Der Fallschirm ging nicht auf, und Eddie ahnte, daß er in den Tod stürzen würde, der ihn weit dort unten auf der Erde erwartete.
Capitan Torres raste in seinem Flugzeug an Eddie vorüber, öffnete die Kanzel und sprang hinaus. Er zog die Reißleine. Sein Fallschirm öffnete sich.
Eddie war noch über ihm und kam wie ein Stein auf ihn heruntergesaust. Aber er bekam ihn zu fassen und hielt ihn fest. So schwebten sie beide an einem einzigen Fallschirm zu Boden.
»Sie haben mir das Leben gerettet!« sagte Eddie voll Dankbarkeit. »Ich werde Ihnen einen Orden dafür verleihen.«
Capitan Torres ließ ihn fast fallen. »Was werden Sie? Sie sind wohl ganz übergeschnappt, was? Sie haben wohl schon vergessen, daß Sie nur ein Schauspieler sind!«
Als sie auf dem Boden landeten, herrschte dort bereits große Aufregung. Das Publikum hatte ja gesehen, was sich in der Luft abgespielt hatte. Einige Leute jubelten, weil Colonel Bolivar am Leben geblieben war, die meisten anderen waren verdrossen, daß er am Leben geblieben war.
Gomez kam zu Capitan Torres. »Das war tapfer von Ihnen«, sagte er.
»Ich hätte ihn eigentlich umkommen lassen sollen«, sagte Capitan Torres, »aber das geht ja nicht, solange wir nicht wissen, ob Colonel Bolivar sich wieder erholt. Kommen Sie, schaffen wir ihn zurück in den Palast.«
Eddie hatte in seinem ganzen Leben noch nie solche Angst gehabt. Noch nie war er dem Tod so nahe gewesen. Nie wieder steige ich in ein Flugzeug, schwor er sich.
Es war ein schlimmer Tag. Warum habe ich mich darauf überhaupt eingelassen, fragte er sich. Ich bin schließlich kein Held. Ich bin nur Schauspieler. Und doch ... Er dachte daran, was er schon alles vollbracht hatte. Er hatte die Lebensbedingungen der Waisenkinder verbessert, er hatte den Bauern ihr Land zurückgegeben und der Presse die Freiheit. Und den Bürgern von Amador hatte er die Steuern reduziert und ... Das ist doch gar nicht schlecht, dachte er, für einen Schauspieler. Da kam ihm eine neue Idee.
Er schickte nach dem Finanzminister.
»Sie wollten mich sprechen, Colonel Bolivar?«
»Ja«, sagte Eddie. »Sagen Sie mal, wieviel Geld haben wir in der Kasse?«
»Sechs Milliarden in der Staatskasse«, antwortete der Mann und senkte seine Stimme. »Und weitere sechs Milliarden in Ihrer persönlichen.«
»Meiner persönlichen?«
»Ja, Colonel. Aber zu Jahresende werden es dann schon acht Milliarden sein. Stimmt etwas nicht?«
»Nein, nein«, sagte Eddie. »Schon gut.« Er dachte angestrengt nach. Sechs Milliarden Dollar hatte Colonel Bolivar seinem Volk gestohlen, das dafür hungern mußte und obdachlos war!
»Also, ich sage Ihnen jetzt mal«, erklärte er, »was Sie mit dem Geld von meinem persönlichen Konto tun. Sie übergeben es demjenigen, der für die Schulen und Krankenhäuser zuständig ist. Und dessen Leute sollen es dorthin geben, wo es gebraucht wird.«
Der Finanzminister starrte ihn völlig verständnislos mit offenem Mund und großen Augen an. »Habe ich Sie richtig verstanden, Colonel, daß ich -?«
»Sie haben gehört, was ich sagte.«
»Und . wann soll das geschehen?«
»Na, auf der Stelle, jetzt gleich, sofort!« Eddie setzte sich hin und schrieb wieder einmal eine Anweisung. Und unterzeichnete sie wieder mit: Colonel Ramon Bolivar.
»Hier. Da haben Sie das Dokument darüber.« »Jawohl, Colonel. Ich kümmere mich sogleich darum.«
»Tun Sie das.« Nicht schlecht für einen Schauspieler, dachte Eddie wieder, gar nicht schlecht. Wenn ich nach Hause komme, habe ich allerhand zu erzählen.
Und dann kam ihm überhaupt die Erleuchtung. Aus dieser ganzen Geschichte könnte man ein prima Theaterstück machen, dachte er. Und ich könnte darin die Hauptrolle spielen. Er griff zum Telefon und sagte zu einem Adjutanten: »Bringen Sie mir eine Schreibmaschine und viel Papier.«
»Jawohl, Colonel. Sofort!«
Ich muß einfach nur, dachte Eddie, all das aufschreiben, was ich hier erlebt habe. Die Idee beflügelte ihn immer mehr. Während er noch auf die Schreibmaschine wartete, rief er Mary an.
»Oh, Eddie, du bist das? Ich habe mir schon Sorgen um dich gemacht! Du hast eine ganze Weile nicht angerufen! Wann kommst du denn nun wieder nach Hause?«
»Nun ja, ich war ziemlich beschäftigt, weißt du«, sagte Eddie. Eigentlich war er ganz wild darauf, ihr alles zu erzählen, was er so erlebte, aber dann sagte er lieber doch nichts. Er wagte es nicht.
»Wie geht es mit dem Stück?« wollte Mary wissen.
Als ob er die leiseste Ahnung davon gehabt hätte. »Prächtig«, sagte erjedoch.
»Besichtigst du viel tagsüber?«
»Na ja, so einiges habe ich schon gesehen«, erklärte er. »Dieses Amador ist ein sehr interessantes Land, kann ich dir sagen.«
»Ich wäre gerne auch dort und mit dir zusammen.«
»Das wünschte ich mir auch, mein Darling.«
»Eddie«, sagte Mary, »ich habe heute früh mit dem Doktor gesprochen. Er meinte, in zehn Tagen wäre es soweit mit dem Baby.«
»Zehn Tage!« Eddie geriet fast in Panik. »Das geht nicht, es muß noch warten, sag’s ihm!«
»Was?«
»Ich weiß nicht, ob ich in zehn Tagen schon zurück sein kann!« Er konnte ihr doch unmöglich am Telefon erklären, wie alles war und in welcher Situation er sich befand! »Ich versuche es jedenfalls, Darling!«
»Na gut.«
Wenn er ihr erklären würde, daß das Schicksal eines ganzen Landes von ihm abhing, würde sie nur denken, er sei verrückt geworden. »Mach dir mal keine Sorgen, Darling. Ich werde schon einen Weg finden, rechtzeitig zurück zu sein.«
Es war ihm klar, daß er darüber wohl ein ernstes Wort mit Capitan Torres würde reden müssen.
»Ich verlasse mich darauf, Eddie! Ich liebe dich.«
»Ich dich auch, Mary. Auf Wiedersehen.«
Er legte auf. Gleich danach klopfte es an die Tür, und ein Mann mit einer Schreibmaschine trat ein. »Die Schreibmaschine, Colonel.«
Die hatte er fast schon wieder vergessen gehabt, so überrascht war er über die Nachricht, daß das Baby schon so bald kam.
»Ja, ja, gut. Stellen Sie sie da auf den Tisch.«
»Jawohl, Colonel.«
Ist mir ganz egal, dachte Eddie, ob Colonel Bolivar nun stirbt oder am Leben bleibt. Ich reise jedenfalls heim. Und ich schreibe mein Theaterstück und spiele die Hauptrolle darin, und es wird ein Riesenerfolg werden. Er setzte sich sogleich an die Schreibmaschine und begann zu tippen: Erster Akt.
Einem plötzlichen Einfall folgend, rief er seinen Agenten Johnson an.
Johnson kam ans Telefon und schrie in den Hörer: »Eddie?«
»Ja, Mr. Johnson?«
»Was ist los mit Ihnen, zum Teufel? Ich werde hier angerufen, daß Sie einfach ausgestiegen und verschwunden sind, ohne ein Wort zu sagen. Stimmt das etwa?«
»Ja und nein. Jemand sollte eigentlich der Leitung der Truppe Bescheid sagen, daß ich kündigte.« Dieser verdammte Capitan Torres hat mich angelogen, dachte er, und nichts unternommen.
»Wie kommen Sie dazu, einfach auszusteigen, sagen Sie mal? Und mir haben Sie vorgejammert, wie dringend Sie die Rolle brauchten!«
»Ich habe eine andere angeboten bekommen.«
»In Amador?«
»Richtig.«
»Was können Sie denn in Amador anfangen?«
Lieber Freund, wenn du wüßtest, dachte Eddie. Ich regiere ja bloß das ganze Land. Aber er sagte lieber doch nichts davon. »Ach, da gibt es schon das eine oder andere, was ich hier anfangen kann«, antwortete er statt dessen.
»Na, jedenfalls war die Theaterleitung ziemlich verschnupft. Ich mußte mir irgendeine Ausrede einfallen lassen und habe gesagt, daß Sie krank geworden und heimgereist seien. Damit Sie nicht gleich auf die Schwarze Liste kommen.«
»Vielen Dank«, sagte Eddie. »Ich bin Ihnen sehr verbunden.«
»Wann wollen Sie zurückkommen, Eddie?«
»Spätestens in zehn Tagen«, sagte Eddie. Wie, das wußte er allerdings noch nicht. Er wußte lediglich, daß er einfach da sein mußte, wenn das Baby kam.
»Vielleicht habe ich dann etwas für Sie«, sagte Johnson. »Es ist zwar eine kleine Rolle, aber für die Miete reicht es.«
Eddie hätte jetzt fast laut aufgelacht. Eine winzige Rolle, und das für einen Mann, der hunderttausend Dollar in bar besaß! Ein Mann, der dabei war, ein Theaterstück zu schreiben, das ein Welterfolg werden würde!
»Vielen Dank«, sagte er noch einmal. »Wir reden darüber, wenn ich zurück bin.«
»Okay. Und passen Sie gut auf sich auf.« »Mache ich. Wiederhören.«
Als er aufgelegt hatte und hochsah, stand Capitan Torres an der Tür.
»Wer war das?« fragte der Capitan.
»Mein Agent in New York.«
»Sie haben ihm doch hoffentlich nicht etwa von Ihrer Rolle hier erzählt?«
»Nein, nein«, sagte Eddie.
Capitan Torres kam näher. »Weil nämlich«, sagte er, »verstehen Sie, wenn auch nur ein Mensch etwas davon erfährt, ich gezwungen bin, Sie zu beseitigen.«
Eddie sah ihn groß an und begriff, daß dies ernst gemeint war.
Er sagte nervös: »Ja, ja, gewiß, ich verstehe.«
»Gut.«
Als Capitan Torres in sein Büro zurückkam, klingelte das Telefon. Es war der Arzt aus der Klinik.
»Ich habe gute Nachrichten«, sagte er. »Colonel Bolivar erwacht gerade aus dem Koma. Er ist schon bei Bewußtsein.«
Capitan Torres war freudig erregt. »Ich komme sofort.« Er wandte sich an seinen Adjutanten Gomez. »Unser Colonel«, sagte er, »wird wieder gesund. Sobald es nur geht, bringe ich ihn hierher in den Palast zurück, und wir entledigen uns des Schauspielers.«
Den ganzen Weg zum Krankenhaus freute er sich, daß Colonel Bolivar wieder bei Bewußtsein war. Allerdings machte ihn ein bestimmter Umstand besorgt. Manchmal kam es ja vor, daß Leute, die aus einem Koma erwachten, einen Gehirnschaden davongetragen hatten. Wenn irgend so etwas dem Colonel widerfahren, er also nicht mehr imstande war, das Land wirklich zu regieren, gab es ein Chaos.
Er betrat das Büro des leitenden Arztes. »Und? Ist er immer noch bei Bewußtsein?« fragte er als erstes.
»Ja.«
»Führen Sie mich zu ihm.«
Der Doktor führte ihn in das Privatzimmer des Diktators ganz am Ende des langen Klinikflurs.
Der Capitan holte tief Luft, bevor er die Tür öffnete und eintrat. Würde ihn der Colonel überhaupt erkennen? War er wirklich ganz im Besitz seiner Geisteskräfte? Würde er derselbe sein wie zuvor?
Er öffnete entschlossen die Tür und ging hinein.
Colonel Bolivar blickte hoch und begann, sobald er ihn nur erkannte, zu schreien:
»Idiot! Sie Idiot! Sie Idiot!«
Da wußte der Capitan bereits, daß alles gut wurde.
»Guten Tag, Colonel!«
»Guten Tag? Sie wagen es auch noch, mir Ihr häßliches Gesicht zu zeigen, nach allem, was Sie getan haben?«
Capitan Torres war verdutzt. »Wieso, was habe ich denn getan?«
»Mein Land haben Sie mir kaputtgemacht, das ist alles!«
»Ich? Ganz im -«
»Sie mit Ihrem verdammten Schauspieler! Wenn nur die Hälfte von den ganzen Gerüchten stimmt, die ich da so höre, werfe ich Sie alle beide in siedendes Öl!«
»Wieso, was haben Sie denn gehört, Colonel?« Capitan Tor-res war jetzt doch einigermaßen nervös.
»Stimmt es vielleicht nicht, daß er neue Verordnungen über die Waisenkinder erlassen hat?«
»Doch, Colonel, schon.«
»Und stimmt es, daß er alle meine Villen dem schmutzigen, ungewaschenen Obdachlosenpack überlassen hat?«
»Ja, Colonel.«
»Und hat er meinem Schwager eröffnet, daß er drucken kann, was ihm nur paßt?«
»Ja, Colonel.«
»Und da fragen Sie noch scheinheilig, was Sie getan haben? Wollen Sie mal wissen, warum ich nach dieser Herzoperation nicht gestorben bin? Weil ich zuvor unbedingt noch Sie alle beide aus der Welt schaffen wollte. Und ich dachte, Sie seien mein Freund! Ich habe Ihnen vertraut! Wie konnten Sie das alles zulassen?«
»Colonel, ich hatte doch überhaupt keine Möglichkeit einzuschreiten! Er hat diese Anordnungen alle vor der gesamten anwesenden Menge erlassen. Was hätte ich denn da machen sollen, ohne zuzugeben, daß er gar nicht Sie ist? Schließlich haben wir ihn dazu geholt, daß er Ihre Rolle spielt!«
»Niemand hat ich zu sein! Es gibt nur einen Ich, und das bin ich! Kapiert?«
»Gewiß, normalerweise gibt es nur einen Sie, aber im Augenblick eben doch zwei.« Torres kam näher an das Bett seines Diktators. »Sehen Sie mal, Colonel, so schlimm, wie es vielleicht aussieht, ist es im Grunde nicht. Sicher, dieser Malefizschauspieler hat alle diese Anordnungen erlassen. Aber das bedeutet doch in Wirklichkeit nichts weiter. Sobald Sie wieder zurück im Palast sind, werden sie einfach sofort wieder aufgehoben, und alles ist wieder wie zuvor.«
Colonel Bolivar wurde nachdenklich. »Stimmt eigentlich«, sagte er schließlich. »Nur«, und er erhob seine Stimme, »werde ich diesmal nicht so gnädig mit dem Volk umspringen. Die sind doch alle nur Dauer- und Berufsjammerer. Zum Hals heraus hängen sie mir.«
»Ich kann es Ihnen nicht verdenken, Colonel«, beeilte sich Capitan Torres beizupflichten. »Wie bald, sagt der Doktor, dürfen Sie raus?«
»Anfang nächster Woche. Mein Herz ist besser denn je.«
»Nächste Woche?« Der Capitan freute sich sichtlich. »Sehr gut. Wundervoll!« Er stellte sich bereits lebhaft vor, wie er Eddie Davis umbringen wollte. Es gab ja so viele schöne Möglichkeiten. In Öl sieden klang gar nicht schlecht. Oder vielleicht sollte man ihn von zwei Pferden auseinanderreißen lassen? O doch, er würde noch viel Spaß mit dem Ende dieses Schauspielers haben!
»Tatsache ist«, erklärte Colonel Bolivar, »daß ich mich schon sehr viel besser fühle. Schicken Sie mir eine meiner Mätressen oder zur Not auch eines von den Zimmermädchen vom Palast herüber.«
»Oh, das ist aber keine besonders gute Idee«, wandte der Capitan ein.
»Was soll denn das heißen?«
»Überlegen Sie, Colonel! Wenn Sie zur gleichen Zeit im Palast und hier in der Klinik gesehen werden, fangen die Leute doch an, Fragen zu stellen und zu reden! Sie dürfen hier nicht gesehen werden, oder unser ganzes Spiel ist ruiniert.«
»Haben Sie auch wieder recht«, knurrte Colonel Bolivar mißmutig. »Na ja, bis nächste Woche werde ich es schon noch aushalten. Aber tun Sie mir inzwischen wenigstens den Gefallen, Capitan, diesen Schauspieler keinen Augenblick mehr aus den Augen zu lassen.«
»Bestimmt nicht, Colonel. Darauf können Sie sich verlassen.«
Als Capitan Torres ging, schritt er aus wie auf Wolken und pfiff sich ein Liedlein. Alles kam wieder in Ordnung. Sobald der Colonel seine Amtsgeschäfte wieder selbst übernahm, würde es keinerlei Probleme mehr geben.
Eddie bekam Besuch von einigen kirchlichen Würdenträgern.
Einer davon sagte: »Vergebung, Exzellenz, wenn wir stören, aber wir haben so erstaunliche Dinge von den wundervollen Anordnungen vernommen, die Sie erlassen haben. Sie haben zwar in der Vergangenheit alle unsere Bitten und Anträge abgelehnt, aber nach den jüngsten Ereignissen fragen wir uns, ob wir unsere Anliegen nicht doch noch einmal vortragen dürfen.«
»Worum handelt es sich?«
»Nun, daß wir unsere Kirchen wieder öffnen dürfen.«
»Wieso, soll das heißen, sie waren geschlossen?«
Der Geistliche sah ihn völlig perplex an. »Aber Sie selbst haben Sie doch geschlossen, Colonel! Vor fünf Jahren.«
»Ach so, ja«, sagte Eddie schnell. »Ja, ja, ja, das hatte ich ganz vergessen. Sind alle Kirchen geschlossen worden damals?«
»Ja, Euer Exzellenz.«
»So, so. Aha. Ja, und wohin gehen die Leute seitdem zum Beten?«
Der Geistliche war noch verblüffter als zuvor. »Ja, aber es ist doch verboten zu beten.«
»So?« sagte Eddie. »Das ist aber schlimm. Na gut, ab sofort darf jeder wieder beten.«
Der Geistliche strahlte. »Ist das Ihr Ernst?«
»Absolut!« bekräftigte Eddie, drehte sich um und schrieb bereits wieder seine neueste Anordnung. Unterzeichnet mit Colonel Ramon Bolivar.
»Seien Sie gesegnet, Exzellenz! Das Volk von Amador wird Ihnen das nie vergessen!«
Eddie dachte an Capitan Torres und sagte nachdenklich: »Ja, ja. Sagen Sie dem Volk, es soll auch für mich beten.«
Im Flur draußen lief Eddie in die Dame, die ihm erzählt hatte, daß »seine« Ehefrau getötet werden sollte.
»Ich habe dich schon die ganze Zeit gesucht«, sagte sie. »Unser Mann begab sich in das Musikzimmer, aber deine Frau war nicht dort. Jemand sagte, sie sei mit dir zusammen gesehen worden! Und daß jetzt rund um die Uhr Leibwächter um sie herum sind.«
»Stimmt«, sagte Eddie. »Ich habe das veranlaßt. Ich habe nämlich beschlossen, daß, wenn sie schon umgebracht werden soll, ich das selbst erledige. Bis dahin wünsche ich nicht, daß ihr irgend jemand auch nur ein Haar krümmt.«
Die Frau sah ihn eiskalt an. »Sag mal, Ramon, seit wann kümmert es dich einen Deut, was mit deiner Frau geschieht? Schließlich haßt du sie doch!«
»Ach, hassen«, sagte Eddie. »Ich hasse sie nicht.«
»Was?« sagte die Frau. »Was hat denn das alles zu bedeuten? Was für ein Spiel treibst du da mit mir?« Sie war sehr aufgebracht. »Mir erzählst du, ich bin die einzige Frau der Welt für dich und daß du deine Frau loswerden und mich heiraten willst. Und jetzt auf einmal ist alles anders? Willst du mir klarmachen, daß du es dir anders überlegt hast?«
Tatsache war, daß Eddie überhaupt nicht wußte, was er ihr klarmachen wollte oder nicht. Wieso, dachte er, kann dieser Colonel Bolivar sich nicht anständig benehmen?
»Ach«, sagte Eddie, »laß mir einfach noch etwas Zeit.«
»Was denn für Zeit? Wofür?« wollte sie wissen. »Zeit, mich loszuwerden? Oder eine andere zu finden?«
»Darum handelt es sich doch überhaupt nicht«, versuchte Eddie zu erklären. Er wußte nur, er mußte verhindern, daß die Frau des Colonel ermordet wurde.
»Wir reden in ein paar Tagen noch einmal darüber.«
»Nein, das werden wir nicht!« schrie sie ihn an. »Sondern wir reden jetzt darüber. Hier und sofort.«
»Nicht so laut«, mahnte Eddie. »Es könnten uns doch Leute hören!«
»Das ist mir ganz egal«, rief sie zornig. »Ich will nun mal nicht ohne dich leben, Ramon. Wenn du mich nicht heiratest, bringe ich mich um!«
O Gott, dachte Eddie, das wird kompliziert. Genausowenig wie ich zulassen kann, daß die Frau des Colonel umgebracht wird, kann ich zulassen, daß seine Geliebte Selbstmord begeht. Eine sehr erfreuliche Alternative war dies nicht.
»Wollen wir nicht lieber über alles noch einmal gründlich nachdenken?« schlug er vor.
»Nachdenken! Da wird nichts mehr nachgedacht. Du wirst mir deine Antwort hier und jetzt geben. Ich habe lange genug gewartet und Geduld gehabt, daß du dein Versprechen einlöst!«
Eddie dachte verzweifelt nach. Wenn er ihr versprach, sie zu heiraten, mußte sie die Frau des Colonel ermorden lassen. Und wenn er ihr erklärte, er heirate sie nicht, dann tat sie sich womöglich wirklich selbst etwas an.
Eddie überlegte, ob er nicht vielleicht sogar Capitan Torres über das Problem zu Rate ziehen sollte. Doch dann entschied er sich doch anders. Nein, nein, nein, dachte er, das geht nicht. Schließlich bin ich der Diktator. Ich entscheide, was geschieht.
»Also, wie lautet deine Antwort?«
Na, vielleicht ist das mit dem Selbstmord ja doch nur eine Drohung, dachte er, die sie letzten Endes gar nicht wahrmachen will. Genau: Sie blufft nur. Keine Frau wird sich doch wegen Bolivar umbringen! Sie versucht mich mit dieser leeren Drohung nur zu erpressen, daß ich sie heirate. Oder vielmehr der Colonel Bolivar. Ich meine ... Teufel noch mal, das ist alles wirklich ziemlich kompliziert.
»Also?« drängte die Frau erneut.
Eddie holte tief Luft. »Na gut, dann ist meine Antwort nein. Ich habe bereits eine Frau, und wenn ich dich heiraten würde, wäre das Bigamie.«
Sie sah ihn lange stumm und ratlos an. Dann flüsterte sie fast: »Also gut, Ramon. Wenn das dein Wunsch ist und du mich nicht mehr haben willst, dann muß ich mich damit abfinden, aber dann hat auch mein Leben keinen Sinn mehr. Dann bringe ich mich um.«
»Das kannst du doch nicht tun«, sagte Eddie.
»Und ob ich das kann«, antwortete sie und dachte: Und wenn ich dich nicht haben kann, soll dich auch keine andere haben. Ich bringe dich mit mir um.