02 Uhr 45 - 03 Uhr 00

Der Schock, den die Worte des Arztes in Janet hervorgerufen hatten, drang wie durch einen schmerzstillenden Tampon in sie ein. Sie begriff, daß es an der Zeit war, sich auf den Tod vorzubereiten. Bis zu diesem Augenblick hatte sich ein Teil ihres Bewußtseins beharrlich geweigert zu erfassen, was vorging. Während sie damit beschäftigt gewesen war, die Passagiere zu versorgen und die Kranken zu pflegen, hatte sie geglaubt, daß es ein böser Traum sei, der auf ihr lastete, jene Art Traum, in dem eine alltägliche Szene sich plötzlich in ein entsetzliches Geschehen verwandelt, und zwar durch irgendeinen völlig unerwarteten, aber an sich folgerichtigen Zufall. Eine innere Stimme sagte ihr: gleich wachst du auf, gleich findest du die Bettdecke auf dem Boden, der Wecker wird rasseln, und du mußt aufstehen, um zum Start bereit zu sein... Dann war der Gedanke an einen Traum plötzlich wie weggewischt, und sie wußte, daß alles tatsächlich geschehen war. Daß es ihr geschehen war, Janet Benson, der netten, einundzwanzigjährigen Blondine, der die Flugzeugbesatzungen mit bewundernden Blicken nachsahen, wenn sie vorüberschritt. Ihre Furcht verließ sie für einen Augenblick. Sie dachte an ihre Familie und daran, wie es möglich war, daß ihr, Janets, Leben innerhalb weniger Sekunden inmitten von aufkreischendem Metall verlöschen würde, ohne daß jene, die sie zur Welt gebracht hatten, auch nur das geringste fühlten, weil sie viele tausend Meilen entfernt friedlich schliefen... „Ich habe verstanden, Doktor", sagte sie ruhig. „Kennen Sie jemanden an Bord, der etwas vom Fliegen versteht?"

Sie sah die Passagierliste durch und wiederholte die ihr nun schon bekannten Namen. „Es ist niemand von unserer Luftlinie dabei", sagte sie. „Vielleicht zufällig jemand von einer anderen. Ich glaube, ich frage am besten herum."

„Ja", sagte Baird langsam. „Aber was immer Sie tun erschrecken Sie die Passagiere nicht. Denken Sie daran, daß eine Panik entstehen könnte, wenn einige der Leute wissen, daß der Erste Offizier krank ist. Sagen Sie nur, der Captain hätte gefragt, ob sich jemand mit fliegerischer Erfahrung hier befände, der ihm am Funkgerät helfen könnte."

„In Ordnung, Doktor", sagte Janet. Da Baird offensichtlich noch etwas sagen wollte, zögerte sie.

„Miß Benson - wie ist Ihr Vorname?" fragte er. „Janet", sagte sie überrascht.

Er nickte. „Janet - ich habe vorhin ein paar Bemerkungen über Ihre Ausbildung gemacht. Es war ungerecht und ist unverzeihlich. Der Kommentar eines dummen alten Mannes, der selbst etwas mehr Erfahrung nötig hätte. Ich wäre froh, wenn ich meine Worte zurücknehmen könnte."

Als sie lächelte, kehrte ein wenig Farbe in ihre Wangen zurück. „Ich hatte es schon vergessen", sagte sie. Dann ging sie auf die Tür zu. Sie war begierig, mit ihrer Frage zu beginnen, um so schnell wie möglich zu erfahren, ob das Schlimmste eintreten würde... Auf Bairds Gesicht zeichnete sich starke Konzentration ab, als wolle er in seinem Gedächtnis etwas aufspüren, was sich ihm entzog. Finster blickte er auf die an der Kabinenwand angebrachten Instruktionen für den Notfall - ohne sie zu sehen. „Warten Sie", sagte er.

„Ja?" Sie hielt inne, die Hand auf der Türklinke. Er schnippte mit den Fingern und wandte sich ihr zu: „Ich hab's. Ich weiß jemanden. Er hat mit mir über Flugzeuge gesprochen. Dieser junge Bursche, der neben mir saß, der in Winnipeg im letzten Moment zugestiegen ist."

„Mr. Spencer?"

„Ja. George Spencer. Ich dachte nicht mehr daran, aber ich glaube, er scheint etwas von der Fliegerei zu verstehen. Bringen Sie ihn her. Sagen Sie ihm nur das, was ich gerade erwähnte.

Wir wollen vermeiden, daß die übrigen Passagiere die Wahrheit erfahren. Aber fragen Sie die anderen trotzdem - vielleicht findet sich außer ihm jemand."

„Er hat mir gerade seine Hilfe angeboten", sagte Janet. „Er ist von der Vergiftung verschont geblieben."

„Stimmt", sagte Baird. „Ich erinnere mich - wir aßen beide Fleisch. - Holen Sie ihn, Janet." Nervös ging er in der engen Kabine hin und her, als sie die Tür hinter sich geschlossen hatte. Dann kniete er nieder und fühlte den Puls des Captain, der schlaff und bewußtlos neben dem Ersten Offizier lag. Als sich die Kabinentür öffnete, sprang er auf die Füße und versperrte mit seinem Körper die Sicht. Spencer stand in der halboffenen Tür und blickte ihn verwirrt an. „Hallo, Doktor", grüßte er, „was ist mit dem Funkgerät?"

„Sind Sie Pilot?" stieß Baird hervor, der sich nicht von der Stelle bewegte.

„Das ist lange her. Im Krieg. Heute würde ich vom Funkverkehr nichts mehr verstehen. Aber wenn der Captain meint, ich könnte... "

„Kommen Sie herein", sagte Baird. Er trat zur Seite und schloß hinter dem jungen Mann sofort die Tür. Spencers Kopf wandte sich nach den beiden leeren Pilotensitzen und den sich selbständig bewegenden Steuern. Dann sah er die beiden Männer, die unter ihren Decken auf dem Fußboden lagen. „Nein!" keuchte er. „Doch nicht beide...?"

„Doch", sagte Baird kurz, „beide." Spencer traute seinen Augen nicht. „Aber... du lieber Himmel, Mann...", stotterte er. „Wann ist es geschehen?"

„Der Captain ging vor ein paar Minuten zu Boden", sagte der Arzt. „Beide haben Fisch gegessen." Spencer streckte eine Hand aus. Er mußte sich stützen und lehnte sich an einen KabelAbzweigkasten an der Kabinenwand.

„Hören Sie", sagte Baird eindringlich, „können Sie diese Maschine fliegen und landen? "

„Nein!" Der Schreck verschlug Spencer die Stimme. Dann: „Absolut nicht! Überhaupt nicht!"

„Aber Sie sagten doch gerade, daß Sie im Krieg geflogen sind", wandte Baird ein.

„Das ist zehn Jahre her. Seitdem habe ich kein Flugzeug berührt. Und ich flog auf Jagdflugzeugen, kleinen Spitfires, die etwa ein Achtel der Größe dieses Schiffes haben und auch nur einen Motor. Dieses hier hat vier! Die Flugeigenschaften sind grundverschieden!" Spencers Finger, die leicht zitterten, durchsuchten nervös die Jacke nach Zigaretten. Er fand eine Packung und schüttelte eine heraus. Baird sah ihm zu, als er sie anzündete.

„Sie könnten es versuchen", drängte er. Spencer schüttelte ärgerlich den Kopf. „Ich sage Ihnen, diese Idee ist verrückt!" schnauzte er. „Sie wissen nicht, was es bedeutet. Ich wäre momentan nicht fähig, eine Spitfire zu fliegen, ganz zu schweigen..." Mit der Zigarette wies er auf das verwirrende Instrumentenbrett. „Ich glaube, Fliegen gehört zu den Dingen, die man nicht verlernt", sagte Baird, der nun ganz nahe an ihn herangetreten war.

„Es ist eine völlig andere Art von Fliegerei. Es ist... es ist, als ob jemand, der vorher nur leichte Sportwagen auf offenen Landstraßen fuhr, einen sechzehnrädrigen Lastwagen in dichtem Verkehr steuern soll!"

„Immerhin ist es doch Fahren", beharrte Baird. Spencer antwortete nicht. Er sog tief an seiner Zigarette.

Baird zuckte die Achseln und wandte sich ab. „Schön", sagte er. „Hoffen wir, daß es hier noch jemanden gibt, der so ein Ding fliegen kann - nachdem keiner dieser beiden hier dazu in der Lage ist." Er blickte auf die beiden Piloten hinunter.

Die Kabinentür öffnete sich. Janet trat ein. Sie lächelte erst Spencer, dann den Doktor an. Ihre Stimme war ganz flach, als sie sagte: „Es ist niemand sonst da, der..."

„Da haben wir's", sagte der Arzt.

Er wartete darauf, daß Spencer sprechen würde - aber der jüngere Mann starrte auf die Reihen erleuchteter Zeiger und Schalter.

„Mister Spencer", sagte Baird, die Worte genau abwägend, „ich verstehe nichts vorn Fliegen. Ich weiß nur Folgendes: Hier, in diesem Flugzeug, befinden sich einige Menschen, die - wenn sie nicht bald in ein Krankenhaus kommen - in einigen Stunden sterben. Von all denen, die körperlich noch bei Kräften sind, sind Sie der einzige, der fähig ist, dieses Flugzeug zu fliegen. Sie sind der einzige", wiederholte er, „der dazu imstande ist." Er schwieg einen Augenblick. „Was schlagen Sie vor, Mr. Spencer?" Spencer schaute das Mädchen an, dann den Arzt. „Sind Sie ganz sicher", fragte er gedehnt, „daß es keine Möglichkeit gibt, einen der Piloten rechtzeitig zu sich zu bringen?"

„Ich fürchte, nein. Selbst wenn ich die beiden schnell ins Krankenhaus bringen kann, bin ich nicht sicher, ob ihr Leben noch zu retten ist."

Der junge Lastwagenverkäufer stieß eine Lunge voll Rauch von sich. Dann trat er den Rest seiner Zigarette unter dem Absatz aus.

„Es scheint, als hätte ich keine andere Wahl, was?" sagte er.

„Richtig. Nehmen Sie an, Sie täten jetzt nichts. Was würde geschehen, wenn das Benzin ausginge - und wir womöglich schon über das Ziel hinaus und halb über dem Pazifik wären...?"

„Machen Sie keine Scherze. Es gibt wohl doch noch eine andere Möglichkeit."

Spencer trat an die Steuer und blickte aus dem Fenster, über den weißen Wolkensee hinweg, der unter ihnen im Mondlicht schimmerte.

„Gut", fuhr er fort, „ich bin besiegt. Doktor - Sie haben einen neuen Chauffeur gefunden..." Er schlüpfte auf den linken Pilotensitz und sah über die Schulter hinweg auf die beiden, die hinter ihm standen: „Wenn Sie einen guten Pfarrer wissen, Doktor, dann orientieren Sie ihn am besten gleich, daß es bald Arbeit für ihn gibt... "

Baird trat zu Spencer und legte ihm die Hand auf die Schulter. „Guter Junge...", sagte er warm. „Was werden Sie den Leuten sagen?" fragte Spencer, während seine Augen über die vielen Instrumente wanderten. Er marterte sein Gedächtnis, um sich Einzelheiten aus dem Flugunterricht zurückzurufen, der ihm jetzt in einer fernen Vergangenheit zu liegen schien. „Momentan gar nichts", sagte der Doktor. „Sehr weise", sagte Spencer trocken.

Er studierte die Anordnung der Instrumente, die ihm völlig verworren vorkam. „Lassen Sie mich diesen Schlamassel erst einmal anschauen. Die Flugüberwachungsinstrumente mußten immer genau vor dem Piloten sein. Das heißt, daß das mittlere Instrumentenbrett vermutlich nur für die Motoren da ist. Aha -da haben wir's schon: Höhe 20.000 Fuß. Horizontalflug. Kurs 290 Grad. Auf automatischen Piloten geschaltet - wofür wir Gott danken sollten. Geschwindigkeit 210 Knoten. Gashebel -Propeller - Trimmung - Gemisch - Fahrwerkkontrolle. Landeklappen? Irgendwo sollte dafür ein Anzeigegerät sein... Aha, da ist es. Gut - das ist das Wichtigste - hoffe ich. Wir würden für die Landung eine Kontrolliste brauchen. Aber das können wir auch über Funk erhalten."

„Können Sie's machen?"

„Keine Ahnung, Doktor. Ich weiß wirklich nicht. In meinem ganzen Leben habe ich noch keinen solchen Instrumentenwirrwarr gesehen. Wo sind wir eigentlich - und wohin fliegen wir?"

„Nach dem, was mir der Captain sagte, sind wir über den Rocky Mountains", erklärte Baird. „Er konnte nicht vom Kurs abgehen, weil überall Nebel war - deshalb fliegen wir geradeaus bis nach Vancouver." Spencer sah den Arzt mit schwachem Lächeln an. „Wo ist das Funkgerät?"

Janet deutete auf den Schaltkasten, der über Spencers Kopf hing. „Soviel ich weiß, haben sie immer dies Ding genommen, um mit den Bodenstationen zu sprechen", sagte sie. „Aber ich habe keine Ahnung, welchen Schalter man bedienen muß."

„Aha. Schauen wir's einmal an." Er hantierte an dem Kasten herum. „Dies sind die Frequenzwähler - wir lassen sie besser so, wie sie gerade stehen. Und was ist dies? - Der Sender..." Er schaltete einen Hebel um, eine kleine rote Lampe glühte auf. „Das war's. Eins zu Null für George... Jetzt sind wir also bereit fürs Geschäft..." Janet gab ihm den Kopfhörer mit dem daran befestigten Bogenmikrophon. „Sie drücken immer auf den Knopf am Steuerrad, wenn sie sprechen", sagte sie. Spencer rückte die Kopfhörer zurecht und sagte zu Baird: „Wissen Sie -was auch geschehen mag -, ich werde hier vorn ein zweites Paar Hände brauchen. Sie haben Ihre Patienten, nach denen Sie sehen müssen. Also wählen wir am besten diese Miß Kanada hier. Was meinen Sie?"

Baird nickte. „Ist mir recht. In Ordnung, Janet?"

„Ich denke schon - aber ich verstehe überhaupt nichts von all diesen Dingen." Hilflos glitten Janets Augen über die vielen Instrumente.

„Gut", sagte Spencer, „das macht also zwei, die keine Ahnung haben. Setzen Sie sich hin und machen Sie sich's bequem. Am besten schnallen Sie sich an. - Sie müssen doch die Piloten oft beobachtet haben. Es ist so viel neuer Kram dazugekommen seit meiner Fliegerzeit..." Janet ließ sich im rechten Pilotensitz nieder, ängstlich darauf bedacht, keines der Steuer zu berühren, die sich nach wie vor gespenstisch bewegten. Es klopfte an die Kabinentür.

„Das ist für mich", sagte Baird. „Ich muß gehen. Viel Glück!"

Er verließ rasch die Kabine.

Als Spencer mit der Stewardeß allein war, fragte er: „Okay?"

Sie nickte stumm, damit beschäftigt, einen Kopfhörer umzulegen.

„Sie heißen Janet, nicht wahr? Mein Name ist George." Spencers Ton wurde ernst. „Ich mache keinen Unsinn, Janet. Das wird eine höllische Angelegenheit!"

„Ich weiß."

„Schön. Probieren wir also, ob ich es fertig bringe, einen Notruf zu senden. Wie ist unsere Flugnummar?"

„ Siebenhundertvierzehn. "

„Okay. Jetzt geht's los!" Er drückte auf den Mikrophonknopf. „Mayday... mayday... mayday..." Er sagte es mit gleichmäßiger Stimme. Es war ein Signal, das er nie vergessen würde. Schon einmal, es war an einem düsteren Oktobernachmittag vor der französischen Küste gewesen, hatte er diesen Notruf ausgesandt, als das Leitwerk seiner Spitfire zerschossen worden war. Wie ein Paar besorgter alter Tanten hatten ihn zwei Hurricanes über den Kanal geleitet...

„Mayday... mayday... mayday...", wiederholte er. „Hier ist Flug 714 Maple Leaf Air Charter in Not. Melden Sie sich - bitte kommen. "

Spencer hielt den Atem an, denn sofort kam eine Stimme durch den Äther zu ihm:

„Hallo - 714! Hier ist Vancouver. Wir haben darauf gewartet, von Ihnen zu hören. - Vancouver an alle Flugzeuge: Diese Frequenz ist ab sofort für jeden sonstigen Verkehr gesperrt! -Sprechen Sie weiter, 714."

Fliegerischer Notruf, von dem Französischen m'aidez, helfen Sie mir, abgeleitet.

„Danke, Vancouver. 714. Wir sind in Not. Beide Piloten und verschiedene Passagiere... Wie viele Passagiere, Janet?"

„Vor ein paar Minuten waren es fünf. Inzwischen können es ein paar mehr sein."

„Ich korrigiere", sagte Spencer ins Mikrophon, „mindestens fünf Passagiere haben Fischvergiftung. Beide Piloten sind bewußtlos, und es steht ziemlich schlecht mit ihnen. Wir haben einen Arzt an Bord. Er sagt, keiner der Piloten wird mehr fähig sein, die Maschine zu fliegen. Wenn die beiden und die anderen Kranken nicht sofort ins Hospital kämen, wären sie wahrscheinlich nicht mehr zu retten. Haben Sie verstanden, Vancouver?"

Sofort krächzte die Stimme: „Weiter, 714. Ich höre Sie." Spencer holte tief Luft. „Nun kommen wir zum interessantesten Teil", sagte er. „Mein Name ist Spencer, George Spencer. Ich bin Passagier in dieser Maschine. Korrektur: ich war Passagier. Zur Zeit bin ich der Pilot. Um Sie zu orientieren: ich habe ungefähr tausend Flugstunden - alle auf einmotorigen Jägern. Aber ich habe seit ungefähr zehn Jahren kein Flugzeug mehr geflogen. Am besten wir's, Sie würden jemand an den Apparat rufen, der mir Instruktionen gibt, wie man dies Ding hier fliegen muß. Unsere Höhe ist 20.000 Fuß. Kurs 290 Grad, Geschwindigkeit 210 Knoten. Das war's. Nun liegt es bei Ihnen, Vancouver. - Bitte kommen... "

„Vancouver an 714. Bitte warten Sie." Spencer wischte sich den ausbrechenden Schweiß von der Stirn und grinste Janet an: „Wetten, daß es da unten in dem Taubenschlag einen Wirbel gibt?" Sie schüttelte, intensiv in die Hörer hineinlauschend, den Kopf. Es dauerte nur wenige Sekunden, bis sich der Äther wieder belebte. Die krächzende Stimme war gemessen und unpersönlich wie eh und je. „Vancouver an Flug 714. Bitte lassen Sie den Arzt an Bord prüfen, ob keine Möglichkeit besteht, wenigstens einen Piloten zu sich zu bringen. Es ist sehr wichtig. Wiederhole - es ist sehr wichtig! Bitten Sie ihn, alles Menschenmögliche zu tun, um einen der beiden wieder zu sich zu bringen - selbst wenn er damit die anderen kranken Passagiere im Stich lassen müßte. - Bitte kommen."

Spencer drückte auf den Sendeknopf: „Vancouver, hier ist Flug 714. Ich habe Ihre Meldung verstanden - aber es ist undurchführbar, fürchte ich. Der Doktor sagt, es besteht keine Aussicht, daß einer der Piloten wieder soweit zu sich kommt, daß er landen kann. Er sagt, die beiden seien jetzt in der Krise und würden sterben, wenn sie nicht bald in eine Klinik eingeliefert werden. - Bitte kommen."

Jetzt entstand eine kleine Pause. Dann: „Vancouver Control an 714. Ihre Meldung verstanden. Bitte warten Sie."

„Verstanden, Vancouver", bestätigte Spencer und ließ den Sendeknopf los.

„Jetzt können wir nichts anderes tun als warten", sagte er zu Janet, „während die da unten nachdenken, was sie machen sollen."

Nervös spielten seine Hände mit dem Steuer, sacht seinen Bewegungen folgend. Er versuchte, sich seine fliegerische Erfahrung in Erinnerung zu rufen, die ihm damals in seiner Einheit einen ganz guten Ruf eingebracht hatte. Dreimal war er mit zerschossener Maschine - und mit einem Gebet -heimgekommen. Als er sich diese Zeit wieder ins Gedächtnis rief, lächelte er unwillkürlich. Aber im nächsten Moment schon starrte er ernüchtert auf die Unzahl sich bewegender Zeiger, unbekannter Anzeigegeräte und Schalter. Er fühlte sich von eisiger Verzweiflung gepackt. Was hatte seine einfache Fliegerei damit zu tun? Ihm war, als säße er in einem U-Boot, umgeben von ungezählten Anzeigegeräten und Instrumenten -wie in einem Zukunftsroman. Eine falsche oder ungenaue Bewegung konnte das Flugzeug innerhalb von einer Sekunde aus dem Gleichgewicht bringen. Wer konnte ihm - wenn das einträte - sagen, wie er die Maschine wieder in die Hand bekäme? Alles sprach dafür, daß er es nicht könnte... Diesmal waren auch keine Hurricanes in der Nähe, die ihn nach Hause begleiteten.

Spencer verfluchte das Hauptbüro, das ihn in diesen Schlamassel hineingetrieben hatte. Die Aussicht auf den Posten des Verkaufsdirektors und auf ein Haus an den Parkway Hights erschien ihm jetzt absurd und gänzlich unwichtig. Sollte es so ein Ende nehmen? Er könnte Mary nicht mehr sehen. Er könnte ihr auch nicht mehr die vielen unausgesprochenen Dinge sagen... Dasselbe galt für Bobsie und Kit. Die Lebensversicherung würde nicht weit reichen. Er hätte mehr für die armen Kinder tun sollen - für die besten Kinder der Welt... Eine Bewegung an seiner Seite unterbrach ihn in seinen Gedanken. Janet kniete auf dem Sitz und schaute nach hinten, wo Captain und Copilot still auf dem Boden lagen.

„Ist einer davon Ihr Freund?" fragte er. „Nein", sagte Janet zögernd, „eigentlich nicht... "

„Reden wir nicht davon", sagte Spencer mit einem Würgen in der Stimme. „Ich versteh' schon. Tut mir leid, Janet." Er steckte sich eine Zigarette zwischen die Lippen und suchte nach Streichhölzern. „Ich glaube, das Rauchen ist hier verboten - aber vielleicht sieht die Luftlinie gütigerweise einmal drüber hinweg." Im schwachen Schein des Streichholzes sah Janet in seinen Augen Ärger aufglimmen...

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