Zauberer Zwackelmanns Ende

Um bei der Dunkelheit besser sehen zu können, setzte der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann seine Nachtbrille auf. Dann eilte er auf den Schlossturm, bestieg seinen Zaubermantel und sauste los. Doch so scharf er auch Ausschau hielt und so weit er auch flog und umherspähte: Es gelang ihm nicht, Kasperl zu finden.

Inzwischen war nämlich über der Hohen Heide der Mond aufgegangen. Sogleich hatte unter den Wurzeln der alten Wetterfichte das Feenkraut silbern hervorgeleuchtet und rasch hatte Kasperl ein Büschel davon gepflückt. Nun war er für Petrosilius Zwackelmann unsichtbar, daran änderte auch die Nachtbrille auf des großen Zauberers Nase nichts.

Das Feenkraut in der rechten Hand und die Hand in der Hosentasche, trat Kasperl den Rückweg an. Zwei-, dreimal

geschah es, dass Zwackelmann auf dem Zaubermantel genau über ihn hinwegrauschte. Dann zog Kasperl erschrocken den Kopf ein und duckte sich. Aber auch wenn er sich nicht geduckt hätte, hätte ihn Zwackelmann nicht erspähen können, obgleich er so niedrig flog, dass Kasperl den Luftzug spürte.

Das Feenkraut machte ihn übrigens nicht nur unsichtbar. Seit er es in der Tasche trug, war er auch nicht mehr müde! Seine Beine liefen wie von selbst und im Morgengrauen erreichte er wohlbehalten das Zauberschloss.

Das Tor war verschlossen. Kasperl berührte es mit dem Feenkraut, da tat es sich vor ihm auf und er konnte eintreten. Aber in diesem Augenblick hörte er über sich in der Luft ein gewaltiges Sausen und Brausen und als er emporschaute, sah er, dass Zwackelmann eben jetzt auf dem Schlossturm gelandet war. Hoffentlich hatte er keinen Verdacht geschöpft!

Doch dem großen und bösen Zauberer Petrosilius Zwackelmann war es nicht entgangen, dass sich vor wenigen Augenblicken das Tor seines Zauberschlosses geöffnet und wieder geschlossen hatte.

„Oho!", rief er aus, „was, bei allen geschwänzten Teufeln, bedeutet das? Jemand, den ich nicht sehen kann, hat sich Zutritt zu meinem Schloss verschafft! Aber wer ist es? Und wie, beim leibhaftigen Satan und seiner Großmutter, hat er das fertig gebracht?"

Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern nach seinem Zauberstab.

„Wer es auch immer sei", rief er zornig, „Ich werde ihn finden und grässlich für seinen Vorwitz bestrafen! Potz Schwefel und Marter und Höllenfeuer, das schwöre ich!"

Immer drei Stufen auf einmal nehmend, rannte der große Zauberer die Wendeltreppe hinunter ins Erdgeschoss. Unterdessen war Kasperl schon in den Keller hinabgeeilt und lief durch den finsteren Gang zu dem Unkenpfuhl. Diesmal hatte er keine Laterne mit, aber da er das Feenkraut in der Hand hielt, konnte er sie entbehren: Er sah in der Finsternis wie mit Katzenaugen.

Die erste Tür – nun die zweite – und jetzt die dritte ...

„Da bin ich, ich habe es! Sage mir, was ich tun soll!"

„Reich mir die Hand herunter und hilf mir hinauf!"

Kasperl legte sich auf den Boden und streckte der Unke im Unkenpfuhl seine rechte Hand hin, die Hand mit dem Feenkraut.

„Nein, die andere!", quakte die Unke. „Du musst mir zuvor aus dem Wasser helfen!"

Draußen, am Kellereingang, erscholl nun die laute, zornige Stimme des Zauberers Zwackelmann. Er hatte bemerkt, dass die Kellertür offen stand. Da war ihm ein fürchterlicher Verdacht gekommen. Fluchend und wetternd kam er die Treppe herabgepoltert. In wenigen Augenblicken musste er hier sein.

„Mach schnell!", rief die Unke.

Kasperl packte sie mit der linken Hand und setzte sie neben sich auf den Fußboden. Mittlerweile war Zwackelmann immer näher herangekommen. Er brüllte und tobte, dass das Gewölbe erdröhnte.

„Schnell!", rief die Unke, „berühre mich mit dem Feenkraut!"

Kasperl gehorchte.

Im gleichen Augenblick stürmte der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann durch die letzte Tür. Aber plötzlich erstarrte er und verstummte.

Auch Kasperl erschrak – aber nicht vor dem Anblick des bösen Zauberers! Er erschrak vor dem großen Licht, das den Keller erfüllte. Es blendete ihn und er musste die Augen schließen. Als er sie wieder öffnete, sah er, dass neben ihm eine schöne Frau stand.

Sie leuchtete wie die Sonne. Alles an ihr, das Gesicht und die Hände, ihr Haar und das lange goldene Kleid war so schön, dass es nicht zu beschreiben ist.

„Oh!", dachte Kasperl, „ich glaube, ich werde blind, wenn ich länger hinsehe ..."

Aber wegschauen? Wegschauen konnte er auch nicht. So schaute er vorsichtshalber bloß noch mit einem Auge, das andere kniff er zu.

Petrosilius Zwackelmann stand wie vom Donner gerührt an der Kellerwand. Er war käsebleich im Gesicht, seine Knie schlotterten, dicke Schweißtropfen rannen ihm über die Stirn. Er versuchte zu sprechen, aber er konnte nicht. Er war so verdattert, dass ihm sogar der Zauberstab aus der Hand glitt.

Der Zauberstab fiel zu Boden. Die Fee Amaryllis versetzte ihm mit der Fußspitze einen leichten Stoß. Da kam er ins Rollen und plumpste mit einem Klatsch in den Unkenpfuhl.

Jetzt endlich ermannte sich Petrosilius Zwackelmann.

„Hol dich der Teufel!", schrie er.

Er tat einen Satz, wollte zupacken und den Zauberstab festhalten. Doch zu spät! Seine Finger griffen ins Leere, er stolperte, überschlug sich – und bevor ihm die Fee Amaryllis und Kasperl beispringen konnten, stürzte er in die Tiefe. – Ein grässlicher letzter Schrei! Dann verschlang ihn der Abgrund und gurgelnd und brodelnd schlugen die schwarzen Wasser des Unkenpfuhls über ihm zusammen.



Загрузка...