Gott ist eine Lüge


Nachdem Nangaku diesen Kommentar über Sekito abgegeben

hatte, schickte er den Mönch abermals zu Sekito, um ihm einige

Fragen zu stellen. Als der Mönch bei ihm ankam, fragte er also:

»Was ist Befreiung?«

Sekito antwortete: »Wer hat dich gebunden?« Der Mönch

fragte weiter: »Was ist das reine Land?« Sekito erwiderte: »Wer

hat dich schmutzig gemacht?« Und weiter fragte der Mönch:

»Was ist das Nirwana?«

»Wer gab dir Geburt und Tod?«, entgegnete Sekito.

Der Mönch kehrte zu Nangaku zurück und berichtete von

Sekitos Antworten. Darauf faltete Nangaku die Hände, verneigte

sich vor ihm und berührte seine Füße.

Zu jener Zeit galten Kengo, Ran und Nangaku als die drei

großen Meister des Landes, und alle drei sagten sie: »Vom

Stonehead dringt das Brüllen eines Löwen an mein Ohr.«

Der Mönch ging daraufhin zurück zu Sekito und sagte zu ihm,

dass er es ihn wissen lassen solle, wenn er irgendetwas für ihn

tun könne. Bald darauf kam Nangaku, der Meister selbst, mit

seinen Mönchen vorbei, um Sekito zu besuchen. Sekito erhob

sich, um ihn zu empfangen, und die beiden begrüßten sich. Später

ließ Nangaku zu Sekitos Bequemlichkeit einen Tempel errichten.

Zunächst einmal die Fragen. Die erste Frage:

Ist es nicht dasselbe, wenn man die Existenz als intelligent und

liebevoll bezeichnet, wie wenn man sie als Gott bezeichnet? Das

entspricht vielleicht nicht dem christlichen Konzept von Gott,

doch es gibt andere pantheistische Philosophien, die Gott in allem

sehen.

Es ist nicht dasselbe. Der Begriff »Gott« vermittelt ein Gefühl von Persönlichkeit, von Endlichkeit, während der Begriff

»Existenz« eine unbegrenzte, unpersönliche Weite enthält. »Gott«

ist nicht dasselbe wie »die Existenz «. Gott wurde von allen Religionen, seien sie nun monotheistisch oder polytheistisch, immer als Schöpfer der Existenz betrachtet. Doch die Existenz ist kein erschaffenes Phänomen; sie war schon immer da.

Zuerst vermittelt euch »Gott« also den Eindruck, dass es einen Schöpfer gibt. Dann beginnen aus der Vorstellung von Gott zahlreiche Lügen aufzutauchen. Dann wird Gebet möglich, dann wird Anbetung möglich, dann werden Darstellungen Gottes möglich. Dann beginnen Tempel und Kirchen und Moscheen aufzutauchen. Dann werden organisierte Religionen möglich. Gott ist das Zentrum aller organisierten Religionen.

Sobald man Gott als Person annimmt, hat man die Intelligenz begrenzt, hat man sie auf eine Person verlagert. Ich verteile sie über die ganze Existenz. Die gesamte Existenz ist intelligent, mitfühlend, liebevoll – doch sie ist keine Person. Sie ist in keiner Weise begrenzt; sie ist unbegrenzt, unendlich und ewig. Sie hat keinen Anfang und kein Ende. Sie entwickelt sich zu immer höheren Gipfeln; sie erreicht immer weitere Tiefen. Es gibt Himmel über Himmel. Die Existenz hat kein Ende, sie hat keine Grenzen.

Gott muss begrenzt sein, denn Gott ist eine Fiktion des menschlichen Verstandes. Die Existenz ist das nicht. Ihr habt euch von Gott das Bild eines alten Mannes gemacht. Er sitzt da auf einem Thron, ein alter Mann natürlich – ihr könnt euch Gott nicht jung oder als Kind vorstellen – mit einem langen Bart. Der Bart muss länger sein als Gott selbst. Seit Ewigkeiten war er nicht mehr beim Friseur, und ich glaube nicht, dass er Rasierklingen hat. Jeden Morgen im Badezimmer ... Tatsächlich glaube ich, dass er nicht einmal ein Badezimmer besitzt, in keiner heiligen Schrift wird ein Badezimmer erwähnt. Also Vorsicht! Er verwendet vermutlich den ganzen Himmel als Toilette. Wenn euch etwas auf den Kopf fällt, muss es wohl heilige Scheiße sein. Sich Gott als Person vorzustellen führt zu zahlreichen Problemen.

Nein, die Existenz ist ein vollkommen anderes Konzept. Sie ist keine Fiktion; sie ist wirklich vorhanden. Sie war bereits hier, als ihr noch nicht da wart. Sie wird immer noch da sein, wenn ihr schon lange nicht mehr da seid. Wir kommen und gehen; wir sind einfach nur Wellen in diesem unendlich weiten Ozean der Existenz.

Wir kommen und gehen, doch die Existenz bleibt – und das, was bleibt, ist die letzte Wahrheit. Ihr braucht nicht die Natur anzubeten, ihr braucht nicht zur Natur zu beten. Solche Dinge sind nur mit der Fiktion eines Gottes verbunden.

Die Existenz urteilt nicht. Ich möchte diese Tatsache so deutlich wie nur möglich betonen. Gott urteilt. Der christliche Gott hat ausdrücklich erklärt, dass es einen Tag des Gerichts geben wird, an dem er jene auswählen wird, die auf seiner Seite sind, die Anhänger von Jesus Christus, seinem Sohn. Und jene, die nicht auf seiner Seite sind, sind gegen ihn. Sie werden für ewige Zeit im Höllenfeuer landen. Gott ist die Ursache dafür, dass alle möglichen Moralvorstellungen entstanden sind: Das ist gut und das ist böse.

Was sind die Kriterien dafür? Die Schriften. Doch die Schriften wurden von primitiven, ungebildeten Menschen verfasst; sie stammen nicht aus unserer Zeit.

Die Existenz verfasst keine Schriften und gibt keine Gebote. Die Existenz sagt euch nicht, was ihr tun sollt und was ihr nicht tun sollt. Die Existenz gibt absolut kein Urteil ab. Sie ist dem Sünder gegenüber genauso mitfühlend wie dem Heiligen gegenüber, sie macht keine Unterschiede, denn in den Augen der Existenz ist alles schön, was natürlich ist. Die Religionen nennen jene heilig, die sich gegen die Natur wen den. Die Natur verspürt einfach nur Mitleid für sie. Die Existenz weiß einfach nur, dass sie einen falschen Weg gehen und deshalb leiden. Es ist nicht so, dass die Existenz ihnen das Leid und die Hölle zuteilt, dass sie Bestrafung und Belohnung verteilt. Die Existenz ist einfach nur da. Wenn man im Einklang mit ihr ist, wird man enorm belohnt. Niemand belohnt einen, es ist vielmehr so, dass einfach dieser Einklang mit der Existenz solchen Frieden schenkt, solche Freude, solchen Segen, dass man allein dadurch schon belohnt ist. Es gibt keine Belohnung darüber hinaus.

Und jene, die nicht im Einklang mit der Natur und mit der Existenz sind, sind bereits bestraft.

Schaut euch doch eure Heiligen an: Sie können nicht lächeln, sie können nicht lachen, sie können nichts genießen. Sie sind die hässlichsten menschlichen Wesen, die aus dem Bereich der Menschlichkeit in eine Art Dunkelheit ohne Ende gefallen sind. Sie quälen sich selbst, sie sind Masochisten, und sie leiden bereits. Ihr Leiden wird nicht durch irgendjemand anderen verursacht, sondern durch sie selbst.

Das ist das Kriterium: Wenn du leidest, bedeutet das, dass du nicht im Einklang mit der Natur bist. Wenn du unglücklich bist, bedeutet das, dass du nicht im Einklang mit der Natur bist. In dem Augenblick, in dem du wahrnimmst, dass du unglücklich bist, dass du leidest, dass du dich quälst, versuche also sofort, den Abstand geringer zu machen, dich näher zur Existenz zu begeben, und plötzlich wird es Licht werden, wird Freude auftauchen, werden Lieder auftauchen, wird ein Feiern auftauchen.


Im Einklang mit der Existenz zu sein enthält seine eigene Belohnung; nicht im Einklang mit ihr zu sein enthält seine eigene Bestrafung. Mein Konzept ist also sehr einfach und klar.

Wenn man einen Gott erschafft, wird dieser Gott urteilen. Und sein Urteil wird immer alt sein, wird immer hinter der Entwicklung des menschlichen Bewusstseins hinterher hinken. Und wenn man den Schriften folgt, die von Priestern stammen und nicht von Gott

...

Dafür gibt es eindeutige Beweise. Die Hindus behaupten, die Veden wären von Gott selbst verfasst, doch ich verstehe nicht, wie man so dumm sein kann. Jahrtausendelang hat niemand dieser Vorstellung widersprochen. Doch die Veden selbst enthalten den Beweis dafür, dass sie von Priestern verfasst wurden. Es braucht keine äußeren Beweise.

Ich will euch sagen, welche Beweise die Veden enthalten: Achtundneunzig Prozent der Gebete in den Veden stammen von Priestern. Gott würde kein Gebet sprechen. Es gibt keinen anderen Gott – zu wem sollte er also beten? Betrachtet nur einmal diesen Punkt. Gott kann niemanden anbeten, Gott kann zu niemandem beten, Gott kann niemanden um etwas bitten, weil es jenseits von ihm niemanden mehr gibt. Doch die Veden bestehen fast nur aus Gebeten, und der Inhalt der Gebete ist so schwachsinnig, dass es ein Wunder ist, dass sie noch nie jemand hinterfragt hat.

Einer dieser so genannten hinduistischen Seher betet – natürlich zu Gott: »Lass deine Wolken in diesem Jahr nur auf meine Felder regnen und nicht auf die Felder meiner Feinde.« Glaubt ihr vielleicht, dass solche Schriften von Gott kommen könnten?

Ein anderer bittet Gott: »Lass meine Kühe mehr und mehr Milch geben, und lass die Kühe meiner Feinde keine Milch mehr geben.«

Würde Gott etwa solche Dinge schreiben? Das ist der eindeutige Beweis aus den Veden selbst, dass dies die Schriften ganz gewöhnlicher Gläubiger, Brahmanen und Priester sind. Und doch hat man jahrtausendelang behauptet, dass die Veden von Gott verfasst worden seien. Alle Religionen versuchen zu beweisen, dass ihre heiligen Schriften von Gott stammen. Wenn schon nicht direkt verfasst, dann doch zumindest über einen Boten übermittelt; jedenfalls so, dass die Worte direkt von Gott stammen.

Sobald man die Fiktion eines Gottes akzeptiert ha t, muss man diese heiligen Schriften akzeptieren, muss man seine Gebote akzeptieren. Und seine Gebote sind absolut gegen die Natur, denn diese Schriften schreiben euch vor, ein abnormales, dummes, schwachsinniges Leben zu führen: Esst nicht nach den Bedürfnissen eures Körpers, sondern fastet. Lebt nicht in der Welt, sondern entsagt ihr, geht in den Himalaja und lebt in den Höhlen dort. Unter vielen Schwierigkeiten hat sich der Mensch aus den Höhlen herausentwickelt. Jahrtausende des Kampfes haben die Menschheit aus den Höhlen geführt, und diese sogenannten heiligen Schriften schicken sie zurück: »Geht in die Höhlen!«

Es gibt natürlich bestimmte psychologische Gründe dahinter.

Wenn man fastet, wird die Vorstellungskraft lebhafter. Natürlich wird man sich zuerst einmal Nahrung vorstellen; das ist die erste Vorstellung, die auftaucht. Die ganze Nacht hindurch wird man sich vorstellen, dass man vom König selbst zu einem großen Festmahl eingeladen wurde. Das muss einfach so kommen. Wenn man sexuell ausgehungert ist, hat man sexuelle Träume. Wenn man physisch ausgehungert ist, träumt man vom Essen. Wenn man durstig ist, träumt man von Wasser.

Eure Träume zeigen, was ihr braucht und was ihr euch selbst versagt. Träume sind Hinweise eurer eigenen inneren Natur, dass ihr euch unnötigerweise gegen die Natur wendet und dadurch leidet. Doch alle Religionen stellen das Fasten als eine Tugend hin, als eine große Tugend. Der Grund dafür ist einfach, dass das Fasten Halluzinationen fördert. Das ist eine wissenschaftlich bewiesene Tatsache. Wenn man drei Wochen am Stück fastet und allein in einer Höhle im Himalaja sitzt, wird man anfangen zu halluzinieren.

Am Ende der zweiten Woche wird man anfangen, mit sich selbst zu reden. Am Ende der dritten Woche wird man anfangen, sich mit Gott zu unterhalten. Diesen Dialog führt man selbst von beiden Seiten. Man stellt Fragen, und man beantwortet die Fragen und hat das Gefühl, dass die Antworten von Gott kommen. Am Ende der vierten Woche wird man in der Lage sein, seinen Gott unmittelbar zu sehen, Jesus Christus oder Krishna oder Buddha oder an wen auch immer man glaubt. In der vierten Woche verliert man die Herrschaft über seine Intelligenz, verliert man den Kontakt mit der Realität. Man kann nicht mehr unterscheiden, was real und was geträumt ist; man ist in den Zustand eines kleinen Kindes zurückgefallen.


Kleine Kinder können anfangs nicht zwischen Traum und Realität unterscheiden. Im T raum spielen sie mit einem Spielzeug, und wenn sie am Morgen aufwachen und das Spielzeug ist verschwunden, fangen sie an zu weinen: »Wo ist mein Spielzeug?«

Sie realisieren nicht, dass das Spielzeug nur im Traum vorhanden war. Es braucht ein wenig Reife, ein gewisses Maß an Intelligenz, um zwischen dem Realen und dem Irrealen zu unterscheiden. Nach vier Wochen Fasten hat man die Unterscheidungskraft seiner Intelligenz vollkommen verloren.

Alleinsein ist aber absolut notwendig dafür, denn wenn jemand anderer dabei ist, wird man mit ihm reden. Das ist eine Entlastung.

Doch wenn man allein lebt ... und jede Religion schreibt das Alleinsein vor, im Kloster, in einer Zelle oder in einer Höhle. Lebt allein. Warum allein? Damit man mit niemandem sprechen kann –

dann entwickelt der Verstand einen solchen Drang zu sprechen, dass man anfangen wird, mit sich selbst zu reden.

Ihr habt bestimmt schon solche Leute auf der Straße gesehen.

Ihre Lippen bewegen sich, doch sie sind allein. Sie eilen in ihr Büro oder nach Hause, und ihre Lippen bewegen sich. Manchmal machen sie Gesten, als würden sie etwas wegwerfen. Was passiert mit ihnen? Sie gehen wie Roboter nach Hause, weil es eine mechanische Gewohnheit geworden ist. Sie müssen nicht darüber nachdenken, wo sie rechts abbiegen müssen und wo sie links abbiegen müssen, das machen ihre Füße ganz von allein. Ich habe schon Leute gesehen, die an ihren Fingern Geldbeträge abgezählt haben oder die ihre Lippen bewegt und vor sich hin gemurmelt haben.

Ich liebe folgende Geschichte dazu.

Ein Mann war zum Zentrum der Aufmerksamkeit einer Menschenmenge geworden, die in einem Warteraum in einem Bahnhof saß. Der Zug war verspätet, und alle warteten auf den Zu g, doch dabei konzentrierten sie sich auf einen Mann, der ruhig in einem Stuhl saß. Seine Lippen bewegten sich, und ab und zu lächelte er, ab und zu kicherte er, und ab und zu warf er etwas mit einer Handbewegung beiseite. Schließlich konnten sie der Versuchung nicht mehr widerstehen, nachzufragen, was da eigentlich los war.


Ein Mann fragte ihn also: »Was ist los? Manchmal kichern Sie, manchmal lächeln Sie. Manchmal scheinen Sie etwas wegzuwerfen.«

Der andere Mann antwortete: »Oh, nichts. Ich erzähle mir nur selbst Witze. Wenn ich einen richtig guten Witz höre, lächle ich.

Wenn ein Witz besonders neu ist, kichere ich. Und wenn ich einen alten Witz mit Bart höre, werfe ich ihn einfach weg.«

Er erzählt sich selbst Witze ... sie müssen alle alt sein. Doch jeder sagte: »Sie genießen die Zeit, während wir uns unnötigerweise Gedanken über den Zug machen, der sich immer mehr verspätet.«

In Indien kann das schon passieren ...

Einmal steckte ich in Allahabad fest. Zuerst erklärte man mir, der Zug habe zwei Stunden Verspätung. Ich meinte dazu: » Okay, das ist kein großes Problem. Ich werde immer noch rechtzeitig ankommen.« Zwei Stunden später ging ich wieder hin, um nachzufragen. Sie sagten mir: »Jetzt hat er vier Stunden zusätzlich Verspätung.«

Ich fragte: »Fährt er vielleicht rückwärts? Wie kann er vier Stunden mehr Verspätung haben, wenn er zuerst nur zwei Stunden Verspätung hatte? Diese zwei Stunden sind verstrichen; der Zug sollte inzwischen da sein. Das bedeutet, dass er jetzt sechs Stunden Verspätung hat. Was ist da los? Fährt der Zug etwa rückwärts? «

Der Mann war schockiert. Er konnte mir nicht antworten, obwohl meine Frage vollkommen logisch war. »Was ist mit diesem Zug los? Ich kann nachvollziehen, dass er verspätet ist, aber er kann sich doch nicht rückwärts bewegen. Wenn ich in vier Stunden wiederkomme, dann ist er vielleicht zwölf Stunden verspätet, weil er rückwärts fährt. Das müssen Sie mir erst einmal erklären!«

Aber in Indien passiert so etwas jeden Tag ... einfach, um die Leute weiter hoffen zu lassen. Keiner weiß genau, wie viel der Zug verspätet ist, also sagen sie einfach, er käme in zwei Stunden. Wenn er früher kommt, ist es gut. Wenn er nicht kommt, dann kommt er jetzt eben noch etwas später, doch wenn man den Leuten sagen würde, dass er zwölf Stunden Verspätung hat, wäre das zu schockierend. Also macht man es sich einfach: zwei Stunden Verspätung, dann vier Stunden, dann noch zwei Stunden ... jetzt kommt er in einer Stunde. Und nach und nach sind es zwölf Stunden Verspätung. Sie konnten mir nicht antworten, weil ich die Wahrheit kannte. Was war die Wahrheit? In Wahrheit hatten sie überhaupt keine Ahnung, wie viel Verspätung der Zug tatsächlich haben würde.

Also saß ich im Wartesaal und beobachtete die Leute ... diese Leute, die nichts zu tun hatten. Irgendwann beginnen sie die Lippen zu bewegen und mit sich selbst zu reden, einfach um sich zu beschäftigen. Es ist einfach zu schrecklich, daran zu denken, dass man an diesem Ort festsitzt, ohne zu wissen, wie lange es dauern wird. Manchmal hat der Zug vierundzwanzig Stunden Verspätung, und ich habe es sogar schon erlebt, dass er achtundvierzig Stunden zu spät kam. Ich hatte nie keine Ahnung, wie das passieren kann.

Aber einmal habe ich es herausgefunden. Ich fuhr mit einem kleinen Zug von Chanda nach Gondia. Inzwischen sind diese kleinen Züge fast vollkommen verschwunden, außer in ganz wenigen Gegenden. Dieser Zug war ein Passagierzug; auf dieser kleinen Strecke gab es nur Passagierzüge, und er hielt an jeder Station an. Ein Freund von mir, der inzwischen gestorben ist, ein reicher Mann, hatte mich dazu überredet, mit dem Zug zu fahren.

Er sagte: »Es ist wunderbar, mit dem Zug durch diese Gegend zu fahren. Auf beiden Seiten gibt es herrliche Landschaften – Berge, Flüsse, Wälder. «

Also willigte ich ein. Sonst wäre ich geflogen, denn der Zug brauchte etwa zwölf Stunden für die Strecke, während es mit dem Flugzeug nur fünfzehn Minuten dauerte. Ich sagte also zu ihm:

»Okay, lass es uns diesmal ausprobieren. Du hast mir immer wieder erzählt, wie wunderbar die Landschaft um diese Zuglinie herum ist.« Die Gegend ist kaum bewohnt, sie ist ein ursprüngliches Gebiet, wo die Menschen tief in den Wäldern leben.

An einer Station sagte er zu mir: »Steig aus.« Es war gerade die Reifezeit der Mangos. Und an diesem Platz gab es außerhalb des Bahnhofsgeländes wunderbare Mangobäume, kilometerweit, und der Geruch nach reifen Mangos ... und Hunderte von Vögeln, die wunderbar sangen, herrliche Lieder. Er nahm mich also mit hinaus.

Ich fragte: »Was machst du da?«

Er sagte: »Komm mit. Nirgendwo gibt es so köstliche Mangos wie hier.«

Er stieg auf einen Baum und forderte mich auf, ihm nachzukommen. Ich fragte: »Und was ist mit dem Zug?« Er erwiderte: »Mach dir deshalb keine Sorgen. Das ist meine Verantwortung. Solange ich nicht herunterkomme, wird der Zug nicht weiterfahren.«

Ich meinte: »Das ist aber komisch – du hast doch niemandem Bescheid gesagt, weder dem Bahnhofsvorsteher noch dem Zugführer.«

Da begann er zu lachen und sagte: »Schau doch mal nach oben.

Der Zugführer ist über uns. Solange ich ihn nicht herunterkommen lasse, kann der Zug nicht weiterfahren. Mach dir also keine Sorgen.«

Der Zugführer begann ebenfalls zu lachen und sagte:

»Das ist richtig.«

Also vergnügten wir uns beinahe eine Stunde lang an den Mangos, und immer, wenn der Zugführer nach unten zu steigen versuchte, sagte mein Freund: »Ich werde dich am Bein ziehen und runterwerfen. Bleib also oben. Der Zug kann nicht weiterfahren, bevor wir hier nicht fertig sind. Iss einfach noch ein paar Mangos, das wird dir nicht schaden.«

Also sorgten wir dafür, dass der Zugführer auf dem Baum blieb, und alle Passagiere im Zug wunderten sich, was los war. Es war der einzige Zug auf dieser Strecke. Er fährt einfach nur hin und her. Es war also nicht so, dass ein anderer Zug hätte kommen können. Der Bahnhofsvorsteher versuchte herauszufinden, wohin der Zugführer verschwunden war. Der Schaffner suchte ebenfalls, überall ... Wir konnten sehen, dass jeder nach dem Zugführer suchte. Doch dieser war gefangen, weil er nicht an uns vorbeikonnte. Wir saßen im Baum und scheuchten ihn immer wieder zurück. »Klettere einfach wieder hoch! « Seither weiß ich, wieso diese Züge immer so viel Verspätung haben. So etwas kann nur in Indien passieren.

Alle Religionen predigen das Fasten und sagen: »Geh in die Einsamkeit und stelle dir ständig nur Gott vor.« Es ist eine psychologische Tatsache, dass selbst der intelligenteste Mensch nach vier Wochen anfängt, unsicher zu werden, was real und was eingebildet ist. Was soll man dann schon von den gewöhnlichen Massenmenschen erwarten, deren Intelligenzquotient nicht höher ist als der eines Siebenjährigen? Ihr Verstand bleibt im Alter zwischen sieben und vierzehn stecken. Der Körper wächst weiter bis zu einem Alter von siebzig oder achtzig Jahren, doch der Verstand bleibt irgendwo im Alter zwischen sieben und vierzehn stehen; nur ganz selten wächst ein Mensch über das mentale Alter von vierzehn Jahren hinaus.

Diese Menschen mit einem zurückgebliebenen Verstand – und nur mit einem zurückgebliebenen Verstand kann man einer religiösen Organisation angehören, kann man an die Fiktion eines Gottes glauben, kann man an Himmel und Hölle glauben, kann man zum leeren Himmel beten –, diese Menschen entsagen der Welt aus Angst und aus Gier. Und wenn sie allein sind, beginnen sie, sich Dinge vorzustellen – wozu das Fasten absolut notwendig ist. Es schwächt nicht nur den Körper, sondern auch den Verstand.

Habt ihr jemals über die Tatsache nachgedacht, dass kein indischer Vegetarier jemals den Nobelpreis bekommen hat? Dabei sollten sie doch diejenigen sein, die am meisten Nobelpreise bekommen, denn sie sind der Ansicht, dass sie die reinste Nahrung zu sich nehmen. Ihr Verstand sollte reiner und klarer sein als der von Menschen, die keine Vegetarier sind. Aber kein einziger Jaina hat bisher einen Nobelpreis bekommen, und das wird auch niemals möglich sein, denn etwas, was für die Intelligenz unbedingt notwendig ist, fehlt in ihrer Nahrung. Doch sie wollen das nicht hören. Ich habe auf ihren Konferenzen gesprochen, und sie waren sehr wütend auf mich, sie hätten mich am liebsten umgebracht.

Aber sie hören nicht zu. Ich sagte ihnen, dass es vollkommen in Ordnung ist, vegetarisch zu leben, doch dass sie wissen sollten, dass es ein paar Proteine gibt, die in ihrer Ernährung fehlen und für die sie einen Ersatz finden müssen. Die beste Möglichkeit besteht darin, Eier zu essen, die nicht befruchtet sind. Sie sind praktisch wie Gemüse, sie enthalten kein Leben. Auch wenn eine Henne nicht mit einem Hahn zusammen ist, legt sie jeden Tag ein Ei. Das hängt nicht von der Befruchtung durch einen Hahn ab. Die Eier sind dann einfach nur wie Gemüse, es kann sich kein Leben daraus entwickeln. Doch sie enthalten alle Proteine und Vitamine, die für die Entwicklung der Intelligenz notwendig sind.

Aber das Wort »Ei« genügte schon, um sie ausflippen zu lassen:

»Du willst uns dazu überreden, Eier zu essen!«

Ich antwortete: »Versteht mich nicht falsch. Ich sage nicht, dass ihr Eier essen sollt, sondern dass ihr unbefruchtete Eier essen sollt.«

Sie erwiderten: »Eier sind Eier.«

Sie konnten das einfache Phänomen nicht verstehen, dass es sich nicht um ein Ei handelt, wenn es nicht befruchtet ist, dass es dann einfach nur die Form eines Eis hat. Es besteht aus reinem Eiweiß und Vitaminen, ganz billig und natürlich. Und es ist ein absolutes Muss, damit die Intelligenz sich entwickeln kann.

Wenn man jemanden vier Wochen lang fasten lässt, zerstört das alle Proteine und Vitamine, die seine Intelligenz ausmachen. Ihr kennt die Dynamik des Fastens nicht. Warum bestehen alle Religionen auf dem Fasten? Weil es zerstört ... maximal vier Wochen lang kann man von seinen Speichern leben. Nach vier Wochen ist kein Speicher mehr vorhanden. Und dann werden die kleinsten Nervenbahnen abgebaut, wenn nicht innerhalb kürzester Zeit ausreichende Mengen an Eiweiß, Vitaminen und Sauerstoff zugeführt werden. Sobald diese Nervenbahnen abgebaut werden, kann man nicht mehr unterscheiden, ob wirklich Christus vor einem steht oder ob es nur eine Vorstellung ist, eine Projektion.

Dann beginnt man mit offenen Augen zu träumen. Dazu braucht es außerdem Einsamkeit, denn dann ist niemand da, der die Vorstellung stört, und es braucht laufendes Visualisieren und Beten den ganzen Tag hindurch. Was machen die Menschen in Klöstern?

Sie beten den ganzen Tag: Ave Maria, Ave Maria ... und sie stellen sich Marias Bild vor und werfen sich nieder und fasten und beten Ave Maria ... Nach ein paar Tagen wird das innere Bild anfangen, die Lippen zu bewegen. Ave Maria wird lebendig, und das ist für den tumben Verstand sehr befriedigend.

Bald wird Maria dann aus dem Bild heraustreten. Was für eine Offenbarung! Das ist es, worauf der Mensch gewartet hat. Da ist niemand, dessen Füße er berührt, und doch kann er sie spüren, so wie man manchmal im Traum Dinge spüren kann. Die Grenzen zwischen Traum und Realität haben sich aufgelöst. Um diese Grenzen aufzulösen, werden Fasten, Einsamkeit und ständiges Visualisieren eingesetzt.

Gott kann man visualisieren, doch die Existenz kann man nicht visualisieren; und dafür besteht auch keine Notwendigkeit, denn sie ist bereits vorhanden. Die Bäume sind da, die Flüsse, das Meer, die Berge, die Sterne, der gesamte Himmel. Das alles entspringt nicht deiner Vorstellungskraft; es handelt sich um ein objektives Phänomen.

Wir können alle darin übereinstimmen, ob es sich um eine Vollmondnacht handelt. Doch wenn jemand Jesus sieht, wirst du nicht mit ihm übereinstimmen, denn du kannst Jesus nicht sehen, nur dieser Mensch sieht ihn. Es ist eine Projektion. Wäre es Realität, würde niemand es in Frage stellen; andere Menschen würden ihn ebenfalls sehen, so wie sie den Vollmond sehen, wie sie den Sonnenaufgang sehen, wie sie Rosen sehen und alle darin übereinstimmen, dass es sich um eine Rose handelt. Vielleicht haben sie unterschiedliche Meinungen dazu: Ein Dichter ist vielleicht empfindsamer, ein Maler sieht die Rose mit anderen Augen, weil er für Farben besonders empfänglich ist. Ein Mensch, der Parfümexperte ist, wird ebenfalls eine andere Sensibilität für die Rose haben, weil er mehr riecht als jeder andere. Und für jemanden wie mich, der eine Allergie gegen Düfte hat ...

Mein Gärtner muss alle Blüten von meinen Fenstern fern halten, und diese werden auch nie geöffnet, so dass ich die Rosen zwar sehen kann, aber ohne dass ihr Duft zu mir vordringt. Und der arme Gärtner muss hart arbeiten, denn um die Rosen um mein Zimmer herum am Blühen zu halten ... es stehen hohe Bäume im Garten, die viel Schatten werfen, und Rosen blühen nicht gut, wenn sie keine Sonne haben. Also muss er die Pflanztöpfe ständig umstellen.

Doch er schafft es, dass ich immer blühende Rosen sehe, wo immer ich mich im Haus auch aufhalte. Er muss die Sonne und die Rosen austricksen. Er bewegt sie ständig im Kreis herum; wenn eine Blüte voll aufgeblüht ist, stellt er sie vor mein Fenster. Und sobald er bemerkt, dass die Pflanze unter dem Schatten leidet, bringt er die Pflanze wieder in die Sonne. Er muss also eine ganze Reihe von Pflanzen immer rotieren lassen. Es ist ein richtiger Rotary Club! Doch er schafft das wunderbar. Er weiß, dass ich die Rosen liebe, aber ihren Duft nicht vertrage. Ich bin empfindlich gegen ihren Duft, ich reagiere sofort allergisch darauf.

Es gibt also Unterschiede bei den Menschen, doch die Existenz der Rose ist objektiv. Jeder wird das anerkennen, bis auf einen Blinden vielleicht; aber er kann die Rose ebenfalls berühren, er kann sie riechen. Er kann eine gewisse Vorstellung von der Rose haben, bis auf die Farbe. Er kann ihre Form spüren, die samtigen Blütenblätter, und weil ein Blinder keine Augen zur Verfügung hat

...

Achtzig Prozent eurer Energie gehen in die Augen. Für die übrigen vier Sinne bleiben nur jeweils fünf Prozent übrig. Die Augen nutzen also achtzig Prozent eurer Energie, und die übrigen vier Sinne zwanzig Prozent. Doch ein Blinder verwendet hundert Prozent seiner Energie auf die anderen vier Sinne; fünfundzwanzig Prozent für jeden. Das ist der Grund, warum Blinde häufig gute Sänger sind; sie haben ein besseres Gehör als andere Menschen.

Ihre Berührung hat mehr Energie als bei einem sehenden Menschen, denn ihre Hände empfangen fünfundzwanzig Prozent ihrer Energie, während in deine Hände nur fünf Prozent gehen. Sie können die Blume und ihre Farbe also vielleicht nicht sehen, doch sie können sie berühren, und ihre Berührung wird tiefer gehen als eure. Sie können sie riechen, und ihr Geruchssinn wird empfindlicher sein als eurer. Und insgesamt können wir zu dem Schluss kommen, dass hier etwas Objektives vorliegt.

Ein Traum dagegen ist vollkommen subjektiv; man kann ihn mit niemand anderem teilen.

Zwei Freunde unterhalten sich. Sagt der eine: »Letzte Nacht war toll. Im Traum war ich fischen. Und bei Gott, im ganzen Leben hab ich noch keinen so großen Fisch gesehen. Ich hatte kaum genug Kraft, den Fisch zu fangen und an Land zu ziehen, so groß war er.

Und dann kam ein Fisch nach dem anderen ... Ich lag auf dem Ufer, und das ganze Ufer war voll davon. Das hättest du sehen sollen! Du hättest wirklich dabei sein sollen! «

Dar auf sagt der andere: »Das ist doch noch gar nichts. Letzte Nacht träumte ich, dass zwei nackte Weiber neben mir lagen, eine links und die andere rechts. Ich blickte nach rechts und staunte: Es war Marilyn Monroe. Und auf der anderen Seite lag Sophia Loren, beide nackt. Und du Idiot redest von Fischen.«

Da wurde der andere ärgerlich und sagte: »Wenn es so war, warum hast du mich dann nicht sofort angerufen? Was wolltest du denn mit zwei Weibern anfangen?«

Darauf er widerte der andere: »Hab ich doch gemacht. Aber deine Frau hat gesagt, du seist beim Fischen.«

T räume kann man nicht mit anderen teilen, Halluzinationen lassen sich nicht mit anderen teilen. Ein Anhänger von Krishna wird also Krishna sehen, und nicht Christus. Ein Anhänger von Christus wird Christus sehen, und nicht Krishna, und während er Christus sieht, kann jemand anderer dabei sein und wird doch überhaupt nichts sehen. Es ist nur eine Projektion, ein Traum mit offenen Augen. Um das zu ermöglichen, muss man fasten, um seine Intelligenz zu zerstören, und man muss allein sein, damit niemand einen stört und sagt, dass man ein Idiot ist: »Da ist niemand. Ich sehe nur eine glatte Wand. Wo ist dein Krishna? Ich sehe niemanden, und ich kann auch noch andere Leute herbringen und dir beweisen, dass niemand anderer sieht, was du siehst. « Man muss also allein sein, damit niemand die Projektion stört, damit niemand die Halluzination zerstört.

Gott war einer der größten Hemmschuhe für die menschliche Evolution, weil er die Menschen halluzinieren ließ, weil er ihre Intelligenz zerstörte, weil er ihr Potential, zum Buddha zu werden, zerstörte.

Die Existenz besitzt ihre eigene Weisheit, ihre eigene Liebe. Ihr müsst nur einmal damit experimentieren. Und inzwischen weiß es auch die Wissenschaft. Tatsächlich war der erste Wissenschaftler, der sich der Empfindsamkeit und Intelligenz der Bäume bewusst wurde, sehr schockiert, weil er das Gefühl hatte: »Wir haben nicht dieselbe Empfindsamkeit und Intelligenz; da gibt es eine vollkommen andere Dimension, um die wir uns nie gekümmert haben. Wir leben seit Jahrtausenden, seit Jahrmillionen mit Bäumen, doch wir haben uns nie die Mühe gemacht herauszufinden, ob diese Bäume irgendeine Intelligenz besitzen, irgendeine Empfindsamkeit. « Erst seit kurzem sind sich die Wissenschaftler dessen bewusst geworden.

Jetzt gibt es ein spezielles Messinstrument, ähnlich einem Lügendetektor; es verwendet dieselbe Art von Mechanismus. Man legt dem Baum die Elektroden an, und das Gerät zeichnet ein Diagramm auf, wie sich der Baum fühlt. Das Diagramm ist sehr harmonisch – die Sonne geht auf, ein sanfter Wind weht, und der Baum tanzt im Wind, in der Sonne, er ist vollkommen glücklich.

Das Diagramm ist sehr harmonisch, der Baum zeigt keine Spannungen, keine Unruhe, keine Sorgen. Das Diagramm verläuft weiter harmonisch ... und plötzlich taucht ein Gärtner mit einer Säge in der Hand auf. Sofort beginnt das Diagramm zu zittern, es ist nicht länger harmonisch, der Baum ist besorgt. Doch das passiert nur, wenn der Gärtner vorhat, den Baum zu beschneiden. Das ist sehr seltsam, denn man hat herausgefunden, dass der Baum nicht durch die Säge beunruhigt wird; er wird durch die Absichten des Gärtners beunruhigt. Als das den Wissenschaftlern klar wurde, waren sie wirklich schockiert.

Zuerst dachte man, es sei die Säge. Ein Baum besitzt keine Augen, doch er muss irgendeine Art von Wahrnehmung haben.


Doch schließlich entdeckte man, dass es nicht an der Säge lag, sondern an der Absicht der entsprechenden Person. Beim ersten Mal trat ein Gärtner mit einer Säge auf, um Bäume zu beschneiden, einschließlich des Baums, den man untersuchte. Der Gärtner hatte vor, einen Ast abzuschneiden, und der Baum drehte vollkommen durch. Das Diagramm zeigte, dass der Baum komplett dagegen war, dass da an ihm herumgeschnitten werden sollte. Es war schockierend ... denn Bäume haben keine Augen, und wie weit weg war der Gärtner mit seiner Säge? Dann ließen sie einen Gärtner mit einer Säge kommen, aber ohne die Absicht, den Baum zu beschneiden. Dabei blieb das Diagramm weiterhin harmonisch.

Also war es nicht die Säge, sondern die Absicht, die Intention des Gärtners, für die der Baum auf irgendeine Weise empfänglich war. Dann forschten sie weiter. Sie schlossen auch noch andere Bäume in der Nähe des ersten Baums an, und sie fanden heraus, dass der Baum, der beschnitten werden sollte, Angst empfand und dass die anderen Bäume Mitgefühl für ihn verspürten. Ihr Diagramm zeigte nicht so extreme Ausschläge, wies aber ebenfalls Disharmonie auf. Sie wussten, dass einer ihrer Freunde, einer ihrer Nachbarn, beschnitten werden sollte. Doch das geschah nur, falls diese Absicht bestand. Wenn es keine entsprechende Absicht gab und der Gärtner einfach nur mit einer Säge vorbeikam, zeigte kein Baum irgendeine Beunruhigung, Sorge oder Angst.

Die ganze Existenz ist auf ihre eigene Weise intelligent. Unsere Intelligenz ist nicht die einzige. Ein berühmter Wissenschaftler, John Lilly, arbeitete mit Delphinen. Delphine besitzen eine ganz eigene Sprache. Niemand hatte jemals gedacht, dass irgendein Wesen außer dem Menschen über eine Sprache verfügt. Doch der Kopf eines Delphins ist größer als der eines Menschen; er besitzt mehr Nerven als der menschliche Kopf. Vielleicht weist er auch eine höhere Intelligenzstufe auf als der Mensch. Delphine verwenden ein System bestimmter Laute zur Kommunikation. Der Klang bewegt sich kilometerweit durch das Wasser fort und erreicht den Delphin, an den er gerichtet war – ohne irgendeine Drahtverbindung, es ist ein drahtloses System! Es gibt Tausende von Delphinen in diesem Gebiet, doch vielleicht auch einen Freund oder eine Freundin ... und die Botschaft besteht aus einem Klang, den wir nicht hören können, der jenseits unseres eigenen Klangspektrums liegt. Nur wenn wir ihn durch bestimmte Instrumente verstärken, können wir ihn hören, einen wirklich schönen Klang. Und der Klang muss jeweils an einen bestimmten Delphin gerichtet sein – vielleicht besitzt jeder Delphin einen Namen und eine Adresse. Der Klang erreicht den anderen Delphin, und bald darauf kommt dieser zu dem Platz, von dem aus der erste Delphin das Signal aussandte: »Komm schnell!«

Lilly arbeitete fast sein ganzes Leben lang mit Delphinen. Sie sind sehr liebevolle Tiere, sehr verspielt, sehr fröhlich. Sie haben noch nie irgendeinen Menschen oder einen anderen Delphin angegriffen – kein Kampf, kein Streit. Wenn man schwimmt, kommen sie und schwimmen mit einem. Sie fühlen sich vollkommen wohl mit Menschen, sie haben damit überhaupt kein Problem. Die ganze Existenz ...

Ich hatte einmal einen sehr alten Mann als Gärtner. Ich fand heraus, dass er ab und zu, wenn ihm nicht bewusst war, dass ich ihn beobachtete – wenn ich vielleicht im Haus war und durch das Fenster zu ihm blickte –, mit den Bäumen sprach. Eines Tages erwischte ich ihn dabei und sagte: »Was machst du da?«

Er antwortete: »Sag es niemandem, sonst denken alle, ich sei verrückt. Aber die Wahrheit ist, dass ich eine gewisse Affinität zu ihnen spüre ... Mein ganzes Leben lang habe ich mit Bäumen gearbeitet; ich habe immer mit ihnen gesprochen, und zu meiner Überraschung stellte ich fest, wenn ich zwei Pflanzen gleicher Größe nebeneinander pflanze und mit der einen spreche und mit der anderen nicht – und beiden die gleiche Nahrung, die gleiche Pflege, gleich viel Wasser, gleich viel Sonne, gleich viel Dünger zukommen lasse, doch mit der einen liebevoll spreche und sie mit meinen Händen streichle – dass dieser Baum schneller wächst.

Schon bald, innerhalb eines Monats, ist er doppelt so groß wie der andere Baum. Auch wenn alles andere gleich ist, fehlt ihm doch etwas – meine Liebe.

Jedes Jahr pflegte er den Blumenwettbewerb zu gewinnen. Bei ihm wuchsen die größten Rosen, die ich je gesehen habe, die größten Dahlien. Und seine Methode war, mit den Pflanzen zu sprechen: »Lasst mich nicht im Stich. Der Wettbewerb rückt näher.

Ihr müsst eine riesige Blüte für mich hervorbringen, die größte, die euch nur möglich ist.«

Ich freundete mich mit ihm an, und er wusste, dass ich es niemandem weitererzählen würde. Ich kann ihn verstehen ... und ich halte ihn nicht für verrückt. Er macht seine Arbeit sehr gut.

Wenn dieser arme Mann gebildet und ein Wissenschaftler gewesen wäre, hätte er viele Geheimnisse über Bäume entdecken können.

Doch ich habe es mit eigenen Augen gesehen, weil er beinahe neun Jahre lang bei mir war. Als ich die Stadt verließ, wollte er mit mir kommen. Aber ich sagte zu ihm: » In Bombay werde ich keinen Garten haben.«

Er schrieb mir sogar, als ich in Amerika war: »Nachdem du jetzt so eine große Ranch dort hast, warum lässt du mich nicht zu dir kommen? Auch wenn ich schon sehr alt bin und zu nicht mehr viel tauge, trotzdem ... niemand anderer kann mit Bäumen das erreichen, was ich erreichen kann.«

Die Existenz besitzt eine multidimensionale Intelligenz. Wir sind nur ein kleiner Teil dieses großen Universums. Glaubt auch nicht einen Moment lang, dass ich die Existenz an die Stelle Gottes stellen möchte. Ganz und gar nicht! Gott existiert nicht, doch die Existenz existiert. Darum bezeichnen wir sie ja auch als

»Existenz«.

Die zweite Frage:

Es ist sehr einfach für mich zu sagen: »Ach, ich glaube nicht

mehr an Gott, seit ich ein Kind war, und selbst damals war ich

mir nie so ganz sicher.« Doch die Gewohnheit des Verstandes,

Mysterien in Aberglauben zu verwandeln, sitzt sehr tief und ist

sehr trügerisch. Als du gestern Abend gesprochen hast, erinnerte

ich mich an verschiedene Gelegenheiten in der Vergangenheit,

bei denen ich die Qualitäten der Allmacht, der Allgegenwart und

der Allwissenheit dir zugeschrieben habe, obwohl du uns immer

gesagt hast, dass so etwas Unsinn ist. Es scheint, diese Krankheit

namens Gott verbirgt sich tief in den Knochen und kommt immer

dann zum Vorschein, wenn ich es am wenigsten erwarte, und

dort, wo ich es am wenigsten möchte.

Es ist leicht, einfach nur das Gefängnis zu wechseln. Das Ketten auszutauschen, eure Sklaverei, denn jede Sklaverei, sosehr sie sich auch von der alten unterscheidet, ist doch im tiefsten Grunde dasselbe – und das ist es, was die Menschen ständig machen.

Hindus werden zu Christen, Christen werden zu Hindus. Doch sie tauschen nur ihre Sklaverei aus. Sie wechseln nur das Gefängnis, die Handschellen, die Ketten. Nichts verändert sich wirklich.


Wenn ihr also hört, dass Gott tot ist, und wenn euer Intellekt überzeugt ist, dass Gott niemals existiert hat, dass er nirgendwo zu finden ist ... dann ist das nur eine intellektuelle Überzeugung. Doch ihr besteht nicht nur aus Intellekt; ihr besteht auch aus Emotionen, Empfindungen, Gefühlen, und diese gehen tiefer als der Intellekt.

Und das Konzept von Gott ist bis in eure Emotionen vorgedrungen, bis in eure Empfindungen, eure Gefühle. Der Intellekt ist nur die Oberfläche eures Geistes, und ihr könnt rein logisch, rational, durchaus davon überzeugt sein, dass es keinen Gott gibt.

Einer meiner Freunde, ein alter Mann und sehr intelligent, war immer ein Anhänger von J. Krishnamurti gewesen, und er war im selben Alter wie Krishnamurti. Ich trat in sein Leben, als er schon recht alt war, doch er fing an, zu mir zu kommen. Intellektuell war er ein Gigant und überzeugt davon, dass es keinen Gott gibt, keine Hölle, keinen Himmel, keine Moral, dass das alles nur eine soziale Übereinkunft ist.

Eines Tages kam sein Sohn angerannt – sie wohnten nur fünf Minuten Fußmarsch von mir entfernt – und sagte:

»Mein Vater hatte einen schweren Herzinfarkt, und die Ärzte machen sich Sorgen, dass ein zweiter folgen könnte. Er ist sehr schwach, doch er hat sich plötzlich an dich erinnert und möchte, dass du bei ihm bist.«

Also rannte ich mit ihm zurück. Als ich zum Zimmer des alten Mannes kam ... ich stand an der Tür und hörte ein Geräusch. Dieser alte Mann sprach vor sich hin: »Hare Krishna, Hare Rama.« Ich konnte es kaum glauben. Sein ganzes Leben hindurch hatte er Gott geleugnet, geleugnet, geleugnet, und nun betete er: »Hare Krishna, Hare Rama.«

Ich ging sehr langsam zu ihm hin, um ihn nicht zu stören, setzte mich an seine Seite und hörte ihm zu. Er wiederholte ständig:

»Hare Krishna, Hare Rama.« Ich schüttelte ihn. Er öffnete die Augen. Ich fragte ihn: »Was machst du da? Ein Herzinfarkt, und schon ist deine ganze Philosophie vergessen? «

Er antwortete: »Jetzt ist keine Zeit zum Diskutieren, und jetzt ist es auch nicht an der Zeit, Risiken einzugehen. Lass mich einfach in Ruhe; setz dich nur neben mich, und lass mich zu Gott beten.

Intellektuell ist mir klar, dass es keinen Gott gibt. Aber wer weiß?

Und was kann es schon schaden? Ich sterbe sowieso. Da ist es besser, seinen Namen zu wiederholen. Wenn es ihn gibt, hilft es vielleicht; wenn es ihn nicht gibt, was kann es dann schon schaden?

Ich habe einfach nur ein paarmal seinen Namen wiederholt, das ist al les.«

Ich erwiderte: »Darum geht es gar nicht. Es geht um deine Integrität. Du bist ein vollkommen gespaltener Mensch.« Es war alles nur intellektuell gewesen. Das ist es, was ich euch immer und immer wieder gesagt habe, dass es sich dabei nur um intellektuelle Rationalität handelt. Und darin hat Krishnamurti versagt. Er sprach nur intellektuell zu den Menschen, er überzeugte sie intellektuell, doch er gab ihnen keine Methode, keine Meditation, mit der sie tiefer als das Gefühl hätten gehen können. Die Menschen können tiefer gehen als bis zum Herzen. Sie können zu ihrem innersten Wesen gehen, und erst dann taucht ein enormes Licht auf, das nicht mehr flackert; dann spielt es keine Rolle mehr, ob der Tod kommt, ob ein Herzinfarkt kommt.

Der alte Mann erholte sich wieder. Ein paar Tage später kam er zu mir und sagte: »Erzähl niemandem davon.«

Ich antwortete: »Ich werde es allen erzählen, und ich werde es auch Krishnamurti berichten.« Und das machte ich auch. Ich sagte zu ihm: »Das sind deine Anhänger. Sie waren ein Leben lang deine Anhänger, und du hast dich auf diese Leute verlassen.«

Krishamurtis letzte Worte, bevor er starb, bestätigten das. Seine letzte Aussage war: »Ich sterbe als frustrierter Mensch. Die Menschen haben sich von mir nur unterhalten lassen. Niemand hat mir wirklich zugehört.« Doch das war nicht der Fehler der Leute.

Es war sein eigener Fehler. Er sprach nur auf der intellektuellen Ebene zu ihnen; er wies sie niemals darauf hin, tiefer zu gehen.

Solange ihr nicht tiefer geht, werdet ihr eure Projektionen nur von einem Objekt auf ein anderes verlagern. Wenn es keinen Gott gibt, macht ihr mich zu eurem Gott. Und ich bin ganz sicher nicht Gott. Ich habe dieses schreckliche Chaos nicht erschaffen, das ihr hier auf der ganzen Welt seht. Ich habe Adolf Hitler nicht erschaffen, oder Dschingis Khan oder Tamerlan, auch nicht Nadir Schah oder Benito Mussolini. Ich habe diese Menschen nicht erschaffen. Macht mich nicht dafür verantwortlich! Und ich bin nicht allmächtig. Ich sitze einfach nur hier auf meinem Stuhl, das ist alles. Allmächtig würde bedeuten, dass ich einen Stuhl brauche, in den das ganze Universum passt. Und ich bin nicht allgegenwärtig. Ich bin kein Voyeur, der euch im Schlafzimmer beobachtet. Das ist es, was Gott angeblich macht, er beobachtet euch selbst noch im Badezimmer, durchs Schlüsselloch.

Ich bin auch nicht allwissend. Ich weiß nicht , was im nächsten Augenblick passieren wird. Ich bin einfach nur ein Mensch, einfach nur vollkommen wach und bewusst, und antworte auf das Leben von Moment zu Moment, entsprechend meiner Bewusstheit, meinem Bewusstsein; einfach nur ein klarer Spiegel, der alles reflektiert, was vor ihn tritt. Projiziert also nichts auf mich.

Doch ich kann dein Problem verstehen. Dein Problem ist, dass du intellektuell überzeugt bist, doch dass du die Wahrheit in den tieferen Schichten deines Wesens noch nicht erkannt hast. Du musst erst durch Meditation erkennen, dass es keinen Gott gibt; die Existenz genügt, es braucht keinen Gott, keine Fiktion.

Sobald du das in deinem tiefsten Kern erkannt hast, wirst du diesen alten Aberglauben niemals mehr projizieren. Nur Meditation kann für eine Verwandlung deines Wesens sorgen. Krishnamurti starb frustriert, weil er niemals bedacht hatte, dass er nur mit dem Intellekt der Menschen arbeitete. Krishnamurti half den Menschen nicht, über den Verstand hinauszugehen.

Ich vermute, dass er selbst vielleicht niemals über den Verstand hinausgegangen ist. Wie hätte er das sonst übersehen können?

Wenn er über den Verstand hinausgegangen wäre, dann hätte er sich bestimmt sein ganzes Leben lang bemüht, den Menschen zu helfen, über den Verstand hinauszugehen. Wenn man anfängt, über den Verstand hinauszublicken, dann gibt es keinen Gott, aber diese Existenz wird so schön, so intelligent, so strahlend, so sich selbst genug, dass sie nichts anderes mehr braucht. Doch nur Meditation kann dieses Wunder zustande bringen.

Die dritte Frage:

Gestern hörte ich dich sagen, dass Gebet etwas nach außen

Gerichtetes ist. Was ist mit Dankbarkeit? Ich habe das Gefühl,

dass Dankbarkeit nicht unbedingt ein äußeres Objekt braucht.

Und dass sie nicht nur entsteht, weil eine offene oder geheime

Sehnsucht erfüllt wurde.

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