05 Uhr 25 - 05 Uhr 35

Harry Burdick ließ das Fernglas sinken und reichte es dem Turmkontrolleur zurück. Er fröstelte. Von dem Beobachtungsbalkon aus, der sich um den Turm zog, blickten die beiden Männer ein letztes Mal über den Flugplatz, auf die Benzinwagen, die weit abseits standen, und auf die Menschen, die - im Zwielicht nun deutlich sichtbar - dort Wache standen. Die laufenden Lastwagenmotoren am Ende des Flugplatzes untermalten die fieberhafte Spannung, die über dem ganzen Flugplatz zu liegen schien. Burdick hatte während der letzten Minuten das Gefühl, als hielte die ganze Welt den Atem an. „Wir fliegen jetzt 253 Grad", kam die Stimme des Mädchens durch den Lautsprecher. „Wir verlieren schnell Höhe."

Burdick blickte in das Gesicht des jungen Mannes, der neben ihm stand. Ohne ein Wort drehten sie sich um und traten wieder an die großen Glasscheiben, die den Kontrollraum umgaben. Ihre Gesichter waren in das grünliche Licht des Kontrollpults getaucht. „Ist der Wind noch okay?" fragte der Captain. Grimsell nickte. „Ein bißchen seitlich zur Landebahn Null-Acht. Aber sie ist nach wie vor am besten. Sie ist die längste."

„Radar", sagte Treleaven in sein Mikrophon, „halten Sie mich ständig auf dem Laufenden, gleichgültig, ob ich mit dem Flugzeug spreche oder nicht. Es wird keine normale Radarlandung sein... Unterbrechen Sie mich sofort, wenn 714 in Schwierigkeiten gerät. Schreien Sie einfach dazwischen!"

Burdick tippte ihm auf die Schulter. „Captain", beschwor er ihn, „wollen wir nicht noch einmal versuchen, ihn davon abzuhalten - wenigstens bis es heller ist und..."

„Die Entscheidungen sind schon getroffen", sagte Treleaven kurz. „Der Bursche da oben ist schon nervös genug. Wenn wir jetzt mit ihm diskutieren, ist alles aus." Burdick schwieg und wandte sich ab. Treleaven fuhr in ruhigerem Ton fort: „Ich verstehe Ihre Gefühle, Harry. Aber Sie müssen ihn auch verstehen. Für ihn steht alles auf des Messers Schneide."

„Was geschieht, wenn er schlecht reinkommt?" fiel Grimsell ein. „Was haben Sie dann vor?"

„Er wird wahrscheinlich schlecht hereinkommen", gab Treleaven grimmig zurück. „Falls es aussichtslos ist, will ich versuchen, ihn nochmals um den Platz zu leiten. Wir werden uns weitere Diskussionen sparen, solange nicht bewiesen ist, daß es keine Möglichkeit gibt, die Landung zu machen. Dann muß ich allerdings versuchen, ihn auf den Ozean herunterzubringen." -Einen Augenblick lang horchte er auf den sachlichen Bericht aus der Radarstation, der aus seinen Kopfhörern tönte. Dann drückte er auf den Mikrophonknopf: „George, fliegen Sie jetzt wieder mit einer Geschwindigkeit von 160. Behalten Sie sie bei." Als sich 714 einschaltete, kam ein hohles Geräusch aus dem Lautsprecher. Es entstand eine quälend lange Pause, bevor Janets Stimme zu hören war: „Wir sind nun auf tausend Fuß und bleiben in dieser Höhe. Bitte kommen. "

„Gut", sagte Treleaven. „Machen Sie jetzt die Gemischkontrolle. Legen Sie den Schalter nach oben." Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr. „Nehmen Sie sich Zeit, George. Wenn Sie fertig sind, drehen Sie die Vergaser-Vorwärmung auf KALT. Sie befindet sich neben den Gashebeln."

„Was ist mit den Benzintanks?" fragte Burdick hastig. „Schon in Ordnung", antwortete Grimsell. „Er hat jetzt die Flächentanks in Betrieb."

Im Flugzeug blickte Spencer sorgsam von einem Instrument zum anderen. Sein Gesicht glich einer starren Maske. Er hörte Treleavens Stimme ihren unerbittlichen Monolog hersagen: „Als nächstes, George, müssen Sie das Luftfilter auf STOSSEN einstellen und die Kompressoren auf GERING. Lassen Sie sich jetzt Zeit." Spencer schaute wütend auf die Uhr. - „Die Luftfilterkontrolle ist der einzige Hebel, der sich unterhalb der Gemischkontrolle befindet. Stellen Sie ihn in die Position AUF."

„Sehen Sie's, Janet?" fragte Spencer besorgt. „Ja, ja, ich hab's schon. "

„Die Kompressoren", fuhr Treleaven fort, „sind vier Hebel rechts der Gemischkontrolle. Stellen Sie auch diese jetzt in die AUF-Position."

„Haben Sie's?" fragte Spencer. „Ja."

„Braves Mädchen!" Er bemerkte, daß sich die Horizontlinie vor ihm hob und senkte. Aber er wagte nicht, die Augen vom Instrumentenbrett zu nehmen. Das Dröhnen der Motoren wurde ungleichmäßig. „Jetzt wollen wir die Klappen auf 15 Grad ausfahren", instruierte ihn Treleaven. „15 Grad - runter bis zur zweiten Kerbe. Das Anzeigegerät ist in der Mitte des Hauptinstrumentenbrettes. Wenn Sie die 15 Grad erreicht haben, nehmen Sie die Fahrt weg, bis Sie 140 Knoten fliegen, und stellen die Trimmung wieder auf Horizontalflug ein. Sobald Sie das gemacht haben, schalten Sie die hydraulische Verstärkerpumpe ein - ganz links. Haben Sie's?"

Durch Treleavens Kopfhörer verkündete der Radar-Operateur:

„Auf 225 Grad drehen! Wir bekommen keine richtige Höhenbestimmung, Captain. Sie schwankt immer zwischen 900 und 1400 Fuß."

„Ändern Sie den Kurs auf 250 Grad ab", sagte Treleaven. „Und achten Sie auf die Höhe, sie ist zu unregelmäßig. Versuchen Sie, auf tausend Fuß zu steigen."

„Er sinkt schnell", sagte der Operateur. „1100 - 1000 -900800- 700..."

„Passen Sie auf die Höhe auf!" warnte Treleaven. „Drosseln Sie stärker! Nehmen Sie die Nase der Maschine höher!"

„650 - 600 - 500... "

„Steigen Sie!" rief Treleaven. „Steigen Sie! Sie brauchen unbedingt tausend Fuß!"

„550 - 450", rief der Operateur, zwar immer noch mit ruhiger Stimme. Aber auch er schwitzte. „Das geht nicht gut, Captain. 400 - 400 - 450 - jetzt geht er rauf, 500..."

Treleaven unterbrach sich. Er zerrte den Kopfhörer herunter und wandte sich zu Burdick herum? „Er kann sie nicht fliegen...", platzte er heraus. „Bestimmt" - er kann sie nicht fliegen!"

„Sprechen Sie weiter mit ihm", fauchte Burdick und packte den Captain an den Armen, „Sprechen Sie, Captain, um Gottes willen. Sagen Sie ihm, was er machen soll!"

Treleaven griff nach dem Mikrophon und brachte es wieder an den Mund. „Spencer", sagte er eindringlich, „Sie können nicht direkt herunterkommen. Hören Sie auf mich! Sie müssen ein paar Runden fliegen und den Anflug trainieren. Sie haben genug Sprit für weitere zwei Stunden. Kommen Sie zu sich, Mann!" Sie horchten gespannt, als Spencer antwortete.

„Begreift jetzt endlich, dort unten! Ich komme jetzt herein. Hören Sie mich? Ich komme herunter! Hier sind Leute an Bord, die in weniger als einer Stunde sterben werden - geschweige denn in zwei! Ich werde die Maschine vielleicht ein bißchen demolieren. Aber das müssen wir in Kauf nehmen. Fangen Sie jetzt mit den Landeanweisungen an. Ich fahre das Fahrgestell aus." - Sie hörten ihn sagen: „Fahrgestell raus, Janet!"

„Schön, George, in Ordnung", sagte Treleaven müde. Er streifte die Kopfhörer über. Schnell gewann er seine Fassung zurück; nur ein Muskel an seinem Unterkiefer zuckte. Eine Sekunde lang schloß er die Augen, dann öffnete er sie wieder und sprach so frisch wie bisher weiter. „Wenn das Fahrgestell raus ist, dann schauen Sie, ob die drei grünen Lämpchen brennen. Klar? Halten Sie Ihren Kurs ständig auf 225 Grad. Geben Sie etwas mehr Gas, damit Sie die Geschwindigkeit halten können, wenn die Klappen ausgefahren sind. Regulieren Sie die Trimmung und halten Sie so viel Höhe wie möglich. Gut. - Prüfen Sie, ob der Bremsdruck etwa tausend Pfund beträgt. Die Anzeige befindet sich rechts der hydraulischen Pumpe am Instrumentenbrett. Wenn der Bremsdruck in Ordnung ist, antworten Sie nicht. Klar? Dann öffnen Sie die Luftklappe auf ein Drittel. Behalten Sie das alles, Janet? Der Schalter befindet sich vor Ihrem linken Knie und ist in Drittel eingeteilt. Antworten Sie nur, falls ich zu schnell spreche. Als nächstes..." Während Treleaven fortfuhr und seine Stimme den Kontrollturm füllte, trat Burdick leise an die großen Glasfenster und warf einen Blick auf den nun schwach sichtbaren Horizont. Das aufkommende Tageslicht war trübe und durch dicke Wolkenbänke gedämpft. „Eins ist sicher", sagte Burdick zu einem Operateur, der neben ihm stand, „ganz gleich, was hier innerhalb der nächsten zwei, drei Minuten passiert - jedenfalls wird die Hölle los sein." Er tastete seine Taschen nach Zigaretten ab, gab es dann aber auf und wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. „Jetzt kommt die Propellerverstellung", sagte Treleaven gerade. „Die Tachometer müssen für jeden Motor 2250 Umdrehungen anzeigen. Nicht bestätigen."

„2250", wiederholte Spencer für sich selbst, während er die Einstellung vornahm. „Janet", sagte er, „geben Sie mir die Geschwindigkeit an."

„Wir fliegen 130", begann sie tonlos, „125 - 120- 125 -130 -"

Im Kontrollraum vernahm Treleaven ständig die Stimme aus dem Radarraum, die aus dem Kopfhörer kam. „Die Höhe ist immer noch unregelmäßig. 900 Fuß jetzt..."

„George", sagte Treleaven. „fliegen Sie mit 120 Knoten und trimmen Sie die Maschine wieder aus. Ich wiederhole: Geschwindigkeit 120!" Er sah auf die Uhr. „Machen Sie das gut und vorsichtig - jetzt!"

„Er verliert immer noch Höhe ", berichtete der RadarOperateur. „800 Fuß - 750 - 700..."

„Sie verlieren Höhe!" fauchte Treleaven. „Sie verlieren Höhe!! Rauf - rauf! Sie brauchen unbedingt etwa tausend Fuß! "

Janet fuhr unbeirrt fort, die Geschwindigkeit anzusagen: „110 - 110 - 105 - 110 - 120 - 120 - 120 - gleichbleibend 120 -"

„Nun steig schon endlich! Los!" preßte Spencer zwischen den Zähnen hervor und zog gleichzeitig an der Steuersäule. „Ist das ein lumpiger alter Karren! Das Luder will nicht. Will einfach nicht... "

„125 - 130 - 130 - gleichbleibend 130..."

„Höhe jetzt 900 Fuß", sagte der Radar-Operateur. „950. Jetzt 1000. Er soll eine Linkskurve zur Anfluglinie machen. 268Grad. Er hält jetzt tausend Fuß. "

Treleaven rief dem Turm-Kontrolleur zu: „Er dreht jetzt auf die Anfluglinie. Löschen Sie alle Pistenlichter - außer denen auf Piste Null-Acht." Er sprach ins Mikrophon: „Jetzt kommt die letzte Kurve, George. 268 Grad. Nach 268 Grad drehen! Achten Sie auf Fahrt und Höhe. Halten Sie so lange tausend Fuß Höhe, bis ich es Ihnen sage. "

Reihe um Reihe erloschen die Pistenlampen. Übrig blieb eine Lichterkette rechts und links der Hauptlandebahn. Wie ein ungeheurer, schwerfälliger Vogel kurvte die »Empress« langsam über das östliche Ende von Landsdowne Race Track, über dem der erste Morgennebel lag - dann über den Arm des Fraser-Flusses. Rechts wurde die Brücke vom Festland nach Sea Island gerade wahrnehmbar.

„Wenn Sie aus der Kurve herauskommen", sagte Treleaven, „werden Sie die Landebahn genau vor sich sehen. Es regnet, und es ist wahrscheinlich gut, wenn Sie die Scheibenwischer einschalten. Der Schalter ist rechts unten am Copilotensitz. Er ist deutlich markiert."

„Suchen Sie ihn, Janet", sagte Spencer. „Halten Sie die Höhe auf tausend Fuß, George. Sie sind noch weit draußen und haben genügend Zeit. Janet soll nach dem Schalter für den Landescheinwerfer schauen. Er ist im oberen Instrumentenbrett, etwas links der Mitte. Halten Sie die Höhe!"

„Können Sie den Schalter finden?" fragte Spencer. „Moment -ja, ich habe ihn."

Spencer wagte einen schnellen Blick nach vorn. „Meine Güte", stöhnte er. Die Lichter der Landebahn, glitzernde Stecknadelköpfe, die aus dem blaugrauen Dunst auftauchten, schienen aus dieser Entfernung unglaublich dicht beieinander zu liegen. Fast wie eine kurze Strecke Eisenbahnschienen. Er wischte sich rasch über die Augen, die vor Überanstrengung tränten.

„Sie liegen gut auf Kurs", sagte Treleaven. „Halten Sie die Höhe. Hören Sie genau zu. Sie müssen auf dem ersten Drittel der Landebahn aufsetzen. Wir haben leichten Seitenwind. Er kommt von links. Also seien Sie darauf gefaßt, daß Sie etwas nach rechts gegensteuern müssen. "

Spencer brachte die Flugzeugnase langsam in die erforderliche Lage. „Wenn Sie zu weit hinten landen, dann nehmen Sie die Notbremse zu Hilfe. Sie brauchen dazu nur den roten Griff zu betätigen, der direkt vor Ihnen ist. Und wenn auch das nicht ausreicht, dann schalten Sie sofort die vier Zündschalter aus, die sich über Ihrem Kopf befinden."

„Sehen Sie die Schalter, Janet?"

„Ja."

„Wenn ich die brauche, muß es schnell gehen", sagte Spencer. „Wenn ich schreie, dann verlieren Sie keine Zeit." Seine Kehle war ausgedörrt. „Gut", antwortete Janet fast flüsternd. Sie preßte die Hände zusammen, um ihr Zittern zu verbergen. „Jetzt dauert' s nicht mehr lange. Was ist mit der Notglocke?"

„Ich habe sie nicht vergessen. Ich löse sie unmittelbar vor der Landung aus."

„Achten Sie auf die Geschwindigkeit..."

„120-115-120..."

„Er sinkt", sagte der Radar-Operateur. „Vierhundert Fuß pro Minute. Lassen Sie Fahrwerk und Klappen prüfen. Er soll den gegenwärtigen Kurs beibehalten."

„Gut, George", sagte Treleaven. „Jetzt raus mit den Klappen. Ganz. Nehmen Sie die Fahrt auf 115 runter. Trimmen Sie die Maschine aus und fangen Sie an, 400 Fuß pro Minute zu sinken. Ich wiederhole: Klappen voll ausfahren. Geschwindigkeit 115. 400 Fuß pro Minute sinken. Halten Sie Ihre gegenwärtige Richtung." Er wandte sich an Grimsell: „Ist auf dem Platz alles vorbereitet?"

Der Kontrolleur nickte. „Soweit vorbereitet, wie's menschenmöglich ist."

„Dann geht's jetzt los. In 60 Sekunden wissen wir alles." Sie konnten das Motorengeräusch des sich nähernden Flugzeugs hören. Treleaven griff nach dem Fernglas, das ihm der Kontrolleur reichte.

„Janet - bringen Sie die Klappen ganz raus", ordnete Spencer an. Sie stieß den Hebel ganz herunter. „Sagen Sie Höhe und Fahrt an!"

„Tausend Fuß, Fahrt 130 - achthundert Fuß, Fahrt 120 siebenhundert Fuß, Fahrt 105. Wir sinken zu schnell..."

„Höhe halten! " befahl Treleaven. „Höhe halten! Sie verlieren die Höhe zu schnell... "

„Ich weiß, ich weiß", bellte Spencer zurück. Er stieß die Gashebel vorwärts. „Weiter!" sagte er zu dem Mädchen. „650 Fuß - Fahrt 100. 400 Fuß - Fahrt 100..." Burdick schrie vom Balkon herein: „Sehen Sie doch, er hat keine Kontrolle darüber..." Das Fernglas auf das ankommende Flugzeug gerichtet, sagte Treleaven fast atemlos ins Mikrophon: „Los -los! Sie verlieren zu schnell Höhe! Kontrollieren Sie doch um Himmels willen die Fahrt! Die Nase ist zu hoch! Los schnell -oder die Maschine sackt Ihnen durch. Schnell, sage ich -schnell!!"

„Er hat Sie schon gehört", sagte Grimsell. „Er schafft's." Der Radar-Operateur berichtete: „Noch hundert Fuß unter der normalen Anflughöhe. 50 Fuß unter normaler Anflughöhe. Jetzt kreuzt er den Funkstrahl..."

„Runter - runter!" drängte Treleaven. „Wenn Sie die Alarmglocke noch nicht ausgelöst haben, dann tun Sie's jetzt. Die Sitze aufrecht stellen. Die Köpfe der Passagiere runter!" Als im Flugzeug die Alarmglocke schrillte, schrie Baird, so laut er konnte: „Alles ducken! Halten Sie sich, so fest Sie können!"

Joe und Hazel Greer, die beiden Sportfans, legten, in ihre Sitze gekauert, fest die Arme umeinander. Childer, ungeschickt in seiner Hast, versuchte, seine bewußtlose Frau an sich zu ziehen, so nahe er konnte. Von irgendwo in der Mitte war der monotone Klang einer betenden Stimme zu hören und von weiter hinten ein Ruf aus den Reihen des trinkfesten Quartetts: „Gott steh uns bei - jetzt geht's los..."

„Halt die Klappe", fauchte Otpot.

„Jetzt sind sie auf dem Leitstrahl", sprach Grimsell in sein Mikrophon. „An alle Feuerwehrwagen und Bergungstrupps: Stehenbleiben, bis das Flugzeug vorbei ist! Die Maschine könnte seitlich ausbrechen." Seine Stimme brach sich metallisch an den Gebäudewänden. „Er ist wieder auf 200 Fuß herauf, berichtete der Radar-Operateur. „Aber immer noch zu tief. Er ist zu tief, Captain! Hundert Fuß..."

Treleaven riß sich die Kopfhörer ab. Er sprang auf, hielt das Mikrophon in der einen Hand und das Fernglas in der anderen. „Höhe halten, bis Sie am Pistenrand sind!" rief er. „Bleiben Sie völlig ruhig. So, das sieht aus, als war's richtig."

„Verdammter Regen", fluchte Spencer. „Ich kann so schlecht sehen. " Er konnte jetzt erkennen, daß sie über Gras flogen. Dann hatte er das unbestimmte Gefühl, als begänne die Landebahn.

„Kontrollieren Sie die Fahrt", ordnete Treleaven an. „Ihre Nase kriecht schon wieder aufwärts..." Einen Augenblick lang hörte man andere Stimmen im Hintergrund. - „Richten Sie sie gerade", fuhr Treleaven fort, „bevor Sie Bodenberührung haben, und seien Sie darauf gefaßt, daß Sie wegen Seitenwind rechts gegensteuern müssen. Jetzt geht's los."

Der Anfang der grauen Rollbahn glitt unter dem Flugzeug weg.

„Jetzt!" rief Treleaven. „Sie kommen zu schnell an. Nase etwas höher. Höher! Gas zurück. Ganz zurück! Nase hoch! Nicht zu sehr! Nicht zu sehr!! Achtgeben auf den Seitenwind. Ruhig runter, ruhig runter..." Während die Räder des Flugzeuges ein paar Fuß hoch über die Pistenoberfläche huschten, zog Spencer das Steuer sanft zurück und drückte es wieder vor. Er versuchte, sich an den Boden heranzutasten. Seine Kehle war wie zugeschnürt, denn erst jetzt kam ihm zum Bewußtsein, daß die Pilotenkabine hoch über dem Boden war - höher als in jedem Flugzeug, das er bisher geflogen hatte. Eine Schätzung des Abstandes zwischen den Rädern und dem Boden war ihm beinahe nicht möglich. Es schien ein Jahrhundert zu dauern. Die Räder glitten über die Rollbahn - ohne sie zu berühren. Dann setzten sie mit einem Stoß auf. Gummi kreischte - eine Staubwolke stob davon. Der Stoß ließ das Flugzeug in die Luft zurückwippen. Dann versuchten die Reifen wieder, den Boden zu finden.

Der dritte Aufschlag folgte, dann noch einer und noch einer. Durch die zusammengebissenen Zähne fluchend zog Spencer das Steuer bis zum Magen an sich heran. Der Alptraum der letzten Stunden wurde jetzt zur schrecklichen Wirklichkeit. Der graue Streifen unter dem Flugzeug sprang ihm entgegen -entfernte sich wieder und sprang ihm wieder entgegen. Dann blieb er plötzlich wunderbarerweise in gleicher Entfernung: sie waren unten!

Er trat auf die Fußbremse und drückte sie mit aller Kraft ganz durch. Ein hohes Pfeifen ertönte, aber von einem Ruck war nichts zu spüren, das Rolltempo schien nicht abzunehmen. Aus dem Augenwinkel konnte er sehen, daß schon mehr als zwei Drittel der Piste aufgefressen waren. Er würde das Flugzeug niemals rechtzeitig zum Stehen bringen können. „Sie landen zu schnell", röchelte Treleaven. „Nehmen Sie die Notbremse. Ziehen Sie am roten Griff! " Spencer zerrte verzweifelt an dem Griff. Er zog die Steuersäule bis an den Bauch an sich heran, gleichzeitig trat er noch stärker auf die Bremsen. Er fühlte in den Armen einen ziehenden Schmerz, als das Flugzeug langsamer wurde. Die Räder waren blockiert, sie rutschten und rasten dann wieder frei davon. „Zündschalter aus!" schrie er dem Mädchen zu. Einen nach dem anderen schaltete sie aus. Das Motorengeräusch starb ab und hinterließ in der Kabine nur noch das Brummen des Funkgeräts - abgesehen vom Kreischen der Reifen. Spencer starrte gebannt und entsetzt geradeaus. Ohne Motoren raste das Flugzeug immer noch vorwärts. Der Boden huschte verschwommen unter ihnen weg. Spencer konnte jetzt eine große Markierung sehen, die das Ende der Rollbahn anzeigte. Im Bruchteil einer Sekunde nahmen seine Augen das Bild eines Feuerwehrwagens auf, dessen Fahrer eben auf den Sitz kletterte, um loszurasen.

Treleavens Stimme platzte in seine Ohren: „Steuern Sie nach links - reißen Sie die Maschine links herum! Hart nach links steuern... "

Spencer überlegte nicht mehr. Er rammte den linken Fuß ins Seitensteuer-Pedal und legte in diese Bewegung alle Kraft, über die er verfügte.

Das Flugzeug, das sofort von der Betonbahn herunterschwenkte, begann, einen Bogen zu beschreiben. Spencer, der von einer Seite seines Sitzes auf die andere geschleudert wurde, bemühte sich, die Tragflächen vom Boden weg zu halten. Plötzlich hörte er Metall reißen und sah ein undefinierbares Licht, als das Fahrgestell brach und das Flugzeug auf dem Bauch schlitterte. Der Aufprall warf Spencer fast vom Sitz. Er fühlte einen reißenden Schmerz, als die Gurte tief in sein Fleisch einschnitten.

„Kopf runter", schrie er, „wir überschlagen uns!" Sie umklammerten die Unterkanten ihrer Sitze, um sich gegen den Aufprall und die heftige Erschütterung zu sichern. Sie versuchten, sich zusammenzukrümmen. Gleichzeitig rutschte das Flugzeug weiter, tiefe Furchen ins Gras grabend. Mit metallischen Geräuschen kreuzte die Maschine eine weitere Rollbahn, rasierte die Pistenlampen ab und schleuderte gleich darauf wieder ganze Erdfontänen in die Luft... Spencer betete um das Ende.

Mit blutiggebissenen Lippen wartete er auf den unvermeidlichen Überschlag des Flugzeuges, auf das Splittern, das die Maschine in tausend Stücke reißen würde, bevor sich unter einem Funkenregen Finsternis über sie senkte...

Dann aber rührte sich plötzlich nichts mehr. Spencer fühlte zwar noch immer diese irrsinnigen Bewegungen, mit denen die Maschine über das Feld gerast war. Doch seine Augen sagten ihm, daß sie tatsächlich standen. Ein paar Sekunden lang war alles ruhig. Er versuchte, sich aus seiner unbequemen Lage zu befreien, und blickte zu Janet hinüber. Sie hatte den Kopf in den Händen vergraben und weinte leise. Aus der Passagierkabine hörte man Murmeln. Die Leute stellten ungläubig fest, daß sie noch am Leben waren. Jemand lachte kurz und hysterisch auf. Das löste ein halbes Dutzend Stimmen aus, die alle gleichzeitig sprachen. Spencer hörte Baird rufen: „Ist jemand verletzt?" Das Stimmengewirr schwoll an. Spencer schloß die Augen. Er fühlte sich hundeelend. „Am besten öffnen Sie die Notausstiege", näselte Otpot. „Und jeder bleibt, wo er ist."

Von der Tür der Pilotenkabine, die sich mit einem Ruck öffnete, hörte Spencer die Stimme des Arztes: „Gute Arbeit, Spencer. Sind Sie beide heil geblieben?"

„Ich habe einen Ringelpietz gemacht", murmelte er widerwillig vor sich hin. „Wir haben uns genau um die eigene Achse gedreht. Wahrhaftig eine Leistung, verdammt noch mal... "

„Quatsch, Sie haben es ausgezeichnet gemacht", erwiderte Baird. „Soweit ich es beurteilen kann, gab es nur ein paar Quetschungen und Schocks bei den Passagieren. Aber jetzt wollen wir zuerst nach dem Captain und dem Copiloten schauen. Die beiden müssen ordentlich durchgeschüttelt worden sein."

Spencer wandte sich nach ihm um. Er hatte Mühe, den Kopf zu drehen. „Doktor", seine Stimme war heiser, „haben wir's rechtzeitig geschafft?"

„Ich glaube ja, gerade noch. Jetzt liegt alles Weitere beim Krankenhaus. Sie haben das Ihre getan." Spencer versuchte aufzustehen. In diesem Augenblick hörte er ein knisterndes Geräusch. Wieder fühlte er, wie ein alarmierendes Gefühl in ihm aufstieg. Dann aber bemerkte er, daß das Geräusch nur aus dem Kopfhörer kam, der auf den Boden gefallen war. Er langte hinunter und setzte ihn auf, wobei er aber nur eine Muschel ans Ohr hielt.

„George Spencer", rief Treleaven. „George Spencer! Sind Sie da?"

Draußen brach das Sirenenkonzert der Feuerwehr- und Ambulanzwagen los. Stimmen drangen aus der Passagierkabine.

„Ja", sagte er. „Ich bin hier."

Treleaven jubelte auf. Im Hintergrund war deutlich eine angeregte Unterhaltung und Gelächter zu hören. „George - das war die lausigste Landung in der Geschichte dieses Flughafens! Ich würde Ihnen raten, sich bei uns nie um einen Pilotenposten zu bewerben. Aber hier sind ein paar Leute, die Ihnen gern die Hand schütteln möchten und später einen Schluck mit Ihnen trinken wollen. Das war's. Wir kommen jetzt zu euch rüber." Janet hatte den Kopf gehoben und lächelte schwach. „Sie sollten Ihr Gesicht sehen", sagte sie. Es fiel ihm keine Antwort ein -keine Witzelei, kein Wort des Dankes. Er wußte nur, daß er unerträglich müde war und Magenweh hatte. Er langte nach ihrer Hand hinüber und grinste.

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