5 Wandelnde Alpträume

Perrin sprang aus seinem Bett, schnappte sich die Axt und rannte barfuß und in Unterwäsche hinaus. Die Kälte ignorierte er. Der Mond tauchte die Wolken in geisterhaftes Weiß. Mehr als genug Licht für seine Augen, mehr als genug auch, um von allen Seiten her dunkle Gestalten zwischen den Bäumen hindurchschlüpfen zu sehen, Gestalten, die fast genauso groß waren wie Loial, deren Gesichter aber durch Schnauzen und Schnäbel entstellt waren — halbmenschliche Köpfe mit Hörnern und gefiederten Kämmen; kräftige Figuren, die sowohl auf menschlichen Füßen wie auch auf Hufen oder Tatzen einherliefen.

Er öffnete den Mund, um eine Warnung in die Nacht hinauszuschreien, da schlug auch schon die Tür zu Moiraines Hütte auf, und Lan rannte mit dem Schwert in der Hand heraus. Er rief: »Trollocs! Erwacht, um eures Lebens willen! Trollocs!« Schreie antworteten ihm, als die Männer aus ihren Hütten taumelten, meist nur in Unterwäsche gekleidet, aber mit den Schwertern in der Hand. Mit tierischem Gebrüll sprangen die Trollocs vor und wurden mit Stahl und Schreien wie »Schienar!« und »Der Wiedergeborene Drache!« empfangen.

Lan war vollständig angekleidet. Perrin hätte wetten können, daß der Behüter nicht geschlafen hatte. Er warf sich zwischen die Trollocs, als sei seine Wollkleidung eine Rüstung. Er schien von einem zum anderen zu tanzen. Mann und Schwert flossen einher wie Wasser oder Wind, und wo der Behüter tanzte, da schrien und starben die Trollocs.

Auch Moiraine befand sich draußen in der Nacht und tanzte ihren eigenen Tanz zwischen den Trollocs. Ihre einzige Waffe schien eine Rute zu sein, aber wo sie damit einen Trolloc traf, wuchs aus seinem Fleisch eine Flammenspur empor. Mit ihrer freien Hand pflückte sie Feuerkugeln aus der Luft und warf sie. Die Trollocs heulten auf, während sie von den Flammen verschlungen wurden, und wälzten sich auf dem Boden.

Ein ganzer Baum flammte plötzlich von den Wurzeln bis zur Krone auf und dann ein zweiter und noch weitere. Die Trollocs kreischten ob des brennend hellen Lichtscheins, doch sie hörten nicht auf, ihre Dornenäxte und Sichelschwerter zu schwingen.

Mit einem Mal sah Perrin, wie Leya zögernd aus Moiraines Hütte trat. Sie befand sich auf der anderen Seite der Mulde von ihm, aber er konnte an nichts anderes mehr denken. Die Tuatha'an-Frau drückte sich an die Holzwand und hielt sich mit einer Hand die Kehle. Das Licht der brennenden Bäume zeigte ihm all den Schmerz und das Entsetzen und die Abscheu auf ihrem Gesicht, während sie dem Gemetzel zusah.

»Versteckt Euch!« schrie Perrin ihr zu. »Geht hinein und verbergt Euch!« Das Toben des Kampfes, die Schmerzens- und Todesschreie verschluckten seine Worte. Er rannte in ihre Richtung. »Versteckt Euch, Leya! Um des Lichts willen, versteckt Euch!«

Ein Trolloc ragte über ihm auf. Wo sich Mund und Nase befinden sollten, trug er einen grausam gekrümmten Schnabel. Schwarze Metallschuppen und Dornen schützten seinen Körper von den Schultern bis an die Knie. Er bewegte sich auf Adlerkrallen und schwang eines dieser eigenartig gekrümmten Schwerter. Er roch nach Schweiß und Schmutz und Blut.

Perrin duckte sich unter dem Schlag weg und schrie, als er seinerseits mit der Axt zuschlug. Er wußte, eigentlich sollte er Angst empfinden, doch die Bedrängnis unterdrückte alle Furcht. Nur eines spielte noch eine Rolle: Er mußte Leya erreichen und in Sicherheit bringen, und der Trolloc war ihm im Weg.

Der Trolloc fiel brüllend und zuckend zu Boden. Perrin wußte nicht einmal, wo er ihn getroffen hatte und ob er starb oder lediglich verletzt war. Er sprang über ihn hinweg und rannte gebückt den Hang hinauf.

Brennende Bäume warfen fahle Schatten auf die kleine Talmulde. Ein flackernder Schatten neben Moiraines Hütte entpuppte sich plötzlich als Trolloc. Er war gehörnt und hatte die Schnauze eines Ziegenbocks. Mit beiden Händen hielt er eine mit Dornen zusätzlich bewehrte Axt. Er schien sich zuerst in das Getümmel unten stürzen zu wollen, doch dann fiel sein Blick auf Leya.

»Nein!« schrie Perrin. »Licht, nein!« Steine spritzten unter seinen bloßen Füßen weg. Er fühlte die Schrammen nicht einmal. Die Axt des Trollocs hob sich. »Leyaaaaaa!«

Im letzten Moment wirbelte der Trolloc herum, und seine Axt blitzte auf Perrin zu. Er warf sich zu Boden und schrie auf, als Stahl über seinen Rücken schrammte. Verzweifelt streckte er eine Hand aus, packte einen Bocksfuß und zog mit aller Kraft daran. Er schaffte es, dem Trolloc das Bein wegzuziehen, und er stürzte und krachte schwer auf den Boden. Doch als er weiter hangabwärts rutschte, packte er Perrin mit Händen, die doppelt so groß waren wie die des Schmieds. Er zog ihn mit, und sie überschlugen sich im Hinunterrollen. Der Gestank des Trollocs erstickte ihn fast: eine Mischung von Ziegenbock und saurem menschlichen Schweiß. Mächtige Arme umfaßten seinen Brustkorb und drückten ihm die Luft aus der Lunge. Seine Rippen waren nahe daran, zu brechen. Die Axt war dem Trolloc entfallen, aber stumpfe Bockszähne bohrten sich in Perrins Schulter. Mächtige Kiefer drückten zu. Er stöhnte, als der Schmerz seinen linken Arm durchraste. Er rang nach Luft, und seine Augen begannen zu versagen. Aber dann wurde er sich verschwommen bewußt, daß sein anderer Arm frei war und immer noch irgendwie den Schaft der Axt umklammerte. Er umfaßte ihn ganz kurz über der Schneide wie einen Hammer, und der Dorn stand gerade nach vorn ab. Mit einem Aufbrüllen, das ihm die letzte Luft raubte, rammte er dem Trolloc den Dorn in die Schläfe. Lautlos verkrampfte sich dieser, sein Griff löste sich, und er schleuderte Perrin zur Seite. Instinktiv packte er die Axt fester und riß sie heraus, als der Trolloc zuckend weiter hangabwärts rutschte.

Einen Augenblick lang lag Perrin nur da und rang nach Luft. Der Schnitt auf seinem Rücken brannte, und er fühlte die Nässe von Blut. Ein stechender Schmerz durchfuhr seine Schulter, als er sich aufrichtete. »Leya?«

Sie war immer noch da, kauerte vor der Hütte, nicht mehr als zehn Schritt weiter oben. Und sie betrachtete ihn mit einem solchen Gesichtsausdruck, daß er ihr kaum in die Augen sehen konnte. »Bemitleidet mich nicht!« grollte er. »Habt Ihr...!«

Der Sprung des Myrddraals vom Dach der Hütte herunter schien viel zu lang zu dauern, und sein stumpfschwarzer Umhang hing während des Falls um ihn, als stünde der Halbmensch bereits auf dem Boden. Sein augenloser Blick war auf Perrin gerichtet. Er roch nach Tod.

Kälte sickerte in Perrins Arme und Beine, als ihn der Myrddraal ansah. Sein Brustkorb war wie ein Eisklumpen. »Leya«, flüsterte er. Er konnte sich nur mit Mühe beherrschen, nicht davonzurennen. »Leya, versteckt Euch bitte. Bitte.«

Der Halbmensch ging langsam und selbstbewußt auf ihn zu, sicher, daß er vor Furcht gelähmt sei. Er bewegte sich schlangengleich und zog dabei ein Schwert, so schwarz, daß es nur durch die brennenden Bäume sichtbar gemacht wurde. »Trennt ein Bein eines dreibeinigen Hockers ab«, sagte er leise, »und alle fallen herunter.« Die Stimme klang wie zerfallendes, verrottetes Leder.

Plötzlich bewegte sich Leya. Sie warf sich nach vorn und versuchte, die Beine des Myrddraals mit ihren Armen zu umschlingen. Er schwang beinahe gleichgültig das dunkle Schwert rückwärts, ohne sich dabei auch nur umzublicken, und sie brach zusammen.

Tränen traten Perrin in die Augen. Ich hätte ihr helfen müssen... sie retten. Ich hätte... etwas... tun müssen! Aber solange ihn der Myrddraal mit seinem augenlosen Blick fixierte, war es schwer, auch nur zu denken.

Wir kommen, Bruder. Wir kommen, Junger Bulle.

Die Worte in seinem Kopf ließen diesen wie eine Glocke klingen. Die Schwingungen durchzitterten ihn. Mit den Worten kamen die Wölfe, ganze Rudel, und sie überfluteten seinen Geist, wie sie in die Talmulde fluteten. Bergwölfe, so groß, daß sie einem Mann bis an die Hüfte reichten, alle weiß und grau, so hetzten sie aus der Nacht heraus, um die Überraschung der Zweibeiner wohl wissend, als sie sich auf die Entstellten stürzten. Die Wölfe erfüllten ihn, bis er sich kaum noch daran erinnern konnte, ein Mensch zu sein. In seinen Augen sammelte sich das Licht, und sie leuchteten golden. Und der Halbmensch blieb mit einem Mal unsicher stehen.

»Blasser«, sagte Perrin grob, aber dann kam ihm ein anderer Name in den Sinn, der von den Wölfen stammte. Trollocs, die Entstellten, die während des Schattenkriegs aus einer Kreuzung von Mensch und Tier erschaffen worden waren, waren schlimm genug, doch die Myrddraal... »Ungeborener!« Der Junge Bulle spuckte aus. Mit gefletschten Zähnen stürzte er sich knurrend auf den Myrddraal.

Der bewegte sich elegant und tödlich wie eine Viper. Das schwarze Schwert war schnell wie der Blitz. Aber er war der Junge Bulle. So nannten ihn die Wölfe. Der Junge Bulle mit Hörnern aus Stahl, die er mit seinen Händen führte. Er war eins mit den Wölfen. Er war ein Wolf, und jeder Wolf würde mit Freude sterben, wenn er einen der Ungeborenen dadurch zu Fall bringen konnte. Der Blasse wich vor ihm zurück. Seine pfeilschnellen Schläge wurden nun zur Abwehr vor Perrins Axthieben.

Kniesehne und Kehle, das waren die Angriffsziele der Wölfe. Der Junge Bulle warf sich plötzlich zur Seite und fiel auf ein Knie nieder. Seine Axt schnitt quer über die Kniekehle des Halbmenschen. Der schrie — ein bis ins Mark durchdringender Schrei, der ihm zu jeder anderen Zeit die Haare zu Berge stehen lassen hätte —, stürzte und fing sich mit einer Hand ab. Der Halbmensch — der Ungeborene — hielt sein Schwert noch fest in der Hand, aber bevor er sich aufrappeln konnte, schlug die Axt des Jungen Bullen erneut zu. Halb abgehackt fiel der Kopf des Myrddraal nach hinten und hing ihm den Rücken hinab. Doch immer noch stützte sich der Ungeborene auf eine Hand, und sein Schwert durchschnitt wild die Luft. Die Ungeborenen brauchten lange, um zu sterben.

Durch die Augen der Wölfe und zugleich durch seine eigenen sah der Junge Bulle Bilder von Trollocs, die sich kreischend auf dem Boden wälzten, ohne von Mensch oder Wolf berührt worden zu sein. Die waren offensichtlich mit diesem Myrddraal verbunden und würden sterben, wenn er starb, falls niemand anders sie vorher tötete. Der Drang, den Hang hinunterzurennen und sich seinen Brüdern anzuschließen, mit ihnen zusammen die Entstellten und die verbliebenen Ungeborenen zu töten, war stark, aber das tief vergrabene Stück Mensch in seinem Innern erinnerte sich. Leya.

Er ließ seine Axt fallen und drehte sie sanft herum. Blut strömte über ihr Gesicht, und ihre Augen starrten ihn glasig und tot an. Es schien ihm ein anklagender Blick. »Ich habe es versucht«, sagte er ihr. »Ich habe versucht, Euch zu retten.« Ihr Blick veränderte sich nicht. »Was hätte ich sonst tun können? Er hätte Euch getötet, hätte ich ihn nicht vorher umgebracht!«

Komm, Junger Bulle. Komm, töten wir die Entstellten!

Der Wolf überrollte ihn, hüllte ihn vollständig ein. Perrin ließ Leya zu Boden sinken und nahm seine Axt. Die Schneide glänzte feucht. Seine Augen leuchteten, als er den steinigen Abhang hinunterstürmte. Er war der Junge Bulle.

Die um die Talmulde herum verstreuten Bäume brannten wie Fackeln. Gerade, als der Junge Bulle ins Getümmel eintauchte, brach eine hohe Kiefer in Flammen aus. Die Nachtluft flimmerte in fahlem Blau wie unter Nordlichtern, als Lan auf einen weiteren Myrddraal traf. Die uralte, von Aes Sedai hergestellte Klinge prallte auf den schwarzen Stahl, der in Thakan'dar, im Schatten des Shayol Ghul, hergestellt wird. Loial benützte einen Kampfstock von der Größe eines Zaunpfahls. Der herumwirbelnde Balken schuf einen Freiraum um ihn, den kein Trolloc betreten konnte, ohne getroffen niederzustürzen. In den tanzenden Schatten fochten Männer einen verzweifelten Kampf, aber der Junge Bulle — Perrin — nahm verschwommen wahr, daß bereits zu viele der schienarischen Zweibeiner auf dem Boden lagen.

Die Brüder und Schwestern kämpften in kleinen Rudeln zu dritt oder zu viert, duckten sich unter Sichelschwertern und Dornenäxten hinweg, zerfetzten mit ihren mächtigen Kiefern Kniekehlen und sprangen hoch, wenn ihre Beute stürzte, um ihnen die Kehlen durchzubeißen. Es lag keine Ehre in dieser Art zu kämpfen, kein Ruhm, keine Gnade. Sie waren nicht zum Kämpfen gekommen, sondern um zu töten. Der Junge Bulle schloß sich einem der kleineren Rudel an, und die Schneide seiner Axt ersetzte ihm die Zähne.

Er hatte nicht mehr den gesamten Kampf im Auge. Es gab nur den Trolloc, ihn und die Wölfe — die Brüder —, und der Trolloc wurde von seinen Genossen abgeschnitten und zur Strecke gebracht. Dann gab es einen neuen und wieder einen und noch einen, bis keine mehr übrig waren. Keiner in ihrer Nähe; überhaupt keiner mehr zu sehen. Er fühlte in sich den Drang, seine Axt wegzuschleudern, die Zähne zu benützen und auf allen vieren zu rennen wie seine Brüder. Über die hohen Pässe in den verschneiten Bergen rennen. Bis zum Bauch im pulvrigen Schnee rennen und einen Hirsch verfolgen. Mit dem kalten Wind rennen, der einem das Fell zerzauste. Er knurrte wie seine Brüder, und die Trollocs heulten vor Furcht, wenn der Blick aus seinen gelben Augen sie traf. Sie fürchteten ihn mehr als die anderen Wölfe.

Mit einem Mal wurde ihm bewußt, daß sich in der gesamten Mulde keine Trollocs mehr befanden, obwohl er fühlen konnte, daß seine Brüder noch einige auf der Flucht verfolgten. Ein Rudel von sieben hatte eine andere Beute im Auge, irgendwo dort draußen in der Dunkelheit. Einer der Ungeborenen rannte zu seinem hartfüßigen Vierbein — etwas in seinem Innern gab ihm den Namen Pferd —, und seine Brüder folgten ihm, seine Witterung in der Nase: den Geruch des Todes. Im Geist war er bei ihnen und sah durch ihre Augen. Als sie ihn einkreisten, wandte sich der Ungeborene ihnen fluchend zu. Die schwarze Klinge und der schwarzgekleidete Ungeborene waren wie ein Teil der Nacht. Aber seine Brüder und Schwestern waren die Jäger der Nacht.

Der Junge Bulle knurrte, als der erste Bruder starb. Sein Todesschmerz durchfuhr auch ihn. Aber die anderen zogen den Kreis enger. Mehr und mehr Brüder und Schwestern starben, doch ihre zuschnappenden Gebisse zerrten den Ungeborenen zu Boden. Er biß jetzt selbst zurück, zerriß Wolfskehlen, kratzte mit Fingernägeln, die durch Haut und Fleisch fetzten wie die harten Klauen, die die Zweibeiner trugen, doch die Brüder zerrissen ihn selbst im Todeskampf. Schließlich erhob sich eine einsame Schwester aus dem zuckenden Haufen und taumelte zur Seite. Morgennebel nannte man sie, doch wie bei all ihren Namen schloß das noch weitere Bedeutungen mit ein: ein eisiger Morgen, der den kommenden Schnee bereits fühlen ließ, Nebel, der das Tal in dichten Schwaden verhüllte, und eine scharfe Brise, die gute Jagd versprach. Morgennebel hob den Kopf und heulte den von Wolken verdeckten Mond an, heulte ihm ihre Totenklage entgegen.

Der Junge Bulle legte den Kopf in den Nacken und heulte mit ihr, trauerte mit ihr.

Als er den Kopf wieder senkte, starrte ihn Min mit großen Augen an. »Geht es dir gut, Perrin?« fragte sie zögernd. Sie hatte eine Schramme auf der Wange, und ein Ärmel ihres Mantels hing halb ausgerissen herunter. In einer Hand trug sie einen Knüppel und in der anderen einen Dolch. Auf beiden bemerkte er Blut und Haare.

Er sah, daß sie ihn alle anblickten, jedenfalls alle, die noch auf den Beinen waren. Loial stützte sich erschöpft auf seinen langen Stock. Schienarer hatten kurz ihre Arbeit unterbrochen, die Gefallenen hinunter zu Moiraine zu tragen, die mit Lan zur Seite über einen von ihnen gebeugt dastand. Selbst die Aes Sedai blickte zu ihm herüber. Die brennenden Bäume warfen wie riesige Fackeln ein unruhig flackerndes Licht über die Szenerie. Überall lagen tote Trollocs. Mehr Schienarer lagen auf dem Boden als noch auf den Beinen waren, und zwischen ihnen verstreut lagen die Körper seiner Brüder. So viele...

Perrin fühlte erneut den Drang zu heulen. Verzweifelt schottete er sich von den Wölfen ab. Bilder sickerten trotzdem noch durch, Gefühle, die er von sich abzuhalten versuchte. Schließlich aber konnte er sie nicht mehr spüren, keinen Schmerz mehr, keinen Zorn, keinen Drang, die Entstellten weiter zu jagen oder einfach zu rennen... Er schüttelte sich. Die Wunde an seinem Rücken brannte wie Feuer, und seine verletzte Schulter fühlte sich an, als sei sie mit einem Hammer auf dem Amboß weichgeklopft worden. Seine bloßen Füße, verkratzt und verschrammt, pulsierten vor Schmerz. Überall lag der Geruch nach Blut in der Luft, nach Trollocs und Tod.

»Mir... mir geht's schon wieder gut, Min.«

»Du hast gut gekämpft, Schmied«, sagte Lan. Der Behüter erhob sein bluttriefendes Schwert und rief: »Tai'shar Manetheren! Tai'shar Andor!« Das wahre Blut von Manetheren. Das wahre Blut von Andor.

Die Schienarer, die noch auf den Beinen waren — so wenige —, hoben ihre Schwerter und schlossen sich ihm an: »Tai'shar Manetheren! Tai'shar Andor!« Loial nickte. »Ta'veren«, fügte er hinzu.

Perrin schlug verlegen die Augen nieder. Lan hatte ihn vor den Fragen bewahrt, die er nicht beantworten wollte, aber dafür hatte er ihm eine unverdiente Ehre zuteil werden lassen. Die anderen verstanden das nicht. Er fragte sich, was sie wohl sagen würden, wenn sie die Wahrheit wüßten. Min schob sich näher heran, und er murmelte: »Leya ist tot. Ich konnte nicht... ich hätte sie beinahe noch rechtzeitig erreicht.«

»Es hätte keinen Unterschied gemacht«, sagte sie leise. »Das weißt du doch.« Sie beugte sich vor und betrachtete seinen Rücken. Selbst sie zuckte dabei zusammen. »Moiraine wird sich darum kümmern. Sie heilt alle, denen sie noch helfen kann.«

Perrin nickte. Sein Rücken starrte bis zur Taille hinunter vor angetrocknetem Blut, doch trotz der Schmerzen bemerkte er das alles kaum. Licht, diesmal wäre ich beinahe nicht mehr zurückgekommen. Das darf nicht mehr passieren. Nie mehr! Aber wenn er im Geist bei den Wölfen war, war alles so anders. Er mußte sich keine Gedanken mehr über Fremde machen, die vor ihm Angst hatten, weil er so groß und kräftig war. Man glaubte nicht, er sei dumm, weil er sich Zeit zum Überlegen nahm. Die Wölfe kannten einander, auch wenn sie sich noch nie zuvor gesehen hatten, und für sie war er lediglich ein anderer Wolf.

Nein! Seine Hände verkrampften sich um den Schaft der Axt. Nein! Er fuhr zusammen, als Masema plötzlich etwas sagte: »Es war ein Zeichen«, stellte der Schienarer fest. Er drehte sich im Kreis herum, weil er alle ansprechen wollte. Auf seinen Armen und seiner Brust klebte ebenfalls Blut — er hatte nur Hosen angehabt —, und er hinkte, doch seine Augen leuchteten so leidenschaftlich wie immer. Noch leidenschaftlicher. »Ein Zeichen, um unseren Glauben zu bestätigen. Selbst die Wölfe kamen, um für den Wiedergeborenen Drachen zu kämpfen. In der Letzten Schlacht wird der Drache sogar die Tiere des Waldes herbeirufen, um an unserer Seite zu streiten. Es ist ein Zeichen für uns, auszureiten. Nur Schattenfreunde werden sich uns nicht anschließen.« Zwei der Schienarer nickten.

»Halt dein blutiges Maul, Masema!« schimpfte Uno. Er schien völlig unverletzt, aber Uno hatte schließlich auch schon gegen Trollocs gekämpft, bevor Perrin geboren wurde. Doch man sah, daß er vor Erschöpfung wankte. Nur das aufgemalte Auge auf seiner Augenklappe schien frisch. »Wir werden verdammt noch mal ausreiten, wenn der Drache uns das verflucht noch mal sagt, und nicht eher! Ihr schafsköpfigen Bauern werdet euch, Licht noch mal, daran erinnern!« Der Einäugige blickte die wachsende Reihe von Männern an, die sich von Moiraine behandeln lassen wollten. Nur wenige konnten sich überhaupt aufsetzen, selbst nach ihrer Behandlung. Er schüttelte den Kopf. »Wenigstens haben wir verdammt genug Wolfspelze, um die Verwundeten warmzuhalten.«

»Nein!« Die Schienarer schienen überrascht, mit welcher Vehemenz Perrin das herausschrie. »Sie haben für uns gekämpft, und wir begraben sie zusammen mit unseren Toten.«

Uno runzelte die Stirn und öffnete den Mund, als wolle er etwas entgegnen, aber Perrin sah ihn durchdringend mit seinen gelben Augen an. Der Schienarer senkte den Blick zuerst und nickte.

Perrin räusperte sich verlegen, als Uno den Schienarern, die noch gut genug auf den Beinen waren, die Anweisung gab, die toten Wölfe zusammenzutragen. Min kniff die Augen zusammen und sah ihn an, als sehe sie Dinge um ihn herum, die er nicht wahrnehmen konnte. »Wo ist Rand?« fragte er sie.

»Draußen im Dunklen«, sagte sie und nickte in Richtung nach oben, ohne von ihm wegzublicken. »Er will mit niemandem sprechen. Er sitzt nur herum und faucht jeden an, der sich ihm nähert.«

»Mit mir wird er sprechen«, sagte Perrin. Sie folgte ihm und drang auf ihn ein, er müsse erst seine Verwundungen von Moiraine behandeln lassen. Licht, was sieht sie, wenn sie mich so anblickt? Ich will es lieber nicht wissen.

Rand saß auf dem Boden gerade außerhalb des Lichtscheins der brennenden Bäume und lehnte sich mit dem Rücken an den Stamm einer abgebrochenen Eiche. Er blickte ins Leere und hatte die Arme um seinen Oberkörper geschlungen und die Hände unter den roten Mantel gesteckt, als fühle er den Biß der Kälte. Er schien ihr Näherkommen nicht zu bemerken. Min setzte sich neben ihn, aber er rührte sich nicht, selbst als sie ihm eine Hand auf den Arm legte. Selbst hier roch Perrin Blut und nicht nur sein eigenes.

»Rand«, fing Perrin an, aber Rand ließ ihn nicht zu Wort kommen.

»Weißt du, was ich während des Kampfes gemacht habe?« Rand blickte immer noch ins Leere und richtete seine Worte an die Nacht. »Nichts! Nichts Nützliches! Zuerst habe ich die Wahre Quelle zu berühren versucht und konnte nicht, konnte sie nicht fassen. Sie ist mir immer wieder entglitten. Dann, als ich sie schließlich im Griff hatte, wollte ich sie alle verbrennen, die Trollocs und die Blassen. Aber alles, was ich fertigbrachte, war, ein paar Bäume in Brand zu setzen.« Er schüttelte sich in lautlosem Lachen und beruhigte sich dann wieder mit schmerzvoll verzogenem Gesicht. »Saidin erfüllte mich, bis ich glaubte, wie ein Feuerwerkskörper explodieren zu müssen. Ich mußte es irgendwohin ableiten, es loswerden, bevor es mich verbrannte, und ich ertappte mich dabei, daß ich überlegte, den Berg herabstürzen zu lassen, um die Trollocs darunter zu begraben. Beinahe hätte ich es versucht. Das war mein ganzer Kampf. Nicht gegen die Trollocs. Gegen mich selbst. Um mich davon abzuhalten, uns alle unter einem Berg zu begraben.«

Min warf Perrin einen verzweifelten und hilfesuchenden Blick zu.

»Wir... sind mit ihnen fertiggeworden, Rand«, sagte Perrin. Er schauderte, als er an all die Verwundeten unten dachte. Und die Toten. Besser das, als den ganzen Berg über uns einstürzen zu lassen. »Wir haben dich nicht dazu gebraucht.«

Rand ließ den Kopf gegen den Baumstamm fallen und schloß die Augen. »Ich habe sie kommen gefühlt«, sagte er, und er flüsterte die Worte beinahe. »Aber ich wußte nicht, was es war. Sie fühlten sich an wie das Verderben auf Saidin. Und Saidin ist immerzu da, ruft mich, singt zu mir. Als mir schließlich der Unterschied klar wurde, hat Lan bereits Alarm gegeben. Wenn ich es nur kontrollieren könnte! Ich hätte das Lager warnen können, bevor sie auch nur in der Nähe waren. Aber einen großen Teil der Zeit über, wenn ich Saidin berühre, weiß ich überhaupt nicht, was ich tue. Der Strom schwemmt mich einfach mit fort. Aber ich hätte euch warnen können.«

Perrin bewegte nervös seine geschundenen Füße. »Wir sind zur Genüge gewarnt worden.« Er wußte, es klang, als wolle er sich das einreden. Ich hätte sie auch warnen können, wenn ich mit den Wölfen gesprochen hätte. Sie wußten, daß sich Trollocs und Blasse in den Bergen befanden. Sie versuchten, es mir mitzuteilen. Aber er fragte sich auch: Wenn er die Wölfe nicht aus seinem Geist ferngehalten hätte, würde er dann nicht jetzt bereits mit dem Rudel rennen? Da war ein Mann gewesen, Elyas Machera, der ebenfalls mit den Wölfen sprechen konnte. Elyas hielt sich die ganze Zeit bei ihnen auf, schien sich aber gut daran zu erinnern, daß er ein Mensch war. Er hatte Perrin nie gesagt, wie er das machte, und Perrin hatte ihn schon lange nicht mehr getroffen.

Das Knirschen von Stiefeln auf dem steinigen Boden verriet die Ankunft zweier weiterer Leute. Ein Luftzug brachte ihre Witterung bis zu Perrin. Er hütete sich jedoch, ihre Namen auszusprechen, bis Moiraine und Lan nahe genug waren, um auch von einem gewöhnlichen Auge ausgemacht zu werden.

Der Behüter hatte eine Hand unter Moiraines Arm, als bemühe er sich, sie zu stützen, ohne es sie wissen zu lassen. Moiraines Augen wirkten vollkommen erschöpft, und in der Hand trug sie eine kleine, uralte Elfenbeinfigur, die eine Frau darstellte. Perrin wußte, daß es ein Angreal war, ein Überbleibsel aus dem Zeitalter der Legenden, das einer Aes Sedai half, ohne Risiko mehr Macht, als es ihr allein möglich gewesen wäre, zu lenken. Es war ein deutliches Zeichen ihrer Erschöpfung, daß sie ihn zum Heilen benützte.

Min stand auf, um Moiraine zu helfen, doch die Aes Sedai winkte ab. »Ich habe mich um alle anderen gekümmert«, sagte sie zu Min. »Wenn ich hier fertig bin, kann ich mich ausruhen.« Sie schüttelte auch Lans Hand ab, und auf ihrem Gesicht lag wieder höchste Konzentration, als sie mit einer kühlen Hand über Perrins blutende Schulter und die Wunde auf dem Rücken strich. Bei ihrer Berührung bekam er eine Gänsehaut. »Das ist nicht zu schlimm«, meinte sie. »Die Quetschung an Eurer Schulter ist tief, doch die Schnitte sind nur oberflächlich. Beißt die Zähne zusammen. Es wird nicht weh tun, aber... «

Ihm war es immer schon unangenehm gewesen, jemandem nahe zu sein, die die Eine Macht lenkte, und noch mehr, wenn es ihn selbst direkt betraf. Es war aber ein- oder zweimal notwendig gewesen, und so glaubte er zu wissen, was das bedeutete. Allerdings waren das ganz geringe Verwundungen gewesen, und Moiraine hatte ihm mehr oder weniger nur die Erschöpfung nehmen wollen, wenn er unbedingt ausgeruht sein mußte. Es war ganz anders gewesen als jetzt.

Plötzlich schienen die Augen der Aes Sedai in sein Inneres und durch ihn hindurch blicken zu können. Er keuchte und ließ beinahe die Axt fallen. Die Haut an seinem Rücken kribbelte, und seine Muskulatur verhärtete und entspannte sich dann endlich. Seine Schulter bebte unkontrollierbar, und alles verschwamm ihm vor den Augen. Kälte schnitt bis auf die Knochen und noch tiefer. Er hatte den Eindruck von Bewegung, Fallen, Fliegen; er wußte nicht, was, doch es war ein Gefühl, als rase er irgendwie irgendwohin, und zwar mit wahnwitziger Geschwindigkeit und endlos lange. Nach einer Ewigkeit klärte sich die Welt um ihn herum wieder auf. Moiraine trat zurück. Sie taumelte, bis Lan sie am Arm nahm.

Staunend betrachtete Perrin seine Schulter. Die Risse und Quetschungen waren verschwunden, und nicht einmal ein leichtes Zwicken war mehr zu spüren. Er drehte seinen Oberkörper vorsichtig, aber der Schmerz in seinem Rücken war auch verschwunden. Und seine Füße taten nicht mehr weh. Er mußte nicht erst hinuntersehen, um zu wissen, daß die Kratzer und Abschürfungen ebenfalls weg waren. Sein Magen knurrte laut.

»Ihr solltet so bald wie möglich etwas essen«, sagte Moiraine zu ihm. »Ein großer Teil der Kraft, die zur Heilung benötigt wurde, kam aus Euch selbst. Ihr müßt sie ersetzen.«

Hunger und die verlockenden Bilder von Speisen gingen Perrin im Kopf herum. Blutiges, halbgares Rindfleisch, Hirschkeule und Lamm und... Mit Mühe brachte er sich dazu, nicht mehr an Fleisch zu denken. Er würde sich ein paar dieser Wurzeln suchen, die nach Zwiebeln rochen, wenn man sie röstete. Sein Magen knurrte protestierend.

»Es ist kaum eine Narbe zurückgeblieben, Schmied«, sagte Lan hinter ihm.

»Die meisten der verwundeten Wölfe sind von selbst zum Wald zurückgekehrt«, sagte Moiraine. Sie massierte sich den Rücken ein wenig und reckte sich. »Aber ich habe die geheilt, die ich finden konnte.« Perrin sah sie scharf an, doch sie schien sich einfach nur unterhalten zu wollen. »Vielleicht hatten sie ihre eigenen Gründe zu kommen, aber ohne sie wären wir wahrscheinlich alle tot.« Perrin bewegte sich nervös und schlug die Augen nieder.

Die Aes Sedai faßte nach der Schramme auf Mins Wange, aber Min trat zurück und sagte: »Ich bin nicht wirklich verwundet, und Ihr seid müde. Ich bin schon schlimmer gefallen, wenn ich über die eigenen Füße stolperte.«

Moiraine lächelte und ließ die Hand fallen. Lan nahm sie am Arm. Sie wankte in seinem Griff. »Also gut. Und wie steht es mit Euch, Rand? Seid Ihr verletzt? Selbst ein Kratzer von der Klinge eines Myrddraal kann tödlich sein, und die Schwerter einiger Trollocs sind fast genauso schlimm.«

In diesem Augenblick bemerkte Perrin etwas: »Rand, dein Mantel ist naß.«

Rand zog die rechte Hand aus dem Mantel heraus, und die Hand war mit Blut bedeckt. »Nicht von einem Myrddraal«, sagte er abwesend und sah seine Hand an. »Nicht mal von einem Trolloc. Die Wunde, die ich in Falme erhielt, ist wieder aufgebrochen.«

Moiraine zischte und riß sich von Lan los. Sie fiel beinahe neben Rand auf die Knie. Dann zog sie den Mantel ein Stück beiseite und betrachtete seine Wunde. Perrin konnte sie nicht sehen, da ihr Kopf dazwischen war, aber der Blutgeruch war nun stärker geworden. Moiraines Hände bewegten sich, und Rand verzog das Gesicht vor Schmerzen. »›Das Blut des Wiedergeborenen Drachen auf den Felsen des Shayol Ghul wird die Menschheit vom Schatten befreien.‹ Steht das nicht in den Prophezeiungen des Drachen?«

»Wer hat Euch das gesagt?« fragte Moiraine scharf.

»Wenn Ihr mich jetzt zum Shayol Ghul bringt«, sagte Rand schläfrig, »durch ein Wegetor oder einen Portalstein, dann könnte alles damit zu Ende sein. Kein Sterben mehr. Keine Träume mehr. Nichts mehr.«

»Wenn das so einfach wäre«, sagte Moiraine ernst, »würde ich das auf die eine oder andere Art bestimmt tun. Aber man kann nicht alles wörtlich nehmen, was im Karaethon-Zyklus steht. Für jede einfache Aussage gibt es dort zehn, die hundert verschiedene Bedeutungen haben können. Glaubt nicht, daß Ihr etwas von dem wißt, was unbedingt geschehen muß, auch wenn Euch jemand die ganzen Prophezeiungen berichtet hat.« Sie schwieg einen Moment, als wolle sie Kraft schöpfen. Dann griff sie den Angreal fester, und ihre freie Hand glitt an Rands Seite entlang, als sei sie nicht mit Blut bedeckt. »Seht Euch vor.«

Plötzlich riß Rand die Augen auf, und er richtete sich kerzengerade auf, keuchte, stierte vor sich hin und zitterte. Perrin war es, als sie ihn heilte, wie eine Ewigkeit vorgekommen, aber nach nur wenigen Augenblicken half sie Rand dabei, sich wieder entspannt an die Eiche zu lehnen.

»Ich habe... getan... was ich konnte«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Soviel ich kann. Ihr müßt vorsichtig sein. Sie könnte wieder aufbrechen, wenn... « Ihre Stimme wurde immer leiser, und dann fiel sie.

Rand fing sie auf, und einen Augenblick später nahm Lan sie auf die Arme. Als der Behüter sie hochhob, war auf seinem Gesicht für Momente ein Ausdruck zu sehen, der dem von Zärtlichkeit näher kam, als Perrin das von Lan jemals erwartet hatte. »Ausgepumpt«, sagte der Behüter. »Sie hat sich um jeden anderen gekümmert, aber keiner kann ihr die Erschöpfung abnehmen. Ich bringe sie zu Bett.«

»Rand könnte doch...«, meinte Min bedächtig, aber der Behüter schüttelte den Kopf.

»Es ist ja nicht so, daß ich nicht glaubte, du würdest dir alle Mühe geben, Schafhirte«, sagte er, »aber du weißt so wenig darüber, daß du sie genausogut töten könntest, anstatt ihr zu helfen.«

»Das stimmt«, sagte Rand bitter. »Man kann mir nicht trauen. Lews Therin Brudermörder hat alle getötet, die ihm nahestanden. Vielleicht mache ich das auch, bevor ich ende.«

»Reiß dich zusammen, Schafhirte«, sagte Lan grob. »Die ganze Welt ruht auf deinen Schultern. Denk daran, daß du ein Mann bist, und dann tue, was getan werden muß.«

Rand blickte zu dem Behüter hoch, und überraschenderweise schien all seine Bitterkeit verflogen. »Ich werde mein Bestes geben«, sagte er. »Weil niemand anders da ist und es getan werden muß und weil ich in der Pflicht stehe. Ich werde kämpfen, aber deshalb muß mir noch lange nicht gefallen, was aus mir geworden ist.« Er schloß die Augen, als wolle er einschlafen. »Ich werde kämpfen. Träume... «

Lan sah einen Augenblick lang auf ihn hinunter und nickte dann. Er hob den Kopf und blickte über Moiraine hinweg Perrin und Min an. »Bringt ihn ins Bett und schlaft dann selbst. Wir müssen Pläne schmieden, und das Licht allein weiß, was als nächstes geschehen wird.«


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