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In dem gepanzerten Anzug fiel es Stone schwer, sich zu bewegen. Obwohl die Strahlenschutzmontur mit einem eingebauten Exoskelett kombiniert war, die jede Bewegung ihres Trägers verstärkten, so daß jeder Schritt Stones vom hellen Wimmern winziger Servomotoren begleitet wurde, glaubte er, ihr Gewicht wie eine Tonnenlast auf den Schultern zu fühlen. Er glaubte auch Schweiß auf seiner Haut zu spüren, doch ein Blick auf die winzigen Instrumente, die in seinen Helm eingebaut waren, bewies ihm, daß die Klimaanlage des Anzugs einwandfrei funktionierte. Und die Radioaktivität war um keinen Deut höher, als sie es an Bord des Gleiters gewesen war, wo er den Anzug anlegte. Trotzdem meinte er, ein unangenehmes Kribbeln zu verspüren, ein Gefühl, das in einem solchen Anzug besonders unangenehm war, der seinem Träger so ziemlich alles gestattete, nur nicht sich zu kratzen. Stone versuchte, die eingebildete Wärme oder das Jucken zu ignorieren. Seit dem Moment, in dem er den Gleiter verlassen und in diese Hölle aus Strahlen und Hitze hinausgetreten war, bedauerte er bereits, nicht auf die Ameise gehört und an Bord des Fahrzeuges geblieben zu sein. Aber jetzt umzukehren und in die Sicherheit des Kriegsschiffes zurückzugehen, hätte ihn fast die gleiche Überwindung gekostet wie weiterzugehen.

Stones Blick glitt über das Gewirr aus zusammengestürzten Häusern und Schutthalden. Sie waren drei Meilen vom Explosionspunkt der ersten Bomben entfernt gelandet. Und trotzdem war die Strahlung hier noch recht hoch.

Die meisten Pflanzen waren nur noch schwarze, verkohlte Strünke, die sich im Tod zusammengekrümmt zu haben schienen wie schmerzgepeinigte Tiere. In einiger Entfernung lag ein verendetes Tier, das er für eine Ratte gehalten hätte, wäre es nicht entschieden zu groß gewesen. Und selbst die gegen Radioaktivität fast völlig resistenten Insektengeschöpfe, die die Moroni auf diese Welt mitgebracht hatten, waren der Hölle aus rasenden Gammastrahlen nicht mehr gewachsen: Der Boden war übersät mit den Kadavern kleiner, geflügelter Käferwesen.

Inmitten dieses Bildes vollständiger Zerstörung wirkten die Ameisenkrieger beinahe grotesk. Keiner von ihnen trug einen Schutzanzug wie Stone. Die meisten waren nicht einmal bekleidet, sondern trugen nur ihre gewohnten Waffengurte oder wuchtige Rückentornister, in denen sie irgendwelche Gerätschaften mit sich herumschleppten.

Begleitet vom schrillen Wimmern der Servomotoren seines Anzuges, ging er einige Schritte weiter und blieb abermals stehen. Unschlüssig sah er sich um. Er fragte sich, ob Captain Laird und die anderen wirklich tot waren. Aber wie fragte er sich dann, hätten sie diese Hölle überstehen sollen.

Plötzlich meldete sich der Funkempfänger seines Anzuges. Stone drückte die Ruftaste. »Ja?«

»Governor Stone«, drang die quäkende Metallstimme einer Ameise aus dem Empfänger. »Sie wollten über alles Ungewöhnliche informiert werden, und ...«

»Was gibt es?« unterbrach Stone unwillig.

»Die telepathischen Impulse des Finders sind abgebrochen.«

Es dauerte einen Moment, bis Stone überhaupt begriff, was die Worte bedeuteten. Dann entsann er sich der primitiven Spionagesonde, die die Ortungsgeräte des Gleiters vor gut einer Stunde ausgemacht hatten. Eine geradezu lächerlich getarnte, fliegende Kamera, die wahrscheinlich aus irgendeinem Rebellenstützpunkt kam, die es fast überall noch gab und die einzeln aufzuspüren und zu eliminieren den gewaltigen Aufwand einfach nicht lohnte, den ein solches Unternehmen bedeutet hätte. Trotzdem hatte Stone Befehl gegeben, sie nicht abzuschießen, sondern sie unbemerkt mit einem Finder zu versehen. Den Rest konnten dann seine Sturmtruppen erledigen, sobald sie den Rebellenstützpunkt mit Hilfe des telepathischen Insekts ausgemacht hatten.

»Und?« fragte er.

»Der Abbruch der Impulse könnte bedeuten, daß das Tier versehentlich getötet wurde«, antwortete die Ameise. »Aber es könnte auch entdeckt und eliminiert worden sein. Und das wäre ungewöhnlich.«

»Wieso?«

»Weil die Eingeborenen nichts von der Existenz der Finder wissen«, antwortete die Ameise. »Sie haben weder die technischen noch die geistigen Fähigkeiten, telepathische Impulse zu messen.«

»Die hat Captain Laird auch nicht«, antwortete Stone.

»Nein. Aber der aus Paris geflohene Megakrieger kennt diese Geschöpfe.«

Stone schwieg einen Moment. Obwohl es jeder Logik widersprach und er nicht den mindesten Beweis dafür hatte, daß es wirklich so war, wußte er, daß Charity Laird und die anderen es wieder einmal geschafft hatten: Sie mußten sich in dem Rebellenversteck befinden, aus dem die Spionagesonde gekommen war.

»Konnte die genaue Position der Rebellen ermittelt werden, bevor der Finder vernichtet wurde?«

»Nein. Aber wir werden sie aufspüren. Zwei Abteilungen Krieger durchkämmen bereits das Suchgebiet.«

»Dann zieht zwei weitere hinzu«, befahl Stone. »Und bringt mich zu der errechneten Position.«

Die Ameise zögerte eine Sekunde. »Davon würde ich abraten«, widersprach sie vorsichtig. »Die Rebellen in diesem Gebiet sind nicht sehr aktiv, aber sie sind gefährlich. Schon mehrere unserer Erkundungstrupps sind...«

»Ich habe dich nicht um deine Meinung gefragt!« unterbrach Stone grob. »Bringt mich hin!«

Die Ameise an Bord des Gleiters antwortete nicht mehr. Aber nur wenige Sekunden später hob das gewaltige Fahrzeug ab, schwebte fast lautlos über Stone und sank dann wieder in die Tiefe. Die Ladeluke an seiner Unterseite öffnete sich, und zwei riesige stählerne Greifer sanken herab, um den tonnenschweren Anzug in die Höhe zu ziehen.


*


Felss, Hartmann und ein dritter Soldat folgten ihnen mit gezogenen Waffen, während sie durch den niedrigen Tunnel hasteten, der aus dem Rebellenversteck herausführte. Einer der beiden Techniker bildete die Spitze ihrer kleinen Kolonne, von dem anderen war keine Spur zu sehen. Charity hatte Hartmann nach ihm gefragt, aber keine Antwort erhalten.

Der Tunnel - bei dem es sich um nichts anderes als ein leeres Kanalisationsrohr handelte - führte eine gute Meile geradeaus, ehe er sich in einen beleuchteten und einen unbeleuchteten Gang gabelte. Stern lief ohne zu zögern in den hell erleuchteten Gang hinein, aber Hartmann winkte hastig ab, als Charity ihm folgen wollte. »Das ist der falsche Weg«, sagte er. »Sie wissen doch - der breitere Weg führt nicht immer zum Himmelstor. Steht doch schon in der Bibel.«

»Hoffentlich wissen die Moroni das nicht auch«, sagte Net.

»Ich glaube kaum, daß sie die Bibel lesen.«

Charity deutete auf Stern, dessen Gestalt schon fast in dem rötlichen Licht des Tunnels verschwunden war. »Wo geht er hin?«

»Er bereitet eine kleine Überraschung für Ihre Freunde vor«, antwortete Hartmann unwillig und gestikulierte gleichzeitig mit beiden Händen, schneller zu gehen.

Sie rannten jetzt fast, aber Charity wußte, daß diese Eile begründet war. Kurz bevor sie Hartmanns Versteck verlassen hatten, hatte sie noch einen Blick auf die Monitore geworfen, und was sie gesehen hatte, hatte sie zutiefst erschreckt. Obwohl Kyle das telepathische Insekt vernichtet hatte, näherten sich die Ameisen weiter ihrem Versteck. Es konnte nicht mehr allzu lange dauern, bis sie den getarnten Eingang zu Hartmanns unterirdischer Basis fanden; und damit auch den Eingang zu dem Fluchttunnel.

Sie liefen eine weitere halbe Meile durch fast vollkommene Finsternis, die nur durch den Lichtstrahl eines Scheinwerfers erhellt wurde, der an Hartmanns Gürtel befestigt war, dann gab der Leutnant ihnen mit Handzeichen zu verstehen, stehenzubleiben. Mit schnellen, aber sehr sicheren Bewegungen löste er einen elektrischen Schraubenzieher vom Gürtel und öffnete mit seiner Hilfe eine rostige Metallklappe, die so geschickt in den Boden eingelassen war, daß Charity und die anderen einfach darüber hinweggelaufen waren.

Unter der Klappe kam eine Leiter zum Vorschein. Ohne daß es eines weiteren Wortes von Hartmann bedurft hätte, schwang sich einer der Soldaten in die Tiefe und verschwand rasch in der Dunkelheit. Hartmann stand auf und machte eine einladende Handbewegung. »Bitte schön!«

Charity zögerte einen Moment, begriff aber dann, daß sie im Moment gar keine andere Wahl hatten, als sich Hartmann auf Gedeih und Verderb auszuliefern. Die Leiter bebte unter ihrem Gewicht, und sie glaubte, die rostigen Schrauben in der Wand knirschen zu hören. Die Sprossen waren verrostet und so rauh, daß es weh tat, sie anzufassen. Aus der Tiefe schlug ihr faulige, abgestandene Luft entgegen. Aber als sie das Ende der Leiter erreichte, sah sie endlich wieder Licht.

Auch Lehmann hatte einen Scheinwerfer eingeschaltet und auf den Boden gestellt, dessen Strahl ein groteskes Fahrzeug beleuchtete: Auf den ersten Blick glich es einem jener Wagen, die auf der Achterbahn einer Kirmes fuhren, rollte aber nicht auf Schienen, sondern auf einem Dutzend kleiner Vollgummireifen, die offensichtlich nachträglich angebracht worden waren. Es hatte nur sechs Sitze, aber die waren breit genug, so daß sie alle Platz darin finden würden, wenn sie ein wenig zusammenrückten.

Mit einer Mischung aus Neugier und Ungeduld sah sie zu, wie der Soldat eine Klappe am Heck des Fahrzeugs öffnete und mit Kopf und Oberkörper darin verschwand. Er hantierte eine ganze Weile wortlos und sehr hektisch darin herum, und seine Hände und ein Teil seines Gesichts waren ölverschmiert, als er endlich wieder auftauchte.

»Probleme?« fragte Skudder, der mittlerweile ebenfalls die Leiter heruntergestiegen war.

Lehmann bedachte ihn mit einem feindseligen Blick, und Skudder wandte sich ab.

Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis auch Hartmann als letzter die Leiter heruntergestiegen kam. Charity fiel auf, daß sich der elektrische Schraubenzieher nicht mehr an seinem Gürtel befand. Wahrscheinlich hatte er ihn oben zurückgelassen, damit die beiden Techniker, die ihm folgten, den Zugang über ihnen wieder verschlossen.

Neugierig sah sie sich in dem engen Stollen um. Er war rund, und seine Decke war kaum hoch genug, daß sie aufrecht stehen konnte. Seine Wände bestanden aus Metall und waren rostzerfressen und mit großen, schmierigen Flecken übersät. Offensichtlich befanden sie sich hier in einem ähnlichen Verbindungstunnel, wie ihn Jean und seine Freunde in Paris benutzt hatten.

Charity wandte sich wieder zu Lehmann um, der weiter am Motor des Wagens herumbastelte. Skudder stand neben ihm, hatte die Hände in den Taschen seiner zerschrammten Lederjacke vergraben und grinste schadenfroh in sich hinein.

»Worauf zum Teufel warten Sie?« schnauzte Hartmann.

Lehmann richtete sich mit einem erschrockenen Ruck auf, so daß er sich den Hinterkopf an der hochgeklappten Motorhaube des Wagens anschlug und schmerzhaft das Gesicht verzog. »Er ... springt nicht an«, sagte er unglücklich.

»Dann reparieren Sie ihn!« schnauzte Hartmann.

»Ich ... versuche es ja«, sagte Lehmann unglücklich. »Aber ich...«

»Vielleicht kann ich helfen«, schlug Skudder vor.

Lehmann blickte ihn mit gerunzelter Stirn an. »Verstehen Sie etwas von Motoren?« fragte er.

Skudder zuckte mit den Achseln. »Ein wenig.«

»Meinetwegen«, knurrte Hartmann. »Ungeschickter als dieser Idiot können Sie kaum sein.« Er schenkte Lehmann einen drohenden Blick und wedelte gleichzeitig unwillig mit der Hand, zurückzutreten.

Skudder beugte sich über die offenstehende Motorhaube des Wagens, ohne die Hände aus den Taschen zu nehmen, und richtete sich nach einer Sekunde wieder auf. »Das Batteriekabel ist lose«, sagte er.

Hartmanns Augen verschossen kleine, unsichtbare Blitze, während Lehmann sichtlich zusammenschrumpfte und sich beeilte, das lockere Kabel anzuklemmen. Dann rannte er mit weit ausgreifenden Schritten zum Fahrersitz des Wagens und drückte einen Knopf. Das dumpfe Dröhnen eines Dieselmotors und beißender Gestank erfüllten den Tunnel.

»Idiot«, murmelte Hartmann, drehte sich auf der Stelle herum und legte den Kopf in den Nacken, um auf die Leiter nach oben zu blicken.

»Wo bleibt dieser andere Trottel?«

Charity ersparte sich eine Antwort darauf, drehte sich herum und ging zum Wagen, in dem Net, Helen und Felss bereits Platz genommen hatten. Auch Skudder kletterte auf einen der Sitze, beugte sich hinaus und griff nach Gurk, den er sich kurzerhand auf den Schoß setzte, weil die Plätze nicht ausreichten. Charity lächelte, als sie sah, daß Gurk ärgerlich das Gesicht verzog, es aber nicht wagte, zu protestieren, obwohl Skudders Griff alles andere als sanft war.

In diesem Moment erscholl hinter ihr ein gellender Schrei.

Sie fuhr herum und sah gerade noch, wie Hartmann sich mit einem Sprung in Sicherheit brachte, um einem Körper auszuweichen, der aus dem Treppenschacht stürzte.

Eine Sekunde später stach eine grelle Lichtnadel nach dem Leutnant, verfehlte ihn um eine Handbreit und explodierte in einer Flammenwolke an der Wand neben ihnen. Im grellen Feuerschein erkannte Charity, daß es sich bei der Gestalt, die Hartmann beinahe erschlagen hätte, um einen der beiden Techniker handelte.

»Weg!« brüllte Hartmann. Gleichzeitig sprang er vor, riß Charity einfach mit sich und stieß sie grob in den Wagen. Ein zweiter Laserblitz zuckte aus dem Schacht herab und brannte eine rotglühende Lavaspur in den Boden, dann kletterten auch Kyle und Hartmann in den Wagen, und das sonderbare Gefährt setzte sich in Bewegung.

Während Lehmann fluchte und vergeblich versuchte, mehr Tempo aus dem Wagen herauszuholen, rissen Felss und Hartmann ihre Waffen von den Schultern und zielten auf die Leiter.

Ein riesiges Spinnenwesen tauchte auf den rostigen Metallsprossen auf, und Lehmann schoß.

Er traf. Der Moroni kippte mit einem schrillen Pfeifen zur Seite und brach auf dem Boden zusammen, aber sofort erschien ein zweiter und dritter, und noch bevor die zwei Soldaten zum zweiten Mal feuern konnte, zuckte ein halbes Dutzend dünner, greller Lichtblitze in ihre Richtung. Dicht neben dem Wagen schlugen Strahlenschüsse ein und ließen die Wände der Pipeline dunkelrot aufglühen. Grelle, weiße Funken züngelten über ihnen, und Charity duckte sich instinktiv tiefer in die ungepolsterten Sitze. Auch Kyle und Skudder zogen ihre Waffen und erwiderten das Feuer, während der umgebaute Achterbahnwagen mit einer Geschwindigkeit vor den Angreifern davonheulte, die kaum höher als die eines schnell laufenden Menschen war.

»Halt!« schrie Hartmann plötzlich. Der Soldat am Steuer blickte ihn verwirrt an, trat aber gehorsam auf die Bremse, und das Fahrzeug kam mit einem Ruck zum Stehen. Ein Laserstrahl verfehlte Hartmann nur noch um Millimeter. Ein zweiter Schuß streifte das Heck des Wagens und setzte einen der Reifen in Brand.

»Gebt mir Deckung!« brüllte Hartmann und schwang sich aus dem Wagen. Mit einer Hand deutete er auf Lehmann. »Und erschießt diesen Kerl, wenn er ohne mich losfährt!«

Charity verstand nicht einmal, was er meinte, aber sie hob trotzdem ihre Waffe und gab einen Schuß auf die näherrückenden Ameisen ab. Sie konnte nicht erkennen, ob sie getroffen hatte, denn der enge Stollen schien bis zum Bersten mit schwarzen, glitzernden Chitingestalten angefüllt zu sein. Fassungslos beobachtete Charity, wie sich Hartmann der Front der Ameisen näherte, wobei er unentwegt feuerte.

Aber was sie wahrscheinlich rettete, war einzig und allein Kyles Waffe. Selbst die schweren Gammalaser, die sie aus Paris mitgebracht hatten, hätten die Monster wahrscheinlich nicht zurückgetrieben, denn für jede Ameise, die sie niederstreckten, ließen sich zwei neue den Schacht herunterfallen und griffen sofort an. Aber Kyles Waffe brannte eine rauchende Spur aus Staub und zerfallenden Insektenkörpern in die schwarze Front, durch die Hartmann wild hindurchrannte.

Erst als er den Schacht beinahe erreicht hatte, sah Charity, welchen Grund sein offensichtliches Selbstmordunternehmen hatte.

Der Techniker lebte noch. Seine Gestalt lag zusammengekrümmt neben zwei toten Ameisen, aber seine Hände bewegten sich, und er versuchte, den Kopf zu heben. Als Hartmann neben ihm anlangte, erschienen zwei weitere Ameisen am oberen Ende der Leiter. Charity und Skudder feuerten gleichzeitig, und sie trafen beide. Die Ameisen explodierten förmlich und überschütteten Hartmann und den Techniker mit Flammen und rotglühenden Chitinsplittern. Hartmann keuchte vor Schmerz, ließ sich aber trotzdem blitzschnell auf die Knie sinken, ergriff den verwundeten Techniker und hob ihn scheinbar ohne Anstrengung in die Höhe, um ihn sich über die Schulter zu werfen.

Der Soldat am Steuer des Wagens kam endlich auf den richtigen Gedanken und legte den Rückwärtsgang ein, um Hartmann entgegenzufahren. Während Charity, Skudder und Kyle die Leiter unter Dauerfeuer hielten, näherte sich Hartmann taumelnd dem Wagen, lud seine reglose Last quer über Skudders, Nets und Helens Schoß ab und sprang keuchend wieder auf seinen Sitz. »Los!« befahl er.

Während sich der Wagen mit einem Ruck wieder in Bewegung setzte, steckte Kyle seine Waffe ein und beugte sich über den Verletzten. Skudder und Charity feuerten weiter.

»Lebt er?« fragte Charity abgehackt.

Kyle nickte. Seine Fingerspitzen glitten behutsam über das blutverschmierte Gesicht des Mannes, tasteten an seinem Hals und seinem Rücken entlang. »Ja«, antwortete er. »Aber er ist sehr schwer verletzt. Ich bin nicht sicher, daß er es durchsteht.«

Charity sah eine Bewegung am oberen Ende der Leiter, hob ihren Strahler ein wenig und drückte ab. Ein schrilles Pfeifen und das dumpfe Geräusch eines schweren Körpers, der auf dem stählernen Boden aufschlug, verrieten ihr, daß sie getroffen hatte. Aber sie waren jetzt schon zu weit von der Treppe entfernt, als daß sie noch sicher zielen konnte. Trotzdem gaben Skudder und sie noch ein Dutzend weiterer Schüsse ab, ehe sie ihre Waffe wieder senkte und sich vollends in den Sitz zurückfallen ließ.

Der Techniker atmete schwer. Er war bei Bewußtsein und mußte große Schmerzen haben. Seine Hand hatte sich in Nets Oberschenkel gekrampft, und die junge Wasteländerin verzog schmerzhaft die Lippen, machte aber keine Anstalten, seine Finger beiseite zu schieben. Schließlich fanden Kyles Finger den Nervenknoten in seinem Nacken, nach dem sie gesucht hatten. Er drückte kurz und kräftig zu, und ein Zittern ging durch den Körper des Verletzten. Dann schloß er die Augen und atmete plötzlich ruhiger.

»So hat er wenigstens keine Schmerzen mehr«, sagte Kyle. »Aber ich bin nicht sicher, daß er wieder aufwacht.« Er wandte sich an Hartmann. »Gibt es dort, wohin wir fahren, einen Arzt?«

Hartmann zögerte, dann nickte er. »Ja. Wenn wir ihn lebend hinbringen, dann kommt er auch durch.«

Kyle sah den Leutnant einen Moment lang nachdenklich an. Hartmanns Gesicht und Hände waren mit Schrammen und Kratzern und Blut übersät, und über seiner linken Schulter färbte sich die Jacke allmählich dunkelrot. Auch er war verletzt. Kyle wollte die Hand nach ihm ausstrecken, aber Hartmann schob seinen Arm grob beiseite und schüttelte den Kopf.

»Lassen Sie das!« sagte er.

Kyle ließ sich gehorsam wieder zurücksinken. »Ich verstehe Sie nicht«, sagte er.

Hartmann warf ihm einen schrägen Blick zu. »So?«

»Sie scheinen Ihre Männer zu verachten«, sagte Kyle. »Sie lassen keine Gelegenheit verstreichen, sie zu beschimpfen und zu erniedrigen. Und trotzdem riskieren Sie, ohne zu zögern, Ihr Leben für sie.«

Hartmann schürzte zornig die Lippen. Der Blick, mit dem er Kyle maß, war voller Verachtung. »Wäre es Ihnen lieber, ich würde sie loben - und verrecken lassen?«

Kyle schüttelte ruhig den Kopf. »Das meine ich nicht«, sagte er. »Ich...«

»Es interessiert mich nicht im geringsten, was Sie meinen«, unterbrach ihn Hartmann grob. »Halten Sie lieber die Augen offen. Sie kommen uns garantiert nach. Und diese Karre hier ist leider kein Rennwagen.« Bei diesen Worten warf er dem Mann am Steuer einen Blick zu, als gäbe er ganz allein ihm die Schuld an der geringen Geschwindigkeit des Fahrzeuges.

»Wohin fahren wir?« fragte Charity.

»Zu einem Ort, an dem Sie sicher sein werden«, antwortete Hartmann.

Seine Antwort erfüllte Charity mit einem leisen Gefühl von Ärger; nach allem, was geschehen war.

»Was soll der Unsinn?« fragte sie scharf. »Möglicherweise macht es Ihnen ja Spaß, den Geheimnisvollen zu spielen, Hartmann. Aber in kurzer Zeit sehen wir es ja doch.«

Hartmann blickte sie auf sehr sonderbare Weise an. »Sind Sie sicher?« fragte er.

»Sollte ich nicht?«

»Ich weiß es nicht«, gestand Hartmann. »Es ist nicht meine Entscheidung.«

»Wessen dann?«

Diesmal bekam sie gar keine Antwort.

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