«

»Wie sanft?« wollte Eddie wissen. Die Aussicht auf einen Stierkampf machte ihn doch ziemlich nervös.

»Mit den sanften Bullen«, erklärte ihm Capitan Torres, »üben die kleinen Jungen, die einmal Torero werden wollen. Sie brauchen sich überhaupt keine Sorgen zu machen. Ich kann es schließlich nicht riskieren, Sie in Gefahr zu bringen und Ihr Leben aufs Spiel zu setzen.«

Da hat er recht, dachte Eddie. Er ist schließlich auf mich angewiesen und braucht mich.

Er raffte sich also zu einem Entschluß auf.

»Also gut, dann machen wir es so.«

Es würde auch eine gute Szene für sein Stück ergeben.

Die Stierkampfarena von Amador war riesig und an diesem Sonntag bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele tausend Menschen waren von nah und fern gekommen, um das Schauspiel zu erleben und ihre Alltagsprobleme zu vergessen. Die Toreros waren in ihre kostbaren und schönen Kostüme mit viel Silber gekleidet, und die Menge jubelte den tapferen Männern, die sich dem Kampf gegen die Stiere stellten und dabei sogar ihr Leben riskierten, bei ihrem Einzug in die Arena frenetisch zu.

Die Stiere wurden einer nach dem anderen aus dem Tor gelassen, jeder für den auf ihn wartenden Torero. Die Toreros reizten die Stiere auf kunstvolle Art, bis diese erschöpft und müde waren, und töteten sie dann. Und die Menge jubelte dazu.

An diesem Tag aber herrschte große Spannung, weil alle wußten, daß Colonel Bolivar wieder einmal kämpfte. Es waren mehr Leute da als sonst, weil die meisten hofften, der Diktator werde endlich einmal von einem der Stiere getötet. Er war ja nun einmal der gehaßteste Mann in ganz Amador.

Auf dem Weg zur Stierkampfarena sagte Eddie zu Capitan Torres: »Ich bin ein wenig nervös. Sind Sie auch wirklich sicher, daß nichts passieren kann?«

»Absolut nichts kann passieren«, versicherte ihm Capitan Torres. »Ich habe bereits veranlaßt, daß der kleinste und zahmste Stier für sie hinausgeschickt wird. Sie haben doch schon einmal Stierkämpfe gesehen, oder?«

»Nur im Film«, sagte Eddie.

»Gut, das genügt. Da wissen Sie, was Sie tun müssen. Man gibt Ihnen einen Degen und ein rotes Cape. Das schwingen und wirbeln Sie herum. Wenn der Stier auf Sie zukommt, treten Sie einfach einen Schritt zur Seite. Selbst wenn er sie zufällig treffen sollte, wird es harmlos sein, weil er so klein ist, daß nichts Ernsthaftes passieren kann.«

»Ich war ja auch mal Tänzer«, sagte Eddie. »Ich bin ziemlich flink auf den Beinen.«

»Um so besser.«

Und da waren sie auch schon an der gewaltigen Stierkampfarena angekommen.

Bei den Stallkojen für die Stiere hinter der Arena, wo das Publikum nicht hinsehen konnte, hielt sich Juan auf und sprach mit einigen Männern. Juan war verärgert, daß Colonel Bolivar nun schon dreimal seinen Anschlägen entgangen war, das eine Mal mit dem Gewehr, dann mit dem Auto und das dritte Mal mit dem Flugzeug. Aber diesmal sollte es auf keinen Fall schiefgehen.

»Habt ihr die Nachrichten gehört?« fragte Juan. »Capitan Torres hat angerufen. Colonel Bolivar wird heute wieder einen Kampf bestreiten, aber aus einem bestimmten Grund, den ich nicht so ganz verstehe, hat Capitan Torres veranlaßt, daß man ihm nur einen der kleinen und zahmen Bullen hinausschickt.«

»Das ist tatsächlich eigenartig«, nickte einer der Männer. »Wo der Colonel sonst doch immer ausdrücklich gegen den größten und wildesten Stier im Stall kämpft.«

»Den kriegt er auch heute trotzdem«, sagte Juan. »Das habe ich schon organisiert. Ich habe die Stiere ausgetauscht. Er bekommt den El Negro.«

Der andere bekam ganz große Augen. »Den El Negro! Der schon fünf Toreros auf dem Gewissen hat?«

»Genau den. Und heute wird er das halbe Dutzend vollmachen.«

Capitan Torres führte Eddie in die Garderobe, wo die Toreros und Matadore sich für ihre Kämpfe ankleideten und vorbereiteten. Ein ungewöhnlich schöner und kostbarer Silberanzug hing dort in dem Schrank, der allein Colonel Bolivar vorbehalten war. Eddie zog ihn an und betrachtete sich im Spiegel.

Ich sehe wie ein echter Stierkämpfer aus, dachte er. Das macht wirklich Spaß.

Capitan Torres sagte: »Also, denken Sie daran, daß Sie einen sehr sanften Stier vor sich haben, wenn Sie draußen sind. Den heißen sie sogar nur die kleine Kuh. Er ist ganz ungefährlich. Aber Sie müssen natürlich einen echten und wilden Kampf spielen. Passen Sie vor allem auf, daß er sich nicht mitten in der Arena zum Schlafen hinlegt. Halten Sie ihn wach. Wenn es sein muß, stechen Sie ihn ein bißchen.«

»Keine Sorge«, sagte Eddie. »Ich mache schon, daß es wie ein echter Kampf aussieht.«

Aus der Arena draußen hörten sie die Stimme des Ansagers über die Lautsprecher.

»Meine Damen und Herren, es ist uns eine Ehre und ein Vergnügen, Ihnen jetzt den geliebten Führer unseres Landes anzukündigen, unseren großherzigen und wohltätigen Diktator Colonel Ramon Bolivar!«

Alles blieb still. Niemand applaudierte oder jubelte.

Eddie war verblüfft.

»Die Leute sind ja so still«, sagte er.

Capitan Torres lieferte hastig eine Erklärung. »Das ist deswegen, weil sie so viel Respekt für den Colonel hegen, daß sie vor Ehrfurcht stumm bleiben.«

»Aha.«

»Begeben Sie sich jetzt hinaus in die Arena. Und denken Sie daran, was wir besprochen haben. Es muß aufregend wirken.«

»Schon gut«, sagte Eddie.

Und er ging hinaus in die riesige Stierkampfarena. Dort saßen viele tausend Menschen und warteten auf den Anfang des Schauspiels. Und sie hofften, daß ihr verachteter Diktator ums Leben käme.

In den Stallungen für die Stiere führte Juan den kleinen, zahmen Bullen weg und dafür den wilden El Negro in den Pferch für die Arena. El Negro war ein riesiger, pechschwarzer Stier von schnaubendem Temperament. Er schlug und stieß und versuchte jeden, der ihm nahekam, mit seinen Hörnern aufzuspießen. Alle nahmen sich in acht vor ihm. Seine Hörner waren rasiermesserscharf, und seine Hufe und Klauen konnten tödlich sein. Schließlich aber hatten sie ihn an Ort und Stelle.

»Gut«, sagte Juan, »auf das Gatter.«

Das Sperrgatter wurde hochgezogen, und El Negro stürmte schnaubend hinaus in die Arena. Dort blieb er stehen, und seine funkelnden Augen wanderten über die versammelte Menge hin.

Der ist größer, als ich dachte, sagte Eddie zu sich selbst, als er ihn erblickt hatte.

Eddie hob sein Cape. »Also gut, Junge, dann komm«, murmelte er. »Lassen wir es wie einen richtigen Kampf aussehen.«

Der Stier sah das rote Tuch, schnaubte und raste los wie ein Schnellzug, direkt auf Eddie zu.

So jetzt, dachte Eddie, nun mal elegant, daß es gekonnt aussieht.

Knapp vor dem Stier trat er leichtfüßig einen Schritt zur Seite. El Negro trampelte an ihm vorbei.

Er sieht richtig wild aus, dachte Eddie. Würde man nie glauben, daß das ein Zahmer ist.

In der Ehrenloge sah Capitan Torres mit Entsetzen, was sich da begab. Er traute seinen Augen nicht. Entgegen seiner ausdrücklichen Anweisung hatte jemand ausgerechnet den Killerstier El Negro in die Arena hinausgelassen!

O mein Gott, dachte er, der bringt den Eddie um, und das ist dann das Ende von uns allen.

Eddie aber machte die Sache bereits Spaß.

Einige alte Tanzschritte, die er einmal in einem Musical gebraucht hatte, fielen ihm wieder ein, und mit diesen tänzelte er seitwärts, als der Bulle daherstürmte, und ließ ihn erneut ins Leere laufen.

Das Publikum begann unwillkürlich in Begeisterung zu geraten und ihm zuzujubeln, eigentlich gegen alle Absicht. Den Mut des Mannes in der Arena mußte man anerkennen. Alle wußten, wie wild dieser El Negro war und wie viele Toreros er schon auf dem Gewissen hatte. Und jetzt stellte sich sogar ihr Diktator zum todesmutigen Kampf gegen ihn.

Eddie hatte den Spaß seines Lebens. Er hielt sich mit Tänzelschritten immer ordentlich auf Distanz von dem Stier und triezte ihn. »Na, nun komm schon, kleine Kuh, komm, hab keine Angst vor mir!«

Schließlich war der Stier so außer Atem und erschöpft, daß er schwer schnaufend stehenblieb, weil er diesen seltsamen Menschen, der ihm ständig so geschickt herumtänzelnd auswich, nicht auf die Hörner bekam.

Es war Zeit, den Stier zu töten, Eddie aber dachte gar nicht daran. Er hob seinen Degen und sah ins Publikum.

Und die Leute schrien: »Laß ihn leben, laß ihn leben.«

Und Eddie nickte zufrieden dazu.

Noch immer verfolgt vom Jubel des Publikums kam er zurück in die Garderobe. Hätte nie geglaubt, dachte er, daß Stierkampf so einfach ist.

Capitan Torres erwartete ihn bereits. Er war kreidebleich.

»Das hat richtig Spaß gemacht«, sagte Eddie. »Kann ich das nächsten Sonntag wieder machen?«

Capitan Torres atmete tief durch, ehe er antwortete. »Jemand«, sagte er, »hat die Stiere vertauscht, wissen Sie. Sie haben soeben gegen den wildesten und gefährlichsten Stier von ganz Amador gekämpft.«

Da fiel Eddie in Ohnmacht.

Juan und seine Gruppe diskutierten wieder einmal, wie man Colonel Bolivar endlich beseitigen könnte.

»Der Mann muß einen besonderen Schutzengel haben«, sagte Juan kopfschüttelnd. »Viermal habe ich es jetzt versucht, und jedesmal schien es ganz sicher zu sein, aber jedesmal ging es schief. Als wäre ein Zauber um ihn.«

»Da ist kein Zauber«, widersprach einer der anderen Männer zornig. »Er ist genauso sterblich wie wir alle. Er kann also auch getötet werden.«

»Er muß sogar getötet werden. Das Volk hungert.«

»Nun, Moment mal«, sagte da jedoch ein Dritter. »Überlegt mal, was er kürzlich alles getan hat. Er hat die Steuern gesenkt, den Waisenkindern und Bauern geholfen, die Pressefreiheit wieder eingeführt, die politischen Gefangenen freigelassen und seine Villen den Obdachlosen geöffnet. Er scheint ein völlig veränderter Mensch zu sein.«

»Das ist alles nur Vorwand«, beharrte Juan. »Einer wie Colonel Bolivar ändert sich nie. Denkt an das alte Sprichwort: Macht verdirbt, und vollständige Macht verdirbt vollständig. Genau dies beschreibt den Mann exakt. Er ist rücksichtslos und geht über Leichen. Seht euch nur die Liste seiner Opfer an, die er umbringen ließ, weil sie ihm widersprachen, und all die Familien, die er zerstört hat.« Er schüttelte heftig den Kopf. »Nein, meine Freunde, so ein Mann ändert sich nicht. Ich sage euch, er muß beseitigt werden. Ich persönlich bin bereit, mein Leben dafür hinzugeben.«

»Ich ebenfalls«, sagte ein anderer.

»Genauso wie ich.«

»Und ich.« Und so waren sie am Ende doch wieder alle einer Meinung: Colonel Bolivar mußte beseitigt werden. Die Frage war nur, wie.

»Er hat seine Truppen zum Schutz um sich herum«, sagte Juan frustriert. »Wir müssen also irgendeine Möglichkeit finden, an diesen vorbeizukommen.«

Sie diskutierten noch lange, aber am Ende wußten sie doch nicht, wie sie es nun anstellen sollten. Einig waren sie lediglich in der Überzeugung, wie unerläßlich es sei, daß sie ein weiteres Attentat auf ihn verübten.

»Er richtet unser Land zugrunde«, stellte Juan fest, »und das können wir einfach nicht länger hinnehmen.«

Am nächsten Morgen nahm Eddie zehntausend Dollar von seinem Geld und ging damit zur Post. Die Arbeiter waren verdutzt, als sie ihn dort auftauchen sahen. Noch nie hatte er sich in dieser Umgebung blicken lassen.

»Ich möchte Geld verschicken«, sagte er.

»Jawohl.«

Alle Postbeamten griffen in ihre Taschen und holten alles Geld heraus, das sie einstecken hatten, um es ihm zu überreichen.

Eddie sah sie verwundert an. »Aber nein, nein, doch nicht euer Geld!« Er holte seine zehntausend Dollar heraus und legte sie auf den Schaltertisch. »Dieses Geld hier will ich schicken.«

»Oh, entschuldigen Sie«, sagte einer, »das wußten wir nicht. Das haben wir mißverstanden.«

Er schrieb Marys Namen und Adresse auf einen Umschlag. »Es geht nach New York«, sagte er. »Ich weiß nicht, wie rasch die Post hier arbeitet.«

Wieder sahen ihn alle überrascht an. »Aber die Post gehört doch Ihnen, Colonel.«

Eddie beeilte sich wieder zu versichern: »Ja, ja, das weiß ich schon. Ich meine ja auch nur, wie schnell sie heute ist.«

Er reichte dem Schalterbeamten seinen Umschlag. »Wie viele Tage braucht dieser Brief nach New York?«

»Morgen früh wird er dort sein, Colonel.«

»Ach ja?« Eddie war ungläubig. »Schon morgen früh, ja?«

»Gewiß. Wir fliegen ihn sofort mit Ihrem eigenen Privatflugzeug nach New York hinauf.«

»Ihr fliegt es ... ach so, ja ...« Die Idee gefiel ihm. Das Privatflugzeug von Colonel Bolivar wurde allein zum Transport seines Briefes an Mary nach New York geflogen! Na, ist das ein Leben, dachte er.

Der Schalterbeamte sagte: »Ihr Pilot wird den Brief persönlich übergeben.«

»Sehr schön. Ja. Vielen Dank denn auch.«

»Gern geschehen, Colonel. Wir danken für die Ehre Ihres Erscheinens und Ihrer Anwesenheit hier.«

»Keine Ursache«, sagte Eddie.

Das gibt dem Wort Luftpost, dachte er, als er wieder ging, eine ganz neue Bedeutung. Es wird gar nicht einfach werden, nach alledem wieder in mein altes Leben zurückzukehren. Es macht mir ausgesprochen Spaß, dieses Land zu regieren. Wirklich zu dumm, daß ich nicht als König oder so etwas auf die Welt gekommen bin.

Bei seiner Rückkehr in den Palast wartete Capitan Torres auf ihn.

»Wo waren Sie?« wollte er wissen. »Die ganze Zeit suche ich Sie schon.«

»Na, ich hatte etwas zu erledigen.«

»Was denn zu erledigen?«

»Ich mußte einen Brief aufgeben«, sagte Eddie.

Capitan Torres war fuchsteufelswild. »Colonel Bolivar gibt doch nicht persönlich seine Briefe auf, Mann!« schimpfte er. »Er hat seine Leute dafür.«

»Ach, ich wollte sowieso ein wenig Luft schnappen.«

»Sie haben doch hoffentlich«, sagte Capitan Torres mißtrauisch, »nicht gleich auf dem Weg wieder ein paar Verordnungen erlassen, wie?«

»Nein, nein«, beschwichtigte ihn Eddie. »Natürlich nicht.«

»Künftig«, kanzelte Torres ihn ab, »werden Sie den Palast nicht verlassen, ohne mir das persönlich vorher mitzuteilen. Sie könnten in Lebensgefahr geraten.«

»Wie meinen Sie das?«

Capitan Torres zögerte. »Nun ja ...«, stotterte er schließlich, »da gibt es bestimmte Leute in Amador, die ... Fanatiker, verstehen Sie ... Attentate auf unseren großen Diktator planen. Es sind natürlich nicht viele. Aber ein paar halt, verschwindend wenige. Wenn die Sie draußen unbekümmert herumspazieren sähen, könnten Sie durchaus in Lebensgefahr geraten. Also, von jetzt ab bitte ich Sie herzlich, etwas vorsichtiger zu sein.«

»Na gut«, sagte Eddie.

Aber trotzdem erzählte er dem Capitan nichts davon, daß er vorhatte, in der nächsten Woche weitere zehntausend Dollar an Mary zu schicken. Ihr würde er sagen, daß man ihm einen weiteren Vorschuß gezahlt habe. Ganz abgesehen davon paßte es ihm nicht, wenn Capitan Torres anfing, ihn herumzukommandieren.

Am selben Abend besuchte Capitan Torres wieder den Colonel im Krankenhaus.

»Wie geht es Ihnen?« erkundigte er sich.

»Ausgezeichnet«, sagte der Diktator. »Der Arzt sagt, ich kann in ein paar Tagen heraus.«

»Das ist großartig, Colonel.«

»Und wenn ich herauskomme«, sagte Colonel Bolivar, »dann will ich den Schauspieler auf der Stelle im Kerker sehen. Wir wollen ihn noch ordentlich foltern, bevor er stirbt.«

»Es wird mir ein ausgesprochenes Vergnügen sein«, sagte Capitan Torres.

»O nein«, sagte Colonel Bolivar, »der gehört mir selbst. Den nehme ich mir persönlich vor.«

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