04 Uhr 20 - 04 Uhr 35

Die Neonlampen über dem Eingang des Empfangsgebäudes spiegelten sich auf der nassen Straße wider. Sie waren in weiche Lichthöfe gehüllt. Die breite Asphaltfläche, die zu dieser frühen Stunde normalerweise tot war - abgesehen von der gelegentlichen An- und Abfahrt eines Flughafen-Busses -, bot heute ein ganz anderes Bild.

An der Ausfahrt der Hauptstraße zum Flugplatz, auf der Festlandseite des Flusses, stand ein Polizeiwagen quer über der Straße. Sein Licht blinkte Dauerwarnung. Diejenigen Wagen, die zum Flughafen fahren durften, wurden von einem Wachtmeister zu Parkplätzen gelotst, die weit genug vom Empfangsgebäude entfernt lagen, um die Zufahrt zu diesem freizuhalten. Einige Männer unterhielten sich leise und stampften auf den Boden, um sich in der feuchten Nachtluft warm zu halten. Dabei beobachteten sie die von Zeit zu Zeit eintreffenden Feuerwehrwagen und Ambulanzen, die für ein paar Sekunden anhielten, um Befehle entgegenzunehmen. Ein leuchtend roter Bergungswagen lud Gerätschaften auf und setzte sich donnernd in Bewegung. Die Stille, die daraufhin eintrat, wurde bald wieder durch ein Autoradio unterbrochen. Klar tönte eine Stimme aus einem der Wagen, der wenige Schritte entfernt vorüberfuhr:

„Meine Damen und Herren! Hier ist die letzte Nachricht von Vancouver Airport. Die Behörden erklären, daß die Maple Leaf-Maschine von einem ungeübten Piloten gelandet wird. Es besteht jedoch kein Grund zur Unruhe oder Panik in der Stadt. Alle Vorsichtsmaßregeln werden getroffen, um die Bewohner des Gebiets um den Flughafen zu verständigen. Gleichzeitig sind bereits Hilfskolonnen nach Sea Islands unterwegs. Bleiben Sie auf Empfang. Es folgen laufend weitere Durchsagen."

Ein schlammbespritzter Chevrolet bremste scharf vor dem Empfangsgebäude und bog dann zum Parkplatz ein. Seine Reifen kreischten auf, als er dort abrupt anhielt. Auf der linken Seite der Windschutzscheibe klebte ein roter Zettel: PRESSE.

Ein großer Mann mit vollem, grauem Haar stieg aus und schlug die Wagentür zu. Er ging eilig zur Anmeldung, nickte im Vorbeigehen dem Wachmann zu und trat ein. Er wich zwei Ärzten in weißen Kitteln aus, schaute sich suchend nach dem Schalter der Maple Leaf Airline um und ging dann rasch darauf zu. Am Schalter unterhielten sich zwei Männer mit einem uniformierten Angestellten der Airline. Der Mann tippte einem von ihnen auf die Schulter. Der wandte sich um und begrüßte ihn lächelnd. „Wie steht's, Terry?"

„Ich habe schon alles, was ich weiß, ans Büro durchgegeben, Mr. Jessup", sagte der andere Mann, der wesentlich jünger aussah. „Das ist Ralph Jessup - Canadian International News", fügte er, zum Passagieragenten gewandt, hinzu.

„Wer hat die Sache hier in der Hand?" fragte Jessup. „Ich glaube, Mr. Howard gibt gerade im Presseraum eine Erklärung ab", sagte der Passagieragent. „Gehen wir", sagte Jessup, nahm den jüngeren Mann am Arm und zog ihn mit sich fort. „Schickt das Büro Kameraleute?" fragte er.

„Ja, aber alle anderen Agenturen auch. Sogar die Wochenschau wird rechtzeitig da sein."

„Hm. Erinnern Sie das Büro daran, daß auch über die eventuelle Evakuierung der Leute, die in der Nähe der Brücke wohnen, berichtet werden muß. Der Mann, der das macht, kann am Rand des Flugplatzes stehen. Wenn er auf den Zaun klettert, kann er vielleicht sogar ein oder zwei phantastische Aufnahmen von der Bruchlandung machen - und obendrein schneller wegkommen als die anderen. Was wissen Sie eigentlich über den Burschen, der die Maschine fliegt?"

„Es ist George Spencer aus Toronto. Das ist alles, was wir wissen."

„Schön. Das Weitere kriegen wir schon noch heraus. Bleiben Sie hier in der Empfangshalle. Klemmen Sie sich hinter einen Schalter und lassen Sie sich nicht hinauswerfen, was auch geschieht. Lassen Sie die Verbindung zum Büro nicht abreißen."

„Ja, Mr. Jessup, aber... "

„Ich weiß, ich weiß", sagte Jessup düster. „Aber so ist es nun einmal. Wenn im Presseraum der Sturm aufs Telefon beginnt, werden wir hier die Extraleitung brauchen." Sein Mantel flatterte, als er mit gesenktem Kopf wie ein wütender Stier hinüber zum Presseraum steuerte. Dort waren bereits ein paar Reporter versammelt. Drei von ihnen sprachen, ein anderer ratterte auf einer der sechs oder acht Schreibmaschinen auf dem großen Mitteltisch. zwei weitere benützten die Telefonkabinen, die zu beiden Seiten des getäfelten Raums aufgestellt waren. Am Boden standen die Ledertaschen der Kameraleute. „Nun", sagte Jessup grimmig, „was tut sich hier, Boys?"

„He, Jess", grüßte einer der Männer. „Wo ist Howard? Haben Sie ihn gesehen?"

„Er muß gleich hier sein." Jessup nahm sich eine Zigarette heraus. „Also - wer weiß was?"

„Wir sind eben erst gekommen", sagte Stephens vom >Monitor<. „Ich rief im Büro des Kontrolleurs an und wurde zum Teufel geschickt."

„Ihr macht's euch nicht schwer", bemerkte Jessup, zündete die Zigarette an und spuckte ein Stückchen Tabak aus.

„Es ist zu spät für die Morgenblätter und mehr als zu früh für die Abendausgaben - außer, ihr gebt Extrablätter heraus. Es ist unschwer festzustellen, wer das Rennen macht." Er wies auf die beiden Männer in den Telefonkabinen. Einer war von der CP und einer von UPA. „Halt, Jess", sagte Stephens, „wenn man dir so zuhört, könnte man meinen... "

„Hört auf damit", fiel ihm Abrahams vom >Posttelegram< ins Wort. „Wir sollten lieber anfangen. Bald werden auch alle anderen hier sein, und dann können wir uns nicht mehr rühren. "

Sie drehten sich um, als ein jüngerer Mann eintrat, der ein paar Papierstreifen in der Hand hielt. Es war Cliff Howard, temperamentvoll und energisch. Seine randlose Brille, sein Haarschnitt und seine fast englisch gemusterten Krawatten waren ein auf dem Flughafen gewohnter Anblick. Er lächelte den Reportern nicht zu, obwohl die meisten von ihnen seine persönlichen Freunde waren.

„Schön, daß ihr gewartet habt", sagte er. „Wir waren nahe dran, die Geduld zu verlieren", gab Stephens zurück.

Die beiden Journalisten von CP und UPA hatten eilig ihre Gespräche beendet und traten zu den anderen. „Schieß los, Cliff', sagte einer von ihnen. Howard schaute Jessup an. „Wie ich sehe, kommst du auch direkt aus dem Bett, Jess", bemerkte er und deutete auf den Pyjama unter Jessups Jacke. „Ja", sagte Jessup kurz. „Auf geht's, Cliff - pack aus!"

Howard warf einen flüchtigen Blick auf die Papiere in seiner Hand, dann auf die versammelten Männer. Auf seiner Stirn glänzte Schweiß. „Schön", sagte er. „Also: eine Maple Leaf Empress wurde in Toronto gechartert, um Besucher des heutigen Fußballspiels herzubringen. Auf der Strecke von Winnipeg nach hier erkrankten der Pilot und der Copilot. Ein Passagier sitzt am Steuer. Er hat auf diesem Flugzeugtyp keinerlei Erfahrung. Wir müssen ihn »heruntersprechen«:. Captain Paul Treleaven, Cross-Canadas Chefpilot, hat die Aufgabe übernommen. Aber die Behörden hielten es für ratsam, Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und das angrenzende Gebiet zu räumen. Außerdem steht für den Fall eines Unglücks zusätzliche Hilfe bereit." Es entstand eine Pause. „Und?" knurrte einer der Reporter. „Ich glaube, da gibt's nichts weiter zu sagen", meinte Howard entschuldigend. „Wir werden alles tun, was wir können, und ich würde es sehr begrüßen, wenn... "

„Ich bitte dich, Cliff! Was erzählst du uns da?" protestierte Stephens. „Wie konnte es passieren, daß beide Piloten krank wurden?"

Howard zuckte unbehaglich die Achseln. „Wir wissen es noch nicht genau. Es kann sich um eine Art Magenverstimmung handeln. Wir haben Ärzte, die..."

„Nun hör mal", unterbrach ihn Jessup. „Jetzt ist wohl nicht die richtige Zeit, den Unwissenden zu spielen, Cliff. In dieser Story sind so viele Löcher, daß sie ein Schiff zum Sinken brächten. Alles, was du erzählst, wußte unsere Redaktion schon, bevor wir hierher kamen. Fangen wir noch mal von vorn an. Was ist Wahres an dem Gerücht von der Fischvergiftung?"

„Wer ist der Bursche, der den Vogel steuert?" fügte Abrahams hinzu. Howard atmete tief. Er lächelte und machte eine dramatische Geste, als ließe er seine Notizen zu Boden flattern. „Schaut her, Jungens", sagte er, „ich will es euch erklären - ihr wißt, daß ich euch nichts vorenthalte, wenn es irgend möglich ist. Aber wir wollen nicht, daß die Sache verdreht wird. Was heute nacht passiert, ist ein außergewöhnlicher Notfall. Warum sollte ich das abstreiten? Alles, was menschenmöglich ist. wird getan, um das Risiko zu vermindern. Das ganze Unternehmen spiegelt den besten Willen der Flughafen-Organisation. Wirklich, ich habe noch nie so etwas... "

„Die Story - Howard!"

„Gleich, gleich. Aber ich möchte, daß ihr versteht, daß nichts von meinen Äußerungen als offizielle Verlautbarung zu werten ist. Weder von Seiten des Flughafens noch der Maple Leaf Airline. Die Airline gibt sich redlichste Mühe, die Maschine sicher herunterzubringen. " Ein Telefon schrillte. Niemand rührte sich. „Gut denn", sagte Howard. „Soviel ich weiß, brach im Flugzeug eine Krankheit aus, die möglicherweise durch Nahrungsmittelvergiftung verursacht wurde. Natürlich unternehmen wir..."

„Glauben Sie, daß die verdorbenen Lebensmittel an Bord des Flugzeuges serviert wurden?" fragte einer. „Bis jetzt kann diese Frage nicht beantwortet werden. Alles, was ich euch sagen kann, ist folgendes: Die Empress startete in Toronto wegen Nebel ziemlich spät. Bei der Ankunft in Winnipeg war somit keiner der normalen Lieferanten mehr verfügbar. Deshalb wurde die Verpflegung von einer anderen Firma geliefert, darunter der Fisch. Und etwas von diesem Fisch, meine Herren, mag - ich wiederhole: mag verdorben gewesen sein. Der übliche Vorgang ist nun der, daß das Gesundheitsamt von Winnipeg die Angelegenheit untersucht."

„Was wissen Sie über den Burschen, der die Maschine jetzt fliegt?" wiederholte Abrahams. „Bitte verstehen Sie", fuhr Howard fort, „daß die Maple Leaf Airline die strengsten Hygiene-Vorschriften hat. Die Möglichkeit, daß solch ein Unfall geschieht, steht eins zu einer Million. Trotz der allerstrengsten... "

„Der Bursche am Steuer! - Wer ist er?"

„Alles zu seiner Zeit", sagte Howard kühl, als wollte er eine Flut von Fragen abwehren. „Die Flugzeugbesatzung ist eines der erfahrensten Teams der Maple Leaf, und wie Sie wissen, bedeutet das sehr viel. Captain Lee Dunning, Erster Offizier Peter Levinson und Stewardeß Janet Benson. Ich habe alle Einzelheiten zur Hand... "

„Spar dir das", sagte Jessup. „Wir werden das später mitnehmen." Zwei weitere Reporter stürzten in den Raum und drückten sich in die Gruppe. „Was ist an der Geschichte vom Passagier, der die Kiste fliegt?"

„Soviel ich weiß, wurde der Erste Offizier und dann der Captain krank. Glücklicherweise ist ein Passagier an Bord, der schon früher geflogen hat. Er hat die Steuerung mit bemerkenswertem Können übernommen. Sein Name ist George Spencer. Aus Winnipeg, nehme ich an. Er stieg dort zu."

„Wann, sagten Sie, hat er vorher geflogen?" beharrte Abrahams. „Sie meinen, er sei ein Ex-Airline-Pilot?"

„Nun - ja", gab Howard zu. „Ich glaube, er ist im Krieg auf kleineren Maschinen geflogen."

„Im Krieg? Mensch - das war vor zehn Jahren! "

„Was für kleinere Flugzeuge?" fragte Jessup. „Spitfires, Mustangs, er flog sehr viel... "

„Halt! Das waren Jagdmaschinen. Ist dieser Mann Jagdpilot aus dem Krieg? "

„Fliegen bleibt Fliegen", warf Howard ärgerlich ein. „Er bekommt per Funk Anweisungen durch Captain Paul Treleaven, Cross-Canada-Chefpilot. Treleaven wird ihn heruntersprechen."

„Zum Teufel", sagte Jessup ungläubig, „die Empress ist ein viermotoriger Vogel. Wieviel PS hat sie?"

„Oh, ich glaube rund achttausend."

„Und Sie glauben ernsthaft, daß ein Kriegsflieger, der nur einmotorige Jäger geflogen hat, nach all den Jahren ein viermotoriges Linienflugzeug fliegen kann?" Eine kleine Balgerei entstand, als zwei oder drei Reporter zu den Telefonkabinen rannten. „Natürlich besteht ein gewisses Risiko", gab Howard zu. „Und deshalb auch die Vorsichtsmaßnahmen, die Räumung der Nachbarschaft... Die Lage ist ziemlich mulmig, muß ich ehrlich zugeben. Aber es besteht kein Grund zu..."

„Gewisses Risiko", machte Jessup nach. „Ich bin selbst ein bißchen geflogen - ich kann mir vorstellen, was der Bursche da oben durchmacht! Sag uns mehr über ihn. " Howard breitete die Hände aus. „Ich weiß weiter nichts über ihn als das."

„Was?" ereiferte sich Stephens. „Das ist alles, was du weißt? Über einen, der versucht, ein Flugzeug voll... Übrigens, wieviel Leute sind an Bord?"

„59, glaube ich. Besatzung inbegriffen. Ich habe eine Kopie der Passagierliste für euch, wenn ihr nur... "

„Cliff', sagte Jessup grimmig, „wenn du ablenken willst..."

„Ich habe gesagt, Jess, das ist alles, was ich über den Mann weiß! Wir alle möchten gern mehr wissen. Nach der letzten Meldung scheint es so, als käme er ganz gut zurecht."

„Wie lange dauert es noch bis zum Absturz?" drängte Abrahams.

Howard wandte sich mit einem Ruck nach ihm um: „Reden Sie keinen Unsinn!" sagte er: „Sie werden in rund einer Stunde, vielleicht ein bißchen früher, hier sein."

„Bringt ihr sie auf dem Funk-Leitstrahl herein?"

„Ich weiß es nicht genau. Aber ich denke, Captain Treleaven wird ihn ohne weiteres heruntersprechen. Alles ist bestens in Ordnung. Die Luftlinien sind umgeleitet worden, und der Flugplatz ist frei. Die Stadtfeuerwehr steht als zusätzliche Hilfe bereit. Nur so - für den Fall..."

„Angenommen, sie verfehlt die Piste und fällt ins Wasser?"

„Kaum. Aber die Polizei hat - um auch für diesen Fall vorbereitet zu sein - jedes verfügbare Boot alarmiert. Nie zuvor habe ich derart vollkommene Vorsichtsmaßregeln gesehen!"

Das ist eine Story!" Abrahams verschwand in der nächsten Telefonzelle. Er hielt die Tür offen, während er wählte, damit er noch weiter zuhören konnte. „Cliff', sagte Jessup mit einiger Sympathie für den Public-Relations-Mann, „wie lange wird der Sprit in dem Vogel reichen? "

„Weiß nicht. Aber es gibt noch einen Reservetank", antwortete Howard und löste seine Krawatte. Es klang nicht sehr überzeugend. Jessup schaute ihn einige Sekunden lang aus zusammengekniffenen Augen an. Dann kam ihm die Erleuchtung: „Moment! - Wenn an Bord Vergiftungen vorgekommen sind, dann hat es doch bestimmt nicht nur die beiden Piloten getroffen... "

„Ich brauche alle Hilfe, die ihr mir schicken könnt", sagte Abrahams ins Telefon. „Ich gebe euch Näheres durch, sobald ich was weiß. Wenn ihr für die erste Ausgabe genug habt, um abzuschließen, dann haltet im Schlußwort beide Möglichkeiten offen: entweder Absturz- oder Wunderlandung! Im übrigen abwarten. Okay? Verbindet mich mit Bert. Hallo - Bert. Bist du fertig? Dann los: In den frühen Morgenstunden erlebte Vancouver Airport...", begann er zu diktieren. „Du, Jess", sagte Howard eilig, „das ist eine brenzlige Angelegenheit. Du kannst alles erfahren - aber sei um Himmels willen fair. Denen da oben zuliebe. Sie arbeiten wie verrückt. Sie tun alles, um denen im Flugzeug zu helfen."

„Du kennst uns, Cliff. Klar, daß wir dich nicht hintergehen. Nun sag schon: Wie geht es den Passagieren?"

„Ein paar von ihnen sind krank. Aber ein Arzt ist an Bord, der ihnen jede Hilfe gibt, die momentan möglich ist. Wir haben außerdem am Funkgerät ärztliche Ratgeber für den Fall, daß sie gebraucht werden. Die Stewardeß ist prima und hilft Spencer. Sie gibt die Nachrichten durch. Das ist nun im wesentlichen alles."

„So eine Vergiftung ist 'ne mächtig ernste Sache", setzte Jessup unbarmherzig fort. „Ich meine den Zeitfaktor und so."

„Richtig."

„Wenn diese Leute nicht verdammt schnell runterkommen, dann könnten sogar welche - sterben?"

„Ich glaube", stimmte Howard zu. Er preßte die Worte zwischen den Lippen hervor.

„Aber - aber das ist ja eine Weltsensation! Wie ist die Lage im Augenblick?"

„Vor etwa zehn, fünfzehn Minuten... "

„Hör auf damit", brummte Jessup. „Einige Minuten bedeuten viel in solch einer Situation. Wir wollen wissen, wie es jetzt aussieht, Cliff. Wer ist der diensttuende Kontrolleur? Ruf ihn an - sonst tue ich es, wenn dir das lieber ist."

„Nein, vorläufig nicht, Jess! Ich bitte! Ich sage dir, sie sind dort oben..."

Jessup packte den Public-Relations-Mann an der Schulter. „Du warst selbst Zeitungsmann, Cliff. Auf jeden Fall wird dies die größte Luftstory auf Jahre hinaus, und du weißt das auch. In einer Stunde wird hier die Hölle los sein. Diese Bude wird von Reportern, Wochenschau- und Fernsehleuten wimmeln. Du mußt uns jetzt informieren - es sei denn, du willst, daß wir uns auf dem ganzen Flugplatz breitmachen. Sag uns jetzt, wie es steht; dann kannst du eine Zeitlang schnaufen, während wir unsere Stories durchgeben."

„Okay, okay. Macht mir's doch nicht so schwer!" Howard griff nach dem Hörer eines Hausapparates, der auf dem Tisch stand. „Hier ist Howard. Kontrollraum bitte." Er zog, Jessup zugewendet, die Oberlippe herunter. „Wegen dir werde ich noch gesteinigt. Hallo - Control? Ist Burdick dort? Gib ihn mir, es ist eilig. Hallo, Harry? Hier spricht Cliff. Die Presse macht mich fertig. Ich kann sie euch nicht länger vom Hals halten. Sie wollen die jetzige Situation kennen. Sie wollen die Story noch in die Morgenblätter bringen."

„Sicher", schnarrte Burdick sarkastisch im Kontrollraum. „Sicher. Wir werden veranlassen, daß der Absturz sofort stattfindet. Alles für die Presse!"

„Sei nicht so, Harr/', drängte Howard. „Die Jungens tun auch bloß ihre Arbeit."

Burdick ließ den Hörer sinken und sagte zum Kontrolleur, der mit Treleaven vor dem Funkgerät stand: „Mr. Grimsell, die Dinge werden für Cliff brenzlig. Ich möchte nicht von hier weggehen. Glauben Sie, Stan kann sich einen Moment Zeit nehmen und mit den Presseleuten reden?"

„Ich glaube ja", sagte der Kontrolleur. Er schaute zu seinem Assistenten hinüber. „Wie steht's? Es dürfte besser sein, die Burschen im Zaum zu halten. Sie könnten das schnell machen. "

„Sicher, Sir. Ich gehe schon."

„Keinen Punkt zurückhalten", wies Burdick an. „Erzählen Sie ruhig alles. Mit Ausnahme dieses..." Er nickte zum Funkgerät hinüber.

„Verstehe. Überlassen Sie das nur mir." Der Assistent verließ den Raum. „Der Assistent des Kontrolleurs kommt runter, Cliff."

Burdick legte den Hörer auf. Er wandte sich in seiner ganzen Breite den beiden Männern am Funkgerät zu. Er wischte sich mit einem zerknitterten Taschentuch über das Gesicht. „Bekommt ihr was herein?" fragte er mit gepreßter Stimme.

Treleaven schüttelte den Kopf. Er drehte sich nicht um. Sein Gesicht war grau und müde. „Nein", sagte er dumpf, „sie sind weg."

Der Kontrolleur wandte sich an einen anderen Mann: „Geben Sie an Calgary und Seattle ein dringendes Fernschreiben durch. Suchen Sie zu erfahren, ob man dort 714 noch empfangen kann. "

„714 - 714. Vancouver Control an 714. Bitte kommen, 714!" rief der Mann am Funkgerät ununterbrochen ins Mikrophon.

Treleaven stützte sich auf den Tisch. Die Pfeife, die er in der Hand hielt, war erloschen. „Nun", sagte er müde, „das dürfte das Ende der Geschichte sein."

„714 - 714. Hören Sie mich? Bitte kommen, bitte kommen! "

„Viel kann ich jetzt nicht mehr vertragen", sagte Burdick. „Hier, Jonny", wandte er sich an einen der Angestellten, „holen Sie mir noch Kaffee - schwarz und stark."

„Ruhe!" rief der Radio-Operateur. „Haben Sie was?" fragte der Kontrolleur hastig. „Ich weiß nicht. Eben dachte ich.." Er beugte sich dicht über den Apparat und drehte minutenlang an der Feineinstellung. „Hallo - 714, 714 - hier ist Vancouver!" Er rief über die Schulter: „Ich höre etwas. Das können sie sein. Ich bin nicht sicher. Wenn sie's sind, dann sind sie von der Frequenz runter."

„Wir müssen es riskieren", sagte Treleaven. „Sagen Sie ihnen, sie sollen die Frequenz wechseln."

„Flug 714", rief der Operateur, „hier ist Vancouver, hier ist Vancouver. Wechseln Sie Ihre Frequenz auf 128,3. Verstehen Sie? Frequenz 128,3!"

Treleaven wandte sich an den Kontrolleur. „Verlangen Sie bei der Air Force noch einen Radar-Check", schlug er vor. „Sie müßten jetzt bald auf unserem Schirm sein."

„714. Wechseln Sie auf Frequenz 128,3. Bitte kommen!" wiederholte der Funker.

Burdick setzte sich schwer auf die Tischkante. „Das kann nicht sein, das kann nicht sein...", protestierte er mit gebrochener Stimme. „Wenn wir sie verloren haben, dann sind sie erledigt - jeder einzelne von ihnen ist erledigt... "

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