3. Kapitel


Im selben Augenblick, da Juan abdrückte, beugte Eddie sich nach unten, um eine Rose abzubrechen. Und so verfehlte ihn die Kugel. Juan war verzweifelt. Er starrte nur, als Eddie ganz ruhig in sein Schlafzimmer zurückging. Dieser laute Knall, dachte Eddie, muß wohl eine Fehlzündung von einem Auto sein.

Und Juan draußen dachte: Jetzt ist es zu spät, noch etwas anderes zu tun. Ich muß meiner Gruppe sagen, daß es mißlungen ist. Wir werden schon einen anderen Weg finden, ihn doch noch zu beseitigen.

Als Eddie durch das Schlafzimmer ging, bemerkte er eine Tür auf der anderen Seite des Raums. Rein aus Neugier ging er hin und öffnete sie. Sie führte in ein weiteres, allerdings kleineres Schlafzimmer.

Und im Bett dort lag eine schöne Frau in einem hauchdünnen Nachthemd. Eddie starrte sie an und war verlegen. »Oh, Entschuldigung«, stammelte er schließlich. »Ich muß mich wohl in der Tür geirrt haben .«

Die Frau sah ihn ebenfalls überrascht an. »Was machst du denn in meinem Schlafzimmer, Ramon?«

Eddie fiel wieder ein, wer er angeblich war. »Oh«, sagte er. »Ich wollte ... einfach nur mal nachsehen, wie es dir geht.«

»Seit wann interessiert es dich, wie es mir geht?«

Eddie ahmte die vorwurfsvolle Stimme des Colonel nach. »Was soll das denn heißen?«

»Du weißt sehr genau, Ramon, was das heißen soll«, sagte die Frau. »Seit dem Tag unserer Heirat hast du mich nur wie den letzten Dreck behandelt.«

Also das ist meine Frau! dachte Eddie. Ich meine natürlich, nicht meine Frau. Colonel Bolivars Frau. Eine wunderschöne Frau! Wie kann der Colonel sie nur so schlecht behandeln!

»Das ist das erste Mal seit einem Jahr, daß du in mein Schlafzimmer kommst!«

»Tatsächlich? Ich meine ... ja, ja, ich weiß.«

Ihre Stimme wurde sanft. »Gibt es etwas, das ich für dich tun kann, Schatz?«

Eddie bekam ganz große Augen. Da lag diese wunderschöne Frau im Bett und fragte ihn, ob sie etwas für ihn tun könne! Und ob sie das konnte! Nur würde Mary darüber kaum sehr erfreut sein!

Er war in Versuchung, aber es war ihm klar, daß er es doch nicht wagen würde.

»Nein, nein«, sagte er also hastig. »Ich wollte lediglich .« Gott, war sie schön! »... Gute Nacht sagen.«

Sie setzte sich auf. »Möchtest du vielleicht, daß ich zu dir in dein Schlafzimmer komme?«

»Nein, nein«, wehrte er schnell ab. »Ich bin sehr müde. Wir sehen uns dann morgen früh.«

Sie lächelte. »Wirst du mit mir frühstücken?«

»Wir werden sehen.«

Er zog sich schnell in sein Schlafzimmer zurück und machte die Tür hinter sich zu. Das war knapp, dachte er. Was wohl gewesen wäre, wenn er sich zu ihr ins Bett gelegt hätte? Hätte sie gemerkt, daß er gar nicht ihr wirklicher Mann war? Die Überlegung gab ihm zu denken.

In dieser Nacht träumte Eddie, daß er Diktator eines Landes namens Amador sei. Er fuhr in einer gewaltigen Limousine auf dem Boulevard Eddie Davis, und sein Volk jubelte ihm zu und winkte und ließ ihn hochleben und rief seinen Namen.

»Eddie Davis . Eddie Davis!« Er spürte, wie ihn jemand schüttelte. »Eddie Davis!« Er machte die Augen auf. Vor ihm stand Capitan Torres.

»Zeit aufzustehen und den Tag zu beginnen.« Eddie setzte sich auf. In seinem Kopf war noch immer sein Traum. »Warum haben Sie mir nicht gesagt«, fragte er, »daß Colonel Bolivar eine Frau hat?«

»Weil es«, sagte Capitan Torres achselzuckend, »nicht wichtig ist. Sie haben seit einem Jahr kein Wort miteinander gesprochen.«

»Oh.«

Eddie beschloß, ihm lieber nicht zu sagen, was in der Nacht passiert war.

»Sie haben einen vollen Terminplan heute«, erklärte ihm Capitan Torres. »Aus dem Waisenhaus kommen ein paar Kinder und bedanken sich dafür, daß sie so gut von Ihnen behandelt wurden.« Torres schaute auf das Blatt mit den Terminen, das er in der Hand hielt. »Dann kommt noch am Vormittag eine Bauerndelegation. Sie bedankt sich für Ihre Großzügigkeit. Am Nachmittag verleihen Sie Orden an Ihre tapfere Palastwache, die einige Rebellen tötete, welche Ihnen etwas antun wollten.«

»Wieso wollten sie mir etwas antun?« fragte Eddie.

»Ach Gott«, meinte Capitan Torres achselzuckend, »Unzufriedene und Verrückte gibt es überall und immer. Aber sonst werden Sie im ganzen Land geliebt.« Dann korrigierte er sich hastig. »Ich will sagen, das ganze Land liebt den großen Diktator Ramon Bolivar!«

Es war schon eine merkwürdige Erfahrung für den Capitan, diesem Schauspieler gegenüberzustehen, der so heruntergerissen seinem geliebten Colonel glich. Er schaute wieder auf seinen Zettel. »Ja, und dann haben wir zum Essen den Verleger der Zeitung El Tiempo zu Gast. Sein Name ist Naveiro. Er jammert dauernd wegen der Pressefreiheit.« Hätte auch schon längst beseitigt werden sollen, dachte er im stillen dazu. Das Problem war nur, Naveiro war der Bruder von Bolivars Frau, und sie wollte einfach nicht, daß man ein Attentat auf ihren Bruder verübte. Colonel Bolivar andererseits erlaubte niemandem, ihn zu kritisieren, und haßte seinen Schwager. Eines Tages hatte er zu ihm, Torres, gesagt: »Irgendwann muß man mal für den was arrangieren, das wie ein Unfall aussieht. Dann kann meine Frau nicht mich beschuldigen, daß ich für seinen Tod verantwortlich sei.«

Capitan Torres dachte an eben dies, als er zu Eddie sagte: »Er ist ein sehr einflußreicher Verleger.«

Eddie war verwirrt. »Sie sagen, er beschwert sich dauernd wegen der Pressefreiheit? Ja, haben Sie denn hier in Amador keine Pressefreiheit?«

»Aber selbstverständlich doch«, antwortete Capitan Torres im Brustton der Überzeugung. »Aber Colonel Bolivar entscheidet, was Pressefreiheit ist. Wir können die doch nicht jeden Schmutz drucken lassen, der ihnen gerade so einfällt. Das würde die Leser ja nur verwirren. Das verstehen Sie, oder?«

Eddie verstand es keineswegs.

»Bei mir zu Hause«, sagte er, »können die Zeitungen alles drucken, was sie wollen.«

Capitan Torres sah ihm tief in die Augen und erklärte ihm: »Senor, Sie sind hier aber nicht bei sich zu Hause.«

»Ja, schon, nur .«

»Bei diesem Essen heute hören Sie Naveiro einfach nur zu und sagen Nein zu allem, was er verlangt.«

»Aber wenn er .«

»Einfach Nein sagen.«

Eine Stunde später war Eddie, jetzt in einer anderen der prächtigen Uniformen des Colonel, bereit zum Empfang der Waisenkinder. Sie waren in Begleitung einer kräftigen, säuerlich dreinblickenden Frau, die sie zur Tür hereinschob und aufforderte: »Nun stattet dem großen Colonel Ramon Bolivar euren Dank ab!«

Die Kinder sahen überhaupt nicht aus, wie Eddie sie sich vorgestellt hatte. Es waren an die zwanzig. Sie waren mager und blickten traurig und machten überhaupt einen sehr verschreckten und verhärmten Eindruck. Ein etwa zehnjähriges Mädchen trat vor und kam mit einem Blumenstrauß zu Eddie.

»Großer Colonel Ramon Bolivar«, sagte sie auf, »wir danken Ihnen dafür, daß Sie uns Heimat und Brot geben.« Sie hatte es auswendig gelernt. Als sie ihm den Blumenstrauß hinhielt, sah er, daß sie zitterte.

»Wie heißt du denn?« fragte Eddie.

Das kleine Mädchen sah angstvoll zu der Frau hinter sich, als wollte sie um Erlaubnis bitten, zu antworten. Die Frau mit dem säuerlichen Gesicht nickte, und das kleine Mädchen sagte: »Rosita.«

»Sieh mal an!« rief Eddie. »Und Rosen sind meine Lieblingsblumen!« Er hatte keine Ahnung, daß ihm in der vergangenen Nacht auch eine Rose das Leben gerettet hatte. Er wartete, daß das kleine Mädchen »Danke« sagte. Statt dessen aber blickte es wieder nur fragend die säuerliche Frau an, die noch einmal nickte.

Und Rosita sagte artig: »Danke!« Aber in ihrer Stimme klang Furcht mit.

Hier gehen aber seltsame Dinge vor, dachte Eddie. Er sah das kleine Mädchen an und fragte: »Hast du Angst?«

Rosita blickte erneut erst zu der Frau hin, die den Kopf schüttelte, was »Nein« bedeutete.

Rosita sagte also: »Nein.«

Eddie merkte, daß alle diese Kinder sich offensichtlich vor dieser Frau fürchteten. »Gehen Sie mal hinaus«, sagte er mit der Stimme Colonel Bolivars.

»Kommt, Kinder!« sagte die Frau.

»Nein, nein!« fuhr Eddie dazwischen. »Die Kinder sollen hier bleiben. Sie gehen hinaus. Ich schicke sie Ihnen in ein paar Minuten nach.«

»Jawohl«, sagte die Frau verdattert und entfernte sich eilig.

Eddie versammelte die Kinder um sich herum. »So, und jetzt erzählt mir mal, wie das so ist in eurem Waisenhaus.«

Zuerst hatten sie alle Angst zu reden. Er sah, wie mager sie alle waren. »Bekommt ihr genug zu essen?«

Ein kleines Mädchen sagte zaghaft: »Wir haben immer Hunger.«

Und ein anderes Mädchen ergänzte: »Einmal am Tag kriegen wir Suppe und abends einen Getreidemampf.«

»Was denn, das ist alles?«

»Aber, aber wir sind Ihnen sehr dankbar.«

»Habt ihr Spielsachen?«

»Nein -«

»Was macht ihr denn da den ganzen Tag?« wollte Eddie wissen.

»Wir arbeiten im Waisenhaus. Wir machen die Betten und schrubben den Boden und waschen das Geschirr nach dem Essen.«

»Geht ihr zur Schule?«

»Nein.«

Eddie wurde immer zorniger. Er war sich sicher, wenn der echte Colonel Bolivar wüßte, wie diese Waisenkinder behandelt wurden, dann würde er dies niemals gutheißen. Na gut, dachte er, der Colonel hat es mir überlassen, etwas in der Sache zu unternehmen. Er drückte auf einen Summerknopf. Ein Diener kam.

»Bringen Sie mir Schreibzeug und Papier«, befahl er ihm.

»Sofort, Colonel.« Und im Nu war der Mann zurück mit Schreibzeug und Papier.

Eddie begann zu schreiben. Ab sofort gelten neue Regeln für das Waisenhaus von Amador. 1. Die Kinder bekommen drei Mahlzeiten pro Tag, Ein Arzt hat zu überprüfen, ob diese nahrhaft und ausreichend sind. 2. Die Kinder haben keine Arbeit im Waisenhaus selbst mehr zu verrichten. 3. Ein Lehrer wird abgestellt, der dort einen ordentlichen Schulbetrieb versieht. Es muß jemand sein, der Kinder liebt.

Eddie sah die Kinder an. »Wie heißt die Frau, die euch hergebracht hat?«

»Frau Ponce.«

»Danke.« Und er schrieb weiter. 4. Frau Ponce wird ab sofort ihres Postens enthoben, eine neue Heimleiterin wird eingestellt. Und er unterschrieb: Colonel Ramon Bolivar.

Dann blickte er wieder die Kinder an. »Ihr sollt alles hören.«

Er las ihnen laut vor, was er geschrieben hatte. Die Kinder waren zuerst ganz stumm und starr vor Verwunderung. Dann brachen sie in lauten Jubel aus und umarmten und küßten ihn.

»Langsam, langsam«, lachte Eddie. »Von jetzt an wird alles gut. So wie bisher wird es euch nie mehr gehen.«

Die Kinder quittierten dies wieder mit lautem Jubel.

Eddie befahl: »Frau Ponce soll wieder hereinkommen.«

Als diese eintrat und das laute Geschrei der Kinder hörte, schrie sie: »Sofort seid ihr still! Alle!«

Eddie stand auf. »Sie sind still, Senora! Sie sind entlassen!«

Er überreichte ihr die Verfügung, die er geschrieben hatte. Sie las.

»Es hat sofort ausgeführt zu werden«, erklärte Eddie.

Jetzt war es an der Frau, vor Angst zu zittern. »Jawohl, Colonel, wie Sie befehlen. Es tut mir leid. Ich habe nur meine Anweisungen ausgeführt.«

»Die haben sich ab sofort geändert. Und jetzt fort!«

»Jawohl, Colonel.« Sie sagte zu den Kindern: »Nun kommt alle, Kinder, bitte.« Aber das war nicht mehr ihr strenges Schreien. Senora Ponce war eine gebrochene Frau.

Eddie sah den Kindern nach, wie sie sich entfernten, und dachte: Colonel Bolivar wird sehr zufrieden sein, wenn er erfährt, was ich getan habe.

Capitan Torres war zu Besuch bei Colonel Bolivar im Krankenhaus. Der Diktator war dort natürlich unter einem anderen Namen registriert, und man hatte ihn hineingeschmuggelt, so daß niemand wußte, daß er überhaupt da war.

Der Colonel war nervös. Es war nicht so sehr die bevorstehende Operation, die ihn beunruhigte, als vielmehr die Angst, daß diese bekannt und dann ein Umsturz versucht werden würde.

»Wie macht sich der Schauspieler?« fragte er.

Capitan Torres lächelte. »Sie haben nichts zu befürchten, Colonel. Er ist vollkommen harmlos. Er sieht aus wie Sie. Er geht wie Sie. Er spricht wie Sie. Ich habe heute morgen noch mit dem Palastpersonal gesprochen. Nicht einer hat auch nur den leisesten Verdacht.«

»Das ist gut.«

»Wirklich, Colonel, machen Sie sich keine Sorgen. Ich passe schon auf, daß er in keine Schwierigkeiten kommt. Wann werden Sie hier wieder herauskommen?«

»Sie wollen morgen operieren, und nach einer oder zwei Wochen soll ich entlassen werden können.«

»Sehr gut. Ich kümmere mich darum, daß der Schauspieler noch am Tag Ihrer Rückkehr beseitigt wird und irgendwo vergraben, wo ihn bestimmt niemand wiederfindet.«

»Ich bin froh, Capitan«, sagte Colonel Bolivar, »daß ich Sie habe und mich immer auf Sie verlassen kann.« Es fiel ihm etwas ein. »Sollten Sie nicht eigentlich jetzt bei ihm sein?«

»Ich begleite ihn bei dem Essen nachher mit Ihrem Schwager«, sagte Capitan Torres. »Heute vormittag besteht keine Gefahr, daß er irgend etwas anstellt. Es stehen nur Termine mit Waisenkindern und einigen Bauern an.«

Die Bauerndelegation wurde in das riesige Arbeitszimmer Colonel Bolivars geführt. Eddie saß auf dessen Stuhl, die Bauern waren deutlich sichtbar aufgeregt.

»Guten Morgen«, sagte Eddie.

Einer der Bauern nahm sich ein Herz. »Guten Morgen, Colonel.« Er zitterte fast. »Wir sind heute früh gekommen, um Ihnen für Ihre Großzügigkeit zu danken. Sie sind ein großer Führer des Volkes, und wir wissen alles, was Sie für uns tun, zu schätzen. Sie sind der freundlichste Mann der Welt, und wir lieben Sie alle sehr und bleiben Ihnen absolut loyal verbunden.«

Eddie wußte natürlich als Schauspieler von Beruf, wann eine Ansprache einstudiert war. Der Mann meinte nicht eines seiner Worte aufrichtig und ernst.

»Wer hat Ihnen gesagt, das alles vorzutragen?« fragte er.

Der Bauer sah noch ängstlicher drein. »Was ... wieso?«

»Wer Ihnen aufgetragen hat, das alles zu sagen.«

»Na ja, Capitan Torres.«

»Verstehe«, sagte Eddie. »Gehören euch Leuten eure Bauernhöfe?«

Der Mann sah verwirrt aus. »Wissen Sie das nicht?«

Eddie bemerkte seinen Fehler sogleich. Natürlich mußte er das wissen. Schließlich war er ja Colonel Bolivar, nicht wahr?

»Klar weiß ich das«, sagte er, »aber ich will es eben von euch selbst hören, nicht?«

»Nein, Colonel, unsere Bauernhöfe gehören uns nicht. Sie gehören Ihnen. Wir bezahlen Sie dafür, daß Sie es uns erlauben, Obst und Gemüse anzubauen, das Sie uns dann wieder verkaufen.« Es klang durchaus bitter, wie der Mann das sagte.

»Also verdient ihr nicht besonders viel, wie?«

»Ha!« rief der Mann fast verächtlich. »Wir haben kaum genug zu essen!« Dann beeilte er sich aber, schnell hinzuzufügen: »Ich meine, wir beklagen uns nicht. Sie sind ein guter und ein sanfter Herrscher und ...!«

»Ja, ja, schon gut«, unterbrach ihn Eddie. Er saß da und dachte nach. Colonel Bolivar war also der Besitzer des Lands, auf dem diese Leute arbeiteten, und sie mußten ihm ihr Obst und Gemüse, das sie darauf anbauten, auch noch abkaufen! Er drückte wieder auf den Summerknopf, woraufhin erneut der Diener hereingeeilt kam.

»Ja, Colonel?«

»Schreibzeug und Papier!«

»Sofort, jawohl.« Der Diener entfernte sich, war im Handumdrehen wieder da und brachte das Gewünschte.

Eddie begann erneut zu schreiben. Ab sofort gehört allen Bauern von Amador das Land, das sie bewirtschaften, ohne Einschränkung, und sie dürfen frei verkaufen, was sie darauf anbauen. Und er unterschrieb es wieder mit: Colonel Ramon Bolivar.

Er las es noch einmal durch und war sehr zufrieden. Er war sich ganz sicher, daß Colonel Bolivar wohl überhaupt nicht wußte, was diesen armen Bauern angetan wurde, und daß er sehr zufrieden sein würde, wenn er erfuhr, daß er, Eddie, dieses Unrecht in seinem Namen beseitigt hatte.

Er las den Bauern seine Verfügung vor. Nach einem Augenblick völlig schockierten Verstummens begannen sie frenetisch zu jubeln und griffen nach Eddies Hand, um sie zu schütteln.

»Sie sind so gut ...«

»Sie sind so großzügig ...«

»Großer Führer, was sollen wir sagen ...«

»Wartet, bis meine Frau das hört ...!«

Ja, dachte Eddie, bis jetzt habe ich an diesem Morgen wirklich gute Arbeit geleistet.

In der Klinik sagte Capitan Torres zur selben Zeit gerade: »Machen Sie sich keine Sorgen, Colonel. Nichts kann passieren. Ich gehe jetzt, um Eddie Davis zu dem Essen mit Naveiro zu begleiten und auf ihn aufzupassen.«

»Dieser Naveiro!« sagte Colonel Bolivar stirnrunzelnd. »Ich hasse den Kerl. Wenn er nicht mein Schwager wäre ...« Er sah zu Torres auf. »Er wird natürlich wieder tausend Dinge verlangen. Geben Sie ihm nichts. Verstanden? Absolut nichts!«

»Selbstverständlich«, sagte Capitan Torres.

Bei seiner Rückkehr in den Palast sagte Capitan Torres zu Eddie Davis: »Senor Naveiro ist schon auf dem Weg. Denken Sie daran, was er auch verlangt, sagen Sie zu allem einfach nur nein!«

»Gut!« sagte Eddie, »ich denke daran.«

Naveiro war ein grauhaariger, aristokratisch und würdevoll wirkender Mann. Er begrüßte den Mann, den er für seinen Schwager hielt, nur mit kalter Höflichkeit.

»Guten Tag, Ramon.«

»Guten Tag«, sagte Eddie.

Naveiro wandte sich auch knapp an Capitan Torres. »Ca-pitan.«

»Guten Tag, Senor. Ich denke, das Essen ist serviert. Wenn ich bitten darf, Platz zu nehmen.«

Sie setzten sich alle drei im Speisesaal an die riesige Tafel. Drei Butler begannen zu servieren.

Eddie hatte noch niemals an einer so üppigen Tafel gesessen. Es begann mit Meeresfrüchten - Shrimps, Hummer und Langusten -, gefolgt von einer köstlichen Suppe und danach Steaks mit Bratkartoffeln und Gemüse sowie einem Berg von Salat. Dazu gab es verschiedene hervorragende Weine.

»Das war mal ein prima Essen«, sagte Eddie.

»Ich bin allerdings nicht wegen des Essens gekommen«, erklärte Naveiro steif und förmlich, »sondern um dich zu bitten, mich nicht dauernd zu belästigen und zu bedrängen.«

Eddie blickte verwundert auf. »Belästigen? Bedrängen?«

»Tu nicht so unschuldig! Schließlich war es deine Polizei, die allein im vergangenen Monat achtmal das Erscheinen meiner Zeitung verhinderte. Und meine Druckerpressen zerstörte. Das muß aufhören!« Seine Stimme wurde unwillkürlich lauter. »Ich verlange mein Recht, zu drucken, was ich will, ohne daß mich deine Gauner in Uniform dabei dauernd bedrohen. Also, wirst du damit aufhören oder nicht?«

Capitan Torres saß da und wartete gelassen auf Eddies bestellte Antwort. Eddie aber war richtig geschockt von dem, was er da gehört hatte, und deshalb stark in Versuchung, ja zu sagen, erinnerte sich aber an die Ermahnungen des Capitan. Also sagte er zögernd: »Nein, werde ich nicht.«

Naveiro sah ihn lange an und nickte dann. »Na gut, das wäre dann dieses.«

»Ist wohl so«, sagte Eddie. Er wünschte zwar im stillen, dem Mann helfen zu können. Doch schließlich spielte er eine Rolle. Und Anweisungen waren Anweisungen.

Was freilich weder Capitan Torres wußte, noch Eddie, war, daß Naveiro inzwischen schon ein sehr verzweifelter Mann war und zu dem Entschluß gekommen war, daß er den Colonel töten mußte, wenn er ihm nicht die Pressefreiheit zugestand. Er hatte mit Entsetzen verfolgt, wie sein Schwager mit der Zeit immer rücksichtsloser und brutaler vorging und alle umbringen oder zumindest ins Gefängnis werfen ließ, die ihm im Weg standen. Er hatte hart und lange um die Freiheit gekämpft, aber bisher vergeblich. Jetzt war er bei dem Entschluß angelangt, daß dies das einzige war, was noch übrigblieb. Er mußte den brutalen Diktator beseitigen, und wenn es sein eigenes Leben kostete.

Als die Bedienten abzuräumen begannen, ließ einer von ihnen einen Teller fallen, und Eddie und Capitan Torres drehten sich beide danach um. Da holte Naveiro aus seiner Tasche eine kleine Phiole hervor und schüttete den Inhalt, während die anderen beiden noch abgelenkt waren, in Eddies Weinglas. Es war Strychnin, ein Gift, das in Sekunden wirkt.

Er hob sein Glas. »Auf deine Gesundheit, Colonel Bolivar!«

Eddie hob sein Glas ebenfalls. »Und auf deine, Schwager.«

Naveiro wartete ungeduldig, als Eddie das Glas an die Lippen setzte.

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