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Am fünften Tag ihrer Zusammenarbeit sagte Conway zu Arretapec:

„Man hat mir versichert, daß Ihr Patient weder ein physisches Leiden hat noch von einem Psychiater behandelt werden muß. Das führt mich zu dem Schluß, daß Sie auf telepathischem oder ähnlichem Wege versuchen, irgendeinen Wechsel in der Gehirnstruktur herbeizuführen. Wenn mein Schluß zutrifft, so weiß ich etwas, was Sie interessieren oder Ihnen vielleicht sogar helfen könnte:

In primitiven Zeiten hat es auf meinem eigenen Planeten ein Riesenreptil ähnlich Ihrem Patienten gegeben. Von Überresten, die Archäologen ausgegraben haben, wissen wir, daß dieses Reptil ein zweites Nervenzentrum besaß oder benötigte, das um ein Mehrfaches größer als das eigentliche Gehirn war und das sich in der Gegend der Wirbelsäule befand. Es diente vermutlich dazu, die Bewegung der Hinterbeine, des Schwanzes und so weiter zu bewirken. Wenn das hier der Fall sein sollte, haben Sie vielleicht mit zwei Gehirnen anstatt mit einem zu tun.“

Während er auf Arretapecs Antwort wartete, dankte Conway seinem Schicksal, daß der VUXG einer äußerst ethischen Spezies angehörte, die es prinzipiell ablehnte, ihre Telepathie gegenüber Nichttelepathen einzusetzen, sonst hätte Arretapec gewußt, daß Conway wußte, daß der Patient zwei Nervenzentren besaß — daß er das wußte, weil ein Kollege Conways heimlich den nichtsahnenden Dinosaurier mit einer Röntgenkamera untersucht hatte, während Arretapec wieder einmal ein Loch in seinen Schreibtisch gefressen hatte.

„Ihre Schlüsse sind richtig“, meinte Arretapec endlich, „und was Sie hier sagen, ist interessant. Ich hatte es nicht für möglich gehalten, daß ein Wesen zwei Gehirne besitzt. Aber das würde die ungewöhnliche Schwierigkeit erklären, mit diesem Wesen in Verbindung zu treten. Ich werde das untersuchen.“

Conway spürte, wie sein Ohr wieder zu jucken begann, aber seit er wußte, worum es sich handelte, konnte er das ohne zu „zappeln“ hinnehmen. Der Juckreiz ließ nach, und Arretapec sagte: „Ich bekomme eine Reaktion. Zum erstenmal bekomme ich eine Reaktion.“

Wieder begann der Juckreiz und nahm zu und nahm zu…

Das fühlte sich nicht nur an wie Ameisen mit rotglühenden Kneifzangen, dachte Conway, während er verzweifelt darum kämpfte, sich nicht zu rühren, um Arretapec nicht abzulenken; es fühlte sich vielmehr an, als bohrte jemand mit einem rostigen Nagel Löcher in sein armes Gehirn. So war es noch nie gewesen. Es war die reinste Tortur.

Und dann änderte sich die Empfindung plötzlich. Nicht, daß sie nachließ, im Gegenteil. Es kam noch etwas hinzu. Ein grelles Licht flammte vor Conways Augen auf und war dann gleich wieder verschwunden. Es war gerade, als hätte sich einen Augenblick eine Tür vor ihm geöffnet. Conway hatte nicht den leisesten Zweifel daran, daß er während dieses Bruchteils einer Sekunde in Arretapecs Gesicht geblickt hatte.

Jetzt wußte er alles!


Der VUXG bekam noch den ganzen Tag Reaktionen, aber sie waren abweichend und unkontrollierbar. Eine besonders dramatische Reaktion hatte den Dinosaurier in seiner Panik dazu veranlaßt, ein paar Morgen Baumbestand einzuebnen, und dann war er verstört in den See gerannt. Arretapec gab es auf.

„Es hat keinen Sinn“, sagte der Arzt. „Das Wesen läßt sich einfach von mir nichts beibringen, und wenn ich es zwinge, bekommt es Angst.“

Seine gleichmäßige übersetzte Stimme war völlig ausdruckslos, aber Conway, der Arretapecs Gedanken gelesen hatte, wußte, wie bitter enttäuscht der andere war. Er wünschte verzweifelt, helfen zu können, wußte aber zugleich, daß er nichts tun konnte — Arretapec war der einzige, der in diesem Fall etwas erreichen konnte. Er, Conway, konnte nur Hilfestellung leisten. Er zerbrach sich immer noch den Kopf nach einer Lösung, als er sich am Abend schlafen legte, und kurz bevor er einschlief, glaubte er, sie gefunden zu haben.

Am nächsten Morgen warteten sie auf Dr. Mannon, als der gerade in den DBLF-Operationssaal gehen wollte. Conway fragte:

„Sir, leihen Sie uns Ihren Hund?“

„Privat oder dienstlich?“ fragte Mannon argwöhnisch. Er hing sehr an seinem Hund.

„Es passiert ihm gar nichts“, versicherte Conway treuherzig.

„Vielen Dank.“ Er nahm dem tralthanischen Internisten die Leine weg und sagte zu Arretapec:

„Und jetzt in mein Zimmer…“

Zehn Minuten darauf raste der Hund bellend in Conways Zimmer herum, während Conway selbst mit Kissen nach ihm warf. Plötzlich erzielte er einen Volltreffer, so daß der Hund sich überschlug. Er fing jämmerlich zu winseln an und kratzte mit den Pfoten auf dem Fußboden.

Conway wurde plötzlich in die Höhe gerissen und schwebte anderthalb Meter hoch in der Luft.

„Ich hatte nicht gewußt“, dröhnte die Stimme Arretapecs vom Tisch, „daß das eine Demonstration von menschlichem Sadismus sein soll. Ich bin schockiert. Sie werden dieses arme Tier sofort freilassen.“

„Lassen Sie mich herunter, dann erkläre ich alles…“ bat Conway.

Am achten Tag gaben sie den Hund Dr. Mannon zurück und nahmen die Arbeit an dem Dinosaurier wieder auf. Am Ende der zweiten Woche arbeiteten sie immer noch, und sämtliches Personal des Hospitals redete, pfiff, zirpte und grunzte in jeder nur erdenklichen Sprache über Arretapec, Conway und ihren Patienten. Eines Tages befanden sie sich im Speisesaal, als Conway bemerkte, daß der Interkom, der schon alle möglichen Durchsagen gebracht hatte, seinen Namen rief:

„… O’Mara anrufen“, hieß es monoton. „Dr. Conway bitte. Würden Sie bitte so schnell wie möglich Major O’Mara anrufen…“

„Entschuldigen Sie“, sagte Conway zu Arretapec, der auf dem Plastikbock saß, den der Kantinenleiter mit einem vielsagenden Lächeln an Conways Tisch gestellt hatte, und eilte zum nächsten Interkom.

„Es ist nicht ungeheuer wichtig“, sagte O’Mara, als er anrief und fragte, was passiert sei. „Ich möchte nur ein paar Erklärungen haben. Zum Beispiel:

Dr. Hardin schäumte praktisch vor Wut, weil das Gemüse, das er pflanzt, jetzt mit irgendeiner Chemikalie besprüht werden muß, die den Geschmack beeinträchtigt. Und warum muß ein Großteil von dem Grünzeug in der Höchstblüte gelagert werden? Was fangen Sie mit einem 3-D-Projektor an? Und was hat Mannons Hund mit der ganzen Geschichte zu tun?“ O’Mara machte eine Zwangspause, um Luft zu holen und fuhr dann fort: „Und Oberst Skempton sagt, seine Ingenieure hätten es langsam satt, dauernd für Sie Zug- und Druckstrahlenfassungen zu bauen — nicht, daß es ihm etwas ausmacht. Er sagt nur, wenn diese ganze Apparatur auf diesem alten Kahn da nach außen statt nach innen gerichtet wäre, könnten Sie es leicht mit einem Schlachtkreuzer der Föderation aufnehmen.

Und seine Leute… nun, eine ganze Menge von ihnen ist bei mir in Behandlung. Einige von ihnen, die Glücklicheren möchte ich sagen, glauben einfach ihren Augen nicht. Die anderen würden wirklich rosa Elefanten vorziehen.“

Eine kurze Pause, und dann sagte O’Mara:

„Mannon sagt mir, Sie säßen jetzt auf dem hohen Roß der Ethik und redeten überhaupt nichts. Ich habe mir nur gedacht…“

„Tut mir leid, Sir“, sagte Conway.

„Aber was zum Teufel tun Sie denn?“ explodierte O’Mara. Und dann: „Nun, viel Glück jedenfalls. Ende.“

Conway eilte zu Arretapec zurück, um die Unterhaltung wieder aufzunehmen. Als sie eine Weile später gingen, meinte Conway:

„Es war dumm von mir, den Größenfaktor nicht zu berücksichtigen. Aber jetzt, wo wir…“

„Dumm von uns, Freund Conway“, korrigierte ihn Arretapec mit ausdrucksloser Stimme. „Der Großteil Ihrer Ideen hat ja funktioniert. Sie haben mir unschätzbare Dienste geleistet, und ich überlege mir wirklich manchmal, ob Sie nicht ahnen, was ich vorhabe. Ich hoffe, daß auch diese Idee funktioniert.“

„Nun, drücken wir eben die Daumen.“

Bei dieser Gelegenheit stellte Arretapec nicht, wie er das gewöhnlich tat, fest, daß er erstens nicht an Glück glaubte und zweitens keine Daumen besaß. Arretapecs Verständnis für Menschen nahm zweifellos zu. Und im Augenblick wünschte Conway, daß der VUXG jetzt seine Gedanken las, um zu wissen, wie sehr er auf seiner Seite stand und wie sehr er Arretapecs Experiment Erfolg wünschte.

Conway spürte auf dem ganzen Weg zum Schiff, wie die Spannung in ihm stieg. Als er den Ingenieuren und Mechanikern ihre letzten Anweisungen gab und sich vergewisserte, daß ein jeder wußte, was in einem Notfall zu tun sei, merkte er, daß alle Spuren von Überanstrengung zeigten. Aber als er dann weniger als fünfzig Meter von dem Patienten entfernt stand — einen Antischwerkraftgürtel um die Hüfte, einen 3-D-Projektor um die Brust und eine schwere Radioanlage auf den Schultern — war seine Erregung auf dem Höhepunkt angelangt.

„Projektorgruppe fertig“, sagte eine Stimme.

„Das Futter ist auch bereit“, eine andere.

„Alle Zug- und Druckstrahlmannschaften fertig“, meldete eine dritte.

„Okay, Doktor“, sagte Conway zu Arretapec, der über ihm schwebte, und fuhr sich mit der plötzlich trocken gewordenen Zunge über die Lippen. „Machen Sie Ihre Sache gut.“

Er drückte einen Knopf an dem Mechanismus auf seiner Brust, und im nächsten Augenblick baute sich rings um ihn ein körperloses Bild eines fast zwanzig Meter großen Conway auf. Er sah, wie der Patient den Kopf hob und hörte das tiefe, brummende Geräusch, das er immer von sich gab, wenn er erregt war oder Angst hatte und sah, wie er langsam und bedächtig rückwärts zum See zurückwich. Aber Arretapec strahlte mit voller Kraft auf die beiden kleinen, beinahe rudimentären Gehirne des Riesen aus, sandte Wellen der Beruhigung — und das große Reptil beruhigte sich. Ganz langsam, um es nicht zu erschrecken, griff Conway hinter sich, hob etwas auf und legte es dann vor sich hin. Rings um ihn tat sein großes Bild das gleiche.

Aber wo die große Hand des Bildes sich auf den Boden senkte, lag jetzt ein Bündel grüner Blätter, und als die so massiv scheinende und doch körperlose Hand sich hob, folgte ihr das Bündel, von drei präzis eingestellten Zug- und Druckstrahlern festgehalten. Das frische, feuchte Bündel aus Pflanzen und Palmblättern wurde dicht vor dem immer noch unruhigen Dinosaurier abgelegt, allem Anschein nach von der Hand, die sich jetzt schnell zurückzog.

Nach einer Zeit, die Conway wie eine Ewigkeit vorkam, senkte sich der schlangenartige Hals. Der Dinosaurier knabberte an den Blättern.

Conway wiederholte die gleiche Bewegung. Und immer wieder tat er es. Und die ganze Zeit schob sich sein großes Bild immer näher heran.

Der Brontosaurier konnte natürlich im Notfall auch die Vegetation essen, die um ihn herum wuchs, aber seit Dr. Hardins Sprühgerät in Aktion getreten war, schmeckte die Nahrung nicht besonders gut. Aber diese Leckerbissen waren echt; das frische, saftige Fressen, das er früher gehabt hatte. Wo er zuerst geknabbert hatte, schlang er jetzt gierig.

„Okay“, sagte Conway. „Stufe zwei…“

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