Ein Schuss aus der Pfefferpistole

Der Räuber Hotzenplotz strich sich grinsend den schwarzen Bart. Es freute ihn, dass er den guten Einfall gehabt hatte, von dem Rest des Sandes, der in der Kiste übrig geblieben war, eine zweite Spur zu streuen. Hoffentlich waren Kasperl und Seppel so unvorsichtig und trennten sich! Am Ende der Spur sollte jeder von beiden sein blaues Wunder erleben, dafür hatte Hotzenplotz vorgesorgt.

Die linke Spur war die richtige, denn sie führte zur Räuberhöhle. Das Schlimme war nur, dass der Räuber Hotzenplotz kurz vor dem Höhleneingang mit schussbereiter Pistole hinter dem Stamm einer knorrigen alten Eiche stand. Im Pistolenlauf steckte zwar keine Kugel, dafür aber eine Ladung gemahlenen Pfeffers. Und ein Schuss aus der Pfefferpistole, das

wusste der Räuber Hotzenplotz, war in diesem Falle genau das Richtige.

„Ob der Bursche noch lang auf sich warten lässt?", dachte Hotzenplotz. – Aber nein, wenn ihn nicht alles täuschte, kam da schon wer durch den Wald getappt ...

Richtig, dort tauchte er zwischen den Bäumen auf! Er trug eine knallrote Zipfelmütze: der Kasperl also!

Hotzenplotz konnte nicht wissen, dass das Seppel mit Kasperls Mütze war. Kaltblütig hob er die Pfefferpistole und zielte.

Er zielte sehr sorgfältig, machte langsam den Finger krumm ... Rrrrumsdich – ein Blitz, ein Knall und ein Wölkchen Pulverdampf.

Armer Seppel! Er hatte den Schuss aus der Pfefferpistole mitten ins Gesicht bekommen. Hören und Sehen verging ihm, er nieste und spuckte und hustete ohne Unterlass. Wie das brannte und kratzte und in die Augen biss! Schrecklich, schrecklich!

Jetzt hatte der Räuber Hotzenplotz leichtes Spiel mit ihm.

Hohn lachend band er ihm Arme und Beine mit einem Kälberstrick, lud ihn sich auf den Rücken und trug ihn in seine Räuberhöhle. Dort warf er ihn in die Ecke.

„Da!", rief er, „jetzt kannst du dich ausniesen, wohl bekomm's dir!"

Er wartete, bis sich Seppel ein wenig erholt hatte. Als er sah, dass die Wirkung des Pfeffers nachließ, gab er ihm einen Fußtritt und spottete:

„Guten Tag, Kasperl! Schön willkommen in meiner Höhle, gefällt sie dir? Tut mir Leid, dass du Schnupfen hast. Aber das lässt sich nicht ändern, das kommt davon! Was musst du auch deine Nase in Dinge stecken, die dich nichts angehen."

Seppel konnte nicht antworten, Seppel nieste. „Zum Wohlsein, Kasperl!", sagte der Räuber Hotzenplotz. Hatte er „Kasperl" gesagt?

„Ich bin nicht der Kasperl!", rief Seppel und musste schon wieder niesen.

„Nein, nein", meinte Hotzenplotz grinsend, „ich weiß, dass du nicht der Kasperl bist, sondern der Kaiser von Konstantinopel."

„Nein doch, ich bin der Seppel!"

„Natürlich, natürlich – und ich bin der Wachtmeister Dimpfelmoser, falls dir das neu sein sollte."

„Ich bin aber wirklich der Seppel!"

„Maul halten!", brüllte der Räuber Hotzenplotz. „Wenn du mich anschwindelst, werde ich grob und versohle dich mit dem Schür haken! – Aber horch mal ..."

Bim – bim – bim – bim.

Ein Glöckchen, das neben dem Höhleneingang am Türstock hing, bimmelte.

„Weißt du, was das bedeutet?", fragte der Räuber Hotzenplotz. „Nein, das kannst du nicht wissen, ich muss es dir also erklären. Das Bimmeln bedeutet, dass eben jetzt dein Freund Seppel in eine Grube geplumpst ist, genauer: in eine Fallgrube! Ja, da staunst du wohl, das verschlägt dir die Sprache, wie? Aber tröste dich, mit dem Hotzenplotz sind schon ganz andere Leute nicht fertig geworden!"

Hotzenplotz lachte dröhnend und patschte sich auf die Schenkel. Dann kramte er unter dem Bett ein paar Stricke und einen Sack hervor.

„Ich gehe nun deinen Freund Seppel holen, damit es dir hier nicht zu einsam wird", sagte er. „Überlege dir unterdessen, ob du nicht doch der Kasperl bist! Viel Vergnügen einstweilen!"



Загрузка...