Künstlerpech

Der Räuber Hotzenplotz nahm es mit seinem Beruf sehr genau. Im Sommer stand er wochentags immer pünktlich um sechs Uhr auf und spätestens um halb acht verließ er die Räuberhöhle und ging an die Arbeit. Auch heute lag er seit acht Uhr morgens hinter den Ginsterbüschen am Waldrand auf der Lauer und beobachtete durch sein Fernrohr die Landstraße. Aber inzwischen war es halb zehn geworden und noch immer hatte er keine Beute gemacht.

„Schlechte Zeiten!", schimpfte der Räuber Hotzenplotz. „Wenn das so weitergeht, muss ich mich allmählich nach einem anderen Beruf umsehen. Die Räuberei bringt auf die Dauer zu wenig ein und anstrengend ist sie außerdem!"

Er wollte sich eben – was er sonst während der Arbeitszeit nur höchst selten tat – eine Prise Schnupftabak genehmigen: Da hörte er auf der Landstraße einen Handwagen knarren.

Vorsicht Gold!", las der Räuber Hotzenplotz; und er musste es gleich noch ein zweites und drittes Mal lesen, bevor er sicher war, dass er sich nicht getäuscht hatte.

Nein, er hatte sich nicht getäuscht! Endlich lachte ihm wieder das Räuberglück! Vielleicht sollte er seinen Beruf lieber doch nicht aufgeben?

Hastig riss Hotzenplotz seine Pistole aus dem Gürtel und spannte sie. Er ließ Kasperl und Seppel mit ihrem Wagen auf wenige Schritte herankommen. Dann sprang er mit einem Riesensatz auf die Straße hinaus.

„Hände hoch!", brüllte Hotzenplotz, „oder ich schieße!"

Es wunderte ihn kein bisschen, dass Kasperl und Seppel sofort Reißaus nahmen.

„Lauft nur, ihr beiden Helden!", rief er ihnen nach. „Hauptsache, dass mir die Kiste nicht wegläuft! Hö-hö-hö-

Er hatte es mit dem Heimkommen so eilig, dass er gar nicht merkte, wie die Kiste auf seinem Rücken mit der Zeit immer leichter und leichter wurde. Denn Kasperl hatte im letzten Augenblick doch noch daran gedacht, das Streichholz herauszuziehen und nun rieselte der feine weiße Sand ohne Unterlass durch das Loch im Kistenboden und bildete hinter dem Räuber Hotzenplotz eine dünne Spur.

Daheim angekommen stellte Hotzenplotz die Kiste auf den Tisch und nachdem er den Eingang zur Räuberhöhle von innen verriegelt hatte, holte er Hammer und Zange aus dem Werkzeugkasten und machte sich daran, die Kiste zu öffnen. Da er ein sehr erfahrener Räuber war, der sein Handwerk von Grund aus verstand, dauerte es nicht lange, bis er den Deckel aufklappen konnte.

Er beugte sich über die Kiste und blickte hinein.

Da erstarrte er.

War es zu fassen? In der Kiste lag nichts als ein Häuflein Sand! Ganz gewöhnlicher, schäbiger weißer Sand!

„Ha!", schrie der Räuber Hotzenplotz zornig, „man hat mich betrogen, man hat mich zum Narren gehalten!"

Er packte mit beiden Fäusten seinen krummen Räubersäbel, stürzte sich auf die arme Kartoffelkiste und hackte sie kurz und klein. Auch den Tisch, der aus starken Eichenbohlen gezimmert war, schlug er in Stücke. Dann rannte er vor die Tür, weil er frische Luft brauchte.

Aber was war das?

Da führte doch eine feine Sandspur am Boden hin ... Sie kam aus dem Dickicht und führte genau auf die Höhle zu!

Hotz;enplotz hätte kein so gerissener Räuber sein dürfen, um nicht sofort zu wissen, was er davon zu halten hatte.

Er stieß einen gräulichen Fluch aus.

„Der Kasperl und dieser Seppel wollten mich hinters Licht führen!", knurrte er. „Aber jetzt drehen wir den Spieß um, jetzt können sich die zwei Burschen auf etwas gefasst machen! Rache! Rache!"



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