3

Im selben Augenblick war Poirot aus dem Wagen gesprungen, seine Augen blitzten vor Erregung. Er faßte den Mann an der Schulter.

»Was sagen Sie da? Ermordet? Wann? Und wie?«

Der Gendarm reckte sich auf.

»Ich kann keine Fragen beantworten, Monsieur.«

»Gut. Ich verstehe.« Poirot überlegte einen Augenblick.

»Der Polizeikommissar ist doch wohl im Hause?«

»Ja, Monsieur.«

Poirot nahm eine Visitenkarte und kritzelte einige Worte darauf.

»Voila! Wollen Sie die Güte haben, diese Karte sogleich dem Kommissar hineinzuschicken?«

Der Mann nahm sie, wandte den Kopf und pfiff. Wenige Sekunden später erschien einer seiner Kameraden, dem er Poirots Karte übergab. Nach kurzer Wartezeit sahen wir einen kleinen, beleibten Herrn mit mächtigem Schnurrbart auf das Gittertor zuhasten. Der Gendarm salutierte und trat zur Seite.

»Mein lieber Poirot«, begrüßte ihn der Kommissar. »Ich freue mich unendlich, Sie zu sehen. Sie kommen wie gerufen.«

Poirots Gesicht heiterte sich auf.

»Monsieur Bex! Welche Freude!«

Er wies auf mich. »Dies ist einer meiner englischen Freunde, Captain Hastings - Monsieur Lucien Bex.«

»Seit Ostende habe ich Sie nicht gesehen, alter Freund. Ich hörte, Sie hätten den Dienst verlassen?«

»Das stimmt. Ich habe mich in London selbständig gemacht.«

»Und Sie behaupten, Sie könnten uns nützliche Aufklärungen geben ... ?«

»Vielleicht wissen Sie schon davon. Ist Ihnen bekannt, daß ich hergerufen wurde?«

»Nein, von wem?«

»Von dem - Verstorbenen. Es scheint, er hat gewußt, daß sein Leben bedroht sei. Unglücklicherweise rief er mich zu spät.«

»Donnerwetter!« fauchte der Franzose. »So sah er seine Ermordung voraus? Das stößt alle unsere Vermutungen über den Haufen. Aber treten Sie ein.«

Er öffnete das Tor, und wir schritten auf das Haus zu. M. Bex sprach weiter: »Der Untersuchungsrichter, Monsieur Hautet, muß das sofort erfahren. Er beendete eben die Untersuchung des Tatortes und ist im Begriff, die Verhöre zu beginnen. Ein reizender Mensch. Er wird Ihnen gefallen. Und so sympathisch! Ein wenig eigenartig, aber ein ausgezeichneter Richter.«

»Wann wurde das Verbrechen verübt?«

»Der Leichnam wurde heute morgen gegen neun Uhr gefunden. Aus den Angaben Madame Renaulds und des Arztes geht hervor, daß der Tod ungefähr um drei Uhr früh eingetreten sein dürfte. Aber bitte, treten Sie ein.«

Wir hatten die Stufen erreicht, die zum Haupteingang der Villa emporführten. In der Halle saß noch ein Gendarm. Er erhob sich, als er den Kommissar sah.

»Wo ist Monsieur Hautet?« fragte Bex.

»Im Salon, Monsieur.«

M. Bex öffnete links in der Halle eine Tür, und wir traten ein. M. Hautet und sein Schreiber saßen an einem großen runden Tisch. Als wir kamen, blickten sie auf. Der Kommissar stellte uns vor und erklärte unsere Anwesenheit.

M. Hautet, der Untersuchungsrichter, war ein großer, hagerer Mann mit dunklen, stechenden Augen und einem korrekt gestutzten grauen Bart, den er während des Sprechens zu streichen pflegte. Neben dem Kamin stand ein älterer Herr mit leicht abfallenden Schultern, der uns als Dr. Durand vorgestellt wurde.

»Höchst sonderbar«, bemerkte M. Hautet, als der Kommissar seinen Bericht beendet hatte. »Haben Sie den Brief bei sich, Monsieur?«

Poirot reichte ihn dem Richter, der ihn durchlas. »Hm! Er spricht von einer ihm drohenden Gefahr. Wie schade, daß er sich nicht deutlicher ausdrückte. Wir sind Ihnen sehr verpflichtet, Monsieur Poirot. Ich hoffe. Sie erweisen uns die Ehre, uns bei unseren Nachforschungen zu unterstützen. Oder müssen Sie nach London zurück?«

»Herr Richter, ich bleibe hier. Wenn ich schon nicht rechtzeitig da sein konnte, um den Tod meines Klienten zu verhindern, so ist es mir Ehrensache, den Mörder ausfindig zu machen.«

Der Richter verbeugte sich.

»Ihr Standpunkt macht Ihnen Ehre. Madame Renauld wird ohne Zweifel Ihre Hilfe in Anspruch nehmen wollen. Wir erwarten übrigens Monsieur Giraud von der Sürete in Paris, und ich bin überzeugt, daß Sie einander bei den Nachforschungen gute Dienste leisten werden. Ich hoffe, Sie schenken mir indessen bei den Vernehmungen die Ehre Ihrer Anwesenheit, und ich brauche wohl nicht zu sagen, daß jede Hilfe, die Sie benötigen, zu Ihrer Verfügung steht.«

»Ich danke Ihnen, Monsieur. Sie verstehen aber wohl, daß ich vorläufig im dunklen tappe. Ich weiß gar nicht, was vorgefallen ist.«

M. Hautet nickte dem Kommissar zu, und dieser begann zu erzählen: »Als die alte Dienerin Francoise heute morgen an ihre Arbeit gehen wollte, fand sie den Haupteingang der Villa halb offen. Sie erschrak, da sie an Einbrecher dachte, und trat in das Speisezimmer. Als sie aber sah, daß das Silber unversehrt war, dachte sie nicht mehr daran, sondern mutmaßte, daß Monsieur Renauld zeitig aufgestanden sei, um einen kleinen Spaziergang zu machen.«

»Pardon, daß ich unterbreche, Monsieur, war das seine ständige Gewohnheit?«

»Nein, das war es nicht, aber die alte Francoise hat von den Engländern im allgemeinen die Meinung, daß sie toll seien und daß man ihnen jederzeit die unberechenbarsten Dinge zutrauen dürfe. Als Leonie, ein jüngeres Dienstmädchen, wie gewöhnlich ihre Herrin wecken wollte, fand sie diese zu ihrem Entsetzen geknebelt und gebunden in ihrem Bett, und fast gleichzeitig kam die Nachricht, daß Monsieur Renauld tot aufgefunden worden sei.«

»Wo?«

»Das ist eine der sonderbarsten Einzelheiten dieses Falles. Monsieur Poirot, die Leiche lag mit dem Gesicht nach unten - in einem offenen Grabe.«

»Was?«

»Ja, es war eine frischgeschaufelte Grube - nur wenige Meter außerhalb des Grundstückes.«

»Und wie lange dürfte er schon tot gewesen sein?«

Dies beantwortete Dr. Durand: »Ich untersuchte den Leichnam heute um zehn Uhr morgens. Der Tod muß wenigstens sieben, möglicherweise sogar zehn Stunden vorher erfolgt sein.«

»Hm! Also vermutlich zwischen Mitternacht und drei Uhr morgens?«

»Richtig, und nach Madame Renaulds Aussage dürfte die Tat sich erst nach zwei Uhr früh ereignet haben, was die Zeitgrenze noch enger zieht. Der Tod muß sofort erfolgt sein und selbstverständlich nicht durch eigene Hand.«

Poirot nickte, und der Kommissar fuhr fort: »Die entsetzte Dienerschaft befreite Madame Renauld eiligst von ihren Fesseln. Sie war in fürchterlicher Verfassung und beinahe bewußtlos vor Schmerzen, die durch die Fesseln verursacht worden waren. Angeblich hatten zwei maskierte Männer das Schlafzimmer betreten, sie gebunden und geknebelt und ihren Mann gewaltsam davon geschleppt. Dies erfuhren wir aus zweiter Hand, durch die Dienerschaft. Als Mme. Renauld vom Tode ihres Gatten hörte, brach sie völlig zusammen. Dr. Durand verschrieb ihr gleich nach seinem Eintreffen ein beruhigendes Schlafmittel, und so war es uns bis jetzt nicht möglich, sie zu vernehmen. Aber sie dürfte ruhiger erwachen und dann den Anstrengungen eines Verhörs gewachsen sein.«

Der Kommissar hielt inne.

»Und die Hausgenossen, Monsieur?«

»Da ist die alte Francoise, die Haushälterin, die schon elf Jahre bei den früheren Besitzern der Villa Genevieve bedienstet war. Dann noch zwei junge Mädchen, Schwestern, Denise und Leonie Oulard. Sie stammen aus Merlinville, von hochachtbaren Eltern. Ferner der Chauffeur, den Monsieur

Renauld aus England mitbrachte, der aber beurlaubt und verreist ist. Endlich noch Madame Renauld und ihr Sohn, Monsieur Jack Renauld. Aber auch er ist zur Zeit abwesend.«

Poirot nickte. Monsieur Hautet rief: »Marchaud!«

Der Gendarm trat ein.

»Holen Sie Francoise.«

Der Mann salutierte und verschwand. Kurz darauf kehrte er mit der erschreckten Francoise wieder.

»Sie heißen Francoise Arrielet?«

»Ja, Monsieur.«

»Dienen Sie schon lange in der Villa Genevieve?«

»Erst elf Jahre bei Madame la Vicomtesse. Dann, als sie in diesem Frühling die Villa verkaufte, willigte ich ein, bei dem englischen ,Milor' zu bleiben. Nie hätte ich mir vorgestellt -«

»Das wissen wir. Nun, Francoise, kommen wir zum Haupteingang; wer hatte ihn abends zu schließen?«

»Ich, Monsieur. Das war immer mein Amt.«

»Und gestern abend?«

»Schloß ich wie gewöhnlich ab.«

»Sind Sie dessen ganz gewiß?«

»Ich schwöre es bei allen Heiligen, Monsieur.«

»Wie spät mag es gewesen sein?«

»So spät wie immer, halb elf, Monsieur.«

»Und die übrigen Hausbewohner? Waren sie alle zu Bett gegangen?«

»Madame hatte sich kurz vorher zurückgezogen. Denise und Leonie gingen mit mir hinauf. Monsieur war noch in seinem Arbeitszimmer.«

»Also, wenn späterhin jemand die Tür öffnete, konnte es nur Monsieur Renauld selbst gewesen sein?«

Francoise zuckte ihre breiten Schultern.

»Wozu sollte er dies getan haben? Wo jeden Augenblick Räuber und Mörder vorbeikamen! Ein schöner Einfall! Monsieur war kein Dummkopf. Es sei denn, er habe die Dame hinauslassen wollen -«

Der Richter unterbrach sie scharf: »Die Dame? Welche Dame meinen Sie?«

»Nun, die Dame, die ihn besucht hatte.«

»Hatte er gestern abend Damenbesuch?«

»Aber ja, Monsieur - und an vielen anderen Abenden doch auch.«

»Wer war sie? Kennen Sie sie?«

Das Antlitz der Frau nahm einen schlauen Ausdruck an.

»Woher sollte ich wissen, wer sie war?« brummte sie. »Ich ließ sie gestern abend nicht herein.«

»Oh!« brüllte der Untersuchungsrichter. und schlug mit der Faust auf den Tisch. »Sie wollen sich wohl einen Scherz mit der Polizei erlauben! Ich verlange, daß Sie mir sofort den Namen der Dame nennen, die immer am Abend zu Monsieur Renauld kam.«

»Die Polizei - die Polizei«, brummte Francoise. »Ich hätte nie gedacht, daß ich es mal mit der Polizei zu tun bekommen könnte. Aber ich weiß genau, wer sie war! Madame Daubreuil.«

Dem Kommissar entfuhr ein Laut des Staunens und er beugte sich ungläubig vor.

»Madame Daubreuil - aus der Villa Marguerite, unten an der Straße?«

»So ist es, Monsieur. Oh, die hat es hinter den Ohren! Und die alte Frau warf entrüstet den Kopf zurück. »Madame Daubreuil«, flüsterte der Kommissar. »Unmöglich.«

»Da haben wir's!« brummte Francoise. »Das hat man davon, wenn man die Wahrheit sagt.«

»Durchaus nicht«, beschwichtigte der Untersuchungsrichter. »Wir sind nur erstaunt, das ist alles. Dann waren Madame Daubreuil und Monsieur Renauld -« taktvoll hielt er inne. »Wie? Das war es doch ohne Zweifel?«

»Woher sollte ich das wissen? Aber was wollen Sie, Monsieur? Er war ,Milor' anglais, - tres riche - und Madame Daubreuil ist arm - und tres chic - obwohl sie mit ihrer Tochter so zurückgezogen lebt. Kein Zweifel, sie hat eine Vergangenheit! Sie ist nicht mehr jung, aber ... Ich sage Ihnen, ich sah oft, wie die Männer ihr nachblickten, wenn sie die Straße herunterkam. Außerdem gab sie jetzt viel mehr Geld aus - das weiß die ganze Stadt. Ihre kleinen Ersparnisse waren zu Ende.« Und Francoise nickte heftig voll unerschütterlicher Überzeugung. M. Hautet strich sinnend seinen Bart.

»Und Madame Renauld?« fragte er schließlich. »Wie verhielt sie sich zu dieser - Freundschaft?«

Francoise zuckte mit den Achseln..

»Sie war immer sehr liebenswürdig, sehr höflich. Es sah so aus, als ob sie nichts ahnte. Aber trotzdem - nicht wahr? -blutet das Herz, Monsieur. Ich sah, wie sie täglich blasser und magerer wurde. Sie war nicht mehr die gleiche Frau, die einen Monat früher hier angekommen war. Auch Monsieur hatte sich verändert. Auch er hatte seine Sorgen. Das war deutlich zu sehen. Und wer könnte sich schließlich darüber wundern? Keine Diskretion, kein Takt. Englische Mode, zweifellos!«

Entrüstet fuhr ich von meinem Sessel auf, während der Untersuchungsrichter unbeirrt sein Verhör fortsetzte.

»Sie behaupten, daß Monsieur Renauld Madame Daubreuil nicht hinausließ? Sie war also schon fort?«

»Ja, Monsieur. Ich hörte sie aus dem Arbeitszimmer herauskommen und zur Tür gehen. Monsieur sagte ,Gute Nacht' und schloß hinter ihr die Tür.«

»Wie spät war es da?«

»Ungefähr fünfundzwanzig Minuten nach zehn, Monsieur.«

»Wissen Sie, wann Monsieur Renauld zu Bett ging?«

»Ich hörte, daß er zehn Minuten nach uns heraufkam. Die Treppen knarren so, daß man jeden hört, der hinauf oder hinab geht.«

»Und ist das alles? Hörten Sie die ganze Nacht kein störendes Geräusch mehr?«

»Nicht das geringste, Monsieur.«

»Welches der Mädchen kam heute zuerst herunter?«

»Ich, Monsieur. Ich sah sofort, daß die Tür nur angelehnt war.«

»Wie verhielt es sich mit den ebenerdigen Fenstern? Waren sie alle verschlossen?«

»Alle. Es war sonst nichts in Unordnung oder sonstwie verdächtig.«

»Gut, Francoise, Sie können gehen.«

Die alte Frau humpelte zur Tür. Auf der Schwelle blickte sie zurück.

»Ich will Ihnen etwas sagen, Monsieur. Diese Madame Daubreuil ist eine schlechte Person. O ja, eine Frau kennt die andere. Sie ist eine schlechte Person, vergessen Sie das nicht.«

Francoise schüttelte weise ihr Haupt und verließ den Raum.

»Leonie Oulard«, rief der Richter.

Leonie erschien in Tränen aufgelöst und bekam fast einen Weinkrampf.

M. Hautet behandelte sie sehr geschickt. Ihre Aussage betraf hauptsächlich die Auffindung ihrer geknebelten und gefesselten Herrin, und sie gab davon einen recht übertriebenen Bericht. Sie hatte ebenso wie Francoise des Nachts keinerlei Geräusch gehört.

Dann folgte Denise, ihre Schwester. Auch sie stellte fest, daß ihr Gebieter sich in der letzten Zeit sehr verändert hatte.

»Jeden Tag wurde er mürrischer. Er aß weniger. Er war immer so niedergeschlagen.« Aber Denise hatte darüber ihre eigene Ansicht. »Zweifellos war ihm die Maffia auf den Fersen. Zwei maskierte Männer - was konnte es sonst gewesen sein? Eine fürchterliche Bande!«

»Das ist natürlich möglich«, sagte der Untersuchungsrichter ruhig. »Und nun, Denise, haben Sie gestern abend Madame Daubreuil hereingelassen?«

»Gestern abend nicht, Monsieur, vorgestern.«

»Aber Francoise erzählte uns eben, daß Madame Daubreuil gestern abend dagewesen sei?«

»Nein, Monsieur. Es kam wohl gestern abend eine Dame zu Monsieur Renauld, doch es war nicht Madame Daubreuil.«

Überrascht forschte der Richter weiter, aber das Mädchen blieb fest. Vom Sehen kannte sie Madame Daubreuil genau. Diese Dame war zwar auch dunkelhaarig, aber kleiner und viel jünger. Nichts konnte ihre Behauptung erschüttern.

»Hatten Sie diese Dame jemals vorher gesehen?«

»Niemals, Monsieur.« Und dann fügte das Mädchen schüchtern hinzu: »Ich glaube, sie war Engländerin.«

»Engländerin?«

»Ja, Monsieur. Sie fragte in ganz gutem Französisch nach Monsieur Renauld, aber man erkennt den Akzent sofort, selbst wenn er kaum merklich ist. Außerdem sprachen sie englisch, als sie aus dem Arbeitszimmer kamen.«

»Hörten Sie, was sie sagten? Konnten Sie es verstehen, meine ich?«

»Ich spreche sehr gut Englisch«, sagte Denise stolz. »Die Dame sprach zu schnell, da konnte ich nichts von dem auffangen, was sie sagte, aber ich hörte Monsieurs letzte Worte, als er ihr die Tür aufschloß.« Sie hielt inne und wiederholte mühevoll: »Yes, yes - but for Heavens sake go now!«

»Ja, ja, aber gehen Sie jetzt, um Gottes willen!« wiederholte der Richter.

Er entließ Denise, dachte noch ein paar Sekunden nach und rief Francoise wieder herein. Er legte ihr die Frage vor, ob sie sich nicht geirrt haben könne, als sie den Abend von Madame Daubreuils letztem Besuch feststellte. Ganz unerwarteterweise blieb Francoise hartnäckig dabei, Madame Daubreuil sei am letzten Abend ins Haus gekommen. Ohne jeden Zweifel sei sie dagewesen. Denise wolle sich nur interessant machen, voila tout. Darum habe sie dies schöne Märchen von der fremden Dame ausgedacht. Vielleicht auch, um mit ihren englischen Kenntnissen zu prahlen! Wahrscheinlich habe Monsieur niemals diesen Satz in englischer Sprache gesagt, und selbst wenn er es getan hätte, beweise das nichts, da Madame Daubreuil ausgezeichnet Englisch spreche und sich im Verkehr mit Monsieur und Madame Renauld dieser Sprache meistens bedient habe. »Sehen Sie, Monsieur Jack, der Sohn von Monsieur, war gewöhnlich dabei, und er spricht sehr schlecht Französisch.«

Der Richter drang nicht weiter in sie. Statt dessen erkundigte er sich nach dem Chauffeur und erfuhr, daß Mr. Renauld erst gestern erklärt habe, daß er vermutlich den Wagen nicht benötigen werde und daß Masters daher ebensogut einen freien Tag haben könne.

Poirot war darüber einigermaßen verblüfft.

»Was hast du denn?« flüsterte ich.

Er schüttelte ungeduldig den Kopf und fragte: »Verzeihung, Monsieur Bex, aber Monsieur Renauld konnte wohl seinen Wagen selbst lenken?«

Der Kommissar blickte zu. Francoise hinüber, und die alte Frau antwortete prompt: »Nein, Monsieur fuhr nie allein.«

Poirot zog die Stirn in ernste Falten.

»Ich wollte, du würdest mir erklären, was dir im Kopf herumgeht«, sagte ich ungeduldig.

»Merkst du denn nichts? Monsieur Renauld spricht in seinem Brief davon, uns den Wagen nach Calais entgegenzuschicken.«

»Vielleicht meinte er einen Mietwagen«, warf ich ein.

»Möglich. Aber wozu einen Wagen mieten, wenn man einen eigenen besitzt? Weshalb gerade dem Chauffeur den gestrigen Tag freigeben - plötzlich, in momentaner Eingebung.

Wollte er ihn vielleicht aus irgendeinem Grunde aus dem Wege schaffen, ehe wir kamen?«

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