03 Uhr 25 - 04 Uhr 20

Spencer warf unwillkürlich einen Blick zu dem Mädchen hinüber, das neben ihm saß. Ihre Augen waren im grünlichen Licht der Instrumente auf sein Gesicht gerichtet. Er blickte wieder geradeaus und horchte angespannt.

Treleaven sagte eben: „Wieviel Flugstunden hatten Sie beispielsweise? Die Meldung hier besagt, daß Sie einmotorige Jagdflugzeuge geflogen haben. Wie steht es mit mehrmotorigen Maschinen? Lassen Sie von sich hören. George... "

Spencers Mund war so trocken, daß er kaum sprechen konnte. Er räusperte sich.

„Hallo Vancouver. Hier 714. - Ich bin froh, daß Sie da sind, Captain. Aber wir wollen uns nichts vormachen. Ich glaube, wir beide kennen die Situation. Meine ganze fliegerische Erfahrung beschränkt sich auf einmotorige Flugzeuge. Spitfires und Mustangs. Ich habe alles in allem rund tausend Flugstunden. Aber das ist neun oder zehn Jahre her. Seitdem habe ich keinen Steuerknüppel mehr in der Hand gehabt. Können Sie alles verstehen? Bitte kommen."

„Machen Sie sich deshalb keine Gedanken, George. Es ist wie mit dem Radfahren. Man verlernt es nie! Bleiben Sie auf Empfang, ja?"

Treleaven drückte auf den Unterbrecherknopf am Mikrophongriff, den er in der Hand hielt, und schaute auf ein Blatt Papier, das ihm der Kontrolleur hinreichte.

„Versuchen Sie, ihn auf diesen Kurs zu bringen", sagte der Kontrolleur. „Die Air Force hat eben einen Radar-Chef geschickt." Er machte eine Pause. „Seine Stimme klang ziemlich bedrückt, nicht wahr?"

„Ja. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken." Treleaven zog eine Grimasse. „Wir müssen ihm Vertrauen einflößen", sagte er.

„Ohne das ist alles umsonst. Er darf unter keinen Umständen die Nerven verlieren. Lassen Sie das sein, bitte", sagte er zum Assistenten des Kontrolleurs, der eben ein Telefongespräch führte. „Wenn der Junge mich nicht klar versteht, wird er im Handumdrehen in Schwierigkeiten geraten, und dann können wir ihm nicht mehr helfen." Dann zum Funker: „Passen Sie auf, daß Sie die Verbindung nicht verlieren." Er ließ den Unterbrecherknopf am Mikrophon los.

„714", sagte er, „hier ist Treleaven. Sie fliegen immer noch mit Autopilot, nicht wahr?"

„Ja, Captain", kam die Antwort.

„Okay, George. Gleich können Sie den Autopiloten ausschalten und sich wieder an die Steuer gewöhnen. Wenn Sie sich damit vertraut gemacht haben, werden Sie Ihren Kurs ein wenig ändern. Hören Sie gut zu, bevor Sie die Steuer berühren. Wenn Sie das Flugzeug übernehmen, werden die Steuer im Vergleich zu denen eines Jagdflugzeugs schwer und träge sein. Lassen Sie sich dadurch nicht aus der Ruhe bringen. Es ist absolut normal. Sie haben ein solides Flugzeug da oben, also machen Sie es schön gleichmäßig. Beachten Sie immer die Geschwindigkeit, während Sie fliegen, und passen Sie auf, daß Sie nicht unter 120 Knoten kommen, solange die Räder und die Landeklappen eingezogen sind, sonst sacken Sie durch Ich wiederhole: Überzeugen Sie sich ständig, daß Ihre Geschwindigkeit nicht unter 120 Knoten fällt! Nun noch etwas anderes. Haben Sie jemanden, der das Funkgerät bedienen kann und dafür sorgt, daß Sie die Hände frei haben?"

„Ja, Vancouver. Die Stewardeß ist hier bei mir und wird das Gerät übernehmen. Jetzt sind Sie dran, Janet!"

„Hallo - Vancouver. Hier spricht die Stewardeß, Janet Benson. Bitte kommen. "

„Sie sind's also, Janet", sagte Treleaven. „Ich habe Ihre Stimme sofort erkannt. Sie werden für mich mit George sprechen, ja? Gut. Also, Janet, ich möchte, daß Sie auf den Geschwindigkeitsmesser achten. Denken Sie daran, daß ein Flugzeug nur mit einer bestimmten Geschwindigkeit in der Luft bleiben kann. Wenn die Geschwindigkeit zu gering wird, ist das Flugzeug ,überzogen', und die Luftströmung an den Tragflächen reißt ab. Wenn der Geschwindigkeitsmesser in die Nähe von 120 kommt, dann sagen Sie es George sofort. Klar, Janet?"

„Ja, Captain. Ich verstehe."

„Zurück zu Ihnen, George. Machen Sie alle Bewegungen mit dem Steuer langsam und sanft. Ich möchte, daß Sie den Autopiloten jetzt ausschalten. Er ist an der Steuersäule leicht zu finden. Übernehmen Sie das Flugzeug jetzt selbst. Halten Sie es gerade und waagerecht. George, Sie überwachen den Neigungsmesser am Instrumentenbrett. Janet, Sie überwachen die Geschwindigkeit. 120 Knoten - denken Sie daran. Bleiben Sie darüber! Allright. Fangt jetzt an."

Spencer tastete mit der rechten Hand hinunter und griff nach der Vorrichtung, die dazu diente, den Autopiloten auszuschalten. Sein Gesicht war starr. Er machte sich bereit, die Füße auf den Steuerpedalen und die linke Hand auf der sich sanft bewegenden Steuersäule. „Sagen Sie ihm, ich schalte jetzt um", sagte er zu Janet. Sie wiederholte die Meldung. Für einen Moment verhielt seine Hand am Hebel. Dann, kurz entschlossen, drehte er ihn herum.

Das Flugzeug schwang ein wenig nach links, aber er korrigierte es vorsichtig. Es gehorchte dem Druck des Fußes auf das Seitensteuer. Die von der Steuersäule auf seine Hände übergehende Vibration schien wie elektrischer Strom durch seinen Körper zu fließen. „Sagen Sie ihm: okay!" sagte er, tief atmend. Seine Nerven waren wie Drähte gespannt.

„714 hier. Wir fliegen gerade und waagerecht." Janets Stimme klang erstaunlich charmant und ruhig. „Gut gemacht, George. Sobald Sie das Gefühl für die Maschine haben, versuchen Sie ein paar ganz sanfte Kurven - nicht mehr als zwei oder drei Grad. Können Sie den Wendezeiger sehen? Er ist direkt vor Ihren Augen, ein klein wenig rechts, neben dem Abblend-Lichtschild. Bitte kommen."

Treleaven kniff die Augen zusammen, um sich im Geist die Anordnung der Instrumente im Flugzeug vorzustellen. Dann öffnete er sie wieder und sagte zu einem der Männer im Kontrollraum: „Hören Sie, ich habe mit diesem Mann dort oben eine Menge Arbeit. Aber solange wir noch Zeit haben, müssen wir daran denken, den Anflug und die Landung vorzubereiten. Holen Sie mir den Radar-Chef herauf."

Spencer drückte mit dem linken Fuß vorsichtig auf das Seitensteuer und drehte leicht an der Steuersäule. Diesmal schien es eine Ewigkeit zu dauern, bis das Flugzeug gehorchte und er am Wendezeiger einen schwachen Ausschlag der Nadel sah. Befriedigt versuchte er es nach der anderen Richtung -diesmal aber war die Reaktion alarmierend. Er warf einen Blick auf den Geschwindigkeitsmesser und sah erschrocken, daß dieser auf 180 Knoten gefallen war. Schnell korrigierte er die Drehung und atmete auf, als die Geschwindigkeit langsam auf 210 stieg. Er würde die Steuer äußerst vorsichtig handhaben müssen, bis er die Verzögerung kannte. Wieder drückte er gegen das Steuer, das durch sein Gewicht Widerstand bot. Allmählich folgte die Maschine. Diesmal beschleunigte er die Geschwindigkeit, bevor er in die Gegenrichtung drehte.

Janet hatte die Augen für einen Augenblick vom Instrumentenbrett gehoben, um mit dünner Stimme zu fragen: „Wie geht es?"

Spencer versuchte zu grinsen - aber es gelang ihm nicht. Er kam sich vor wie seinerzeit im Linktrainer - nur daß damals nicht sechzig Menschenleben von ihm abhingen und daß damals der Instrukteur wenige Schritte entfernt von ihm im gleichen

* Trainings-Apparatur für Blindflugschulung am Boden.

Raum saß. „Sagen Sie ihm, ich bin beim Üben und fliege vorsichtig Kurven. Ich drehe jedesmal auf Kurs zurück." Janet gab es durch.

„Ich hätte Sie das vorher fragen sollen", hörten Janet und George aus ihren Kopfhörern, „wie ist eigentlich das Wetter bei euch da oben? , „Im Augenblick ist es klar", antwortete Janet. „Unter uns natürlich nicht."

„Aha. Halten Sie mich bitte auf dem laufenden. - George, wir müssen uns beeilen. Sie können jetzt jederzeit durch Wolken mit etwas Turbulenz kommen. Wenn das geschieht, möchte ich Sie darauf vorbereitet wissen. Wie kommen Sie mit dem Vogel zurecht?" Spencer schaute zu Janet hinüber. „Sagen Sie ihm: verdammt träge - wie ein nasser Schwamm..." Er quetschte es zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. „Hallo, Vancouver - träge wie ein nasser Schwamm", wiederholte Janet.

Für ein paar Sekunden hob sich im Vancouver-Kontrollraum die Stimmung, und die Gruppe, die rings um das Funkgerät herumstand, tauschte ein flüchtiges Lächeln aus.

„Das ist ein ganz natürliches Gefühl, George", sagte Treleaven wieder ernst, „weil Sie kleinere Flugzeuge gewöhnt waren. Sie werden das noch stärker empfinden, wenn Sie die Maschine ganz herumziehen müssen. Aber Sie werden sich schnell daran gewöhnen. " Jemand unterbrach ihn: „Ich habe den Radar-Chef hier."

„Muß warten", sagte Treleaven. „Ich werde mit ihm sprechen, sobald hier eine Pause eintritt."

„Okay."

„Hallo, George", rief Treleaven. „Sie müssen alle raschen Steuerbewegungen, wie Sie sie von Jagdflugzeugen her gewöhnt sind, vermeiden. Wenn Sie die Steuer zu schnell bewegen, werden Sie in Schwierigkeiten geraten. Ist das klar? Bitte kommen. "

„Ja, Vancouver, wir haben verstanden. Bitte kommen. "

„George, ich möchte, daß Sie jetzt die Wirkung von geringer und hoher Geschwindigkeit ausprobieren. Fangen Sie damit an, indem Sie die Gashebel so verstellen, daß Sie nur mit 160 fliegen. Dann fliegen Sie gerade und ausgeglichen. Aber passen Sie auf die Geschwindigkeit auf. Bleiben Sie über 120 Knoten! Die Ruder-Trimmung ist genau unter den Gashebeln am Steuersockel, und die Trimmung für die Querruder ist dicht darunter. Gefunden? Bitte kommen."

Spencer kontrollierte es mit einer Hand. Mit der anderen und den Füßen hielt er die Maschine gerade. „Sagen Sie ihm, ich nehme jetzt die Geschwindigkeit zurück, Janet."

„Okay, Vancouver. Wird gemacht." Es verging ein wenig Zeit - dann begann die Geschwindigkeit langsam zu fallen. Bei 160 Knoten glich George durch die Trimmung aus und gab Janet ein Zeichen. „714 hier. - Vancouver, der Geschwindigkeitsmesser zeigt 160."

Treleaven wartete, bis er sich aus seinem Rock herausgekämpft hatte. „Gut, George. Versuchen Sie jetzt ein bißchen zu steigen und zu sinken. Behandeln Sie die Steuersäule, als wenn sie mit Eiern gefüllt wäre, und beachten Sie die Geschwindigkeit. Halten Sie sie auf 160. Schauen Sie zu, daß Sie den Vogel ins Gefühl bekommen. - Bitte kommen." Er legte das Mikrophon aus der Hand. - „Wo ist der Radar-Chef?"

„Hier."

„Wie weit wird die Maschine entfernt sein, wenn sie auf Ihrem Radarschirm sichtbar wird?"

„Etwa 60 Meilen, Captain."

„Das dauert also noch eine gute Weile. Na schön", sagte Treleaven, teils zu sich selbst, teils zu Burdick. „Man kann eben nicht alles auf einmal haben. Beim nächsten Anruf werden wir seinen Kurs prüfen."

„Ja", sagte Burdick und offerierte dem Captain eine Zigarette, die er aber ablehnte.

„Wenn er die allgemeine Richtung eingehalten hat", fuhr Treleaven fort, indem er auf die Wandkarte schaute, „dann kann er nicht weit vom Kurs abgekommen sein, und wir können ihn wieder hereinbringen, sobald er in unseren Radarbereich kommt. Diese Air-Force-Kontrolle ist eine große Hilfe..."

„Kann er auf dem Funk-Leitstrahl hereinkommen?" fragte Burdick.

„Im Moment hat er andere Sorgen. Wenn ich versuchen würde, ihn auf den Leitstrahl zu lotsen, müßte er am Funkgerät herummurksen, die Frequenzen wechseln und weiß der Teufel was sonst noch alles. Ich riskiere es lieber, daß er ein paar Meilen vom Kurs abkommt. Wir machen es am besten so", sagte er dann zum Radar-Chef, „daß ich das Gespräch führe. An mich ist er jetzt gewöhnt."

„Einverstanden, Sir."

„Sobald er sich auf eurem Schirm zeigt, benachrichtigt ihr mich. Können Sie eine direkte Verbindung zwischen mir und dem Radar-Raum herstellen?"

„Das werden wir gleich veranlassen", sagte der Radar-Chef. Dann fuhr er fort: „Wie machen wir es mit dem Anflug zum Platz?"

„Sobald wir ihn auf dem Schirm haben und er genau Kurs hält, gehen wir in den Turm. Sie berichten mir dort hinauf, wir werden dann die Piste bestimmen, die er zur Landung benützen soll."

Treleaven nahm das Mikrophon zur Hand, wartete aber, da er einen Blick des Kontrolleurs bemerkte, der soeben das Telefon auf die Gabel zurücklegte. „Dr. Davidson ist unten", sagte der Kontrolleur zu ihm. „Was hat er zu berichten?"

„Auf Grund der Information, die wir erhalten haben, geht er mit der Diagnose des Arztes im Flugzeug einig. Er schien sich zuerst zu fragen, ob es nicht ein Ausbruch von Botulismus sein könnte."

„Was, um Himmels willen, ist denn das?"

„Anscheinend eine sehr ernste Art von Lebensmittelvergiftung. Sollen wir den Arzt ans Funkgerät holen?"

„Nein, Mr. Grimsell. Es ist jetzt wichtiger, dieses Flugzeug zu fliegen. Wir überlassen es denen dort oben, medizinische Ratschläge anzufordern, wenn sie welche brauchen. Wenn ich es irgend vermeiden kann, möchte ich nicht, daß Spencers Aufmerksamkeit abgelenkt wird. Davidson möchte sich bereit halten, für den Fall, daß er gebraucht wird."

Treleaven sprach ins Mikrophon: „Hallo, George Spencer. Vergessen Sie nicht die Verzögerung in den Steuern. Bleiben Sie vor allem ruhig. Verstehen Sie mich?" Es folgte eine Pause. Dann: „Er hat verstanden, Vancouver! Bitte kommen." Spencer glaubte, der Airline-Captain hätte seine Gedanken gelesen. Er hatte das Steuer langsam nach vorn gedrückt und dann wieder zurückgenommen, aber das Flugzeug sprach auf diese Bewegungen nicht an. Er versuchte es noch einmal und drückte das Steuer nach vorn. Die Nase des Flugzeuges begann sich ganz langsam zu senken. Dann - so plötzlich, daß er vor Schreck einen Moment fast erstarrte -, stürzte die Maschine nach unten.

Janet biß sich auf die Lippen, um einen Schrei zu unterdrücken. Die Nadel des Geschwindigkeitsmessers kletterte auf 180... 190... 200... 220... Spencer legte sein ganzes Gewicht auf das Steuer und kämpfte darum, das Flugzeug wieder in die normale Lage zu ziehen. Das Instrumentenbrett vor seinen Augen schien plötzlich zu leben. Der Zeiger des Variometers zitterte am Anschlag. Das kleine nachgebildete Flugzeug auf dem »künstlichen Horizont« hatte seinen linken Flügel gesenkt

* Anzeiger von Steig- und Sinkgeschwindigkeit und verharrte in dieser Stellung. Auf dem Zifferblatt des Höhenmessers drehte sich der 100-Fuß-Zeiger rückwärts. Die 1000-Fuß-Anzeige folgte ihm langsamer, aber noch immer erschreckend schnell, während die 10000-Fuß-Nadel bereits an ihrem tiefsten Punkt stand.

„Komm doch, du Wegschnecke, verdammt noch mal", schrie er, als die Nase des Flugzeuges endlich antwortete. Er überwachte die drei Höhenmesser-Nadeln, die nun, mit quälender Langsamkeit, wieder zu klettern begannen.

„Geschafft", sagte er erleichtert zu Janet, wobei er vergaß, daß er nun zu stark korrigiert hatte... „Passen Sie auf - passen Sie auf! Die Geschwindigkeit...", schrie Janet.

Sein Blick schnellte zum Fahrtmesser zurück, der jetzt rasch zu fallen begann: 160... 150... 140... Dann hatte er die Maschine wieder in der Hand. Das Flugzeug flog horizontal.

„Danke für Backobst", murmelte er, „das war ungemütlich!"

Janet prüfte noch immer den Geschwindigkeitsmesser. „Hundertsechzig. Jetzt ist es gut."

In diesem Augenblick öffnete sich hinter ihnen die Tür der Kabine, und Dr. Bairds Stimme rief: „Was ist passiert?"

Spencer, der seine Augen nicht vom Instrumentenbrett nahm, antwortete laut: „Entschuldigen Sie, Doktor. Ich versuche, mich an die Maschine zu gewöhnen."

„Gut. Aber behalten Sie Ihre Ruhe dabei. Hinten steht es schlimm genug. - Wie geht's?"

„Gut. Ganz gut, Doktor", sagte Spencer und befeuchtete seine Lippen mit der Zungenspitze. Die Tür schloß sich wieder. Treleavens Stimme kam durch den Äther.

„Hallo, George Spencer. Alles okay? Bitte kommen."

„Alles unter Kontrolle, Vancouver", antwortete Janet. „Gut. Wie ist Ihr gegenwärtiger Kurs, George?" Spencer spähte nach unten. „Sagen Sie ihm, der magnetische Kompaß zeigt immer noch ungefähr 290 Grad. und ich habe mich ziemlich daran gehalten." Janet gab es nach Vancouver durch. „Sehr gut, George. Versuchen Sie, diesen Kurs beizubehalten. Kann sein, daß Sie ein bißchen davon abgekommen sind, aber ich sage es Ihnen schon, wenn Sie korrigieren müssen. Jetzt möchte ich, daß Sie einmal fühlen, wie das Schiff auf langsamere Geschwindigkeit reagiert, wenn die Klappen und die Räder ausgefahren sind. Aber tun Sie nichts, bevor ich Ihnen die Instruktionen gegeben habe. Klar? Bitte kommen." Janet sah Spencers Nicken und bat Treleaven, fortzufahren.

„Hallo - 714. Vor allem, Gas langsam zurück. Nicht viel! Und halten Sie Ihre Geschwindigkeit gleichmäßig auf 160 Knoten. Berichtigen Sie die Trimmung, um im Horizontalflug zu bleiben. Sagen Sie mir, wann Sie bereit sind. Bitte kommen." Spencer richtete sich auf. „Überwachen Sie die Geschwindigkeit, Janet. Sie werden sie mir zurufen müssen, wenn wir landen - also können Sie es jetzt schon ein wenig üben."

„190", rief Janet. „Jetzt 200... 190... Er sagte aber 160, Mr. Spencer!"

„Ich weiß, ich weiß. Ich werde das Gas zurücknehmen." Er langte nach den Gashebeln. „Wieviel, Janet? Wie ist die Geschwindigkeit?"

„190 - 180 - 175 - 170 - 165 - 155 - 150... Das ist zu wenig!"

„Ich weiß." Seine Hand tätschelte die Gashebel. Beinahe liebkosend brachte er sie in die richtige Stellung, um die Geschwindigkeit zu erhalten, die er wünschte. Janets Augen waren auf die zitternde Nadel des Geschwindigkeitsmessers geheftet. „150 - 150 - 155 - 160... Jetzt bleibt sie auf 160." Spencer blies die Backen auf. „Puh! Wir haben es. Sagen Sie's ihm, Janet."

„Hallo, Vancouver. Unsere Geschwindigkeit ist gleichmäßig auf 160. Bitte kommen. "

Treleaven schien ungeduldig, als hätte er erwartet, daß sie schneller bereit wären. „Okay - 714. George, jetzt möchte ich, daß Sie die Klappen 15 Grad ausfahren. Aber vorsichtig! Nicht mehr als 15 Grad! Der Bedienungshebel dafür ist unten am Fuß der Steuersäule. Er ist deutlich markiert. 15 Grad bedeutet, daß Sie den Hebel bis zur zweiten Kerbe schieben müssen. Der Klappen-Anzeiger ist in der Mitte des Instrumenterbrettes. Ich meine des Haupt-Instrumentenbrettes! Haben Sie die beiden Sachen gefunden? Bitte kommen."

Spencer fand den Hebel. „Bestätigen Sie es", sagte er zu Janet. „Aber es wäre besser, Sie würden den Hebel bedienen."

Sie meldete Vancouver, daß sie bereit seien. Dann saß sie still, die Hand auf dem Hebel. „Hallo - 714. Wenn es soweit ist, drücken Sie den Hebel ganz herunter und überwachen die Anzeige. Wenn die Nadel 15 Grad anzeigt, nehmen Sie den Hebel zurück und lassen ihn in der zweiten Kerbe. Sie müssen aufpassen, die Klappen gehen sehr schnell nach unten. Alles klar?"

„Verstanden, Vancouver", bestätigte Janet. „Gut. Los jetzt!"

Sie war im Begriff, den Hebel herunterzudrücken, als sie plötzlich hochschreckte: „Die Geschwindigkeit! Sie ist auf 125 herunter!"

„Mein Gott!" Spencer drückte das Steuer vorwärts und brüllte: „Rauf damit! Rauf damit!" Das Taumeln des Flugzeuges hob ihre Mägen fast bis zum Hals. Janet beugte sich zum Instrumentenbrett vor und rief Spencer die Zahlen zu:

„135 - 140 - 150 - 160 - 170 - 175... Können Sie sie auf 160 zurückbringen?"

„Ich versuch's ja schon.."

Wieder zog er das Steuer und spielte es ein, bis die Nadel die erforderliche Geschwindigkeit anzeigte. Er strich sich hastig mit dem Ärmel über die Stirn, ohne die Hand vom Steuer zu nehmen. Er wollte es nicht riskieren, das Taschentuch herauszuholen. „Jetzt haben wir's. 160, nicht wahr?"

„Gott sei Dank." Spencer lehnte sich in den Sitz zurück. „Janet, jetzt müssen wir erst einen Moment verschnaufen.."

Er lächelte schwach. „Da können Sie sehen, was ich für ein Pilot bin. Ich hätte wissen sollen, was passiert."

„Nein", sagte Janet. „Es war meine Aufgabe, die Geschwindigkeit zu überwachen." Sie atmete tief, um ihr hämmerndes Herz zu beruhigen. „Ich glaube", fuhr sie fort, „Sie machen Ihre Sache prachtvoll." Ihre Stimme zitterte etwas.

Es entging Spencer nicht. Schnell und mit übertriebener Herzlichkeit sagte er: „Sie können nicht sagen, daß ich Sie nicht gewarnt hätte. Kommen Sie, Janet, wir wollen weitermachen."

„Hallo - George!" Treleavens Stimme kam unter Knacken aus dem Kopfhörer. „Haben Sie die Klappen jetzt unten?"

„Wir sind gerade dabei, sie auszufahren, Captain" sagte Janet.

„Warten Sie. Ich habe vergessen, Ihnen was zu sagen. Wenn die Klappen unten sind, werden Sie Geschwindigkeit verlieren. Gehen Sie danach auch wieder auf 140. Bitte kommen."

„Kreuzdonnerwetter...", brach Spencer aus. „Wirklich reizend von ihm. Was der nicht alles weiß."

„Es geht wahrscheinlich turbulent zu dort unten", sagte Janet, die sich die Szene auf dem Flugplatz recht gut vorstellen konnte.

„Wir danken Ihnen, Captain", sagte sie ins Mikrophon. „Wir fangen jetzt an. Bitte kommen." Auf ein Nicken von Spencer drückte sie den Hebel nach unten, so rasch es ging, während Spencer die Anzeige sorgsam überwachte. „Gut. Nun zurück in die zweite Kerbe." Aufmerksam beobachtete er die Geschwindigkeit, bis die Nadel ruhig auf 140 stehenblieb. „Sagen Sie es ihm, Janet."

„Hallo, Vancouver. Unsere Klappen stehen jetzt auf 15 Grad, und die Geschwindigkeit ist 140."

„714 - sind Sie immer noch im Horizontalflug?"

Spencer nickte ihr zu. „Sagen Sie ihm: ja, mehr oder weniger."

„Hallo - Vancouver. Mehr oder weniger."

„Okay, 714. Nun kommt das Herauslassen des Fahrgestells. Dabei werden Sie das Gefühl dafür bekommen, wie sich die Maschine bei der Landung verhält. Versuchen Sie, die Höhe konstant zu halten und die Geschwindigkeit auf 140 zu lassen. Wenn Sie bereit sind überzeugen Sie sich, daß Sie wirklich bereit sind! - lassen Sie das Fahrwerk heraus und gehen mit der Geschwindigkeit auf 120 zurück. Sie werden vielleicht die Gashebel etwas verschieben müssen, um das Tempo zu halten. Außerdem müssen Sie die Trimmung korrigieren. Ist das klar? Sagen Sie es mir, wenn Sie irgendeinen Zweifel haben. Bitte kommen. "

„Fragen Sie ihn", sagte Spencer, „wie das mit der Propellerverstellung und dem Gemisch ist?" Auf Janets Frage sagte Treleaven, seitlich zu Burdick gerichtet: „Auf jeden Fall denkt dieser Bursche. Das ist etwas wert."

„Lassen Sie das vorläufig noch", sagte er ins Mikrophon. „Konzentrieren Sie sich ganz auf gleichbleibende Geschwindigkeit, solange die Räder und Klappen ausgefahren sind. Später machen wir Ihnen einen kompletten CockpitCheck für die Landung. Bitte kommen."

„Melden Sie, ich hätte verstanden", sagte Spencer.

„Wir lassen jetzt das Fahrgestell raus."

Besorgt blickte er auf den Wählschalter zu seinen Füßen. Es schien ihm ratsamer, beide Hände am Steuer zu behalten. „Janet, ich glaube, es ist besser, wenn Sie den Fahrgestell-Hebel bedienen und mir die Geschwindigkeit zurufen, sobald die Räder draußen sind." Janet gehorchte.

Die Geschwindigkeit verringerte sich so plötzlich, als hätte

* Kontrolle aller Instrumente und Hebel Spencer auf Bremsen getreten. Es zerrte sie fast aus ihren Sitzen.

„130- 125- 120-115... Zu langsam!"

„Rufen Sie weiter aus!" „115 - 120 - 120... Gleichbleibend 120."

„Jetzt hab ich das Luder", keuchte Spencer. „Sie ist wie die Queen Mary."

Treleavens Stimme, der man leichte Nervosität anmerkte, kam wieder: „Alles okay, George? Das Fahrgestell sollte jetzt draußen sein? "

„Räder sind draußen, Vancouver."

„Jetzt müssen drei grüne Lichter aufleuchten. Sie zeigen Ihnen, daß die Räder gesichert sind. Außerdem ist auf der linken Seite des mittleren Instrumentenbretts ein Druckmesser, seine Nadel sollte im grünen Bereich stehen. Kontrollieren Sie das bitte!"

„Sind die Lichter an?" fragte Spencer. Janet schaute dann nickte sie. „Sagen Sie es ihm, Janet."

„Ja, Vancouver. Alles in Ordnung."

„Und sagen Sie auch, daß sie immer noch wie ein nasser Schwamm ist. Nur jetzt noch mehr!"

„Hallo - Vancouver. Der Pilot sagt, das Flugzeug sei immer noch wie ein nasser Schwamm. Nur jetzt noch mehr."

„Regen Sie sich deswegen nicht auf. Wir werden jetzt die Klappen voll ausfahren. Sie werden dann bald die Eigenheiten des Schiffs erfaßt haben. Nun passen Sie genau auf. - Lassen Sie die Klappen ganz heraus und gehen Sie mit der Geschwindigkeit bis auf 110 Knoten zurück. Trimmen Sie die Maschine, um sie auf dieser Geschwindigkeit zu halten. Ich werde Ihnen dann Anweisungen geben, während Sie Fahrwerk und Klappen wieder einfahren. Bitte kommen. "

„Sagten sie 110, Captain?" fragte Janet nervös. »110 ist richtig, Janet. Folgen Sie genau meinen Anweisungen, dann kann's nicht schiefgehen. Fertig - George?"

„Sagen Sie ihm: ja. Wir lassen jetzt die Klappen voll heraus."

Wieder drückte sie hart auf den Klappenhebel. Die Geschwindigkeit fiel zurück. „120- 115- 115- 110- 110..."

Spencers Stimme klang gepreßt vor Willensanstrengung. „In Ordnung, Janet! Sagen Sie's ihm. - Bei Gott - der Kasten ist ein Tonnengewicht. " „Hallo, Vancouver. Die Klappen sind ganz draußen. Die Geschwindigkeit ist 110. Mr. Spencer sagt, die Maschine ist schwerer denn je."

„Es geht wunderbar, George! Wir machen aus Ihnen jetzt einen Airline-Piloten. Nun helfe ich Ihnen, alles wieder einzufahren, und dann machen wir das ganze Manöver noch einmal. Mit gewissen Varianten bezüglich Propeller, Gemisch usw. - okay? Bitte kommen."

„Noch einmal", stöhnte Spencer. „Ich weiß nicht, ob ich das ein zweites Mal schaffe. - Fertig, Janet..."

„Okay, Vancouver. Wir sind bereit."

„714 - wir machen es jetzt umgekehrt. Bringen Sie die Klappen auf 15 Grad und die Geschwindigkeit auf 120 Knoten. Sie werden das Gas leicht zurücknehmen müssen, um die Geschwindigkeit zu halten. Fangen Sie an." Janet griff nach dem Klappenhebel und gab ihm einen kleinen Ruck. Er bewegte sich nicht. Sie bückte sich tiefer und versuchte es nochmals. „Was ist los?" fragte Spencer.

„Er klemmt. Ich kann ihn diesmal einfach nicht bewegen."

„Das dürfte eigentlich nicht sein. Ziehen Sie ganz gleichmäßig."

„Es muß an mir liegen. Ich kann ihn nicht bewegen. "

„Lassen Sie es mich machen! " Er nahm eine Hand vom Steuer und zog den Hebel mühelos zurück. „So - haben Sie gesehen? Man muß es im Handgelenk haben. Nun müssen Sie es nur noch in die zweite Kerbe... "

„Passen Sie auf! " schrie Janet. „Die Geschwindigkeit!" Die Nadel stand auf 90 und fiel gerade auf 75. Spencer stemmte sich gegen die plötzliche starke Neigung der Pilotenkabine. Er wußte, daß die Maschine durchsackte und zu trudeln begann... Behalte den Kopf klar, befahl er sich streng. Denke! Wenn sie trudelt, ist es aus. Nach welcher Seite dreht sie sich? Es muß nach links sein. Versuche dich zu erinnern, was du in der Fliegerschule gelernt hast. Steuer vorwärts und hartes Gegenruder! Steuer vorwärts!! Behalte es vorn. Wir gewinnen ja schon an Tempo. Gegenruder... Jetzt! Beachte die Instrumente. Sie können nicht richtig anzeigen. Ich kann die Drehung doch fühlen! Nein - ich muß den Instrumenten trauen. Paß auf. Jetzt mußt du den Vogel hochziehen. So geht's. Komm jetzt, alte Lady, komm...

„Die Berge!" schrie Janet. „Ich kann die Erde sehen.." Langsam hinauf, sagte sich Spencer. Langsam hinauf. Nicht zu schnell. Halte die Geschwindigkeit. Wir kommen heraus - wir kommen heraus! Vater im Himmel, wir kommen heraus...

„105-110-115...", sagte Janet würgend. „Es ist jetzt absolut schwarz. Wir müssen in Nebel oder etwas Ähnlichem sein."

„Ziehen Sie die Räder ein!"

„Die Berge! Wir müssen... "

„Ziehen Sie die Räder ein, sagte ich!!" Krachend flog die Tür zur Pilotenkabine auf. Von hinten waren Schreie und ärgerliche Stimmen zu hören. „Was machen Sie?" schrie eine Frau auf. „Da ist was nicht in Ordnung! Ich gehe schauen, was los ist. "

„Gehen Sie auf Ihren Platz zurück!" Das war Bairds Stimme.

„Lassen Sie mich durch!"

Die Silhouette eines Mannes füllte die Türöffnung. Er starrte in die Dunkelheit der Pilotenkabine. Er torkelte vorwärts, sich überall anklammernd, um sich aufrecht zu halten, und starrte plötzlich wie versteinert auf Spencers Hinterkopf und dann auf die beiden am Boden liegenden Männer. Sein Mund klappte tonlos auf und zu. Dann stürzte er zur offenen Tür zurück, klammerte sich an beiden Seiten fest und lehnte sich in die Passagierkabine hinaus. Seine Stimme war ein einziger Schrei:

„Er ist nicht der Pilot! Wir werden alle umkommen... Wir stürzen ab...!"

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