Petrosilius Zwackelmann

Der große und böse Zauberer Petrosilius Zwackelmann hockte verdrossen in der Küche seines Zauberschlosses und schälte Kartoffeln.

Er war zwar ein großer Zauberer, der mit Leichtigkeit einen Menschen in jedes beliebige Tier verwandeln und aus Dreck Gold machen konnte – aber Kartoffeln die Schale herunterzuzaubern, das war ihm trotz vieler Mühe noch nie gelungen. Wenn er also nicht immer bloß Nudeln und Graupen essen wollte, musste er sich wohl oder übel von Zeit zu Zeit die Küchenschürze umbinden und das lästige Geschäft des Kartoffelschälens selbst besorgen.

„Alles bloß, weil ich keinen Dienstboten habe!", seufzte der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann.

Und warum hatte er keinen Dienstboten?

„Weil ich noch keinen gefunden habe, der mir gepasst hätte", dachte er. „Solch ein Dienstbote müsste nämlich vor allem dumm sein. Nur einen Dummkopf könnte ich in mein Zauberschloss aufnehmen, ohne dass er mir auf die Schliche kommt. In diesem Punkt kann man als Zauberer gar nicht scharf genug aufpassen. Bevor ich mir da eine Laus in den Pelz setze, ist es viel besser, ich schäle mir die Kartoffeln selber, auch wenn es mir lästig fällt."

Petrosilius Zwackelmann hatte während des Nachdenkens mit der Arbeit ausgesetzt. Nun wollte er weiterschälen – da schellte die Hausglocke.

„Augenblick!", rief der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann, „komme gleich!"

Er lief in den Flur hinaus, griff nach dem schweren Riegel und wollte das Schlosstor öffnen. Aber in letzter Sekunde besann er sich, dass er noch die Küchenschürze vor dem Bauch hatte! Ach du liebe Zeit, Petrosilius Zwackelmann in der Küchenschürze: Das fehlte gerade noch, dass ihn jemand in diesem unwürdigen Aufzug zu Gesicht bekam!

Abermals schellte die Hausglocke.

„Ja doch, ich komme!", rief Zwackelmann. Er riss sich die Küchenschürze herunter – aber wohin mit ihr?

„Hokuspokus!"

Der große Zauberer Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern. Da schwebte die Küchenschürze von selbst in die Küche hinaus und hängte sich im Geschirrschrank an ihren Haken.

Die Hausglocke schellte zum dritten Mal.

Petrosilius Zwackelmann schob den Riegel zurück und öffnete. Draußen stand, einen Sack auf dem Rücken, der Räuber Hotzenplotz.

„Ei, sieh da!", rief der große Zauberer freudig aus. „Alter Freund, lebst du auch noch? Willkommen bei mir, willkommen! Magst du nicht eintreten?"

„Gern", sagte Hotzenplotz.

Petrosilius Zwackelmann führte ihn in sein Studierzimmer. Das war eine hohe Ehre für Hotzenplotz. Hierher führte der große Zauberer nur seine besten Freunde. Gewöhnliche Gäste empfing er (wenn er sie überhaupt empfing) in der Schlosshalle.

Im Studierzimmer Zwackelmanns stand ein mächtiger Bücherschrank, der mit dicken, in Leder eingebundenen Büchern gefüllt war. Stöße von dicken, in Leder eingebundenen Büchern lagen auch auf dem Schreibtisch, der Fensterbank und dem Fußboden. Über dem Schreibtisch hing an der Zimmerdecke ein Krokodil, das war ausgestopft, und im Hintergrund lehnte in einem Winkel ein Totengerippe, das in der knöchernen rechten Hand eine brennende Kerze hielt.

Petrosilius Zwackelmann ließ sich in seinem Sessel hinter dem Schreibtisch nieder und zeigte auf einen Lehnstuhl, der ihm gegenüber stand.

„Willst du nicht Platz nehmen, alter Knabe?"

Hotzenplotz nickte und setzte sich.

„Prise gefällig?", fragte der große Zauberer.

„Immer her damit!"

Zwackelmann schnackelte mit den Fingern und griff in die

leere Luft. Er zauberte aus dem Nichts eine silberne Schnupftabaksdose hervor und reichte sie Hotzenplotz.

„Bitte – bediene dich!"

Hotzenplotz nahm eine kräftige Prise und schnupfte. Er musste so schrecklich niesen, dass er um Haaresbreite das Krokodil von der Decke heruntergeniest hätte.

„Teufel, Teufel, mein Lieber, das nenne ich einen Tabak! Der ist dreimal so scharf wie gestoßene Glasscherben! Wo kriegt man den?"

„Eigenbau", sagte der große Zauberer Zwackelmann, „meine Spezialmischung, Marke ,Nasentrost'. – Da, nimm dir noch eine!"

Hotzenplotz strahlte, ihm war ein Gedanke gekommen. Er schnupfte und nieste. Dann sagte er:

„Könnten wir nicht ein Geschäft machen?"

„Ein Geschäft?", fragte Zwackelmann.

„Ja", sagte Hotzenplotz, „ein Geschäft mit dem Schnupftabak."

Zwackelmann rümpfte die Nase.

„Was könntest du mir schon bieten?", fragte er. „Weißt du nicht, dass ich Geld wie Mist habe?"

„Wer spricht denn von Geld!", sagte Hotzenplotz. „Ich biete dir etwas viel Besseres. Rate mal!"

Petrosilius Zwackelmann legte die Stirn in Falten und dachte nach. Hotzenplotz wartete eine Weile, dann meinte er:

„Soll ich dir draufhelfen? Es ist etwas, wonach du seit langem vergeblich suchst ..."

„Etwas, wonach ich seit langem vergeblich suche?" Der große Zauberer horchte auf. „Ist es etwa ... ein neues Zauberbuch?"

„Nein, ein Dienstbote!"

„Ha!", rief der große Zauberer Zwackelmann, „wirklich? Ein Dienstbote? Ist er aber auch dumm genug?"

„Dümmer geht's nicht mehr", sagte der Räuber Hotzenplotz.

„Und wo hast du ihn?"

„Hier im Sack steckt er!"

Hotzenplotz knüpfte die Schnur auf, mit der er das obere Ende des Sackes zugeschnürt hatte. Der Sack glitt herunter, zum Vorschein kam Kasperl mit Seppels Hut auf dem Kopf.

Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern und zauberte seine Brille herbei. Er setzte sie auf die Nase und musterte Kasperl durchdringend. Kasperl machte das dümmste Gesicht, das er machen konnte.

„Ist er so dumm wie er aussieht?", fragte der große Zauberer Zwackelmann.

„Mindestens", sagte Hotzenplotz.

„Das ist gut", sagte Zwackelmann, „das ist sehr gut! Wie heißt er denn?"

„Seppel."

„Aha. – Also, Seppel, ich nehme dich. Kannst du Kartoffeln schälen?"

„Natürlich, Herr Schnackelmann!"

Petrosilius Zwackelmann brauste auf.

„Du verdrehst meinen Namen, Kerl?", rief er zornig. „Ich bin auch nicht einfach ein Herr, ich verlange von dir die Anrede ,Großer Zauberer Petrosilius Zwackelmann'! Merk dir das ein für allemal!"

„Sehr wohl, großer Zauberer Zeprodilius Wackelzahn!", sagte Kasperl ganz unschuldig.

„Pech und Schwefel!"

Der große Zauberer packte Kasperl am Kragen und beutelte ihn gewaltig durch.

„Glaubst du, ich dulde es, dass du dich über mich lustig machst? Soll ich dich auf der Stelle in einen Affen verzaubern oder in einen Regenwurm?"

Petrosilius Zwackelmann schnackelte mit den Fingern – und schwuppdich!, hielt er den Zauberstab in der Hand. Aber Hotzenplotz ließ es nicht zu, dass er Kasperl verzauberte. Er fiel Zwackelmann in den Arm und beschwichtigte ihn.

„Seppel verdreht deinen Namen nicht absichtlich, alter Freund! Er merkt sich ihn nicht, er ist einfach zu dumm dazu!"

„Ach so?", meinte Petrosilius Zwackelmann und dann lachte er. „Hotzenplotz!", rief er, „ich kann gar nicht sagen, wie froh ich bin! Dieser Seppel gefällt mir, er ist wie geschaffen für meinen Haushalt! Ich bringe ihn rasch in die Küche, dort mag er Kartoffeln schälen. Dann wollen wir beiden in aller Ruhe über den Preis reden."

„Reden wir lieber gleich darüber!", sagte der Räuber Hotzenplotz.

„Auch gut! Ich biete dir – sagen wir: einen halben Sack Schnupftabak!"

„Einen halben?", entgegnete Hotzenplotz, „ist das nicht etwas wenig für einen ganzen Dienstboten?"

„Schön", sagte Petrosilius Zwackelmann, „du bekommst einen ganzen Sack. Topp?"

Damit streckte er Hotzenplotz seine rechte Hand hin.

„Topp!", sagte Hotzenplotz und schlug ein. „Von jetzt an kannst du mit Seppel tun, was du willst, er gehört dir nun!"



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