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Der Angriff kam völlig warnungslos. Vor einer Sekunde war der Sand noch glatt und unberührt gewesen, aber dann ging alles unglaublich schnell; und durch die große Entfernung mit einer fast gespenstischen Lautlosigkeit:

Der Sand explodierte, als wäre dicht unter seiner Oberfläche ein Geysir zum Leben erwacht, und innerhalb der stiebenden gelben Fontäne richtete sich ein... ein Etwas auf; riesig, schwarz und schimmernd, mit fürchterlichen Krallen und Fängen und schwarzen, glotzenden Augen, das trotz seiner absurden Größe ungeheuerlich schnell war. Ein blitzschnelles Schnappen und Reißen, gefolgt von einem furchtbaren, mahlenden Geräusch - und wo vor einer Sekunde noch ein ahnungsloser Kojote gesessen hatte, versickerten nur noch ein paar Blutflecken im Sand. Nicht einmal ein Fellbüschel blieb zurück, als sich das schwarze Ding wieder in sein unterirdisches Versteck zurückzog. Wie von einer unsichtbaren Hand berührt, glättete sich der Sand wieder. Fünf Sekunden nach dem heimtückischen Überfall war der Boden wieder so glatt wie zuvor; eine tödliche Falle, die auf das nächste ahnungslose Opfer wartete.

Charitys Finger zitterten, als sie den Feldstecher sinken ließ.

Net hatte ihr gesagt, was passieren würde, und doch war ihr ein ordentlicher Schreck in die Glieder gefahren.

»Glaubst du mir jetzt?«

Charity verzichtete auf eine Antwort. Sekundenlang starrte sie die helle, so trügerisch glatte Ebene am Fuß der Felsen noch mit einer Mischung aus Entsetzen und Verwirrung an, dann hob sie das Fernglas wieder an die Augen und sah nach Osten.

Charity beobachtete das Fort (oder was immer es sein mochte) seit einer halben Stunde, aber der Anblick erfüllte sie noch immer mit der gleichen Mischung aus Staunen und Furcht.

Auf den ersten Blick glich das Bauwerk einer zwar gigantischen, aber trotzdem primitiven Festung, einer unregelmäßig geformten Ansammlung aus schimmernden Palisaden und irgendwie verkrüppelt wirkenden Türmen und Erkern. Aber die Ähnlichkeit endete jäh, sobald man auch nur etwas genauer hinsah oder gar versuchte, Einzelheiten zu erkennen.

Es war verrückt - aber Charity hatte mehr und mehr das Gefühl, daß das Bauwerk sich ihren Blicken irgendwie zu entziehen versuchte. Es gelang ihr nicht, einen bestimmten Punkt länger als ein paar Sekunden zu fixieren; ihr Blick glitt ab wie ein Lichtstrahl von der Oberfläche eines Spiegels. Selbst wenn sie in diesem Moment, noch mit dem Glas an den Augen, das Fort hätte beschreiben sollen, hätte sie es nicht gekonnt. Alles an ihm wirkte fremd und düster und auf eine schwer zu beschreibende, aber überdeutlich zu spürende Weise bedrohlich.

Es war, dachte sie schaudernd, als versuche sie einen Blick in eine völlig fremde, feindselige Welt zu tun. Die Stahlburg schien nach Regeln einer Geometrie erbaut worden zu sein, die aus einem fremden Universum stammen mußten.

Wie hatten Gurk und Skudder dieses Ding genannt? Shait-Tempel?

Charity hatte nicht die mindeste Ahnung, was ein Shait-Tempel war und wen oder was man darin anbetete. Aber jetzt schien das Wort allein einen düsteren, drohend nachhallenden Klang zu bekommen. Vielleicht, dachte sie, war das bedrückendste daran die Vorstellung, daß dieses Monstrum von Tempel zwar von den Außerirdischen erbaut, aber von Menschen bewohnt wurde.

»Es wäre Selbstmord, sich dem Ding auch nur zu nähern«, sagte Net leise.

»Aber was tun sie dort?« murmelte Charity. Dieses ... Etwas konnte nicht nur ein Tempel sein, dachte sie, ganz egal, welche monströse Gottheit dort angebetet wurde. Es war einfach zu groß.

Net antwortete erst nach einigen Sekunden auf ihre Frage. »Außer Kinder zu entführen, meinst du?«- Sie zuckte mit den Achseln. »Ich weiß es nicht. Niemand weiß es. Niemand ist einem solchen Ding jemals nahe genug gekommen, um es herauszufinden.«

Sie stand auf. »Nur die Priester dürfen sich einem Shaitaan weiter als bis auf fünf Meilen nähern.«

Charity blickte wieder auf die so trügerisch glatte Sandfläche herab, in die die Felsebene kaum zehn Meter unter ihnen überging. Und diese Sandebene war nur der erste - und, wie Gurk behauptet hatte, harmloseste - von insgesamt drei Verteidigungsringen, die das Shaitaan umgaben, zum Schutz vor ...

Ja, vor was eigentlich? dachte sie verwirrt.

Es war jetzt gut zwei Wochen her, daß sie aus dem Schlaftank gestiegen und in diese völlig fremde, zerstörte Welt hinausgetreten war, und sie kannte sie längst noch nicht gut genug, um sich wirklich ein Urteil erlauben zu können. Trotzdem war sie sicher, daß es im Umkreis etlicher tausend Meilen nichts gab, was diesem Monstrum von Bauwerk dort hinten gefährlich werden konnte.

Verwirrt drehte sie sich zu Net herum und ging ohne ein weiteres Wort los. Die Wastelanderin folgte ihr schweigend. Die zwanzig Minuten, die sie im Sand gelegen und den monströsen Tempel angestarrt hatten, waren vergeudete Zeit gewesen. Skudder hatte sie gewarnt, sich der Todeszone zu nähern, die das Shaitaan umgab, aber sie hatte sich einfach überzeugen müssen, daß das, was sie aus der Entfernung gesehen hatten, auch wirklich wahr war. Jetzt bedauerte sie es beinahe. Großer Gott, dachte sie, was haben sie aus unserer Welt gemacht?

Skudder hatte ein Feuer entzündet, als sie zurückkamen, und nicht zum ersten Mal fragte sich Charity, wie um alles in der Welt er es immer wieder fertigbrachte, ein solches Feuer zu entfachen, ohne daß auch nur eine Spur von Rauch zu sehen war.

Wortlos setzte sie sich neben ihn, angelte einen der Stöcke herunter, auf die Bart irgendein Stück Fleisch gespießt hatte, und begann lustlos zu essen.

Shait. Shaitaan. Das Wort ging ihr nicht aus dem Sinn. Irgendwo hatte sie dieses Wort schon einmal gehört, und irgendwann einmal hatte sie sogar gewußt, was es bedeutete. Auch wenn sie auf der anderen Seite ganz genau wußte, daß das unmöglich war.

Sie verscheuchte den Gedanken und beugte sich erneut vor, um einen weiteren Spieß vom Feuer zu nehmen. Bart lächelte sie über die Flammen hinweg an. »Schmeckt, nicht wahr?«

Charity nickte. »Ausgezeichnet«, lobte sie. »Was ist es?«

Der Shark grinste noch ein bißchen breiter. »Willst du das wirklich wissen?«

Charity blinzelte, blickte das gebratene Stück Fleisch in ihrer Hand eine Sekunde lang irritiert an und schüttelte schließlich den Kopf. »Eigentlich nicht. Hauptsache«, fügte sie lächelnd hinzu, »es macht satt.«

»Genau das hat es wahrscheinlich über mich gedacht, als es noch lebte«, antwortete Bart grinsend. Er stand auf, ging zu seinem Motorrad und kam mit einer Wasserflasche zurück. Charity griff dankbar danach, als er sie ihr hinhielt, trank einen gehörigen Schluck und reichte sie Bart zurück. Sie hatte immer noch Durst, aber sie mußte sich beherrschen. Die drei letzten Wasserstellen, an denen sie vorbeigekommen waren, waren ausnahmslos verseucht gewesen, und ihre Vorräte waren bereits bedenklich geschrumpft. Und nicht nur, was das Wasser anging.

Überhaupt war ihre Lage alles andere als rosig, ganz vorsichtig ausgedrückt. Die Lebensmittel, die sie aus der Bunkerfestung mitgenommen hatten, waren schon vor drei Tagen zur Neige gegangen, und in den Tanks der drei Harleys schwappte nur noch ein kümmerlicher Rest Benzin. Wenn sie die Rebellen nicht im Laufe dieses oder spätestens des nächsten Tages fanden, dann würden sie die Welt zu Fuß befreien müssen ...

Falls sich die Welt nicht vorher von ihnen befreite, dachte sie, wofür eine Menge mehr sprach als für die andere Möglichkeit. Es war ein kleines Wunder, daß sie überhaupt noch lebten. Ohne Skudders fast schon unheimliche Instinkte, ohne Nets hervorragende Ortskenntnis, ohne Barts Kraft und vor allem ohne ein schon fast aberwitziges Glück wären sie niemals so weit gekommen.

Es war eine Woche her, daß sie das Shark-Lager verlassen hatten, und sie waren allein in den beiden ersten Tagen fast ein dutzendmal angegriffen worden; acht- oder neunmal von Reitern, die Daniel gleich zu Hunderten losgeschickt zu haben schien, und zweimal von kleinen, scheibenförmigen Fluggeräten, die aus dem Himmel stürzten und auf alles schössen, was sich bewegte. Skudder hatte ihr erklärt, daß diese winzigen fliegenden Killer vielleicht das einzige waren, was die überlebenden Menschen noch mehr fürchteten als die Reiter. Und nachdem Charity das erste Mal ihre ungeheuerliche Feuerkraft gesehen hatte, glaubte sie ihm.

Skudder sah ihr eine Weile schweigend beim Essen zu und schien darauf zu warten, daß sie etwas sagte. Als Charity nur genüßlich weiterkaute, brach er schließlich von sich aus das Schweigen. »Du hast es gesehen, nicht wahr?«

Charity antwortete nicht. Eigentlich war Skudders Frage ziemlich blödsinnig. Aber Charity sprach die scharfe Antwort, die ihr auf der Zunge lag, nicht aus; schon, weil sie einfach keine Lust mehr hatte, Net und den beiden anderen eine weitere Runde in ihrem und Skudders kleinen Machtkampf vorzuspielen. Und sie hatte sich Skudders Zynismus redlich verdient - verdammt, was mußte noch passieren, bis ihr Stolz ihr gestattete, endlich zuzugeben, daß sich Skudder in dieser Welt besser auskannte als sie?

Trotzdem: Der Gedanke, daß er bei ihrem kleinen Katz-und-Maus-Spiel schon wieder einen Punkt gutgemacht hatte, ärgerte sie noch mehr. Doch diesmal zog sie es vor, zu schweigen. Sie war gereizt, aber das war auch nur zu verständlich. Sie war nur ein Mensch. Manchmal fragte sie sich allen Ernstes, ob er einer war.

»Wir sollten von hier verschwinden«, sagte sie. »Ich fühle mich nicht wohl, in der Nähe dieses ... Dinges.«

»Warum?« fragte Gurk. »Er tut dir nichts, solange du ihm nicht zu nahe kommst. Außerdem sind wir hier sicher. Die Ameisen suchen uns überall, aber bestimmt nicht in der Nähe eines Shaitaan.«

Charity blickte den Zwerg einen Moment lang feindselig an. Er irritierte sie noch immer, trotz all der Zeit, die sie jetzt zusammen waren, und es war ganz und gar nicht nur sein absurdes Aussehen, obwohl dies allein schon lächerlich genug war: El Gurk - Abn El Gurk Ben Amar Ibn Lot Fuddel Der Vierte, Informationen und Schwarzmarktwaren aller Art, Mietkiller und Drogen gegen Aufpreis, wie sein korrekter Name lautete - war knapp anderthalb Meter groß, dabei aber so unproportioniert, als hätte jemand drei völlig verschiedene Körper genommen und versucht, einen vierten daraus zusammenzubasteln. Gurks Arme und Beine waren dürr und knochig, dafür hätte sein Kopf einem Riesen gehören können. Seine Augen waren groß und ganz eindeutig nicht menschlich: Es gab kein Weiß darin, sondern nur verschiedene Schwarztöne. Charity hatte ihn nie gefragt - warum eigentlich nicht? -, aber sie war sehr sicher, daß Abn El Gurk Ben Amar Ibn Lot Fuddel Der Vierte nicht auf der Erde geboren war.

Und trotzdem war es nicht sein Aussehen, das Charity auch jetzt noch manchmal schaudern ließ, wenn sie ihn ansah. Auf die eine oder andere Weise bot keiner von ihnen einen normalen Anblick.

Skudder, ein reinrassiger Hopi-Indianer, sah in seiner schwarzen Lederkleidung und mit dem dunklen, streng aus der Stirn gekämmten Haar stets irgendwie hilflos aus, wie ein Tier, das in eine Haut geschlüpft war, die ihm nicht paßte. Vor acht Tagen noch war er Herrscher über eine kleine Armee und treuester Handlanger der Moroni gewesen.

Bart, ein Zwei-Meter-zehn-Riese, mit streifig grün-rot gefärbtem Haar und einem Gesicht, von dem Gurk einmal behauptet hatte, daß man damit Eier abschrecken konnte; dazu Net mit ihrer dunklen Haut und Augen, die wie die eines wilden Tieres waren, das vom ersten Tag seines Lebens an stets auf der Flucht gewesen war.

Und schließlich sie selbst - Captain Charity Laird, jüngste Raumpilotin der Space Force, gegen ihren Willen aus ihrer Welt herausgerissen und auf einen Planeten geschleudert, der zwar noch Erde hieß, aber nun grausamen Invasoren aus dem All gehörte.

Sie waren schon ein verrückter Haufen.

Und ein ziemlich hilfloser dazu.

Sie merkte mit einiger Verspätung, daß Gurk noch immer auf eine Antwort wartete.

»Wir hätten nicht auf dich hören sollen«, sagte sie übellaunig. »Es war völlig verrückt, hierher zu kommen. Wir hätten gleich zur Küste fahren sollen.«

Der Gnom grinste sie fröhlich an und reagierte im übrigen darauf, wie er immer reagiert hatte, wenn sie das sagte - nämlich gar nicht. Aber diesmal ließ Charity es nicht bei einem verärgerten Blick bewenden; sie war gereizt, sie war müde und fror.

»Wer sagt uns denn, daß es diese sagenhaften Rebellen überhaupt gibt?« fuhr sie gereizt fort. »Und wenn, warum sollten sie wohl so verrückt sein, sich ausgerechnet in der Nähe dieses ... dieses Shaitaan zu verstecken?«

Gurk lächelte, auf eine Art, die es ihr sehr schwer machte, nicht eine Handvoll Sand oder besser noch einen brennenden Ast aus dem Feuer aufzuklauben und dieses dämliche Grinsen damit ein für allemal auszulöschen. »Aus dem gleichen Grund, aus dem ich euch hierher geführt habe«, antwortete er gelassen. »Weil man sie hier am wenigsten vermutet. Und es gibt sie. Ich habe zuverlässige Informationen, nach denen ...«

»Du und deine Informationen«, knurrte Charity. »Vielleicht gibt es sie gar nicht. Und wenn doch, finden wir sie nie!«

»Das brauchen wir auch nicht«, mischte sich Skudder ein. »Sie werden uns finden - wenn sie das wollen.«

»Ja«, maulte Charity. »Die haben auch bestimmt nichts Besseres zu tun, als nach einem abgehalfterten Indianer ...«

»Hopi«, verbesserte sie Skudder ruhig.

»... und einer arbeitslosen Raumpilotin Ausschau zu halten«, fuhr Charity ärgerlich fort. »Und außerdem ...«

»Still!«

Skudder sprach nicht einmal sehr laut, aber so scharf, daß Charity mitten im Wort verstummte und ihn erschrocken ansah.

»Was ist?« fragte sie.

Skudder winkte hastig ab, legte den Kopf schräg und lauschte. Natürlich hörte sie nichts, aber das überraschte sie nicht besonders - Skudder hatte schon oft genug bewiesen, daß er über weit schärfere Sinne als sie verfügte.

»Was ist los?« fragte sie noch einmal.

»Jemand kommt«, murmelte Skudder.

Er stand auf und deutete nach Süden, in die Richtung, aus der sie gekommen waren. Auch Charity drehte sich herum, und obwohl sie weiterhin nichts sah außer braunen Sanddünen, hörte sie es jetzt auch: Geräusche, die sie noch nicht identifizieren konnte, die aber näher kamen.

»Wir bekommen Besuch«, murmelte Bart. Er stand auf und griff nach seinem Gewehr.

»Stimmt.« Skudder nahm ohne sichtbare Hast die MP vom Rücken, entsicherte die Waffe und machte eine rasche, befehlende Geste zu Net und Abn El Gurk. »Ihr bleibt hier«, sagte er. »Wir schauen nach, was da los ist.«

Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er zu seinem Motorrad, ließ die Maschine an und fuhr los, und kaum eine Sekunde später bestieg Bart die zweite Harley und entfernte sich in die entgegengesetzte Richtung. Es war nicht nötig, viel Zeit mit Erklärungen zu verschwenden; einer der Hauptgründe, weswegen sie die letzten zehn Tage überhaupt überlebt hatten, war der Umstand, daß sie sehr schnell gelernt hatten, als perfekt aufeinander eingespieltes Team zu handeln.

Auch Charity wußte genau, was sie zu tun hatte. Sie erklomm mit schnellen kleinen Schritten die nächste Düne, ließ sich halb in den Sand fallen und setzte das Fernglas an. Nach ein paar Sekunden sah sie die Reiter.

Es waren drei - große, schwarzbraun glänzende Käfergestalten, die sich gegen den hellgelben Sand abhoben. Ihre Bewegungen wirkten plump, aber Charity wußte sehr wohl, daß es nur ihre ungeheuerliche Größe war, die sie so behäbig aussehen ließ - die Titanenkäfer rannten weitaus schneller als ein Pferd, wenn es darauf ankam, und sie waren ein gutes Stück schwerer als ein Sherman-Panzer.

Und ungefähr genauso schwer aufzuhalten.

Charity nahm das Gewehr von der Schulter, schaltete die Zieloptik ein und visierte die Rieseninsekten an. Aus den ameisengroßen Umrissen wurden jäh gigantische Scheußlichkeiten, in deren Nacken schlanke, vierarmige Kreaturen hockten, die auch nicht wesentlich hübscher anzusehen waren als ihre Reittiere. Der, den Charity anvisierte, fuchtelte gleich mit drei kleinen Strahlenpistolen herum, während seine vierte Hand den Zügel des Reiters hielt.

In ihrem rechten Ohr knackte es. »Cherry?«

Charity schaltete mit dem Kinn das winzige Mikrofon ein, das vor ihren Lippen hing. »Ich sehe sie. Sie ... scheinen jemanden zu verfolgen.«

»Eine Frau«, bestätigte Skudder. »Sie ist zwischen den Hügeln.«

Charity schwenkte das Gewehr herum. Die sonnendurchglühten Dünen wurden zu einem verwischten Farbenspiel aus allen nur denkbaren Gelb- und Brauntönen in ihrem Zielfernrohr, aber von der Frau, von der Skudder sprach, war nichts zu sehen. Was auch weiter kein Wunder war: Selbst die an die zehn Meter großen Käfermonster tauchten nur dann und wann auf einer Hügelkuppe auf und verschwanden wieder; wie weit entfernte Schiffe auf der Oberfläche eines stürmischen Meeres.

»Schnappen wir sie uns?«

»Sicher«, bestätigte Skudder. »Du die Reiter, ich die Frau.«

»Idiot«, murmelte Charity. Skudder lachte, aber sie konnte hören, wie seine Atemzüge schneller wurden, als er weiterfuhr. Für einen Moment bedauerte sie es, nicht über ein zweites Funkgerät zu verfügen, so daß sie auch mit Bart hätte reden können. Aber auf den Shark war Verlaß; er würde wissen, was zu tun war.

Charity beobachtete die heranstampfenden Chitinkolosse noch einen Moment, dann schob sie sich rückwärts den Hang wieder hinab, richtete sich auf halber Höhe auf und lief die letzten Meter zu ihrer Harley, so schnell sie konnte. Gurk sah sie fragend an.

»Reiter«, sagte Charity. »Drei, vielleicht mehr. Geh auf den Hügel und halt die Augen auf. Und wenn irgend etwas schief geht, dann schnappst du dir Net und bringst sie in Sicherheit.«

Die junge Wastelanderin wollte protestieren, aber Charity ignorierte sie einfach. Entschlossen startete sie den Motor und gab Gas.

Sie fuhr im Slalom zwischen den gleichförmigen Dünen hindurch, wobei sie sich nur anhand des Kompasses orientierte und darum betete, daß die Reiter nicht plötzlich ihren Kurs änderten. Warum meldete sich Skudder nicht?

Irgendwie mußte er wohl ihre Gedanken gelesen haben, denn in diesem Moment erklang seine Stimme wieder in ihrem Ohr: »Ich habe sie jetzt genau vor mir. Die Frau hat ein Kind bei sich.«

Ein Kind? Aus irgendeinem Grunde beunruhigte Charity diese Vorstellung. Was zum Teufel machte eine Frau mit einem Kind in dieser Einöde, fünfzig Meilen von der nächsten menschlichen Ansiedlung entfernt? Und warum jagten sie die Reiter, statt einfach eine Drohne auf sie anzusetzen und zu warten, bis der Robotkiller ihre Leiche zurückbrachte?

»Sie holen auf«, sagte Skudder. Seine Stimme klang beunruhigt. »Wir schnappen sie uns. Nimm den Vordermann.«

»Okay«, bestätigte Charity. Sie tippte leicht auf die Bremse, visierte eine etwas flacher ansteigende Düne an und gab noch einmal Gas. Der Motor der Harley brüllte auf. Das Fahrzeug schoß wie ein rotweiß lackiertes Ungeheuer den nächsten Hang hinauf, drehte sich halb um seine Achse und kam inmitten einer gewaltigen stiebenden Wolke aus staubfeinem Sand zum Stehen. Charity hob das Gewehr und visierte den vordersten Reiter an.

Sie erschrak ein wenig, als sie feststellte, daß das erste der drei Ungeheuer kaum noch dreißig Meter von ihr entfernt war - nur ein paar Schritte für einen Koloß wie den Reiter.

Aber sie gab ihm keine Gelegenheit, sie zu tun.

Charity hatte ihren Laser schon vorher auf die höchste Wirkungsstufe eingestellt. Ein blutroter, fast fingerdicker Stift aus Licht leckte plötzlich aus dem Lauf der klobigen Waffe, schuf für den tausendsten Teil einer Sekunde eine Verbindung zwischen ihr und dem Reiter und brannte ein winziges Loch in seine Chitinpanzerung. Der gigantische Käfer machte noch eine einzelne, komplizierte Bewegung mit seinen sechs Beinen - und explodierte innerlich, als der Laserblitz seine gesamte Energie schlagartig freisetzte.

Gleichzeitig traf auch Skudder. Das zweite Ungeheuer überschlug sich mitten in der Bewegung; ein Teil seiner Chitinpanzerung platzte auseinander, und ein Vulkan aus schwarzem Hörn und Insektenblut und zerkochtem Gewebe fegte den Vierarmigen aus dem Nacken des zusammenbrechenden Ungeheuers.

Charity schwenkte den Laser herum, visierte den letzten verbliebenen Reiter an und schoß erneut. Aber diesmal zielte sie zu hastig. Der Energiestrahl verfehlte den Riesenkäfer und explodierte harmlos in der Flanke eines Hügels, fast fünfzig Meter hinter ihm. Fast im gleichen Augenblick hob die Kreatur in seinem Nacken drei ihrer vier Arme und zielte mit einer kleinen, glänzenden Waffe auf Charity.

Charity schwenkte verzweifelt das Gewehr herum, aber sie spürte, daß sie nicht schnell genug war. Ein hellweißer Energiestrahl zuckte aus der Hand des Vierarmigen und ließ zwei Meter neben ihr einen Geysir aus kochender Erde und Dampf in die Höhe steigen.

Ein dumpfer Knall wehte zu Charity herüber. Der Vierarmige wankte, beugte sich in einer fast grotesken Bewegung im Nacken des Reiters nach vorne und ließ zwei seiner drei Waffen fallen. Wieder erscholl dieser dumpfe, sonderbar gedämpfte Knall, und plötzlich bellte irgendwo zwischen den Hügeln eine Maschinenpistole auf. Eine Reihe kleiner Sandexplosionen raste auf den Riesenkäfer zu, und plötzlich stoben Funken aus seiner Panzerung. Eines seiner Beine knickte ein. Dann hatte Charity endlich ihre Lähmung überwunden und schoß ebenfalls.

Der Laserstrahl zerriß den Schädel des Käfermonsters und seinen verletzten Reiter gleich mit. Trotzdem torkelte das Ungeheuer noch zwanzig, dreißig Meter weiter, ehe es endlich auf die Seite fiel und reglos liegenblieb.

Charity atmete erleichtert auf. »Das war knapp«, sagte sie in ihr Mikrofon. »Danke.«

»Wofür?« erkundigte sich Skudder. »Das war ich nicht.«

»Du ...?«

»Wenn Sie sich bedanken wollen, Mylady«, sagte eine Stimme hinter ihr, »dann tun Sie das bei mir. Besser gesagt, bei meinen Leuten.«

Charity erstarrte abermals für eine Sekunde, dann drehte sie sich erschrocken herum - und verharrte mitten in der Bewegung.

Der Mann, der diese Worte gesprochen hatte, stand kaum drei Meter hinter ihr. Und er war nicht allein. Ein gutes halbes Dutzend Gestalten in fleckigen Tarnanzügen bildeten einen Halbkreis um ihn und das Motorrad. Sie waren bewaffnet; einige mit MPs, andere mit Gewehren, einer sogar mit einer Armbrust - aber eines hatten diese Waffen alle gemeinsam: ihre Mündungen waren ausnahmslos auf Charity gerichtet.

»Was ... soll das?« fragte Charity.

»Legen Sie die Waffe weg, Gnädigste«, sagte der Mann, der sie angesprochen hatte. Er lächelte, aber seine Augen blieben ernst. »Ganz vorsichtig, bitte. Und dann heben Sie die Hände, und steigen von dem Ding da herunter. Bitte.«

Skudder kam keine zehn Minuten später - und auch er war nicht mehr allein. Dem grimmigen Ausdruck auf seinen Zügen nach zu urteilen war er mindestens ebenso überrascht wie Charity; und seine Bewacher schienen ihn nicht mit so ausgesuchter Höflichkeit behandelt zu haben wie die Männer, die Charity überrumpelt hatten. Eine der drei hochgewachsenen Gestalten, die ihm in einigem Abstand und mit angelegten Waffen folgten, hatte eine aufgeplatzte Unterlippe, wie Charity mit einem leisen Gefühl von Schadenfreude registrierte.

»Der Zweite im Bunde«, sagte der Mann fröhlich, der Charity entwaffnet hatte - er schien so etwas wie der Anführer zu sein, wenngleich Charity auch noch immer nicht die mindeste Ahnung hatte, worum es sich bei diesen Männern überhaupt handelte. Vielleicht waren es die Rebellen, nach denen sie seit einer Woche so verzweifelt suchten - aber vielleicht auch nicht.

Sie warf Skudder einen schnellen, warnenden Blick zu, den er auf die gleiche Weise beantwortete. Er hatte verstanden.

Aber leider nicht nur er.

»Würdet ihr beiden uns vielleicht an eurem kleinen Zwiegespräch teilhaben lassen?« sagte der Mann mit der MP freundlich. »Es ist unhöflich, Geheimnisse vor seinen Gastgebern zu haben.«

»Seid ihr das?« fragte Charity. »Unsere Gastgeber?«

Sie musterte den anderen herausfordernd. Von seinem Gesicht war unter all dem Schmutz und einem stoppeligen Drei-Tage-Bart nicht viel zu erkennen, aber er erschien ihr fast ein bißchen zu jung für die Rolle, die er spielte. Trotzdem - was sie sah, war nicht einmal unsympathisch - ein sehr kräftiges, trotz seiner Jugend sehr männliches Gesicht mit gutmütigen Augen, die im Moment nur ein bißchen müde wirkten.

Er nickte. »Ich denke schon«, sagte er. »Mein Name ist Kent. Ihr seid hier in unserem Gebiet.«

»So?« sagte sie spitz. »Und ich dachte wirklich, wir wären im Staate Colorado.«

Für einen Moment huschte ein verärgerter Ausdruck über Kents Gesicht. Dann lachte er. »Wer seid ihr beiden?« fragte er. »Und was sucht ihr hier?«

Charity überlegte einen Moment. Ihr beiden? Offensichtlich hatten sie bisher weder von Barts noch der Anwesenheit der beiden anderen etwas gemerkt. Und was hatten sie zu verlieren? Wenn diese Männer die Rebellen waren, nach denen sie seit Wochen suchten, nichts. Und wenn nicht - nun, dann blieben zwar noch eine ganze Reihe anderer Alternativen übrig, aber nicht eine einzige davon war besonders angenehm.

»Mein Name ist Charity«, sagte Charity. Mit einer Kopfbewegung auf Skudder fügte sie hinzu: »Das ist Skudder.«

»Interessant«, sagte Kent. »Und was habt ihr hier zu suchen?«

»Vielleicht euch«, sagte sie vorsichtig.

»Oh.« Kent wirkte überrascht. »Und wer sind wir?«

»Verdammt, was soll der Quatsch?« mischte sich Skudder ein. »Hier kann jeden Moment die Hölle losbrechen, und ...«

»Stimmt«, unterbrach ihn Kent ruhig, aber sehr kalt. »Mit ziemlicher Sicherheit sogar. Welcher Teufel hat euch geritten, hier mit Energiewaffen herumzuballern? Wahrscheinlich heulen in dem Rattenbau dort drüben jetzt schon sämtliche Alarmsirenen.« Er deutete mit einer ärgerlichen Geste in die Richtung, in der sich das Shaitaan hinter den Hügeln erhob. Aber trotz dieser Worte schien er es nicht besonders eilig zu haben. Kopfschüttelnd trat er an Charity vorbei, nahm ihr das Lasergewehr ab und begutachtete die Waffe von allen Seiten.

»Ein interessantes Gerät«, sagte er. »Importware von Moron?«

»Nein«, antwortete Charity im gleichen Ton. »Made in USA. Patentrechtlich geschützt.«

Kent blinzelte. Aber seltsamerweise ging er nicht auf diese Worte ein, sondern hängte die Waffe schweigend neben seine MP über die Schulter und sah sie und Skudder abwechselnd an. Mit einem Blick, der Charity nicht besonders gefiel. »Ihr sucht also uns?«

Charity nickte. »Wenn ihr zu den Rebellen gehört, die in dieser Gegend leben sollen, ja«, sagte sie. Sie hielt Kent und seine Männer bei diesen Worten genau im Auge. Kents Gesicht zeigte nicht die mindeste Reaktion, aber zwei, drei seiner Männer fuhren ganz leicht zusammen.

»Rebellen?« Kent runzelte übertrieben die Stirn. »Ja, ich habe davon gehört. Es soll immer noch dumme Menschen geben, die einfach nicht einsehen wollen, daß es diesem Planeten unter der Herrschaft unserer heißgeliebten Freunde von Moron einfach viel besser geht, als wäre er frei. Aber wie kommst du auf die verrückte Idee, daß wir dazugehören?«

Charity antwortete nicht, und Kent fuhr nach sekundenlangem Schweigen fort: »Und selbst wenn - woher sollten wir wissen, daß ihr keine Spione Daniels seid?«

»Du kennst ihn?« entfuhr es Charity überrascht.

»Wer kennt ihn nicht?« sagte Kent achselzuckend. »Aber im Ernst: Wißt ihr, wenn ich ein Rebell wäre - was ich nicht bin, aber nur gesetzt den Fall -, also wenn ich einer von diesen törichten Rebellen wäre, dann könnte ich mir vorstellen, daß ich jeden Fremden, der herkommt und nach den Rebellen fragt, einfach über den Haufen schießen würde. Unser Freund Daniel ist sehr gerissen, wenn es darum geht, diese Unbelehrbaren zu fassen.«

»Immerhin haben wir drei von diesen Biestern erledigt, nicht?« sagte Skudder.

Kent zuckte ungerührt mit den Schultern. »Zwei«, korrigierte er. »Und? Was besagt das schon? Ein uralter Trick - Knall einen von deinen eigenen Leuten ab, um zu beweisen, daß du zur Gegenseite gehörst. Es sind nur dumme Tiere. Und es gibt genug davon.«

Er hätte vielleicht noch weiter geredet, aber er wurde unterbrochen, denn in diesem Moment kamen zwei weitere seiner Leute über die Hügelkuppe, eine schmalschultrige, in ein dunkelblaues einfaches Kleid gehüllte Frau zwischen sich, die einen Säugling auf den Armen trug - offensichtlich die Frau, die von den drei Reitern verfolgt worden war. Ihr Gesicht war rot. Finger- und Zehenspitzen waren blutig und ihr Kleid zerfetzt. Sie trug keine Schuhe, und das Kind auf ihren Armen war nur in eine dünne, zerschlissene Windel gewickelt. Aber es schrie nicht. Wahrscheinlich war es zu schwach dazu.

Kent trat auf die Frau zu, wechselte ein paar Worte mit ihr, sehr leise und schnell und in einem Dialekt, den Charity kaum verstand, und winkte schließlich einem seiner Männer, ihr das Kind abzunehmen. Die Frau ließ es widerspruchslos geschehen.

Schließlich wandte sich Kent wieder an Skudder und sie. »Ihr sucht also die Rebellen, wie?« fragte er nachdenklich. »Das könnte sogar stimmen. Ihr seid schon seit heute morgen hinter uns her, richtig?«

Skudder nickte verblüfft, und auch Charity signalisierte Kent ihre Zustimmung. »Okay, ihr habt uns gefunden«, sagte er schließlich. »Was wir mit euch tun, entscheiden wir später. Jetzt sollten wir hier verschwinden, ehe Daniel uns ein Dutzend Drohnen auf den Hals hetzt.«

Ganz plötzlich war von seiner bisherigen Gelassenheit auch nicht mehr viel übrig. »Beeilt euch. Die Ameisen haben die Schüsse garantiert bemerkt.«

Charity zögerte. »Wir ...«

»Wenn du dir Sorgen um deine drei Freunde machst, Lady«, unterbrach sie Kent, »ist das überflüssig. Meine Männer kümmern sich um sie.« Er lächelte. Charity lächelte etwas verkrampft zurück, widersprach aber nicht mehr.

Der Weg war nicht sehr weit. Sie marschierten etwa zehn Minuten, bis sich zu ihnen eine zweite, ebenso abenteuerlich zusammengewürfelte Gruppe gesellte, in deren Begleitung sich sowohl Bart als auch Gurk und die Wastelanderin befanden, danach bogen sie in westlicher Richtung ab. Sie hatten das Ende der Felswüste fast erreicht und näherten sich der Todeszone rund um das Shaitaan, ehe Kent abermals stehenblieb und eine befehlende Geste machte. Drei seiner Leute rollten einen Felsen beiseite, der nur so aussah, als wöge er Tonnen. Dahinter kam der Eingang eines runden, sehr finsteren Tunnel zum Vorschein. Die Männer rollten die Motorräder hinein, dann versetzte jemand Charity einen derben Stoß, der sie ungeschickt hinterher stolpern ließ.

Für einen Moment wurde es dunkel um sie herum, dann glommen die trüben runden Augen von zwei, drei Handscheinwerfern auf, und die Gestalten von Kent und seinen Männern erschienen als schwarze Schemen in der künstlichen Nacht. Charity rechnete damit, daß sie die Motorräder mitnehmen würden, aber Kent winkte nur ungeduldig ab und deutete mit seiner Lampe in die Dunkelheit hinein. »Die Dinger holen wir später«, sagte er. »Schnell jetzt. Und keinen überflüssigen Laut.«

Gehorsam setzten sie sich in Bewegung. Der halbrunde Gang erweiterte sich schon nach wenigen Dutzend Schritten zu einem mehr als fünf Meter messenden gemauerten Tunnel, in dessen Seitenwände in unregelmäßigen Abständen kleinere, halbrunde Stollen mündeten. Der Boden, über den sie gingen, war trocken, aber der Gang war trotzdem nichts anderes als ein Teil eines ehemaligen Kanalisationsnetzes, dachte Charity.

Die Rebellen bewegten sich noch immer auf den gleichen Wegen, auf denen sich Rebellen zu allen Zeiten bewegt hatten - im Untergrund. Trotz allem hatten sich wohl gewisse grundsätzliche Dinge nicht geändert; ganz egal, ob der Kampf nun gegen menschliche Unterdrücker ging oder solche, die von irgendwelchen anderen Planeten kamen.

Die Vorstellung ließ sie lächeln. Allerdings nicht sehr lange. Nur bis zu dem Moment, in dem sie begriff, daß dieses Kanalisationsnetz zwar noch existierte, die dazugehörige Stadt aber nicht mehr da war.

Es gab doch einen Unterschied zwischen diesen Rebellen und ihren Vorgängern.

Sie marschierten etwa zehn Minuten lang durch die Dunkelheit, ehe sie ihr vorläufiges Ziel erreichten - einen hohen, feuchten Raum, dessen Wände aus rissigem Beton bestanden und dessen Boden gute fünf Meter unter dem Niveau des Tunnels lag, so daß sie über eine rostige Metalleiter in die Tiefe steigen mußten. Zwei flackernde Petroleumlampen sorgten für Licht. Eine große und mehrere kleine Holzkisten ersetzten Tisch und Stühle, und es gab eine Anzahl niedriger Feldbetten, die bewiesen, daß dieses feuchte Verlies den Männern wohl auch für längere Zeit als Quartier dienen mußte - eine Vorstellung, die Charity schaudern ließ. Sie selbst kämpfte schon jetzt gegen eine beginnende Klaustrophobie an. Außerdem war es kalt hier unten, und nach der Gluthitze der Wüste empfand sie die Kälte doppelt schlimm.

Kent dirigierte sie und Skudder mit einer wortlosen Geste zu zwei weit auseinanderliegenden Sitzplätzen, wies der jungen Frau und ihrem Baby eine der Liegen zu und setzte sich ebenfalls. Bart und Gurk wurden zum anderen Ende des Raumes gescheucht, wo sie von jeweils zwei Männern bewacht wurden, und selbst hinter Net nahm ein Mann mit angeschlagener Waffe Aufstellung. Kents Männer waren vorsichtig.

Charity warf Gurk einen wütenden Blick zu, den der Zwerg geflissentlich ignorierte. Wenn das hier vorüber war, dachte sie grimmig, würde sie sich mit ihm unterhalten müssen. Seine und ihre Auffassung des Wortes Freunde schienen sich nicht immer unbedingt zu decken.

Die Rebellen begannen sich im Raum zu verteilen; einige nahmen auf den Kisten Platz, andere auf den Feldbetten, eine Anzahl blieb einfach stehen, aber niemand machte Anstalten, auch nur seine Jacke auszuziehen, obwohl die Tarnanzüge alles andere als bequem sein mußten. Charity hatte das sichere Gefühl, daß sie ihr endgültiges Ziel noch lange nicht erreicht hatten.

Trotzdem machte Kent keinerlei Anstalten, weiter zu gehen - oder sich auch nur um sie zu kümmern. Statt dessen wandte er sich an einen seiner Begleiter und begann mit rascher, halblauter Stimme mit ihm zu reden. Der Mann blickte dabei ein paar Mal in ihre und Skudders Richtung. Charity hatte das sehr ungute Gefühl, daß es sich bei der Unterhaltung der beiden schlicht und einfach um ihrer aller Leben drehte. Sie warf Skudder einen besorgten Blick zu, erntete aber nur ein Achselzucken.

»Okay«, drang Kents Stimme in ihre Gedanken. »Dann noch einmal, und der Reihe nach.«

El Gurk richtete sich auf, so weit dies einem Mann von anderthalb Metern Körpergröße überhaupt möglich war.

»Wir sind ...«

»Eines nach dem anderen«, unterbrach ihn Kent, lächelnd, aber in sehr scharfem Tonfall. »Du bekommst schon noch Gelegenheit zu reden.« Er sah den Zwerg eine Sekunde lang kopfschüttelnd an, dann drehte er sich umständlich auf seinem Sitzplatz herum und betrachtete die Frau, die sich auf der Liege zusammengekauert und ihr Baby gegen die Brust gedrückt hatte.

»Fangen wir mit dir an«, sagte er. »Wer bist du, und was suchst du hier?«

»Lydia«, antwortete die Frau. »Mein Name ist ... Lydia.« Ihre Stimme klang sehr leise. Sie sah zwar in Kents Richtung, als sie antwortete, blickte ihn aber nicht direkt an. Und sie scheint noch immer halb verrückt vor Angst zu sein, dachte Charity verwirrt. Aber warum? Sie mußte doch annehmen, in Sicherheit zu sein.

»Ist das dein Kind?« fragte Kent.

Lydia nickte. »Mein Sohn, ja. Ich habe noch zwei Kinder, aber sie ... sie...« Sie begann zu stammeln. Ein schriller Unterton mischte sich in ihre Stimme. Auch Kent schien die Anzeichen einer beginnenden Hysterie deutlich zu erkennen, denn er unterbrach sie hastig und machte eine beruhigende Geste.

»Die Ameisen«, sagte er. »Was wollten sie von dir? Wieso waren sie hinter dir her?«

»Sie haben mich verfolgt«, antwortete Lydia. »Sie ... sie wollten mir mein Kind wegnehmen. Sie haben mir alle meine Kinder weggenommen, zuerst die beiden Mädchen und dann ... dann meinen Sohn. Aber sie dürfen es nicht.« Ihre Stimme wurde wieder schrill. Sie setzte sich auf, zog die Knie an den Leib und preßte den Säugling schützend gegen ihre Brust. »Sie dürfen ihn mir nicht auch noch wegnehmen. Niemand darf das! Ich lasse nicht zu, daß ihn jemand anrührt.«

»Das will auch niemand«, sagte Kent beruhigend. »Du hast ihn gestohlen, nicht wahr?«

Charity blickte überrascht auf. Gestohlen? Wie meinte er das?

Lydia hielt Kents Blick für zwei, drei Sekunden stand, dann senkte sie den Kopf, preßte das Kind noch fester an sich und nickte beinahe unmerklich.

»Ja«, gestand sie. »Sie haben ihn geholt. Vor zwei Tagen haben sie ihn geholt, zusammen mit den anderen. Ich ... ich habe ihn mir wiedergeholt, aber sie haben mich bemerkt und verfolgt, und ich bin ... bin weggelaufen...« Plötzlich sah sie auf. In ihren Augen blitzte Trotz auf. »Ich war ihnen immer treu!« sagte sie. »Meine Schwester ist Shai-Priesterin, und ... und auch ich habe ihnen mein Leben lang treu gedient. Ich habe nie eine Regel gebrochen und immer ...«

Die Aufwallung von Trotz verging so schnell, wie sie gekommen war, und Charity konnte regelrecht sehen, wie Lydia innerlich zusammenbrach. Plötzlich füllten sich ihre Augen mit Tränen. »Zwei Kinder haben sie mir weggenommen, aber dieses ...« Sie stockte und begann zu weinen; leise, krampfhaft und schluchzend.

Einen Moment lang blickte Kent Lydia betroffen an, dann wollte er aufstehen, aber Charity schüttelte nur rasch den Kopf, erhob sich von ihrem Platz und ging zu Lydia hinüber. Kent bedankte sich mit einem stummen Blick für ihre Hilfe, während Charity sich neben sie setzte und behutsam den Arm um ihre Schulter legte. Im ersten Moment versteifte sich Lydia unter ihrer Berührung; dann, als sie erkannte, wer es war, der sich neben sie gesetzt hatte, ließ sie sich abrupt gegen sie sinken und vergrub das Gesicht an ihrer Brust.

Charity fühlte sich plötzlich sehr hilflos. Sie hatte wenig Erfahrung darin, eine verzweifelte Mutter zu trösten, aber es schien Lydia schon zu genügen, daß sie da war; vielleicht einfach, weil sie eine Frau war und weil sie ihr das Gefühl gab, nicht ganz allein zu sein.

Unsicher streckte sie die Hand aus, berührte Lydias kurzgeschnittenes Haar und wollte mit der anderen Hand nach dem Baby in ihrem Arm greifen, um es zu streicheln.

Sie tat es nicht, als sie ins Gesicht des Säuglings blickte. Und begriff, warum das Kind so ruhig war.

Seine Haut war weiß und kalt, und seine Züge so schlaff und friedlich, als schliefe es nur. Seine Augen waren weit geöffnet. Aber sie waren starr, und der Sand hatte einen hauchdünnen matten Film wie Rauhreif über seine Pupillen gelegt.

Ein paar Momente lang blickte Charity mit einer Mischung aus Entsetzen und Trauer auf das Kind herab, ehe ihr bewußt wurde, daß Lydia aufgehört hatte zu weinen und sie ansah. Ihre Augen waren groß und fast so starr wie die ihres toten Kindes.

Charity wollte etwas sagen, aber sie konnte es nicht. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. Mühsam, mit einer Anstrengung, als koste sie diese kleine Bewegung all ihre Kraft, löste sich Lydia aus ihrer Umarmung, schob sie ein kleines Stückchen von sich fort, griff nach ihrer Hand und führte sie, so daß sie die Augen des Säuglings schließen konnte.

»Es tut mir so leid«, flüsterte sie.

Lydia lächelte traurig. »Sie haben ihn nicht bekommen, nicht wahr?« sagte sie. »Sie haben ihn mir nicht auch noch weggenommen.«

»Nein«, antwortete Charity. »Das haben sie nicht. Und das werden sie auch nicht.«

Sehr vorsichtig stand sie auf, half Lydia, sich auf der Liege auszustrecken und breitete eine der zerschlissenen Decken über ihr und dem Kind aus, die darauf lagen. Dann atmete sie tief und hörbar ein und wandte sich schließlich wieder zu Kent und den anderen um.

Skudder blickte sie erschreckt an, und auch auf den Gesichtern der meisten Rebellen hatte sich ein betroffener Ausdruck breitgemacht; nur Kent wirkte zornig. Aber es war ein Zorn, der Charity schaudern ließ.

Sie ging zu ihrem Platz zurück, ließ sich darauf nieder und barg für einen Moment das Gesicht in den Händen. Sie fühlte sich müde; müde und ausgelaugt und ganz plötzlich ebenfalls zornig, wenngleich es ein ohnmächtiger Zorn war. Sie versuchte vergeblich, ihn auf die drei Reiter zu konzentrieren, die Skudder und sie niedergeschossen hatten. Sie waren nur Werkzeuge gewesen; wenig mehr als Roboter, die nur durch Zufall aus Fleisch und Blut bestanden statt aus Metall und Kunststoff.

Sie wollte etwas sagen, aber Kent winkte rasch ab und gab zwei seiner Männer mit Gesten zu verstehen, Lydia hinauszubringen.

»Wie lange war es schon tot?« fragte Charity, als sie allein waren.

»Schon seit wir sie gefunden haben«, antwortete Kent. »Wahrscheinlich schon lange vorher.« Er zuckte mit den Schultern. »Vielleicht war es auch schon tot, als sie es entführt hat. Ist vielleicht besser so. Es wäre sowieso gestorben.« Er seufzte, starrte einen Moment lang an Charity vorbei ins Leere und gab sich dann einen sichtbaren Ruck.

»Aber jetzt zu euch«, fuhr er mit veränderter Stimme fort. »Ihr seid also auf der Suche nach den Rebellen.«

»Nein«, antwortete Charity spöttisch. »Nicht nach Rebellen. Nach El Gurks Freunden.« Sie warf Gurk einen drohenden Blick zu.

»Ich weiß nicht, was er euch erzählt hat«, sagte Kent gelassen. »Ich kenne ihn jedenfalls nicht.«

»Aber ich dich!« sagte Gurk aufgebracht. »Du bist ...«

Kent machte eine fast gelangweilte Handbewegung. Einer seiner Männer packte Gurk kurzerhand im Nacken, hob ihn mit einer Hand hoch und hielt ihm mit der anderen den Mund zu.

»Ihr sucht also die Rebellen«, sagte Kent noch einmal.

Charity nickte. »Ich glaube, wir haben sie gefunden.«

»Möglich. Die Frage ist nur, was wir mit euch machen. Woher sollen wir wissen, daß wir euch trauen können?«

»Nicht schon wieder!« sagte Skudder gereizt. »Verdammt, wie sollen wir euch beweisen, wer wir sind und was wir von euch wollen? Wollt ihr vielleicht eine schriftliche Bestätigung von Daniel, daß wir nicht zu seinen Leuten gehören?«

Kent lächelte, wenn auch nur sehr flüchtig. »Eine gute Frage«, sagte er. »Vielleicht erzählt ihr uns einfach, wer ihr seid und wo ihr herkommt. Wir haben gewisse Möglichkeiten, eure Angaben zu überprüfen.«

Skudder wollte abermals auffahren, aber Charity brachte ihn mit einer raschen Handbewegung zum Schweigen. »Nicht«, sagte sie. »Er hat völlig recht. Wir wären genauso mißtrauisch gewesen, wenn er plötzlich bei uns aufgetaucht wäre, oder?« Zu Kent gewandt, fuhr sie fort: »Wenn du so gut informiert bist, dann hast du sicher von den Sharks gehört.«

Kent überlegte einen Moment, dann nickte er. »Daniels Handlanger«, bestätigte er finster. »Jedenfalls waren sie es, bis Moron ihnen ein Dutzend Kampfgleiter geschickt hat, die sie zur Hölle gebombt haben.«

Charity schwieg einen Moment. Allein die Wahl von Kents Worten ließ sie erkennen, daß er den Sharks nicht unbedingt ein Übermaß an Sympathie entgegenbrachte. Sehr vorsichtig nickte sie.

»So ... könnte man es ausdrücken«, sagte sie. »Allerdings waren sie nicht unbedingt seine Handlanger. Und sie haben auch nicht alle umgebracht.«

Es dauerte einen Moment, bis Kent verstand. »Ihr ... gehört dazu?« fragte er mißtrauisch.

»Skudder war ihr Anführer«, bestätigte Charity und fügte rasch und mit leicht erhobener Stimme hinzu: »Bis er begriffen hat, was Daniel wirklich ist, Kent. Daniel hat die Sharks auslöschen lassen, weil sie sich geweigert haben, vierhundert unschuldige Menschen umzubringen.«

Kents Blick wurde eisig. Seine Hand senkte sich auf die Pistole in seinem Gürtel, und auch ein paar von seinen Männern rückten drohend näher.

Charity sah, wie Skudder sich spannte. Die beiden Männer, die Bart bewachten, hoben ihre Waffen.

»Stimmt das?« fragte Kent lauernd.

»Was?« erwiderte Skudder. »Daß ich der Anführer der Sharks war oder daß Daniel uns ein Bombengeschwader geschickt hat?« Er nickte grimmig. »Beides stimmt. Wenn es dich beruhigt - es gibt keine Sharks mehr. Bart und ich sind die einzigen, die überlebt haben.«

Charity spürte instinktiv, daß Skudder einen Fehler gemacht hatte. Der Rebell wußte mehr über das, was auf der anderen Seite der großen Ebene geschehen war, als er zugab.

»Jedenfalls die einzigen, die nicht in alle Himmelsrichtungen zerstreut worden sind«, fügte sie hastig hinzu. »Ein paar sind nach Norden geflohen. Vielleicht sind sie durchgekommen.«

Das entsprach nicht ganz der Wahrheit - sie waren weit mehr gewesen, als sie die Stadt der Sharks verlassen hatten, aber im Laufe der letzten Tage war ihre kleine Armee mehr und mehr zusammengeschrumpft. Sie konnte es keinem der Männer verübeln, sich von ihnen getrennt zu haben. Sie verstand nur nicht genau, warum Skudder log.

Skudder runzelte die Stirn, und Kent sah sie mit ausdrucksloser Miene an. Aber er ging nicht weiter auf ihre Worte ein. »Daniel hat die Sharks also ausgelöscht«, murmelte er nach einer Weile. Er schien nicht sehr überrascht zu sein. Allerdings auch nicht sonderlich betroffen. »Und jetzt seid ihr hier. Warum?«

Sein Blick wurde lauernd. »Sucht ihr jemanden, der euch dabei hilft, euch an ihm zu rächen?«

»Unsinn!« sagte Charity ärgerlich - obwohl sie insgeheim zugeben mußte, daß Kent der Wahrheit damit näher kam, als ihr recht war. »Wir suchen jemanden, der das gleiche Ziel verfolgt wie wir, der aber ...«

»Und das wäre?«

»Daniels Auftraggeber dahin zurückzujagen, wo sie hergekommen sind«, antwortete Charity.

Einen Moment lang blickte Kent sie verblüfft an. »Oh«, sagte er dann. »Mehr nicht?«

»Mehr nicht«, antwortete Charity ernsthaft. Bewußt spöttisch fügte sie hinzu: »Aber ich dachte bisher, das wäre auch euer oberstes Ziel. Oder warum sonst kämpft ihr gegen Moron?«

Diesmal dauerte es einen Moment, bis Kent antwortete, und als er es tat, da war in seiner Stimme eine sonderbare Mischung aus Mißtrauen und Resignation. »Das sind große Worte, Charity. Aber sie sind leichter gesagt als getan - findest du nicht?«

»Möglich.« Charity gab sich keine Mühe, sich ihre Verärgerung nicht anmerken zu lassen. »Aber wir werden Daniel nicht los, wenn wir herumsitzen und darauf warten, daß er von selbst geht.«

Kent seufzte. »Und alle anderen auch nicht, ich weiß.« Aus irgendeinem Grund wurde er plötzlich zornig. »Was bildet ihr euch eigentlich ein, was ihr seid? Leute, die uns sagen müssen, was wir zu tun oder zu lassen haben?« Er schüttelte zornig den Kopf. »Verdammt, was glaubt ihr, tun wir hier seit Jahren? Wir bekämpfen diese Monster, wo immer wir es können.«

»Ich habe es gesehen«, antwortete Charity lächelnd. »Man muß nur nach Osten sehen, und man sieht ganz deutlich, wie ihr sie bekämpft, Kent.«

Kents Blick wurde hart. »Was glaubst du, sollen wir tun?« fragte er, nur noch mühsam beherrscht. »Wir sind nicht einmal vierzig Mann hier. Sollen wir unsere Waffen nehmen und das Shaitaan stürmen?«

»Nein«, antwortete Charity ruhig. Sie hatte mit dieser Frage gerechnet. »Das wäre Selbstmord. Wißt ihr, wie man solche Probleme dort löst, wo ich herkomme? Man versucht, den Grund einer Bedrohung herauszufinden, und eliminiert ihn.«

Kent sah sie verwirrt an. »Wer bist du, Charity?« fragte er unvermittelt. »Du gehörst doch nicht zu den Sharks, oder?«

»Ich ... habe eine Weile bei ihnen gelebt«, antwortete Charity ausweichend. »Seit Daniel die Sharks ausgelöscht hat, sind wir zusammen. Seit acht Tagen.«

Kent lächelte, und das auf eine Art, die ihr sehr klarmachte, wie wenig ihn diese Antwort zufrieden stellte.

»Und was habt ihr jetzt vor?« fragte er, noch immer lächelnd. »Wollt ihr Daniel den Krieg erklären - zu fünft?«

»Wir suchen Hilfe«, sagte Charity. Sie spürte, wie Skudder sie mahnend ansah, obwohl sie nicht einmal in seine Richtung blickte. Wenn sie jetzt einen Fehler machte, würden sie vielleicht etwas mehr verlieren als nur ein paar potentielle Verbündete. Zum Beispiel ihr Leben.

»Hilfe? Wobei?«

»Bei etwas, was wir allein nicht schaffen«, antwortete sie vorsichtig. »Wir haben die nötige Ausrüstung«, fuhr sie mit einer Kopfbewegung auf die Waffe auf Kents Knien hinzu, »aber wir brauchen Informationen. Jemanden mit der entsprechenden Ortskenntnis, mit Wissen ...«

»Wozu?« fragte Kent noch einmal.

Charity atmete hörbar ein, ehe sie antwortete. Und es fiel ihr auch dann noch sehr schwer, die drei Worte auszusprechen.

»Wir wollen Daniel«, sagte sie.

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