Gott ist tot, und der Mensch ist frei ... frei wozu?


Verantwortung gilt nur für jemanden, der Handlungsfreiheit

besitzt. Entweder gibt es Gott oder es gibt Freiheit; beides

gleichzeitig kann es nicht geben. Das ist die grundlegende

Bedeutung von Friedrich Nietzsches Aussage: »Gott ist tot, also

ist der Mensch frei. «

Friedrich Nietzsche war der erste Mensch in der Geschichte der Menschheit, der erklärte: »Gott ist tot, also ist der Mensch frei.«

Das ist eine enorm bedeutsame Aussage; sie hat viele Auswirkungen. Zunächst einmal möchte ich Nietzsches Aussage erläutern.

Alle Religionen glauben, dass Gott die Welt und damit auch den Menschen erschaffen hat. Doch wenn man von jemandem erschaffen wurde, ist man eigentlich nur eine Marionette, man besitzt keine eigene Seele. Und wenn man von jemandem erschaffen wurde, kann man auch in jedem Augenblick wieder vernichtet werden. Dieser Schöpfer hat nicht danach gefragt, ob man erschaffen werden wollte, und er wird auch nicht fragen:

»Willst du vernichtet werden? «


Gott ist der größte Diktator, wenn man die Fiktion akzeptiert, dass er die Welt und auch die Menschheit erschaffen hat. Wenn Gott eine Realität ist, dann ist der Mensch ein Sklave, eine Marionette. Alle Fäden sind in seiner Hand, auch das Leben. Dann gibt es keine Frage nach Erleuchtung. Dann gibt es keine Möglichkeit für einen Gautama Buddha, denn es gibt keine Freiheit. Gott zieht die Fäden, und du tanzt; er zieht die Fäden, und du weinst; er zieht die Fäden, und du fängst an, zu morden, dich selbst umzubringen, Krieg zu führen. Du bist nur eine Marionette, und er ist der Marionettenmeister.

Dann gibt es keine Frage von Sünde oder Tugend, keine Frage von Sündern und Heiligen. Nichts ist gut und nichts ist schlecht, denn du bist nur eine Marionette. Eine Mario nette kann für ihre Handlungen nicht verantwortlich gemacht werden. Verantwortung gilt nur für jemanden, der Handlungsfreiheit besitzt. Entweder gibt es Gott oder es gibt Freiheit; beides gleichzeitig kann es nicht geben. Das ist die grundlegende Bedeutung von Friedrich Nietzsches Aus sage: Gott ist tot, also ist der Mensch frei.

Kein Theologe, kein Religionsgründer hat jemals darüber nachgedacht, dass man die Würde des Bewusstseins, der Freiheit, der Liebe zerstört, wenn man Gott als Schöpfer akzeptiert. Man nimmt dem Menschen damit seine ganze Verantwortung, und man nimmt ihm seine ganze Freiheit. Man reduziert das Leben auf die Launen einer merkwürdigen Gestalt namens Gott.

Doch Nietzsches Aussage ist nur die eine Seite der Münze. Er hat vollkommen Recht, doch nur in Bezug auf die eine Seite der Münze. Er hat eine sehr bedeutsame und wichtige Aussage gemacht, doch er hat etwas vergessen, und das liegt daran, dass seine Aussage auf Rationalität, Logik und Intellekt basiert. Sie basiert nicht auf Meditation.

Der Mensch ist frei, doch frei wozu? Wenn es keinen Gott gibt und der Mensch frei ist, bedeutet das, dass der Mensch nun die Freiheit besitzt, alles zu tun, Gutes oder Schlechtes; es gibt niemanden, der ihn verurteilt, niemanden, der ihm vergibt. Diese Freiheit ist einfach nur Zügellosigkeit. Das ist die andere Seite .

Man beseitigt Gott, und der Mensch bleibt vollkommen leer zurück.

Natürlich erklärt man damit seine Freiheit, doch zu welchem Zweck? Wie kann er seine Freiheit kreativ und verantwortlich nutzen? Wie kann er vermeiden, dass die Freiheit zu bloßer Willkür und Zügellosigkeit verkommt?

Friedrich Nietzsche wusste nichts von Meditation – das ist die andere Seite der Münze. Der Mensch ist frei, doch seine Freiheit kann nur dann eine Freude und ein Segen für ihn sein, wenn er in Meditation verwurzelt ist. Beseitigt Gott – das ist vollkommen in Ordnung, denn er war die größte Gefahr für die menschliche Freiheit –, doch gebt dem Menschen auch eine gewisse Bedeutung und einen Sinn, eine gewisse Kreativität, eine gewisse Rezeptivität, einen Weg, das ewige Leben zu finden. Zen ist die andere Seite der Münze.

In der Philosophie des Zen gibt es keinen Gott; das ist ihre Schönheit. Doch sie besitzt enormes Wissen über die Transformation des Bewusstseins, sie gibt einem so viel Bewusstheit, dass man nichts Böses mehr tun kann. Da bei handelt es sich nicht um ein Gebot von außen, sondern es kommt aus dem innersten Sein. Sobald man das Zentrum seines Wesens erkannt hat, sobald man weiß, dass man eins ist mit dem Kosmos – und der Kosmos wurde niemals erschaffen, er war schon immer da und wird immer da sein, von Ewigkeit zu Ewigkeit –, sobald man sein eigenes strahlendes Wesen erkannt hat, den verborgenen Gautama Buddha, ist es unmöglich, etwas Falsches zu tun, ist es unmöglich, etwas Böses zu tun, ist es unmöglich, eine Sünde zu begehen.

Friedrich Nietzsche wurde in der letzten Phase seines Lebens beinahe wahnsinnig. Er wurde institutionalisiert, verbrachte einige Zeit in einer psychiatrischen Anstalt. Solch ein Geistesgigant, was war mit ihm passiert? Er war zu dem Schluss gekommen: »Gott ist tot«, doch das ist eine negative Schlussfolgerung. Er wurde leer, doch seine Freiheit war ohne Bedeutung. Es war keine Freude in ihm, denn es war nur eine Freiheit von Gott, doch wofür? Die Freiheit besitzt zwei Seiten: von etwas und für etwas. Die andere Seite fehlte. Das machte ihn wahnsinnig.

Leere treibt Menschen immer in den Wahnsinn. Man braucht etwas Erdendes, etwas Zentrierendes, man braucht eine Verbindung zur Existenz. Wenn Gott tot ist, ist die Verbindung zur Existenz zerstört. Wenn Gott tot ist, ist man allein und ohne Wurzeln. Ein Baum kann ohne Wurzeln nicht leben, und der Mensch ebensowenig.


Gott existiert nicht, doch er war ein guter Trost. Er füllte das Innere der Menschen aus, auch wenn er eine Lüge war. Doch wenn eine Lüge jahrtausendelang tausendmal wiederholt wird, wird sie beinahe zu Wahrheit. Gott war für die Menschen in ihrer Angst, in ihrer Furcht, in ihrem Schrecken vor Alter und Tod und darüber hinaus – vor der unbekannten Finsternis – ein großer Trost. Gott war ein gewaltiger Trost, auch wenn er eine Lüge war. Lügen können einen trösten, das muss man verstehen. Tatsächlich sind Lügen süßer als die Wahrheit.

Gautama Buddha soll gesagt haben: »Die Wahrheit ist am Anfang bitter, doch am Ende süß, und Lügen sind am Anfang süß, doch am Ende bitter« – wenn sie als Lügen entlarvt werden. Dann taucht eine enorme Bitterkeit auf, darüber, dass man von den Eltern, von den Lehrern, von den Priestern, von allen sogenannten Führern, getäuscht und betrogen wurde. Ihr wurdet fortlaufend getäuscht und betrogen. Diese Frustration führt zu einem starken Misstrauen gegenüber allen. »Niemand ist vertrauenswürdig ... «

Das erzeugt ein Vakuum.

Nietzsche war also in dieser letzten Phase seines Lebens nicht wirklich wahnsinnig; es war einfach nur die unvermeidliche Folge seines negativen Zugangs. Der Intellekt kann nur negativ sein; er kann argumentieren und kritisieren und sarkastisch sein, doch er kann einem keine Nahrung geben. Ein negativer Standpunkt kann einem keine Nahrung geben. Er verlor also seinen Gott, und damit verlor er seinen Trost. Er wurde frei, doch nur, um wahnsinnig zu werden.

Und das gilt nicht nur für Friedrich Nietzsche, also kann man nicht sagen, dass es einfach nur ein Zufall war. Viele intellektuelle Giganten finden sich in Irrenhäusern wieder oder begehen Selbstmord, weil niemand in einer negativen Finsternis leben kann.

Man braucht Licht und eine positive Erfahrung von Wahrheit.

Nietzsche beseitigte das Licht und erzeugte ein Vakuum in sich selbst und in allen, die ihm folgten.

Wenn ihr in eurem tiefsten Innern ein Vakuum verspürt, absolute Leere ohne Sinn und Bedeutung, dann geht das auf Friedrich Nietzsche zurück. Eine ganze Philosophie ist im Westen daraus entstanden: Nietzsche war der Begründer dieses negativen Zugangs zum Leben.


Kierkegaard, Sartre, Marcel, Jaspers und Heidegger – all die großen Giganten der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts – sprachen nur über Sinnlosigkeit, Angst, Leiden, Furcht, Schrecken, Qual.

Und diese Philosophie wurde im Westen als Existentialismus bezeichnet. Das ist sie aber nicht. Sie ist einfach Nicht-Existentialismus. Sie zerstört alles, was euch getröstet hatte.

Ich stimme der Zerstörung zu, denn das, was den Menschen getröstet hatte, waren nur Lügen. Gott, Himmel und Hölle – all das waren Fiktionen, die nur dazu erschaffen worden waren, um den Menschen zu trösten. Es ist gut, dass sie zerstört wurden, doch damit lässt man den Menschen in einem vollkommenen Vakuum zurück. Aus diesem Vakuum heraus wurde der Existentialismus geboren, und das ist der Grund, warum er nur über Sinnlosigkeit spricht: »Das Leben hat keinen Sinn.« Er spricht über Bedeutungslosigkeit:

»Du bist nur Zufall. Ob du hier bist oder nicht, ist für die Existenz nicht von Bedeutung. « Und diese Menschen nennen ihre Philosophie Existentialismus. Sie sollten sie Akzidentalismus nennen. Du wirst nicht gebraucht; du bist nur durch einen bedeutungslosen Zufall in Erscheinung getreten. Gott machte euch zu Marionetten, und die Philosophen von Nietzsche bis Sartre machen euch zu einem Zufall.

Doch der Mensch hat in seinem Innern ein enormes Bedürfnis, mit der Existenz verbunden zu sein. Er braucht Wurzeln in der Existenz, denn nur wenn seine Wurzeln tief in die Existenz reichen, wird er zu einem Buddha erblühen , wird er sich zu Millionen von Blüten öffnen, wird sein Leben nicht bedeutungslos sein. Dann wird sein Leben von Bedeutung, Sinn und Segen überfließen; sein Leben wird ein einziges Feiern sein.

Doch die Schlussfolgerung der sogenannten Existentialisten ist, dass wir unnötig sind, dass unser Leben keinen Sinn, keine Bedeutung hat. Die Existenz braucht uns nicht!

Daher möchte ich Friedrich Nietzsches Werk zu Ende bringen, denn es ist unvollständig. Es wird die ganze Menschheit in den Wahnsinn treiben – nicht nur Friedrich Nietzsche selbst, sondern die ganze Menschheit. Ohne Gott seid ihr natürlich frei, doch wozu? Ihr steht mit leeren Händen da. Auch vorher waren eure Hände leer, denn das, womit sie gefüllt waren, waren lauter Lügen.


Doch nun ist euch vollkommen bewusst, dass eure Hände leer sind und ihr nirgendwo hingehen könnt.

Ich habe einmal von einem berühmten Atheisten gehört. Er starb, und seine Frau zog ihm seine besten Kleider an, seine besten Schuhe, bevor er in den Sarg gelegt wurde – die beste Krawatte, das Allerteuerste. Sie wollte ihm eine schöne Abschiedsveranstaltung geben, ein schönes Lebewohl. Er war so gut angezogen wie noch nie zuvor in seinem ganzen Leben.

Dann kamen die Freunde und Nachbarn. Und eine Frau meinte:

»Oje! Nun ist er so ausgehfein und wird doch nirgendwo mehr hingehen!« Das ist der Zustand, in dem jede negative Philosophie den Menschen hinterlässt: in Schale geworfen, ausgehfein, und er kann nirgendwo hingehen! Solch ein Zustand erzeugt Wahnsinn.

Es war kein Zufall, dass Friedrich Nietzsche wahnsinnig wurde, es war das Ergebnis seiner negativen Philosophie. Daher nenne ich diese Serie von Vorträgen: »Gott ist tot, und Zen ist nun die einzige lebendige Wahrheit.«

Ich stimme vollkommen mit Friedrich Nietzsche überein, was Gott betrifft, doch ich möchte seine Aussage vervollständigen, was er nicht tun konnte. Er war kein Erwachter, er war kein Erleuchteter.

Auch Gautama Buddha hatte keinen Gott, auch Mahavira hatte keinen Gott, doch sie wurden niemals wahnsinnig. Alle Zen-Meister und alle großen taoistischen Meister – Laotse, Chuang-Tse, Lieh-Tse – keiner von ihnen wurde verrückt, und sie alle hatten keinen Gott. Sie hatten keinen Himmel und keine Hölle. Worin besteht der Unterschied? Warum wurde Gautama Buddha nicht verrückt?

Und das gilt nicht nur für Gautama Buddha. In zweitausendfünfhundert Jahren wurden Hunderte seiner Schüler erleuchtet, und sie sprechen niemals von einem Gott. Sie sagen nicht einmal, dass es keinen Gott gibt, weil es dazu keine Veranlassung gibt. Sie sind keine Atheisten. Auch ich bin kein Atheist, und ich bin auch kein Theist. Es gibt ganz einfach keinen Gott, also gibt es auch keine Frage von Atheismus oder Theismus.

Doch ich bin nicht wahnsinnig. Ihr seid meine Zeugen. Es erzeugt kein Vakuum in mir; im Gegenteil, dadurch, dass es keinen Gott gibt, habe ich die Würde eines freien Individuums erreicht – frei, um zu einem Buddha zu werden. Das ist das letztendliche Ziel der Freiheit. Solange deine Freiheit nicht zum Erblühen deiner Bewusstheit führt und die Erfahrung der Freiheit dich nicht in die Ewigkeit führt, in die Wurzeln, in den Kosmos und in das Leben, wirst du wahnsinnig werden. Dein Leben wird sinnlos sein, ohne Bedeutung. Was immer du tust, es spielt keine Rolle.

Aus der Sicht der sogenannten Existentialisten, die alle Friedrich Nietzsche nachfolgen, der der Begründer war, ist die Existenz vollkommen ohne Intelligenz. Sie haben Gott weggenommen, also denken sie – und ihrer Logik erscheint das vollkommen richtig –, dass die Existenz ebenfalls tot ist, dass sie ohne Intelligenz ist, dass sie ohne Leben ist. Gott war das Leben, Gott war das Bewusstsein.

Gott war der letztendliche Sinn, das Salz eures Seins. Wenn Gott nicht mehr da ist, wird die gesamte Existenz seelenlos, wird das Leben lediglich zu einem Nebenprodukt der Materie. Wenn man stirbt, stirbt alles, und nichts bleibt übrig.

Dann gibt es keine Frage mehr von gut oder böse. Die Existenz ist vollkommen gleichgültig, sie kümmert sich nicht um euch. Gott pflegte sich um euch zu kümmern. Sobald Gott entfernt wird, beginnt eine große Entfremdung zwischen euch und der Existenz.

Es gibt keine Verbindung mehr, die Existenz kümmert sich nicht, kann sich nicht kümmern, weil sie nicht mehr bewusst ist. Es ist kein intelligentes Universum mehr, es ist nur noch tote Materie, so wie wir alle. Und das Leben, wie wir es kennen, ist nur ein Nebenprodukt.

Ein Nebenprodukt verschwindet sofort, wenn die Elemente, aus denen es entstanden ist, sich auflösen. Manche Religionen glauben zum Beispiel, dass der Mensch aus fünf Elementen besteht: Erde, Luft, Feuer, Wasser, Äther. Sobald diese fünf Elemente zusammentreffen, entsteht das Leben als Nebenprodukt. Wenn sich diese fünf Elemente im Tod wieder voneinander lösen, verschwindet das Leben.

Um es noch deutlicher zu machen ... Wenn man anfängt, das Fahrradfahren zu erlernen, fällt man am Anfang viele Male hin. Ich habe das Radfahren ebenfalls gelernt, doch ich bin beim Lernen nicht gefallen, weil ich die anderen Anfänger beobachtet habe und überlegt habe, warum sie fallen. Sie fallen, weil sie kein Vertrauen haben. Um sich auf zwei Rädern zu bewegen, braucht man sehr viel Gleichgewicht, und wenn man zögert ... das ist wie beim Gehen auf einem Seil. Wenn man nur einen Augenblick zögert, kann man sich auf diesen zwei Rädern nicht halten. Nur bei einer gewissen Geschwindigkeit kann man sich auf diesen zwei Rädern halten, und natürlich neigt ein Anfänger dazu, langsam zu fahren. Natürlich – das erscheint nur logisch – sollte man nicht zu schnell fahren, wenn man ein Anfänger ist.

Ich beobachtete also, wie alle meine Freunde Radfahren lernten, und sie fragten mich immer: »Warum lernst du es nicht auch?«

Ich erwiderte: »Ich beobachte euch zuerst. Ich beobachte, warum ihr fallt und warum ihr nach ein paar Tagen aufhört zu fallen.« Und sobald ich den springenden Punkt erkannt hatte, fuhr ich schon beim allerersten Mal so schnell wie möglich!

Meine Freunde waren erstaunt. Sie sagten: »Nie haben wir einen Anfänger gesehen, der so schnell gefahren ist. Als Anfänger muss man einfach ein paarmal hinfallen, und dann lernt man, das Gleichgewicht zu halten.«

Doch ich sagte zu ihnen: »Ich habe euch beobachtet und ich habe den Knackpunkt entdeckt. Der Knackpunkt ist, dass ihr kein Vertrauen habt, dass euch nicht klar ist, dass es eine bestimmte Geschwindigkeit braucht, um das Fahrrad in Bewegung zu halten.

Ihr könnt es nicht anhalten und darauf sitzen bleiben, ohne zu fallen; es braucht einen gewissen Schwung, also müsst ihr weitertreten.«

Sobald ich erkannt hatte, was das Problem war, fuhr ich los, und zwar so schnell, dass das ganze Dorf sich fragte: »Was wird nur mit ihm passieren, denn er kann doch gar nicht radfahren ... und er fährt gleich so schnell! «

Das einzige Problem war, dass ich nicht wusste, wie ich anhalten konnte; wenn ich anhielt, würde das Rad umkippen. Also musste ich zu einem Platz radeln, wo es einen großen Baum gab, in der Nähe des Bahnhofs, fast drei Meilen von unserem Haus entfernt. Diese drei Meilen fuhr ich so schnell, dass die Leute zur Seite sprangen und mir auswichen. Sie sagten: »Das ist doch vollkommener Wahnsinn! «

Doch mein Wahnsinn hatte Methode. Ich fuhr direkt zu diesem Baum, weil ich wusste, dass er hohl war. Ich fuhr also mit dem Vorderrad in diesen hohlen Baum, sodass das Rad darin stecken blieb. So konnte ich anhalten, ohne dass es ein Problem mit dem Umfallen gab.


Ein Dorfbewohner, der auf dem Feld arbeitete, sah mir dabei zu.

Er sagte: »Du bist seltsam.« Und er wollte wissen: »Und wie willst du anhalten, wenn es keinen solchen Baum gibt?«

Ich antwortete: »Jetzt habe ich gelernt, wie man anhält, weil ich es eben gemacht habe; jetzt brauche ich keinen Baum mehr dazu.

Aber das war meine erste Erfahrung damit. Ich habe nie gesehen, wie die anderen anhalten, ich habe immer nur gesehen, wie sie hinfallen. Also hatte ich keine Erfahrung mit dem Anhalten, und deshalb bin ich so schnell gefahren, um zu diesem Baum zu kommen.«

Ein Teil des Baumes war vollkommen hohl, und es war ein großer Baum, so dass ich wusste, dass es funktionieren würde, wenn ich mit dem Rad hineinfuhr — dass der Baum mich halten würde. Doch sobald ich einmal angehalten hatte, wusste ich, wie man anhält.

Als ich anfing, das Autofahren zu lernen, lernte ich es von einem Mann namens Majid; er war Mohammedaner. Er war einer der besten Fahrer der Stadt, und er mochte mich sehr gern.

Tatsächlich war er es, der mein erstes Auto für mich aussuchte.

Also sagte er zu mir: »Ich werde es dir beibringen.«

Doch ich erwiderte: »Ich mag es nicht, wenn man mir et was beibringt. Fahr einfach langsam, so dass ich zuschauen und dich dabei beobachten kann.«

Er fragte: »Was meinst du damit? « Ich erklärte ihm: »Ich lerne nur durchs Zuschauen. Ich möchte keinen Lehrer, auf keinen Fall! «

Er meinte: »Aber das ist gefährlich! Mit dem Fahrrad war es noch in Ordnung. Du hättest höchstens dir selbst und vielleicht noch einem anderen wehtun können, und nicht besonders schlimm.

Aber ein Auto ist viel gefährlicher.«

Ich sagte zu ihm: »Ich bin eben ein gefährlicher Mensch. Fahr einfach langsam und sag mir, wo das Gaspedal ist, wo die Kupplung, wo die Bremse ... zeig mir einfach alles. Und dann fährst du langsam los, und ich gehe neben dem Auto her und beobachte, was du machst.«

Er meinte: »Wenn du das möchtest, kann ich es so machen, doch ich habe ziemliche Bedenken dabei. Wenn du mit dem Auto dasselbe machst wie mit dem Fahrrad ...«

Ich erwiderte: »Deshalb versuche ich es ja noch genauer zu beobachten.« Und sobald ich eine Vorstellung davon hatte, wie es funktionierte, bat ich ihn auszusteigen. Und dann machte ich es genauso wie mit dem Fahrrad.

Ich fuhr ziemlich schnell. Majid, mein Lehrer, rannte hinter mir her und schrie: »Nicht so schnell!« Und in dieser Stadt gab es keine Geschwindigkeitsbegrenzung, denn in indischen Städten kann man sowieso nicht schneller als 50 Stundenkilometer fahren. Man braucht keine Schilder aufzustellen, dass die Höchstgeschwindigkeit bei 50 Stundenkilometern liegt, denn man kann sowieso nicht schneller fahren.

Doch dieser arme Kerl hatte ziemliche Angst. Er kam hinter mir hergerannt. Er war ein großer Mann und ein sehr guter Läufer, ein so guter Läufer, dass er leicht der beste in Indien hätte sein können, dass er an den Olympischen Spielen hätte teilnehmen können. Er versuchte also, mir zu folgen, doch bald verschwand ich aus seiner Sicht.

Als ich zurückkam, saß er unter einem Baum und betete, betete zu Gott um meine Sicherheit. Doch als ich neben ihm anhielt, so nah, dass er aufsprang und zurückwich, vergaß er sein Gebet.

»Mach dir keine Sorgen«, sagte ich zu ihm. »Ich habe die Sache gelernt. Was hast du hier gemacht?«

Er antwortete: »Ich bin dir gefolgt, aber irgendwann warst du verschwunden. Also dachte ich, jetzt kann ich nur noch beten, dass Gott ihm hilft, denn er weiß überhaupt nichts übers Autofahren. Er sitzt zum erst en Mal auf dem Fahrersitz, und niemand weiß, wohin er gefahren ist. Wie bist du umgekehrt? Wo hast du gewendet?«

Ich antwortete: »Ich hatte keine Ahnung, wie man wendet, weil du immer nur geradeaus gefahren bist, während ich neben dir herging. Also musste ich um die ganze Stadt herumfahren. Ich wusste nicht, wie man wendet, wie man abbiegt, wie man den Blinker setzt, denn du hast das alles nicht gemacht. Doch ich bin zurechtgekommen. Ich bin so schnell um die ganze Stadt herumgefahren, dass die anderen Fahrer mir einfach Vorfahrt gewährt haben. Und so bin ich zurückgekommen.«

Darauf meinte er: »Khuda hafiz«, was so viel heißt wie: » Gott hat dich errettet.«

Doch ich sagte zu ihm: »Lass Gott dabei aus dem Spiel.«

Sobald man weiß, dass es ein gewisses Gleichgewicht zwischen dem Negativen und dem Positiven braucht, ist man in der Existenz verwurzelt. Das eine Extrem besteht darin, an Gott zu glauben, und das andere Extrem besteht darin, nicht an Gott zu glauben; man muss genau in der Mitte stehen, vollkommen im Gleichgewicht.

Dann werden Atheismus und Theismus gleichermaßen irrelevant.

Doch das Gleichgewicht bringt ein neues Licht mit sich, eine neue Freude, eine neue Seligkeit, eine neue Intelligenz, die nicht aus dem Verstand kommt. Diese Intelligenz, die nicht aus dem Verstand kommt, macht dir bewusst, dass die gesamte Existenz ungeheuer intelligent ist. Sie ist nicht nur lebendig, sie besitzt Sensibilität, sie besitzt Intelligenz.

Sobald du einmal erfahren hast, dass dein inneres Wesen im Gleichgewicht und still und friedlich ist, öffnen sich plötzlich Türen, die dir bisher aufgrund deiner Gedanken verschlossen waren, und die gesamte Existenz wird dir offenbar. Du bist kein Zufall. Die Existenz braucht dich. Ohne dich würde der Existenz etwas fehlen, und niemand könnte es ersetzen.

Das ist es, was dir Würde gibt, die Tatsache, dass du der gesamten Existenz fehlen würdest. Die Sterne und die Sonne und der Mond , die Bäume und die Vögel und die Erde – alles im Universum würde spüren, dass ein kleiner Platz leer ist und von niemandem außer von dir gefüllt werden kann. Das schenkt dir große Freude, das gibt dir die erfüllende Gewissheit, dass du mit der Existenz verbunden bist und dass die Existenz sich um dich kümmert. Sobald du klar und still bist, kannst du erkennen, dass ungeheure Liebe aus allen Dimensionen zu dir fließt.

Du bist die höchste Evolutionsstufe des Lebens, der Intelligenz, und alles hängt von dir ab. Wenn du über den Verstand und seine Intelligenz hinauswächst in Richtung No-Mind und seiner Intelligenz, dann wird die Existenz dich feiern: Wieder hat ein Mensch den höchsten Gipfel erreicht. Ein Teil der Existenz hat sich plötzlich zur höchsten Möglichkeit dessen erhoben, was in jedem als Potential angelegt ist.

Es gibt eine Geschichte, dass sich der Baum, unter dem Gautama Buddha bei seiner Erleuchtung saß, plötzlich zu bewegen begann, ohne dass ein Wind geweht hätte. Buddha staunte, denn da war kein Wind, und kein anderer Baum in der Umgebung bewegte sich, kein einziges Blatt bewegte sich. Doch der Baum, unter dem er saß, bewegte sich, als würde er tanzen. Bäume haben keine Beine, sie sind in der Erde verwurzelt, doch wenigstens auf diese Weise konnte er seine Freude zum Ausdruck bringen.


Es ist ein merk würdiges Phänomen, dass bestimmte chemische Substanzen, die euch intelligenter machen, die euer Gehirn anregen, im Bodhi-Baum in größerem Ausmaß enthalten sind als in jedem anderen Baum. Es ist also nicht einfach nur Zufall, dass der Baum, unter dem Gautama Buddha die Erleuchtung erlangte, bis heute danach benannt ist. Bodhi bedeutet Erleuchtung. Und wie die Wissenschaft festgestellt hat, besitzt dieser Baum mehr Intelligenz als jeder andere Baum auf der ganzen Welt. Er besitzt so viel von diesen chemischen Substanzen, dass er davon überfließt.

Als Manjushri, einer von Gautama Buddhas engsten Schülern, erleuchtet wurde, soll der Baum, unter dem er saß, ihn plötzlich mit Tausenden von Blüten überschüttet haben, obwohl es nicht die Blütezeit dieses Baumes war.

Das mögen alles nur Parabeln sein. Doch diese Parabeln weisen darauf hin, dass wir nicht von der Existenz getrennt sind, dass unsere Freude selbst von den Bäumen und den Felsen geteilt wird, dass unsere Erleuchtung ein Freudenfest für die gesamte Existenz bedeutet.

Meditation und nichts anderes erfüllt euer inneres Wesen, füllt das Vakuum, das zuvor durch eine große Lüge gefüllt gewesen war, durch Gott. Und viele Lügen haben sich um ihn herum gebildet.

Wenn ihr beim Negativen bleibt, werdet ihr früher oder später wahnsinnig werden, da ihr den Kontakt zur Existenz vollständig verloren habt, da ihr jeden Lebenssinn verloren habt, jede Möglichkeit, einen Sinn zu finden. Ihr habt zwar die Lügen aufgegeben, und das ist gut, doch das ist nicht genug, um die Wahrheit zu finden.

Lasst die Lügen los und unternehmt eine kleine Anstrengung, nach innen zu gehen, um die Wahrheit zu finden. Das ist die ganze Wissenschaft des Zen. Das ist der Grund, warum ich diese Vortragsreihe unter das Motto »Gott ist tot, und Zen ist nun die einzige lebendige Wahrheit« gestellt habe. Wenn Gott tot ist und ihr euch nicht der Erfahrung von Zen annähert, werdet ihr wahnsinnig werden. Eure geistige Gesundheit ist nun vollkommen von Zen abhängig, denn das ist der einzige Weg, um die Wahrheit zu finden. Dann seid ihr vollkommen mit der Existenz in Verbindung, und ihr seid nicht mehr länger Marionetten, ihr werdet zu Meistern.


Und ein Mensch, der um seine Verbindung, um seine tiefe Verbindung zur Existenz weiß, kann nicht gegen die Existenz handeln, kann nicht gegen das Leben handeln. Das ist schlichtweg unmöglich. Er kann anderen einfach nur so viel Segen, so viel Seligkeit, so viel Gnade schenken, wie sie empfangen können. Und seine Quellen sind unerschöpflich. Wenn man die unerschöpfliche Quelle des Lebens und der Ekstase gefunden hat, spielt es keine Rolle mehr, ob es einen Gott gibt oder nicht. Dann spielt es keine Rolle mehr, ob es einen Himmel oder eine Hölle gibt oder nicht.

Das alles spielt dann überhaupt keine Rolle mehr.

Deshalb sind religiöse Menschen oft verwirrt, wenn sie Schriften aus dem Zen lesen, denn dabei geht es nicht um Dinge, wie sie ihnen von Anfang an beigebracht wurden. Es geht um seltsame Dialoge, die nichts davon haben – keinen Platz für Gott, keinen Platz für das Paradies, keinen Platz für die Hölle. Zen ist eine wissenschaftliche Religion. Ihre Suche gründet nicht auf Glauben, ihre Suche gründet auf Erfahrung. So wie die Wissenschaft auf objektiven Experimenten basiert, so basiert Zen auf subjektiven Erfahrungen. Die eine Wissenschaft ist nach außen gerichtet, die andere nach innen.

Nietzsche hatte keine Vorstellung davon, wie man nach innen geht. Der Westen war der falsche Platz für einen Menschen wie Friedrich Nietzsche. Hätte er im Osten gelebt, wäre er ein großer Meister geworden, ein Mensch von vollkommener geistiger Gesundheit. Er hätte dieselbe Kategorie, dieselbe Ebene wie die Buddhas erreichen können.

Doch leider hat der Westen die Lektion bis heute nicht gelernt.

Er kümmert sich weiter nur um die äußeren Objekte. Ein Zehntel der dafür aufgewendeten Energie wäre schon genug, um die innere Wahrheit zu finden. Selbst ein Albert Einstein starb in tiefster Frustration. Seine Frustration war so groß, dass er kurz vor seinem Tod, als er gefragt wurde:

»Falls Sie wiedergeboren würden, was möchten Sie dann werden?«, antwortete: »Auf keinen Fall wieder ein Physiker. Lieber wäre ich ein Klempner.«

Der größte Physiker, den die Welt je gesehen hat, stirbt in solcher Frustration, dass er nichts mehr mit Physik zu tun haben möchte, dass er nichts mehr mit Wissenschaft zu tun haben möchte.

Er möchte einen einfachen Beruf wie Klempner. Aber auch das wird ihm nicht helfen. Wenn die Physik nicht geholfen hat, wenn die Mathematik nicht geholfen hat, wenn ein so intelligenter Mensch wie Albert Einstein voller Frustration stirbt, dann würde es ihm auch nicht helfen, ein Klempner zu werden. Denn ein Klempner befindet sich ebenfalls im Außen. Ein Wissenschaftler ist vielleicht besonders stark im Außen involviert, ein Klempner ist das möglicherweise weniger, doch er arbeitet ebenfalls im Außen. Ein Klempner zu werden würde ihm nicht das geben, was er braucht. Er braucht die Stille der Meditation. Aus dieser Stille erblüht der Sinn, erblüht die Bedeutung, erblüht eine große Freude darüber, dass wir nicht einfach nur zufällig sind.

Das, was ich euch lehre, ist wahrer Existentialismus; das, was man im Westen für Existentialismus hält, ist im Grunde nur Akzidentalismus. Ich lehre euch, wie ihr Kontakt mit der Existenz herstellen könnt, wie ihr herausfinden könnt, wie ihr mit der Existenz verbunden, verdrahtet seid. Woher bekommt ihr von Augenblick zu Augenblick euer Leben? Woher kommt eure Intelligenz? Wenn die Existenz nicht intelligent wäre, wie könntet ihr dann intelligent sein? Woher sollte diese Intelligenz kommen?

Wenn ihr Rosen blühen seht, habt ihr euch dann jemals überlegt, dass all diese Farben, all diese Zartheit, all diese Schönheit irgendwo im Samen verborgen lag? Doch der Samen allein genügte nicht, damit daraus eine Rose wurde; er brauchte die Unterstützung der Existenz – den Boden, das Wasser, die Sonne. Der Samen verschwand in der Erde, und die Rose begann zu wachsen. Nun braucht sie Luft, Wasser, Erde, die Sonne, den Mond. All das zusammen verwandelt den Samen, der fast wie ein totes Stück Stein wirkt. Doch plötzlich geschieht eine Verwandlung, eine Metamorphose. Diese Rosen, diese Farben, diese Schönheit, dieser Duft könnten nicht in Erscheinung treten, wenn all dies nicht bereits in der Existenz angelegt wäre. All das mag versteckt sein, mag im Samen verborgen sein. Doch immer wenn etwas geschieht, bedeutet das, dass es bereits vorhanden war – vielleicht als Potential.

Ihr besitzt Intelligenz, also ...

Ich habe euch schon öfter die Geschichte von Ramakrishna und Keshav Chandra Sen erzählt. Keshav Chandra war einer der intelligentesten Menschen seiner Zeit. Er begründete eine Religion ausschließlich auf der Basis seiner intellektuellen Philosophie, Brahmasamaj, die Gesellschaft Gottes. Und er hatte Hunderte und Tausende intelligenter Menschen als Anhänger, eine sehr intelligente Gruppe von Menschen. Doch es verstörte ihn, dass dieser ungebildete Ramakrishna, der nicht einmal die Grundschule abgeschlossen hatte – in Indien umfasst die Grundschule, die unterste Stufe der Schulbildung, vier Jahre, und er hatte nur zwei davon absolviert ... Warum gingen trotzdem Tausende von Menschen zu diesem Idioten? Das war es, was Keshav Chandra Sen so verstörte.

Schließlich beschloss er, dass er hingehen und diesen Mann besiegen müsse, denn er konnte sich nicht vorstellen, dass man ihn nicht argumentativ besiegen könne. Das konnte er sich einfach nicht vorstellen. Dieser Idiot aus einem kleinen Dorf versammelt jeden Tag Tausende von Menschen um sich! Von nah und fern kommen die Leute, um ihn zu sehen, um seine Füße zu berühren!

Keshav Chandra mit seinen Anhängern schickte Ramakrishna also eine Nachricht: »Ich komme an dem und dem Tag, um dich in jedem Punkt deines Glaubens herauszufordern. Mach dich bereit! «

Ramakrishnas Anhänger bekamen große Angst. Sie wussten, dass Keshav Chandra ein herausragender Logiker war; der arme Ramkrishna würde nicht in der Lage sein, ihm entsprechend zu antworten. Doch Ramakrishna freute sich, er tanzte sogar. Er sagte:

»Die ganze Zeit habe ich darauf gewartet. Das wird ein großer Freudentag, wenn Keshav Chandra kommt!«

Seine Schüler erwiderten: »Was sagst du da? Das wird ein trauriger Tag werden, denn du kannst nicht gegen ihn argumentieren.«

Ramakrishna antwortete: »Halt – wer will denn gegen ihn argumentieren? Ich brauche nicht zu argumentieren. Lasst ihn nur kommen.«

Doch seine Anhänger waren zittrig und furchtsam und hatten große Angst, dass ihr Meister besiegt und völlig am Boden zerstört würde. Sie kannten Keshav Chandra. In jenem Jahrhundert gab es im ganzen Land keinen intelligenteren Menschen als ihn.

Keshav Chandra kam mit hundert seiner engsten Anhänger, die die Debatte, die Diskussion, die Herausforderung verfolgen wollten. Ramakrishna wartete auf der Straße, um ihn zu empfangen, weit weg von dem Tempel, in dem er gewöhnlich lebte. Und er umarmte Keshav Chandra. Keshav Chandra war leicht verlegen, und seine Verlegenheit nahm immer mehr zu.

Ramakrishna nahm seine Hand und führte ihn zum Tempel. Er sagte zu ihm: »Ich warte schon seit vielen Jahren. Warum bist du nicht früher gekommen?«

Keshav Chandra sagte zu ihm: »Du scheinst mir ein seltsamer Mensch, du hast anscheinend überhaupt keine Angst. Verstehst du denn nicht? Ich bin zu einer Debatte hierher gekommen!«

Ramakrishna antwortete: »Natürlich.«

Also setzten sie sich in der Nähe des Tempels ans Ufer des Ganges, an einem wunderschönen Platz unter einem Baum. Und Ramakrishna sagte: »Fang an.«

Also fragte ihn Keshav Chandra: »Was ist deine Aussage über Gott? «

Ramakrishna erwiderte: »Muss ich etwas über Gott aussagen?

Kannst du Gott nicht in meinen Augen sehen?«

Keshav Chandra wirkte leicht verwirrt: »Was für ein Argument ist denn das? «

Ramakrishna fragte weiter: »Kannst du Gott nicht in meiner Hand spüren? Komm näher, mein Sohn.«

Und Keshav Chandra wunderte sich wieder: »Was für ein Argument ...?«

Er hatte schon an vielen Debatten teilgenommen, er hatte viele große Gelehrte besiegt, und dieser Hinterwäldler ... Das Hindi-Wort für Idiot ist Ganwar, und eigentlich bedeutet es Dorfbewohner.

Gaon ist das Dorf, und Ganwar ist jemand vom Dorf. Doch man verwendet es in der Bedeutung von dumm, zurückgeblieben, hinterwäldlerisch, idiotisch.

Ramakrishna sagte: »Wenn du die Sprache meiner Augen verstehen kannst, wenn du die Energie meiner Hand verstehen kannst, ist das Beweis genug dafür, dass die Existenz intelligent ist.

Denn woher kommt deine Intelligenz? «

Das war ein großartiges Argument. Er sagte: »Wenn du diese große Intelligenz besitzt – und ich weiß, dass du ein sehr intelligenter Mensch bist; ich habe dich immer geliebt –, dann sag mir doch, woher diese Intelligenz kommt. Wenn die Existenz ohne Intelligenz wäre, könntest du sie nicht besitzen. Woher sollte sie denn kommen? Du bist der Beweis dafür, dass das Leben intelligent ist, und das ist es, was ich unier Gott verstehe. Für mich ist Gott nicht jemand, der auf einer Wolke sitzt. Für mich bedeutet Gott einfach nur, dass die Existenz intelligent ist. Es ist ein intelligentes Universum; wir gehören dazu und wir werden gebraucht. Es erfreut sich an unserer Freude, es feiert in unserem Feiern, es tanzt durch unseren Tanz. Hast du meinen Tanz schon gesehen?« Und er begann zu tanzen.

Keshav Chandra fragte sich, was er nun machen sollte. Doch Ramakrishna tanzte so wunderbar. Er war ein guter Tänzer, denn er pflegte im Tempel manchmal vom Morgen bis zum Abend zu tanzen – ohne Pause! Er tanzte und tanzte, bis er erschöpft zu Boden fiel.

Also begann er so voller Freude und mit solcher Anmut zu tanzen, dass in Keshav Chandra ganz plötzlich eine Transformation vor sich ging. Er vergaß all seine Logik, er sah die Schönheit dieses Mannes, er sah das Strahlen dieses Menschen, er sah eine Freude, die er selbst noch nie verspürt hatte.

All sein Intellekt, all seine Argumente befanden sich nur an der Oberfläche, in seinem Innern herrschte vollständige Leere. Und dieser Mensch floss geradezu über. Er berührte Ramakrishnas Füße und sagte: »Vergib mir. Ich war voll kommen im Irrtum über dich.

Ich weiß nichts, ich habe nur philosophiert. Du weißt alles, und du sagst kein einziges Wort. «

Ramakrishna erwiderte: »Ich vergebe dir nur unter einer Bedingung. «

Keshav Chandra sagte zu ihm: »Ich akzeptiere jede Bedingung von dir. Ich bin bereit.«

Und Ramakrishna antwortete: »Meine Bedingung ist, dass du ab und zu kommen musst, um mit mir zu diskutieren, um mit mir zu debattieren, um mich herauszufordern.«

Das ist die Antwort eines Mystikers; und Keshav Chandra war vollkommen am Ende. Er wurde ein ganz neuer Mensch und begann jeden Tag zu kommen. Bald verließen seine Anhänger und sagten: »Er ist verrückt geworden. Dieser Verrückte hat ihn angesteckt. Zuerst war es nur ein Verrückter, jetzt sind es zwei. Er tanzt sogar mit ihm. «

Doch Keshav Chandra, der ein griesgrämiger Mensch gewesen war, der voller Groll gewesen war und sich über alles beklagte, weil er in einem negativen Raum lebte, begann plötzlich aufzublühen; Blumen tauchten in seinem Innern auf, ein neuer Duft. Er vergaß alle Logik. Ramakrishna hatte ihm einen Geschmack von etwas jenseits des Verstandes vermittelt.

Zen ist die Methode, um über den Verstand hinauszugehen.

Daher werden wir über Gott und über Zen gleichzeitig sprechen.

Gott muss negiert werden, und Zen muss tief in euer Wesen eingepflanzt werden. Die Lüge muss zerstört werden, und die Wahrheit muss enthüllt werden. Das ist der Grund, warum ich mir vorgenommen habe, über Gott und über Zen gleichzeitig zu sprechen. Gott ist eine Lüge, Zen ist die Wahrheit.

Nun zu euren Fragen. Hier die erste Frage:

Ist Gott wirklich tot? Die Vorstellung, dass er tot ist, er zeugt

in mir intensive Angst, Furcht, Grauen, Schrecken.

So wie ich die Dinge sehe, gab es niemals einen Gott, wie kann er also tot sein? Er wurde ja überhaupt niemals geboren. Er wurde von den Priestern erfunden, und er wurde aus genau diesen Gründen erfunden: weil der Mensch voller Angst war, voller Furcht, voller Grauen, voller Schrecken.

Als es noch kein Licht gab, kein Feuer – denkt nur einmal an diese Zeit der Menschheitsgeschichte zurück – wilde Tiere ringsumher, dunkle Nacht, kein Feuer, große Kälte, keine Kleidung, und die wilden Tiere, die nachts auf Nahrungssuche sind; die Menschen versteckten sich in Höhlen, kletterten auf Bäume, um ihnen auszuweichen ... Am Tag konnte man wenigstens sehen, ob sich ein Löwe näherte, dann konnte man versuchen, ihm zu entkommen. Doch in der Nacht waren sie den wilden Tieren vollkommen hilflos ausgeliefert.

Und dann stellten sie fest, dass Menschen mit der Zeit einfach alt werden und irgendwann sterben. Sie konnten nicht verstehen, was dabei passierte. Eben hatte dieser Mensch noch gesprochen, geatmet, war umhergegangen, hatte sich ganz normal verhalten.

Und plötzlich atmet er nicht mehr, spricht er nicht mehr. Das war für den primitiven Menschen solch ein Schock, dass der Tod zu einem Tabu wurde: Man durfte nicht darüber sprechen. Allein schon darüber zu sprechen löst Angst aus, die Angst, dass man selbst früher oder später ebenfalls an der Reihe ist, dass die Reihe immer kürzer und kürzer wird. Jemand stirbt, und damit rückt man dem Tod ein Stück näher; der nächste stirbt, und damit rückt man ihm wieder ein Stück näher.


Selbst über den Tod zu sprechen wurde zum Tabu, und nicht nur für primitive und gewöhnliche Menschen, sondern sogar für sehr intelligente. Der Begründer der Psychoanalyse, Sigmund Freud, konnte das Wort »Tod« nicht ertragen. Niemand durfte dieses Wort in seiner Anwesenheit aussprechen, denn bei der bloßen Erwähnung des Wortes »Tod« bekam er bereits einen Anfall, wurde er bewusstlos, mit Schaum vor dem Mund. So groß war die Angst dieses Mannes, der die Psychoanalyse entwickelte.

Einmal reisten Sigmund Freud und Carl Gustav Jung, ein anderer großer Psychoanalytiker, von Europa nach Amerika, um an verschiedenen Universitäten Vorträge über Psychoanalyse zu halten. Auf dem Schiff sprach Carl Gustav Jung einmal über den Tod. Sofort brach Sigmund Freud an Deck zusammen. Das war der Grund, warum Jung aus der psychoanalytischen Gesellschaft ausgeschlossen wurde, so dass er eine eigene Schule gründen musste. Er nannte sie die analytische Psychologie. Das ist einfach nur ein anderer Name für denselben Prozess. Doch der Grund für seinen Ausschluss war die Erwähnung des Todes. Zwei Dinge waren immer schon tabu in dieser Welt, und diese beiden Dinge sind zwei Seiten ein und derselben Energie. Das eine, was immer schon tabu war, ist Sex – »Darüber spricht man nicht«, und das andere ist der Tod – »Darüber spricht man nicht«. Beide sind miteinander verbunden: Am Anfang steht der Sex, und am Ende steht der Tod; es ist die Sexualität, die den Tod in die Welt bringt.

Nur ein Tier stirbt niemals, und das ist die Amöbe. Das ist euch sicher vollkommen klar, denn Pune ist voller Amöben. Ich habe diesen Ort speziell deshalb ausgewählt, weil Amöben unsterbliche Wesen sind. Und ihre Unsterblichkeit hängt mit der Tatsache zusammen, dass sie keine sexuellen Wesen sind. Sie entstehen nicht durch Sexualität, so dass es für sie keinen Tod gibt. Sexualität und Tod sind miteinander verbunden. Versucht das einfach einmal zu verstehen.

Die Amöbe ist ein asexuelles Tier, sie ist der einzige zölibatäre Mönch auf der ganzen Welt. Sie vermehrt sich auf eine vollkommen andere Art und Weise. Gott – wenn es ihn denn gibt – muss über die Amöben sehr glücklich sein, denn sie sind alle Heilige. Sie nehmen einfach immer weiter Nahrung auf und werden immer dicker und dicker, und an einem bestimmten Punkt teilen sie sich. Wenn eine Amöbe so dick ist, dass sie sich nicht mehr bewegen kann, teilt sie sich.

Das ist eine andere Art von Fortpflanzung. Weil keine Sexualität daran beteiligt ist, gibt es keine männlichen und weiblichen Amöben. Wenn eine Amöbe sich geteilt hat, beginnen beide Teile wieder Nahrung aufzunehmen. Bald sind sie dick genug, um sich wieder zu teilen. Sie vermehren sich also auf eine sehr mathematische Art und Weise. Es gibt für sie keinen Tod; eine Amöbe stirbt niemals – außer sie wird ermordet! Sie kann bis in alle Ewigkeit leben, wenn die medizinische Wissenschaft sie nicht umbringt. Doch ihre Unsterblichkeit ist dadurch bedingt, dass sie kein Produkt von Sexualität ist. Jedes Tier, das durch Sex entstanden ist, wird irgendwann sterben, denn es kann körperlich nicht unsterblich sein.

Diese beiden Dinge waren also immer schon tabu in dieser Welt: Sex und Tod. Beide wurden verborgen gehalten.

Ich bin in der ganzen Welt verurteilt worden, einfach nur, weil ich ohne Hemmungen über alle Tabus gesprochen habe, weil ich möchte, dass ihr alles über das Leben wisst, vom Sex bis zum Tod.

Nur dann könnt ihr euch über Sexualität und Tod erheben. Nur wenn ihr sie versteht, könnt ihr anfangen, euch an etwas anzunähern, was über Sexualität und Tod hinausgeht. Und das ist eure Ewigkeit, das ist eure Lebensenergie, reine Energie.

Durch Sexualität wird euer Körper geboren, nicht aber ihr selbst.

Durch den Tod stirbt euer Körper, nicht aber ihr selbst.

Es ist also vollkommen unnötig, diese Tabus aufzustellen. Doch die Religionen profitieren davon, in euch die Angst, die Furcht, das Grauen und den Schrecken aufrechtzuerhalten, die die Natur bereits in euch geweckt hatte.

In der ganzen Welt haben die Religionen, und vor allem die Priester, welcher Glaubensrichtung auch immer, die Angst des Menschen ausgenutzt, sie haben ihm einen Gott gegeben, eine Fiktion, eine Lüge – die zumindest zeitweilig die Wunde abdeckt.

»Habt keine Angst, Gott kümmert sich um euch. Ihr braucht nicht in Furcht und Schrecken zu leben, denn es gibt einen Gott, und alles ist gut. Alles, was ihr tun müsst, ist, an Gott zu glauben und an die Vertreter Gottes, die Priester, und an die Heiligen Schriften, die Gott in die Welt gegeben hat. Alles, was ihr tun müsst, ist glauben.


« Und dieser Glaube hat eure Angst, eure Furcht, euer Grauen und euren Schrecken zugedeckt.

Wenn ihr nun hört, dass Gott tot ist, ruft diese Vorstellung intensive Angst hervor. Das bedeutet, dass die Wunde wieder offen liegt. Doch eine verdeckte Wunde ist noch lange keine geheilte Wunde; tatsächlich ist es für den Heilungsprozess notwendig, dass sie aufgedeckt wird. Nur dann, unter den Strahlen der Sonne, an der frischen Luft, kann sie langsam heilen. Eine Wunde sollte niemals abgedeckt werden, denn wenn man sie abdeckt, vergisst man sie.

Und ihr wollt sie gern vergessen. Sobald sie abgedeckt ist, wird sie nicht nur von den anderen nicht mehr gesehen, sondern auch von euch selbst nicht. Doch unter der Abdeckung wächst sie sich zu einem Krebsgeschwür aus.

Eine Wunde muss heilen können, und dazu darf sie nicht abgedeckt werden. Abdecken ist keine Lösung. Gott diente dem Abdecken, deshalb löst die Vorstellung, dass Gott tot ist, so viel Angst aus. Alles, was in dir auftaucht, intensive Angst, Furcht, Grauen, Schrecken – das sind die Dinge, die die Priester mit dem Wort »Gott« zugedeckt hatten.

Doch indem sie sie zudeckten, haben sie die menschliche Evolution zur Buddhaschaft verhindert, haben sie den menschlichen Heilungsprozess verhindert, haben sie die Suche des Menschen nach der Wahrheit verhindert. Eine Lüge wurde euch als Wahrheit verkauft; natürlich denkt ihr dann, dass ihr nicht mehr nach der Wahrheit zu suchen braucht, da ihr sie ja bereits besitzt.

Es war absolut notwendig, dass Gott endlich für tot er klärt wurde. Doch ich möchte euch meine Sichtweise dazu erläutern. Es war gut, dass Friedrich Nietzsche Gott für tot erklärte. Doch ich erkläre euch, dass er nie geboren wurde. Er war nur eine Fiktion, eine Erfindung, keine Entdeckung. Versteht ihr den Unterschied zwischen Erfindung und Entdeckung? Bei einer Entdeckung geht es um die Wahrheit, eine Erfindung ist künstlich geschaffen. Sie ist eine vom Menschen geschaffene Fiktion.

Natürlich hat sie euch Trost gespendet, doch Trost ist nicht das Wahre! Trost ist Opium. Trost nimmt euch die Sicht auf die Realität, und das Leben fließt so schnell an euch vorbei – siebzig Jahre sind so rasch vorüber.

Jeder, der euch ein Glaubenssystem gibt, ist euer Feind, weil ein Glaubenssystem zu einem Schleier vor euren Au gen wird, so dass ihr die Wahrheit nicht sehen könnt. Selbst die Sehnsucht nach der Wahrheit verschwindet.

Doch am Anfang ist es bitter, wenn euch alle Glaubenssysteme genommen werden. Die Angst und der Schrecken, die ihr seit Jahrtausenden unterdrückt habt, die aber immer noch da sind, die sehr lebendig sind, werden sofort an die Oberfläche steigen. Kein Gott kann sie euch nehmen, nur die Suche nach der Wahrheit und die Erfahrung der Wahrheit – und kein Glauben – ist in der Lage, all eure Wunden zu heilen, euch ganz zu machen, euch heil zu machen. Und ein heiler Mensch ist für mich ein heiliger Mensch.

Wenn also Gott beseitigt wird und du darauf Angst und Schrecken, Furcht und Grauen verspürst, dann zeigt das, dass Gott kein Heilmittel war. Er war nur ein Trick, um dir die Augen zu verschließen. Er war eine Strategie, um dich im Dunkeln zu halten, um in dir die Hoffnung aufrechtzuerhalten, dass es nach dem Tod ein Paradies gibt. Warum nach dem Tod? Weil ihr so viel Angst vor dem Tod habt, erfinden die Priester ein Paradies nach dem Tod, um euch die Angst zu nehmen. Doch sie wird euch damit nicht wirklich genommen, sie wird nur in euer Unterbewusstsein verdrängt. Und je tiefer sie verdrängt wird, desto schwieriger ist es, sie loszuwerden.

Deshalb möchte ich alle eure Glaubenssysteme zerstören, alle eure Theologien, alle eure Religionen. Ich möchte alle eure Wunden aufdecken, damit sie heilen können. Die wahre Medizin ist nicht ein Glaubenssystem; die wahre Medizin ist Meditation. Ist euch bewusst, dass diese beiden Worte – Medizin und Meditation –

aus derselben Wurzel stammen? Medizin heilt den Körper, Meditation heilt die Seele. Doch ihre Wirkung ist dieselbe, beide wirken heilend.

Sobald ihr Gott losgelassen habt, seid ihr frei. Doch in dieser Freiheit seid ihr gleichzeitig erfüllt von Angst, Furcht, Grauen, Schrecken. Solange ihr euch nicht nach innen begebt, um euer eigenes authentisches Wesen, euer ursprüngliches Gesicht zu finden, den inneren Buddha, seid ihr nur am Zittern, zerstört ihr euer Leben, werdet ihr wahnsinnig, so wie Friedrich Nietzsche wahnsinnig wurde.

Und er ist nicht der Einzige, der wahnsinnig wurde. Es gibt viele Philosophen, die Selbstmord begingen, weil sie feststellten, dass es im Leben nichts gibt, und weil sie sich niemals nach innen wandten. Als sie feststellten, dass es keinen Sinn gibt, keine Bedeutung ... warum hätten sie da weiterleben sollen?

Einer der besten Romane, vielleicht der großartigste Roman der ganzen Welt, ist Dostojewskijs Die Brüder Karamasow. Es ist viel wichtiger, diesen Roman zu lesen, als die Bibel oder den Koran oder die Bhagavadgita, oder alle drei zusammen. Die Brüder Karamasow enthält tiefe Einsichten ... doch Fjodor Dostojewskij wurde wahnsinnig.

Er schrieb die großartigsten Romane der Welt, doch er führte ein elendes, trauriges, angsterfülltes Leben. Er war kein fröhlicher Mensch, doch er besaß ungeheuren Einblick – auf einer intellektuellen Ebene – in alle Probleme, denen sich der Mensch gegenübersieht. Er hat sich all diesen Problemen gewidmet. Die Brüder Karamasow ist solch ein umfangreicher Roman, dass ihn heute kaum noch jemand liest; die Leute ziehen es vor, sich vom Fernsehen berieseln zu lassen. Er hat an die tausend Seiten und ist voll intensiver Argumente.

Der jüngste Bruder – es sind drei Brüder – ist sehr fromm, gläubig, gottesfürchtig und möchte ein Mönch werden und in ein Kloster gehen. Der zweite Bruder ist absolut gegen Gott, absolut gegen die Religion, und in einer Diskussion mit seinem jüngeren Bruder argumentiert er über all diese Probleme. Er sagt: »Wenn ich jemals auf Gott treffen sollte, werde ich ihm als Erstes meine Fahrkarte zurückgeben und zu ihm sagen: >Behalte sie. Ich will dein Leben nicht, es ist bedeutungslos. Zeig mir einfach nur den Weg hinaus, denn ich möchte nicht auf dieser Welt sein. Ich möchte einfach nur dem Leben entrinnen; der Tod erscheint mir friedvoller als dieses sogenannte Leben. Nimm die Fahrkarte zurück, ich möchte nicht mit diesem Zug fahren. Und du hast mich auch niemals nach meinen Wünschen gefragt. Du hast mich in diesen Zug gezwungen, und jetzt leide ich ganz unnötigerweise. Ich hatte nie die Freiheit der Wahl. Warum hast du mir das Leben gegeben?<«

Das wollte er Gott fragen, falls er ihn jemals treffen sollte:

»Warum hast du mir das Leben geschenkt? Du hast mich ohne meine Zustimmung erschaffen. Das ist einfach nur Sklaverei. Und eines Tages wirst du mich sterben lassen, ohne mich zu fragen. Du hast alle möglichen Krankheiten in mir angelegt, und du hast alle möglichen Sünden in mir angelegt, für die ich verdammt bin, und dabei bist du doch dafür verantwortlich.«

Wer hat die Sexualität in euch angelegt? Das muss doch Gott gewesen sein, der die Menschen erschaffen hat und der zu Adam und Eva gesagt hat, geht in die Welt und vermehrt euch, zeugt so viele Kinder wie möglich. Ganz offensichtlich hat er die Menschen als sexuelle Wesen erschaffen, hat er sie als Paar erschaffen.

Iwan Karamasow, der atheistische Bruder, sagt also: »Wenn ich ihn finde« – und wer weiß, vielleicht hat Nietzsche Unrecht und er lebt noch –, »dann werde ich ihn töten. Dann werde ich der Erste sein, der die Menschheit von diesem Diktator befreit, der in den Menschen einerseits Sex und Gewalt und Zorn und Gier und Ehrgeiz angelegt hat, alle möglichen Gifte, und dessen Vertreter auf Erden andererseits ständig betonen, dass Sex Sünde sei, dass man keusch leben sollte. Ist das nicht merkwürdig? «

George Gurdjieff pflegte zu sagen: »Alle Religionen sind gegen Gott.« Diese Aussage hat einen sehr tiefen Sinn. Er war kein Mensch, der Aussagen traf, ohne dass ein tiefes, intensives Verstehen dahinter gewesen wäre. Wenn er behauptet, dass alle Religionen gegen Gott sind, meint er damit, dass Gott uns Sex gegeben hat und die Religionen uns Keuschheit lehren. Was soll das? Gott hat uns Gier gegeben, und die Religionen lehren Bedürfnislosigkeit. Gott hat uns Gewalt gegeben, und die Religionen lehren Gewaltlosigkeit. Gott hat uns Zorn gegeben, und die Religionen lehren Sanftmut. Es ist also eine vollkommen klare, logische Schlussfolgerung, dass alle Religionen gegen Gott sind.

Iwan Karamasow sagt also: »Wenn ich ihn irgendwo treffe, werde ich ihn umbringen, doch zuvor werde ich ihm all diese Fragen stellen.«

Der ganze Roman ist eine einzige große Diskussion. Der dritte Bruder ist nur ein Halbbruder. Er wurde von einer Frau geboren, die nicht die Ehefrau ihres Vaters war, die nur eine Leibeigene war.

Dieser dritte Bruder wird von der äußeren Welt fern gehalten, so dass er zurückgeblieben ist. Er ist fast wie ein Tier: Er isst, trinkt und lebt in einem dunklen Raum im weiten Palast der Karamasows.

Sein Leben ist vollkommen sinnlos.

Und Iwan Karamasow sagt: »Denk an unseren Halbbruder, unseren illegitimen Bruder, den Gott ebenfalls erschaffen hat. Was ist der Sinn seines Lebens? Er darf nicht einmal an die Sonne kommen, er darf nicht einmal an die frische Luft kommen. Unser Vater hält ihn in Dunkelheit eingeschlossen. Niemand kommt jemals, um ihn zu sehen, um ihn zu begrüßen. Niemand auf dieser ganzen Erde ist sein Freund. Er kennt niemand anderen. Er kann nicht sprechen, weil er niemals zu jemandem gesprochen hat. Sein Leben ist das eines Tieres: essen, trinken, schlafen; essen, trinken, schlafen ... Er wird niemals eine Frau kennen lernen, er wird niemals die Liebe kennen lernen. Was passiert mit seinen sexuellen Instinkten? «

Es handelt sich um eine intensive Diskussion aller Probleme, mit denen sich ein intelligenter Mensch konfrontiert sieht. Iwan bringt all diese Probleme ans Licht: »Was glaubst du, was Gott über unseren Halbbruder zu sagen hätte? Was ist seine Bedeutung?

Warum hat er ihn auf diese Weise erschaffen? Wenn jemand dafür verantwortlich ist, dann er, und ich werde mich an ihm dafür rächen. Lass mich ihn nur finden! Und ich hoffe, dass Nietzsche Unrecht hat, dass er nicht tot ist. Sonst würde mir die Gelegenheit entgehen, ihn zu töten. Ich möchte ihn töten, damit die Menschheit endlich frei von ihm ist. «

Doch wenn man die Menschheit von ihm befreit hat ... wofür ist sie dann frei? Für Angst? Für Tod? Für Selbstmord? Für Mord? Für Diebstahl? Freiheit für was?

Einer der existentialistischen Romane erzählt von einem jungen Mann, der vor Gericht gestellt wird, weil er einen Fremden am Strand ermordet hat, jemanden, den er nie zuvor gesehen hatte. Er schlich sich von hinten an den Mann heran, der da saß und den Sonnenuntergang beobachtete, stieß ihm ein Messer in den Rücken und tötete ihn. Und er hatte ihn nie zuvor gesehen.

Es war ein seltsamer Fall. Man tötet nicht, wenn man nicht irgendeine Feindseligkeit empfindet, irgendeinen Zorn, irgendwelche Rachegelüste. Doch sie kannten sich überhaupt nicht, sie waren nicht befreundet gewesen. Man kann einen Freund töten – Freunde bringen sich ständig um –, doch er war kein Freund gewesen, und erst recht kein Feind. Man kann jemanden nur zum Feind haben, wenn man zunächst einmal befreundet war. Dieser Schritt ist notwendig: erst Freund, dann Feind. Niemand kann direkt zum Feind werden. Es braucht eine gewisse Bekanntschaft, eine Freundschaft, um jemanden zum Feind werden zu las sen.


Der Gerichtshof wusste nicht weiter. Der Richter fragte den Mann: »Warum haben Sie einen Fremden umgebracht, den Sie niemals zuvor gesehen hatten, dessen Namen Sie nicht einmal kannten?« Der Mann antwortete: »Das spielt doch keine Rolle. Ich fühlte mich einfach nur gelangweilt, so gelangweilt, dass ich etwas tun wollte, etwas, das mein Bild in alle Zeitungen bringen würde.

Und das ist passiert; jetzt fühle ich mich ein bisschen weniger gelangweilt. Und das Leben hat ja sowieso keinen Sinn. Was hat dieser Idiot schon gemacht? Was hätte er gemacht, wenn ich ihn nicht umgebracht hätte? Er hätte einfach immer weiter dasselbe gemacht, was er schon seit Jahren gemacht hat. Wozu also die Aufregung? Warum werde ich deshalb vor Gericht gestellt? «

Der Richter war vollkommen verwirrt: Es gab keine Augenzeugen, nur diesen Mann selbst, der sagte: »Ich habe diesen Mann umgebracht , doch ohne Zeugen könnt ihr mich nicht verurteilen. Vielleicht lüge ich ja, wer weiß? Es gibt keine Zeugen.«

Dann wurden Leumundszeugen vor Gericht zitiert. Einer der Nachbarn erklärte: »Dieser Mann ist seltsam. Seine Mutter starb an einem Sonntag, und als man ihn darüber informierte, sagte er:

>Diese Frau hat schon immer Ärger gemacht – ausgerechnet an einem Sonntag. Der Sonntag ist ein Feiertag, hätte sie nicht an einem Samstag oder einem Freitag sterben können? Doch ich habe schon immer gewusst, dass diese Frau, die mich mein Leben lang gequält hat, mir einen Feiertag versauen würde. Und so ist es auch gekommen.

Und als er gefragt wurde, warum er so ärgerlich darüber sei, antwortete er: >Ich bin ärgerlich, weil ich Kinokarten für mich und meine Freundin besorgt hatte und weil diese Frau auch an jedem anderen Tag hätte sterben können. Warum musste sie ausgerechnet an einem Sonntag sterben? Das verstehe ich nicht. Aber ich weiß ja, dass sie immer schon so war.«

Ein anderer Zeuge kam und sagte: »Er begrub seine Mutter und ging am selben Abend noch mit einer schönen jungen Frau zum Tanzen. Und als jemand zu ihm sagte: >Deine Mutter ist erst heute morgen beerdigt worden. Ist es da recht, dass du am Abend schon wieder tanzen gehst?<, antwortete er: >Was soll das heißen? Jedes Mal, wenn ich von nun an tanzen gehe, wird es nach dem Tod meiner Mutter sein. Welche Rolle spielt es da, ob es zwölf Stunden her ist, zwölf Tage oder zwölf Jahre? Es wird immer nach dem Tod meiner Mutter sein. Willst du vielleicht, dass ich nie mehr tanzen gehe, nur weil meine Mutter gestorben ist?.

Das ist vollkommen logisch, aber es ist unmenschlich. Diese Zeugen erzählten also solche Dinge über ihn und sagten: »Dieser Mann ist seltsam. Er kann einfach alles machen, ohne dass die Dinge eine Bedeutung für ihn haben.«

Doch der Mann erwiderte: »Ich sehe überhaupt keine Bedeutung im Leben. Worin besteht das Verbrechen, wenn man einen Menschen umbringt? Ich befreie ihn doch nur von seiner Sklaverei.

Ich begehe damit keine Sünde, ich begehe kein Verbrechen. Ich helfe einfach nur einem Menschen, der zu feige dazu ist, Selbstmord zu begehen.«

Eine negative Philosophie wird zu solchen Ergebnissen führen.

Eine negative Philosophie wird die Menschen in den Wahnsinn treiben, und die letzte Schlussfolgerung davon kann nur sein, Selbstmord zu begehen.

Ein großer negativer Philosoph Griechenlands, Zeno, predigte tatsächlich sein ganzes Leben lang, dass Selbstmord der einzige Ausweg sei. Tausende seiner Anhänger begingen Selbstmord. Er erklärte: »Das Leben ist sinnlos, ohne Bedeutung. Nur aus Feigheit leben die Menschen immer weiter. Sie haben nicht genug Mut, um den letzten Schritt zu machen und dem Ganzen ein Ende zu setzen.

Sei kein Feigling. Nur Selbstmord beweist, dass du kein Feigling bist.«

Er war sehr überzeugend. Es erscheint sehr überzeugend, wenn jemand zu einem sagt: »Nur Selbstmord beweist, dass du kein Feigling bist, denn wozu willst du weiterleben? Was hast du bisher gemacht? Die Hälfte deines Lebens hast du bereits verbracht, und mit welchem Resultat? Mit welchem Ergebnis? Du wirst die übrige Hälfte genau so verbringen, und du wirst wie ein Tier sterben.

Zeige wenigstens ein bisschen Würde, indem du Selbstmord begehst!«

Dieser Mann argumentierte, dass die Geburt nicht in unseren Händen liegt, doch dass wir zumindest nicht zulassen sollten, dass der Tod ebenfalls über uns gebietet. Sei Herr deines eigenen Todes, begehe Selbstmord! Seine Argumente sind sehr tiefgründig. Er sagt: »Ihr wart hilflos in Bezug auf eure Geburt, ihr konntet nichts dagegen tun. Es musste geschehen, doch in Bezug auf den Tod gibt es eine Wahl: Entweder du stirbst wie ein Tier oder du begehst Selbstmord wie ein Mann. Selbstmord gibt dem Menschen die Würde, dass er über seinen Tod selbst bestimmen kann.« Er überzeugte viele junge Menschen, so dass sie Selbstmord begingen.

Kurz bevor er im Alter von neunzig Jahren starb, fragte ihn jemand: »Tausende von Menschen haben deiner Philosophie und deiner Argumentation entsprechend Selbstmord begangen, doch warum hast du selbst dich nicht umgebracht? Warum hast du selbst ein langes Leben gelebt?«

Darauf antwortete dieser Mann: »Ich musste einfach leben, um meine Philosophie zu lehren. Es war eine Last, doch aus Mitgefühl mit den anderen musste ich leben! Wer hätte sie sonst lehren sollen? Der einzig wahre Umgang mit dem Leben ist der Tod. Ich habe mein ganzes Leben lang gelitten. Ich habe meine eigene Würde aufgegeben, indem ich keinen Selbstmord beging, weil ich mich um meine Mitbürger kümmern musste, vor allem um meine Anhänger. Ich bin sehr glücklich darüber, dass sie alle Selbstmord begangen haben. Jetzt kann ich in Frieden sterben, denn ich habe meine Aufgabe erfüllt.«

Eine negative Philosophie muss zu solchen Schlussfolgerungen führen. Zen ist die einzige Alternative, die einzige positive Alternative, denn sie gibt ein Gefühl von Richtung, ein Gefühl von Erfüllung, ein Gefühl von Ewigkeit und die Möglichkeit, über Geburt, Tod und Körper hinauszugehen und mit dieser wunderbaren Existenz eins zu sein, die so ungeheuer intelligent ist.

Die zweite Frage:

Kann der Mensch ohne Gott leben?

Ja. Tatsächlich kann der Mensch nur ohne Gott leben. Mit Gott lebt der Mensch nicht, er zögert an jedem Punkt des Lebens, er ist immer halbherzig.

Er ist mit einer Frau zusammen und macht sich Sorgen wegen der Hölle. Wie kann er eine Frau lieben, wenn die Bibel sagt, die Frau sei das Tor zur Hölle? Er schläft mit ihr, doch gleichzeitig denkt er an die Bibel und die Sonntagspredigt: »Die Frau ist das Tor zur Hölle. Was machst du da?« So kann er weder mit noch ohne Liebe leben. Gott hat den Menschen schizophren gemacht, halbherzig in allem.

Du verdienst Geld, und gleichzeitig weißt du, dass Geld gier eine Sünde ist. Doch wenn du kein Geld verdienst, verhungerst du.


Dein ganzes Wesen wehrt sich gegen das Verhungern, zwingt dich dazu, Geld zu verdienen, um dich zu ernähren. Die Natur zieht dich in die eine Richtung, und Gott und seine Vertreter auf Erden ziehen dich in die andere Richtung. Dadurch bist du in einer seltsamen Situation.

Dafür gibt es ein wunderbares indisches Sprichwort. In Indien verwenden die Wäscher Esel, um die Wäsche zum Fluss zu transportieren. Und nach dem Waschen beladen sie den Esel wieder mit der Wäsche, um sie zu den Häusern zurückzubringen, wo sie sie am Morgen abgeholt haben. Das Sprichwort lautet also: »Dein Leben gleicht dem eines Wäscheresels. « Er ist nie wirklich zu Hause und auch nie wirklich am Fluss, sondern immer dazwischen unterwegs, vom Haus zum Fluss und vom Fluss zum Haus.

Der Esel eines Wäschers steht einfach für Schizophrenie. Bei jeder Handlung bist du nur halb dabei, doch weil die ganze Menschheit schizophren ist, realisierst du es nicht. Du liebst jemanden, doch gleichzeitig hasst du auch den Menschen, den du liebst. Wodurch ist dieser Hass entstanden? Er kommt daher, dass du die Frau liebst, doch die Frau ist das Tor zur Hölle. Du musst sie also gleichzeitig hassen. Am Abend schließt du Freundschaft mit ihr, doch am nächsten Morgen seid ihr Feinde. Ihr geht ständig auseinander und kommt wieder zusammen. Und das geht ewig so weiter – wie beim Esel eines Wäschers.

Du fragst: »Kann der Mensch ohne Gott leben?« Nur ohne Gott ist es möglich, vollständig zu leben, meditativ zu leben, total zu leben.

Es lohnt sich, über eine Aussage von Sigmund Freud nachzudenken. Weil er sich sein ganzes Leben lang mit dem Thema Sexualität beschäftigt hatte, dachte er, dass Sexualität die Wurzel aller Probleme sei. Ihm wurde nie klar, dass nicht die Sexualität das Problem ist, sondern die Unterdrückung der Sexualität. Der Priester ist das Problem, Gott ist das Problem, die Heiligen Schriften sind das Problem – nicht die Sexualität.

Sexualität ist eine ganz einfache Sache. Alle Tiere genießen ihre Sexualität; kein Tier geht zu einem Psychoanalytiker. Ich habe noch nie ein Tier getroffen, das zum Psychiater geht, weil es sich schizophren fühlt. Sie alle leben und genießen das Leben, ohne dass es für sie ein Problem wäre.


Die Heiden lebten sehr glücklich, bevor die Religionen, und besonders das Christentum, sie ausrotteten. Sie hatten keine Vorstellung von Sünde. Sie liebten ihre Frauen, sie tanzten, sie tranken, sie spielten Musik. Ihr ganzes Leben war reine Freude.

Sigmund Freud machte folgende Aussage, von der ich euch erzählen wollte: »Die Kirchen können die Sexualität nicht abschaffen.«

Doch es ist ihnen gelungen, sie zu vergiften. Es gelang ihnen nicht, die Sexualität abzuschaffen, sonst gäbe es inzwischen keine Menschheit mehr. Die Sexualität ist immer noch da. Doch sie haben die Freude daran zerstört, sie haben sie zu einer großen Sünde gemacht. Also begeht ihr die Sünde und denkt, die Frau sei die Ursache dafür.

In Wahrheit ist es vollkommen anders; Gott ist die Ursache dafür. Doch da Gott nur eine Fiktion ist, kann er nichts tun. Der Priester ist es, sein Stellvertreter, das Sprachrohr Gottes, der alle möglichen Schuldgefühle in euch hervorruft. Diese Schuldgefühle erlauben es euch nicht, wirklich zu leben. Alles ist falsch, alles ist Sünde.

Also nochmals zu deiner Frage: »Kann der Mensch ohne Gott leben? «

Ich sage euch, der Mensch kann nur dann leben, wenn er keinen Gott hat. Doch das ist nur die eine Hälfte. Der fiktive Gott muss durch eine tatsächliche Erfahrung der Wahrheit in der Meditation ersetzt werden; andernfalls werdet ihr wahnsinnig.

Die dritte Frage:

Alle Religionen basieren auf einem Gott. Ihre Moral, ihre

Gebote, ihre Gebete, ihre Heiligen – alles weist auf einen Gott

hin, und du sagst, Gott sei tot. Was passiert dann mit all den

Dingen, die von dem Konzept eines Gottes abhängen?

All diese Dinge, die von dem Konzept eines Gottes abhängen, sind Schwindel; durch all diese Dinge werden nur Heuchler hervorgebracht. Eure Moral ist nicht echt, sie wird euch von außen auferlegt, aus Angst oder aus Gier. Wahre Moral entsteht nur im Bewusstsein eines Meditierenden. Sie ist nichts, was von außen kommt, sie ist etwas, was in deinem eigenen Inneren erblüht. Sie ist spontan. Und wenn Moral spontan ist, ist sie voll Freude, ist sie einfach ein Teilen deines Mitgefühls und deiner Liebe. Alle Qualitäten, die von einem Gott abhängen, werden mit dem Verschwinden Gottes ebenfalls verschwinden. Sie betreffen nur die Oberfläche.

Ihr habt alle eine Hintertür. An der Vordertür seid ihr die eine Person, und an der Hintertür seid ihr eine andere Person. Habt ihr es schon einmal beobachtet? An der Vordertür seid ihr gute Katholiken, so religiös, so fromm, so gottesfürchtig, dass jeder glauben könnte, ihr seid Heilige. Doch das gilt nur bis zu eurem Wohnzimmer. An der Hintertür seid ihr so, wie menschliche Wesen eben sind, mit all ihren Instinkten, mit all ihrer Sexualität, mit all ihrer Gier, mit all ihrer Aggressivität. Schaut euch nur einmal euren Gott selbst an. Die verschiedenen Religionen haben unterschiedliche Vorstellungen von ihm, doch alle Vorstellungen beweisen, dass Gott der erste Sünder war.

Der Hindu -Gott erschuf die Frau und vernarrte sich in sie – in seine eigene Tochter. Die Frau bekam Angst und verwandelte sich in eine Kuh, doch Gott wurde zu einem Stier. Sie lief davon und verwandelte sich in etwas anderes, und Gott folgte ihr – nach der hinduistischen Mythologie entstanden so die unterschiedlichen Tierarten; dadurch, dass Gott der Frau in verschiedene Gestalten folgte. Die Frau veränderte ihre Gestalt, und Gott veränderte ebenfalls seine Gestalt. Die Frau nahm immer die weibliche Form an, und Gott nahm immer die männliche Form an. Deshalb gibt es so unzählig viele Arten. Wenn die Frau zu einer weiblichen Stechmücke wurde, wurde Gott zu einer männlichen Stechmücke.

So ging es immer weiter, und vielleicht geht es immer noch so weiter.

Glaubt ihr, dieser Gott sei ein moralischer Gott? Und dasselbe gilt für die Götter aller Religionen. Der jüdische Gott sagt im Alten Testament: »Ich bin ein eifersüchtiger Gott. Ich bin keiner, der euch vergibt, ich bin ein zorniger Gott. Ihr sollt keine anderen Götter neben mir haben. Und denkt daran, ich bin euer Vater, nicht euer Onkel.« Was für ein Gott ist das, eifersüchtig und besorgt, dass ihr einen anderen Gott anbeten könntet? Und schließlich sagt er noch:

»Ich bin euer Vater, denkt daran; ich bin nicht euer Onkel.«

Onkel sind immer nettere Menschen als Väter.

Eine deutsche Theologieprofessorin, Uta Ranke-Heinemann, machte einmal folgende Aussage: »Die Mehrheit der katholischen Bischöfe in den USA ist sexuell gestört. Wir müssen annehmen, dass die deutschen Bischöfe bald eine Kommission einberufen werden, um festzustellen, ob sie ebenfalls sexuell gestört sind.«

Von dem Kirchenhistoriker Professor Georg Denzler stammt der Kommentar: »Der Papst ist verantwortlich für eine sehr schmerzliche, schreckliche Sexualmoral.«

Und eine deutsche protestantische Pastorin, Helga Frisch, sagte:

»Als das Zölibat im zehnten Jahrhundert eingeführt wurde, töteten die Priester den Abgesandten des Papstes und drohten, auch den Erzbischof umzubringen. Ich bin sehr erstaunt, dass heutige Priester keine ähnlichen Maßnahmen ergreifen.«

Es gibt eine Moral, die von außen auferlegt wird und niemals im Einklang mit deinem Herzen ist. Und es gibt eine Moral, die von innen kommt und immer im Einklang mit deinem Herzen ist und im Einklang mit dem Herzen des Universums. Das ist die wahre Moral.

Ich gebe euch keine Disziplin, keine Moral. Ich gebe euch einfach nur eine klare Vision. Alles, was aus dieser Klarheit kommt, ist gut, ist göttlich, ist moralisch.

Die vierte Frage:

Ist die Fantasievorstellung von einem allmächtigen,

allwissenden, allgegenwärtigen Gott nicht einfach ein verdeckter

Ausdruck menschlichen Machtstrebens?

Im Grunde handelt es sich um zwei Dinge. Erstens um eine tiefe Angst vor dem Leben und vor dem Tod, eine Angst vor Unwissenheit, eine Angst, sich selbst nicht zu kennen. Doch aus dieser Angst entsteht auch eine Sehnsucht nach Macht. Tatsächlich basiert die Sehnsucht nach Macht immer auf einem Minderwertigkeitskomplex.

Das ist der Grund, warum ich immer sage, dass alle eure Politiker und alle eure sogenannten religiösen Führer unter einem Minderwertigkeitskomplex leiden. Dieser

Minderwertigkeitskomplex ist eine Qual für sie. Sie möchten gern auf einem hohen Podest stehen und viel Macht haben. Diese Macht hilft ihnen, sich zumindest zeitweilig von ihrem Minderwertigkeitskomplex zu befreien. Nun wissen sie, dass sie weltweit bekannt sind. Wie können sie minderwertig sein, wenn ihnen doch Millionen von Menschen folgen? Sie können sich selbst einreden, dass sie nicht minderwertig sein können, wenn sie so viel Macht haben. Doch es spielt keine Rolle, ob man Macht hat oder nicht, denn ein Minderwertigkeitsgefühl kann durch Macht niemals aufgelöst, sondern nur verdeckt werden.

Da ist also auf der einen Seite Gott, der Angst, Schrecken und Tod verdeckt. Und auf der anderen Seite kann jemand, der an einen Gott glaubt, der allmächtig, allgegenwärtig, allwissend ist, sich irgendwie mit diesem Gott identifizieren. Man ist ein Christ, man identifiziert sich selbst mit Christus – und er ist der Sohn Gottes.

Damit ist man -Gott schon sehr nahe gekommen, was die Verbindung betrifft.

Oder jemand glaubt an Krishna, und dieser ist die Reinkarnation Gottes, die vollkommene Reinkarnation. Wenn man an ihn glaubt, ist man der Macht schon sehr nahe gekommen. Man hat vielleicht selbst keine Macht, doch man glaubt an jemanden, der Macht hat.

Darin zeigt sich also auch eine Sehnsucht nach Macht. Doch warum sehnt man sich nach Macht? Das liegt daran, dass man sich schwach fühlt, dass man sich machtlos fühlt, dass man sich minderwertig fühlt. Die Religionen sorgen also zunächst für Minderwertigkeitsgefühle, für Angst, für Gier. Danach ist man dann bereit, einen Gott als allwissend, allgegenwärtig, allmächtig zu akzeptieren, und im Glauben, in der Anbetung ist man ihm so nahe, dass man einen Teil seiner Macht mit ihm teilt. Man wird zu einem Mini-Gott. Doch all das ist nur eine psychische Krankheit, und Gott ist nicht das Heilmittel.

Hier ein Zen-Haiku – Taneda schrieb:

Auf der Suche wonach?

Ich ziehe mit dem Wind.

Er sagt damit: »Ich weiß nicht, wonach ich suche. Wie kann ich es wissen, bevor ich es nicht gefunden habe? Wahrheit ist nur ein Wort. Wie kann ich sagen, wonach ich suche? Bevor ich es nicht gefunden habe, kann ich nicht sagen, was ich suche.«

Das ist eine merkwürdige, aber sehr schöne Aussage. Er sagt damit: Bevor man die Wahrheit gefunden hat, kann man eigentlich gar nicht sagen, dass man die Wahrheit sucht. Man sucht einfach nur. Man weiß nicht, wonach. Wüsste man es, müsste man nicht suchen. Man tastet im Grunde nur im Dunkeln.

Taneda hat vollkommen Recht. Ein Suchender tastet einfach nur im Dunkeln herum, in der Hoffnung, dass da irgendwo ein Weg sein muss. Das Leben kann schließlich nicht so grausam sein.

Auf der Suche wonach?


Ich ziehe mit dem Wind.

Ich bewege mich einfach nur überallhin, ich ziehe mit dem Wind. Doch ich weiß nicht, wonach ich suche. Ich werde es erst wissen, wenn ich es gefunden habe. Er sagt: Jeder, der nach etwas sucht, glaubt an etwas, bevor er es gefunden hat, und das ist falsch.

Das ist es, was alle Religionen machen – sie geben den Menschen einen Glauben, bevor sie etwas gefunden haben; bevor sie etwas wissen, werden sie zu Gläubigen gemacht, zu Getreuen. Und ihre ganze Suche wird dadurch zunichte gemacht.

Ich frage euch nicht, wonach ihr sucht. Ich zeige euch einfach nur den Weg. Ich bestärke euch einfach nur: »Geht weiter, geht weiter, geht weiter.« Ihr müsst es irgendwann finden, denn es liegt irgendwo in euch selbst. Wenn ihr tief genug sucht, mit totaler Hingabe, werdet ihr es irgendwann finden. Und erst durch das Finden werdet ihr erkennen, wonach ihr gesucht habt. Das ist ein vollkommen anderer Standpunkt, der allen Glaubenssystemen der Welt diametral entgegengesetzt ist.

Und nun die Meditation:

Sei still, schließe deine Augen und fühle, wie dein Körper vollkommen ruhig wird.

Das ist der richtige Augenblick, um nach innen zu gehen.

Sammle all deine Kräfte – es braucht deine ganze Kraft – und begib dich zum innersten Zentrum deines Seins mit vollkommener Bewusstheit und mit dem drängenden Bewusstsein, dass dieser Augenblick dein letzter Augenblick auf Erden sein könnte. Nur solche Dringlichkeit kann dich zum tiefsten Zentrum deines Wesens bringen.

Geh schneller und schneller, tiefer und tiefer nach innen. Sobald du dem Zentrum nahe kommst, senkt sich eine große Stille auf dich herab, wie ein sanfter, kühler Regen.

Du kannst sie fühlen, sie ist spürbar.

Geh noch etwas weiter, und rings um dich herum werden Blumen des Friedens erblühen.

Noch ein bisschen weiter ... und eine große Ekstase taucht auf, so dass du trunken bist vom Göttlichen.

Noch ein Schritt weiter und du bist im innersten Zentrum deines Wesens. Zum ersten Mal siehst du dein ursprüngliches Gesicht.

Dein ursprüngliches Gesicht ist das Gesicht des Buddhas.


Ich verwende das Wort »Buddha« als Symbol des vollkommenen Erwachens, der vollständigen Erleuchtung.

Ein großes Strahlen wird dich umgeben, ein seltsames Licht, das du noch nie zuvor gesehen hast.

Die einzige Qualität, an die du dich in diesem Augenblick erinnern musst, ist Gewahrsein. Sie macht das gesamte Wesen des Buddhas aus.

Sei gewahr, dass du nicht der Körper bist. Sei gewahr, dass du nicht der Verstand bist.

Sei gewahr, dass du nur der Zeuge bist.

Lass los, doch erinnere dich daran, dass du ein Buddha bist, und ein Buddha besteht nur aus einer einzigen Energie, und diese Energie ist Gewahrsein.

In diesem Augenblick beginnst du wie Eis im Ozean zu schmelzen. Alle Trennung ist eine Illusion, nur Einssein ist die Wahrheit.

Du zählst du den gesegnetsten Menschen auf dieser Erde, denn alle kümmern sich nur um Trivialitäten. Du aber suchst nach dem Letztgültigen, dem Ewigen, und du bist ihm sehr nahe.

Eine große Glückseligkeit senkt sich auf dein innerstes Zentrum nieder, Blüten fallen auf dich herab. Das gesamte Universum freut sich mit dir.

Sammle all diese Erfahrungen ein.

Du musst sie in dein gewöhnliches, alltägliches Leben bringen –

den Frieden, die Heiterkeit, das Schweigen, die Ekstase, die Musik, den Tanz. Dein Leben muss ein andauerndes Ritual werden. Nur dann bist du vollständig.

Und vergiss nicht, den Buddha zu bitten, noch ein bisschen näher zu kommen. Er ist dir schon sehr nahe. Er ist deine innerste Natur.

Dies sind die drei Schritte der Meditation: Zunächst tritt der Buddha hinter dich wie ein Schatten, doch sehr solide und golden, mit großer Strahlkraft, und erzeugt eine neue Atmosphäre um dich herum, eine Atmosphäre des Segens, des Mitgefühls, der Glückseligkeit.

Der zweite Schritt besteht darin, dass du der Schatten wirst und der Buddha sich vor dir befindet und dein Schatten ganz langsam und allmählich verschwindet.


Der dritte Schritt besteht darin, dass du im Buddha verschwunden bist und nur der Buddha noch vorhanden ist und du nicht mehr vorhanden bist. Wenn das geschieht, hast du den Gipfel des Lebens erreicht, bist du nach Hause gekommen, bist du angekommen.

Nun brauchst du nirgendwohin mehr zu gehen. Du wirst eins mit dem Leben selbst.

Darum sage ich, dass meine Philosophie in Wahrheit existentialistischer ist als die negativen Philosophien des Westens.

Ich versuche, den Westen und den Osten zusammenzubringen.

Mein ganzes Bemühen geht dahin, die Menschen reicher zu machen, äußerlich und innerlich, in vollkommenem Gleichgewicht.

Dieses Gleichgewicht ist Zen.

Und denkt daran: Gott ist tot, und Zen ist nun die einzige lebendige Wahrheit.

Ihr seid die Pioniere eines neuen Zeitalters, eines neuen Menschen, einer neuen Menschheit.

... Jetzt komm zurück ... doch komm zurück als Buddha, mit derselben Anmut, mit demselben Schweigen, mit derselben Freude.

Bleib eine Zeit lang still sitzen, um dich an den goldenen Pfad zu erinnern, den du gegangen bist, und an die Erfahrung des Jenseits, das dir so nahe gekommen ist, das Mysterium der inneren Welt, des unendlichen Raums, der ewigen Zeitlosigkeit.

Und fühle die Gegenwart des Buddhas hinter dir. Das ist es, wodurch Friedrich Nietzsches Aussage vollständig wird. Ohne Zen ist sie unvollständig und treibt die Menschen in den Wahnsinn. Mit Zen wird sie vollständig und kann die Menschen zu der äußersten geistigen Klarheit führen, deren Menschen überhaupt fähig sind.

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