KAPITEL DREIUNDZWANZIG DAS GÖTTERSPIEL

Die Eingeborenen, die den Himmel anbeteten, sahen sich mit einem Mal mit zwei schwebenden Gebäuden konfrontiert.

Wie bereits zuvor wimmelte der Altarplatz auch diesmal wieder vor Gesichtern wie eine Wiese voll goldener Löwenzahnblüten. »Wir sind wieder einmal an einem heiligen Tag angekommen«, mutmaßte Louis. Er hielt nach dem kahlrasierten Priester Ausschau, doch er konnte ihn nirgends entdecken.

Nessus blickte sehnsüchtig zu dem Schloß namens Himmel hinüber. Die Brücke der Unwahrscheinlich befand sich auf gleicher Höhe wie der Kartenraum des Schlosses. »Damals hatte ich keine Gelegenheit, mir das anzusehen. Jetzt könnte ich hinüber«, klagte der Puppenspieler.

»Wir nehmen den Desintegrator und schießen ein Loch hinein«, schlug Der-zu-den-Tieren-spricht vor. »Dann können wir Sie an einem Seil oder über eine Leiter hinbringen.«

»Jetzt bin ich zum zweiten Mal hier und kann die Gelegenheit nicht wahrnehmen.«

»Es ist nicht so gefährlich wie viele andere Dinge, die Sie zuvor hier unternommen haben.«

»Aber wenn ich Risiken eingegangen bin, dann deshalb, weil ich nach Antworten suchte. Jetzt weiß ich alles über die Ringwelt, was mein Volk wissen muß. Jetzt riskiere ich mein Leben nur noch, um meinem Volk dieses Wissen zu bringen. Louis, dort ist Ihr Schattenblendendraht.«

Louis nickte ernst.

Die gesamte spinwärts gelegene Region der Stadt war von etwas bedeckt, das auf den ersten Blick aussah wie eine schwarze Rauchwolke. Nach der Art zu urteilen, wie er sich auf die Umrisse der Häuser gelegt hatte, mußte der Draht sowohl dicht als auch schwer sein. Ein einzelner Obelisk mit Fenstern darin ragte durch die Masse. Der Rest war zugedeckt.

Es mußte der Schattenblendendraht sein. Aber es war entsetzlich viel davon!

»Wie sollen wir bloß diese Masse Draht transportieren?«

»Keine Ahnung«, entgegnete Louis, weil ihm nichts anderes einfiel. »Wir landen und werfen erstmal einen Blick auf die Sache.«


Sie landeten das halb zerstörte ehemalige Polizeigebäude spinwärts vom Platz mit dem Altar.

Louis schaltete die Schwebemotoren nicht aus. Die Unwahrscheinlich berührte kaum den Boden. Die ehemalige Beobachtungsplattform über den Zellen wurde zur Landerampe der Unwahrscheinlich. Die Masse des Gebäudes hätte sie unter sich begraben.

»Wir müssen uns einen Weg ausdenken, wie wir mit diesem Zeug hantieren«, sagte Louis. »Vielleicht tut es ein Handschuh aus dem gleichen Material. Oder wir wickeln es auf eine Spule aus Fundamentsubstanz.«

»Wir haben weder das eine noch das andere. Wir müssen mit den Eingeborenen reden«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Vielleicht kennen sie alte Legenden, alte Werkzeuge, alte heilige Relikte. Außerdem hatten sie drei Tage Zeit zu lernen, wie man den Draht anfaßt.«

»Dann muß ich mitkommen.« Das Zögern des Puppenspielers war offensichtlich. Er zitterte plötzlich. »Sprecher, Ihre Sprachkenntnisse sind nicht ausreichend. Wir müssen Halrloprillalar zurücklassen, um das Gebäude in die Höhe zu bringen, falls es nötig werden sollte. Es sei denn… Louis, könnte Teelas eingeborener Liebhaber überredet werden, für uns zu verhandeln?«

Es tat weh, wenn Nessus auf diese Weise über Sucher sprach. »Selbst Teela sagt, daß er kein Genie ist«, entgegnete Louis. »Ich würde ihm die Führung der Verhandlungen nicht anvertrauen.«

»Genausowenig wie ich, Louis. Brauchen wir den Schattenblendendraht wirklich?«

»Ich weiß es nicht. Wenn ich nicht unter Drogen stehe und ein Opfer von Halluzinationen bin, dann werden wir ihn benötigen. Ansonsten…«

»Schon gut, Louis. Ich werde mitkommen.«

»Sie müssen meinem Urteil nicht vertrauen…«

»Ich werde mitkommen.« Der Puppenspieler zitterte erneut. Das merkwürdigste an Nessus Stimme war, daß sie so klar und rein war und nie auch nur die leiseste Spur einer Emotion zeigte. »Ich weiß, daß wir den Draht brauchen. Welcher Zufall ließ ihn so nah bei unserer Absturzstelle herunterkommen? Sämtliche Zufälle führen zu Teela Brown. Würden wir den Draht nicht benötigen, wäre er nicht hier.«

Louis entspannte sich. Nicht, weil Nessus Feststellung Sinn ergeben hätte, denn das tat sie nicht. Doch sie untermauerte Louis’ eigene dürftige Schlußfolgerungen. Und so schöpfte Louis aus den Worten des Puppenspielers Trost und sagte ihm nicht, welchen Unsinn er von sich gegeben hatte.

Sie gingen die Landerampe hinunter und traten aus dem Schatten der Unwahrscheinlich. Louis trug einen Flashlaser bei sich. Der-zuden-Tieren-spricht hielt die Slaverwaffe. Seine Muskeln bewegten sich beim Gehen geschmeidig und waren unter dem erst einen halben Zoll nachgewachsenen Fell nicht zu übersehen. Nessus blieb anscheinend unbewaffnet. Er bevorzugte seinen Tasp und den Platz am weitesten hinten.

Sucher ging an der Seite. Er trug sein langes schwarzes Schwert griffbereit. Seine großen, unempfindlichen Füße waren nackt, genau wie der Rest von ihm. Er trug lediglich einen Lendenschurz aus Tierhaut. Seine Muskeln bewegten sich genauso geschmeidig wie die des Kzin.

Teela ging unbewaffnet.

Die beiden hätten genausogut an Bord der Unwahrscheinlich bleiben können. Es war Nessus’ Schuld. Louis hatte ihn als Dolmetscher mitgenommen, als er dem Schwertkämpfer Sucher angeboten hatte, Teela an ihn zu verkaufen.

Sucher hatte feierlich genickt und eine Kapsel der RingweltLebensdroge als Bezahlung angeboten. Fünfzig Jahre länger leben.

»Ich nehme an«, hatte Louis gesagt. Es war ein guter Preis, obwohl Louis nicht die Absicht besaß, die Droge einzunehmen. Bestimmt war sie noch nie an jemandem getestet worden, der wie Louis seit mehr als hundertzwanzig Jahren Boosterspice einnahm.

Hinterher hatte Nessus auf Interspeak erklärt: »Ich wollte ihn nicht beleidigen, Louis, oder andeuten, daß Sie Teela für nicht besonders wertvoll halten könnten. Ich ging mit dem Preis hoch. Jetzt besitzt er Teela, und Sie können die Droge analysieren, wenn Sie zur Erde zurückkehren. Falls wir zurückkehren. Außerdem wird Sucher unser Leibwächter sein und uns gegen jeden möglichen Feind verteidigen, bis wir den Schattenblendendraht in Besitz genommen haben.«

»Er will uns mit seinem vier Fuß langen Küchenmesser beschützen?«

»Ich wollte ihm doch nur schmeicheln, Louis.«

Teela hatte selbstverständlich darauf bestanden, mit Sucher zu gehen. Er war ihr Mann, und er stand im Begriff, sich in Gefahr zu begeben. Louis überlegte, ob der Puppenspieler vielleicht darauf gebaut hatte. Schließlich war Teela Brown Nessus sorgfältig gezüchteter Glücksbringer…

So nah am Sturmauge war der Himmel stets bedeckt. Im grauweißen Mittagslicht marschierten sie auf eine zehn Stockwerke hohe schwarze Wolke zu.

»Fassen Sie es nicht an«, rief Louis. Er erinnerte sich noch zu gut an die Worte des Priesters bei ihrem letzten Besuch dieser Stadt. Ein Mädchen hatte ein paar Finger verloren, als es ein paar Schlingen Schattenblendendraht hochheben wollte.

Aus unmittelbarer Nähe betrachtet sah es noch immer aus wie eine schwarze Wolke. Man konnte hindurchsehen auf die Ruinen der darunter begrabenen Stadt, auf die Bienenwabenbungalows der Vorstadt mit ihren ovalen Fenstern und ein paar flache gläserne Türme, die Kaufhäuser gewesen wären, hätten sie auf einer von Menschen besiedelten Welt an einem Platz wie diesem gestanden. Sie standen inmitten der Wolke, als würde irgendwo im Innern ein Feuer wüten.

Man konnte den Draht sehen, wenn man mit dem Auge auf einen Zoll oder näher heranging. Doch sobald das Auge anfing zu tränen, war der Draht wieder verschwunden. Er war so dünn, daß er fast unsichtbar war. Tanj ähnlich Sinclair-Monofaser, und SinclairMonofaser war tanj gefährlich.

»Versuchen Sie die Slaverwaffe«, empfahl Louis. »Probieren Sie, ob Sie den Draht zerschießen können, Sprecher«, sagte Louis.

Eine dünne Linie funkensprühender Lichter durchzog mit einem Mal die Drahtwolke.

Vielleicht war es Blasphemie. Ihr kämpft mit Licht? Allerdings schienen die Eingeborenen schon vorher den Entschluß gefaßt zu haben, die Fremdlinge zu töten. Als die Wunderkerzen in der Wolke aus schwarzem Draht erschienen, ertönten ringsum wütende Schreie. Männer in bunten Umhängen strömten aus den umgebenden Gebäuden. Sie schrien und schwenkten… Schwerter und Keulen?

Die armen Schweine, dachte Louis. Er regelte seinen Flashlaser auf hohe Energie und engen Fokus. Lichtschwerter und andere Laserwaffen waren auf allen Welten in Gebrauch. Louis’ Ausbildung daran war über hundert Jahre her, und der Krieg, für den er ausgebildet worden war, hatte nicht stattgefunden. Doch die Regeln waren zu einfach, um sie zu vergessen.

Je langsamer der Streich, desto tiefer die Wunde.

Louis schwenkte die Waffe in weiten, raschen Bögen. Männer stolperten zurück und hielten sich die Leiber. Ihre goldenen Pelzgesichter gaben keinen Schmerz preis. Wenn du zahlreichen Feinden gegenüberstehst, schwinge rasch. Verwunde sie nicht zu tief, aber verwunde viele. Verlangsame ihren Angriff!

Louis spürte Bedauern. Die Fanatiker waren nur mit Schwertern und Keulen bewaffnet. Sie hatten nicht den Hauch einer Chance…

Doch einer hieb mit dem Schwert über den Arm von Der-zu-denTieren-spricht, fest genug, um den Kzin zu verletzen. Der-zu-denTieren-spricht ließ den Slaver-Desintegrator fallen. Ein zweiter Mann packte die Waffe und schleuderte sie weg. Er war im gleichen Augenblick tot, denn der Kzin schlug mit der gesunden Hand nach ihm. Seine Klauen rissen dem Opfer die Wirbelsäule heraus. Ein dritter Mann fing die Waffe auf, drehte sich um und rannte davon. Er versuchte erst gar nicht, sie zu benutzen. Er rannte einfach nur mit ihr davon. Louis hatte keine Zeit, mit dem Laser auf ihn zu zielen, weil er sich gleichzeitig zu vieler Angreifer erwehren mußte.

Ziele immer auf den Leib.

Bisher hatte Louis keine Angreifer getötet. Jetzt, während der Feind ein wenig zögerte, erschoß Louis die beiden, die ihm am nächsten waren. Laß den Feind nicht zu nah herankommen.

Was machten die anderen?

Der-zu-den-Tieren-spricht kämpfte mit bloßen Händen. Seine gesunde Hand zerfetzte die Gegner, und die bandagierte schwang er wie eine Keule. Irgendwie wich er einer Schwertspitze aus, während er gleichzeitig nach einem Mann hinter sich schlug. Er war umringt von Feinden, doch die Eingeborenen würden ihn nicht erdrücken. Er war der orangefarbene Tod, acht Fuß groß und mit messerscharfen Zähnen.

Sucher hatte sich mit seinem schwarzen Schwert gestellt. Vor ihm lagen drei Männer auf dem Boden, und die Waffe tropfte vor Blut. Sucher war ein gefährlicher, geschickter Schwertkämpfer. Die Eingeborenen kannten Schwerter. Teela stand hinter ihm, mitten in der kleinen Gruppe von Verteidigern, und befand sich zumindest für den Augenblick in Sicherheit. Sie blickte besorgt drein, wie es eine anständige Heldin tut.

Nessus rannte auf die Unwahrscheinlich zu. Er hielt einen Kopf geduckt nach vorn, den anderen hoch. Geduckt, um Hindernisse zu sehen, hoch, um den Überblick nicht zu verlieren.

Louis war unverletzt. Er erschoß seine Angreifer, sobald sie sich zeigten, und half den anderen, wo es ging. Der Flashlaser bewegte sich wie von selbst in seiner Hand, ein feiner Strahl tödlichen grünen Lichts.

Ziele nie auf einen Spiegel. Reflektierende Rüstungen konnten für einen Laserkämpfer zu einer unangenehmen Überraschung werden. Hier hatten sie diesen Trick anscheinend längst vergessen.

Ein Mann in einer grünen Decke griff Louis Wu schreiend an. Er schwang einen mächtigen Hammer und gab sich die größte Mühe, gefährlich auszusehen. Ein goldener Löwenzahn mit Augen… Louis führte den grünen Strahl über den Angreifer, und der Mann rannte unberührt weiter!

Louis erschrak und hielt den Strahl voll auf seinen Gegner. Der Mann hatte bereits zum tödlichen Schlag ausgeholt, als sich ein schwarzer Fleck auf seiner grünen Decke bildete. Der Fleck wurde größer und loderte in einer grünen Flamme auf. Der Angreifer ging taumelnd mit durchbohrtem Herzen zu Boden.

Kleidung in der Farbe des Lichtstrahls kann genauso fatal sein wie reflektierende Rüstung. Finagle gib, daß nicht noch mehr diese Decken tragen! Louis’ grüner Strahl fuhr einem anderen Mann über die Rückseite des Halses…

Ein Eingeborener versperrte Nessus den Fluchtweg. Er mußte ziemlich mutig sein, ein so fremdartiges Monster anzugreifen. Louis hatte kein freies Schußfeld, doch das machte nichts. Nessus wirbelte herum, trat aus, vollendete die Drehung und rannte weiter. Der Mann war tot. Dann…

Louis sah es kommen. Der Puppenspieler rannte in einen freien Raum, den einen Kopf hochgereckt, den anderen gesenkt. Der obere Kopf flog plötzlich durch die Gegend, prallte zu Boden und rollte hüpfend davon. Nessus verharrte mitten im Lauf, drehte sich um und bewegte sich nicht mehr.

Sein Hals endete in einem Stumpf, und aus dem Stumpf sprudelte Blut, das genauso rot war wie das von Louis.

Nessus heulte auf. Es war ein hoher, klagender Laut.

Die Eingeborenen hatten ihn in eine Falle aus Schattenblendendraht gelockt.

Louis war zweihundert Jahre alt. Er hatte schon häufiger Freunde verloren. Er kämpfte weiter, und sein Laser folgte den Augen beinahe reflexhaft. Armer Nessus. Vielleicht bin ich der nächste…

Die Eingeborenen waren zurückgefallen. Ihre Verluste mußten aus eigener Sicht entsetzlich sein.

Teela starrte mit weit aufgerissenen Augen auf den sterbenden Puppenspieler. Sie hatte die Hand vor den Mund geschlagen. Derzu-den-Tieren-spricht und Sucher wichen in Richtung der Unwahrscheinlich zurück…

Moment mal! Er hat noch einen zweiten!

Louis rannte zu Nessus. Als er an Der-zu-den-Tieren-spricht vorbeikam, warf er dem Kzin seinen Flashlaser zu. Er duckte sich, um der Drahtfalle auszuweichen, und rannte geduckt weiter. Er warf sich gegen Nessus, um ihn an der Flucht zu hindern. Es hatte ausgesehen, als wollte der Puppenspieler in Panik davonrennen.

Louis hielt den Puppenspieler am Boden fest und suchte nach seinem Gürtel.

Er trug keinen Gürtel.

Aber er mußte einen Gürtel tragen!

Teela reichte ihm ihren Schal.

Louis packte ihn, machte einen Schlaufe hinein und verband damit den Halsstumpf des Puppenspielers. Nessus hatte voller Entsetzen auf den Stumpf gestarrt und auf das Blut, das durch die einzelne Halsschlagader sprudelte. Jetzt hob er den Blick und sah Louis an. Das Auge schloß sich, und Nessus verlor das Bewußtsein.

Louis zog den Knoten straff. Teelas Schal band die Arterie ab, zusammen mit zwei größeren Venen, dem Kehlkopf, der Speiseröhre und der Luftröhre.

Haben Sie ihm etwa den Hals abgebunden, Doktor? Doch die Blutung hatte aufgehört.

Louis bückte sich und hob den Puppenspieler in einem Bergegriff an. Er drehte sich um und zerrte Nessus in den Schatten des halb zerstörten Polizeigebäudes. Sucher rannte vor ihm und gab ihm Deckung. Die Spitze seines schwarzen Schwertes beschrieb kleine konzentrische Kreise, während er auf Angreifer wartete. Bewaffnete Eingeborene beobachteten sie, doch keiner forderte sie heraus.

Teela folgte Louis. Den Schluß bildete der Kzin. Sein Flashlaser zeichnete grüne Linien in Schatten, wo Angreifer sich verborgen halten konnten. An der Rampe blieb der Kzin stehen, wartete, bis Teela sicher oben war… Louis sah ihn gerade noch davonhuschen.

Warum hat er das getan?

Keine Zeit, um darüber nachzudenken. Louis rannte die Treppe hinauf. Der Puppenspieler wurde unglaublich schwer, bevor Louis die Brücke erreicht hatte. Er ließ Nessus neben seinem Flugrad zu Boden gleiten, griff nach dem Medikit und preßte dem Puppenspieler den Diagnosesensor auf den Hals unterhalb des Druckverbands.

Das Medikit war mit einer Art Nabel mit dem Flugrad verbunden. Louis nahm ganz richtig an, daß es weit leistungsfähiger war als sein eigenes.

Nach kurzer Zeit änderten sich die Anzeigen der Küchenautomatik wie von Geisterhand. Sekunden später schlängelte sich ein dünner Schlauch aus der Instrumentenkonsole, berührte den Hals des Puppenspielers, glitt über die Haut, fand schließlich eine passende Stelle und sank in das Gewebe.

Louis erschauerte. Aber… intravenöse Ernährung. Nessus lebte also noch.


Die Unwahrscheinlich schwebte wieder in der Luft. Louis hatte den Start nicht gespürt. Der-zu-den-Tieren-spricht saß auf der untersten Stufe über der Landeplattform und blickte auf das Schloß namens Himmel hinab. Er hielt irgend etwas vorsichtig in beiden Händen.

»Ist der Blätteresser tot?« fragte er.

»Nein. Aber er hat viel Blut verloren«, erwiderte Louis und sank neben dem Kzin nieder. Er war völlig erschöpft und schrecklich deprimiert. »Erleiden Puppenspieler einen Schock?«

»Woher soll ich das wissen? Schock ist ein merkwürdiger Mechanismus. Wir brauchten Jahrhunderte, um herauszufinden, warum ihr Menschen unter der Folter so schnell gestorben seid.« Der Kzin war mit den Gedanken eindeutig woanders. »War das auch das Glück von Teela Brown?« fragte er.

»Ich denke schon«, antwortete Louis.

»Wieso? Wie kann die Verwundung des Puppenspielers Teela Brown hilfreich sein?«

»Sie müssen das mit meinen Augen sehen, Sprecher. Teela war ein sehr einseitiges Wesen, als ich sie kennenlernte. Wie…«

Eine Erinnerung wurde wach, und Louis fuhr fort: »Es gibt eine Geschichte, in der eine Frau mitspielt. Der Held war ein sehr zynischer Mann im mittleren Alter, und er suchte die Frau, weil sich ein Mythos um sie rankte.

Als er sie gefunden hatte, wußte er noch immer nicht, ob der Mythos stimmte. Nicht, bevor sie ihm nicht den Rücken zuwandte. Da sah er, daß sie von hinten leer war; sie war nur die Maske einer Frau, eine Gummimaske für die gesamte Vorderseite, anstatt nur für das Gesicht. Sie war unverwundbar, Sprecher. Und genau das war es, was dieser Mann sich gewünscht hatte. Die Frauen in seinem Leben wurden immer wieder verletzt, und er gab sich die Schuld dafür. Schließlich konnte er es nicht mehr ertragen.«

»Ich verstehe überhaupt nichts, Louis.«

»Teela war wie diese Maske, als sie herkam. Sie war noch niemals zuvor verletzt worden. Ihre Persönlichkeit war nicht menschlich.«

»Warum ist das so schlecht?«

»Weil sie als Mensch geboren wurde, bevor Nessus irgend etwas anderes aus ihr machte. Tanj über ihn! Sehen Sie denn nicht, was seine Experimente angerichtet haben? Er wollte ein Ebenbild Gottes schaffen, und herausgekommen ist Teela Brown.

Sie ist all das, wofür ein Puppenspieler seine Seele hergeben würde. Sie ist unverwundbar. Sie kennt nicht einmal Unbehagen, es sei denn, es dient ihrem eigenen Besten.

Das ist der Grund, aus dem sie herkam. Die Ringwelt ist ein glücklicher Ort für sie, denn nur hier kann sie die Erfahrungen sammeln, die sie braucht, um zu einem richtigen Menschen zu werden. Ich bezweifle, daß die Geburtsrechts-Lotterie viele wie Teela hervorgebracht hat. Sie würden das gleiche Glück gehabt haben. Sie wären ebenfalls an Bord der Lying Bastard gewesen. Aber Teela Brown hat mehr Glück als alle.

Trotzdem… wahrscheinlich gibt es eine ganze Reihe Teela Browns auf der Erde. Die Zukunft wird ziemlich merkwürdig verlaufen, wenn diese Menschen erst ihre Kräfte begreifen. Der Rest von uns wird lernen müssen, ihnen möglichst schnell aus dem Weg zu gehen.«

»Was ist mit dem Kopf des Blätteressers?« fragte der Kzin.

»Sie kann den Schmerz eines anderen nicht nachempfinden«, erklärte Louis. »Vielleicht mußte sie erst sehen, wie ein guter Freund verletzt wurde. Teelas Glück ist es egal, welchen Preis Nessus dafür zahlen mußte.

Wissen Sie, woher ich den Druckverband habe? Teela sah, was ich benötigte, und sie fand etwas Geeignetes. Wahrscheinlich ist es das erste Mal in ihrem Leben, daß sie in einem Notfall das Richtige getan hat.«

»Warum sollte das nötig sein? Ihr Glück wird sie vor Notfällen schützen.«

»Sie hat nicht einmal gewußt, daß sie dazu imstande ist, Sprecher. Sie hat nie einen Grund gehabt, Selbstvertrauen zu entwickeln.«

»Ehrlich, Louis, ich begreife nichts.«

»Es gehört zum Erwachsenwerden, daß man seine Grenzen kennenlernt. Teela konnte nicht Erwachsen werden, ohne irgendwelchen physischen Notfällen ausgesetzt zu sein.«

»Es scheint eine sehr menschliche Angelegenheit zu sein«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht.

Louis interpretierte seinen Kommentar als Eingeständnis völliger Verwirrung. Er machte keinen Versuch zu antworten.

»Ich habe mir überlegt, ob es eine gute Idee war, die Unwahrscheinlich höher zu parken als das Gebäude, das die Eingeborenen Himmel nennen«, sagte der Kzin. »Vielleicht betrachteten sie es als Gotteslästerung. Wenn allerdings das Glück von Teela Brown die Ereignisse steuert, dann sind meine Überlegungen sinnlos.«

Louis hatte noch immer nicht gesehen, was der Kzin so vorsichtig in den Händen hielt. »Sind Sie zurückgegangen, um den Kopf zu holen? Dann haben Sie Ihre Zeit verschwendet. Wir haben keine Möglichkeit, ihn rasch und kalt genug einzufrieren.«

»Nein, Louis.« Der-zu-den-Tieren-spricht zeigte ihm einen faustgroßen Gegenstand von der Form eines Kinderkreisels. »Fassen Sie es nicht an. Sie könnten Ihre Finger verlieren.«

»Finger? Oh.« Das spitze Ende des Kreisels lief unendlich fein aus und endete in dem schwarzen Draht, der die Schattenblenden untereinander verband.

»Ich wußte, daß die Eingeborenen einen Weg gefunden hatten, um mit dem Draht zu hantieren«, erklärte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Es mußte so sein, weil sie sonst nicht die Falle hätten spannen können, in die Nessus gelaufen ist. Also ging ich zurück, um zu sehen, wie sie es gemacht hatten.

Sie haben einen der Endpunkte gefunden, Louis. Ich nehme an, das andere Ende ist nicht mehr da. Der Draht ist in der Mitte durchgerissen, als das Stasisfeld der Lying Bastard ihn rammte. Dieses Ende hier hat sich beim Aufprall wahrscheinlich aus seiner Verankerung in der Schattenblende gelöst. Wir haben Glück, daß wir dieses eine Ende gefunden haben.«

»Das stimmt allerdings. Wir können den Draht hinter uns herziehen. Er ist so scharf, daß es wahrscheinlich nichts gibt, das ihn aufhalten könnte.«

»Wohin gehen wir von hier aus, Louis?«

»Steuerbord. Zurück zur Lying Bastard.«

»Natürlich. Wir müssen Nessus in die medizinische Abteilung der Liar bringen. Und dann?«

»Wir werden sehen.«


Er ließ den Kzin mit dem tränenförmigen Ende des Schattenblendendrahts zurück, während er nach oben ging und nach dem Rest des elektrisch aushärtenden Schaumstoffs suchte, den sie zum Verankern von Nessus Flugrad benutzt hatten. Zwei Hände voll reichten, um das Endstück des Drahts an einer Wand zu befestigen — und dann fanden sie keinen Weg, Strom hindurchzuleiten. Die Slaverwaffe hätte vielleicht helfen können, doch sie war verlorengegangen. Es war frustrierend, bis Louis auf den Gedanken kam, daß die Batterie seines Anzünders genügend elektrische Energie gespeichert hatte, um den Kunststoff zu härten.

Damit hing das Drahtende von der Unwahrscheinlich herab und nach Backbord.

»Ich glaube, die Brücke liegt in Richtung Steuerbord«, sagte Derzu-den-Tieren-spricht. »Falls nicht, müssen wir das Endstück woanders anbringen. Der Draht muß auf jeden Fall hinter uns bleiben.«

»Vielleicht funktioniert es«, sagte Louis. Er war sich dessen gar nicht so sicher… Tragen konnten sie den Draht auf keinen Fall. Es mußte auch so gehen. Er konnte schließlich nirgendwo hängenbleiben, wenn er alles durchschnitt.


Sie fanden Teela und Sucher im Maschinenraum zusammen mit Halrloprillalar, die an den Kontrollen der Schwebemotoren arbeitete.

»Unsere Wege trennen sich hier«, sagte Teela freimütig. »Diese Frau hier sagt, daß sie am schwebenden Schloß anlegen kann. Wir klettern durch ein Fenster in die Banketthalle.«

»Und dann? Ihr würdet festsitzen, bis ihr die Schwebemotoren unter Kontrolle hättet.«

»Sucher sagt, daß er sich ein wenig mit Magie auskennt. Ich bin sicher, er findet einen Weg.«

Louis versuchte erst gar nicht, ihr die Idee auszureden. Er fürchtete sich davor, ihre Pläne zu durchkreuzen. Nur ein Verrückter käme auf den Gedanken, einen angreifenden Bandersnatcher mit bloßen Händen aufzuhalten. »Falls ihr Schwierigkeiten mit den Kontrollen habt, dann drückt einfach willkürlich auf die Knöpfe«, schlug er vor.

»Ich werd’s mir merken«, lachte Teela. Dann, ernsthaft: »Paß gut auf Nessus auf.«

Mehr an Abschied gab es nicht, als Teela und Sucher zwanzig Minuten später von Bord der Unwahrscheinlich gingen. Louis hatte ihr noch viel sagen wollen, doch dann hatte er geschwiegen. Was konnte er ihr über ihre eigene Macht verraten? Sie würde es selbst durch Versuch und Irrtum lernen müssen, während ihr Glück sie am Leben hielt.


Im Verlauf der darauffolgenden Stunden kühlte der Körper des Puppenspielers immer weiter ab und wurde totenstarr. Die Kontrolleuchten auf dem Medikit blieben aktiv, wenn Louis auch ihren Sinn nicht verstand. Wahrscheinlich wurde der Puppenspieler künstlich belebt.

Die Unwahrscheinlich flog nach Steuerbord, und der Draht schleifte hinter ihr her, manchmal schlaff, manchmal straff gespannt. Verlassene Bauwerke in der Stadt hinter ihnen fielen, Dutzende Male von Drahtschlingen durchschnitten, in sich zusammen. Doch das Endstück blieb fest in seinem Bett aus elektrisch gehärtetem Kunststoff.

Die Stadt unter dem schwebenden Schloß verschwand nicht hinter dem Horizont. Im Verlauf der nächsten Tage wurde sie kleiner und kleiner, bis man sie nur noch ahnen konnte. Schließlich löste sie sich ganz im Dunst auf.

Prill saß neben Nessus, unfähig, ihm zu helfen, und nicht willens, von seiner Seite zu weichen. Sie litt sichtlich.

»Wir müssen etwas für sie tun«, sagte Louis. »Sie ist süchtig nach dem Tasp, und er ist weg. Sie leidet unter totalem Entzug. Wenn sie sich nicht selbst umbringt, dann Nessus oder mich.«

»Louis, Sie wollen doch sicherlich keinen Rat von mir?«

»Nein. Ich schätze nicht.«

Wenn man einem leidenden menschlichen Wesen helfen wollte, spielte man den guten Zuhörer. Louis gab sich Mühe, doch er beherrschte ihre Sprache nicht genug, und Prill wollte nicht reden. Er biß die Zähne zusammen, wenn er allein war, doch wenn Prill zugegen war, versuchte er es weiter.

Sie war ständig in seinen Gedanken. Vielleicht hätte sich seine Schwermut gebessert, wenn er sich von ihr hätte fernhalten können. Doch sie blieb auf der Brücke.

Nach und nach lernte er ihre Sprache, und nach und nach fing sie an zu reden. Er erzählte ihr von Teela und von Nessus, der versucht hatte, Gott zu spielen…

»Ich denken, ich ein Gott«, sagte sie. »Ich denken wirklich sein ein Gott. Warum nur? Ich nicht gebaut Ring. Ring viel älter sein.«

Auch Prill lernte. Sie benutzte eine Art Pidgin, ein vereinfachtes Vokabular ihrer veralteten Sprache: zwei Zeitformen, so gut wie keine Satzpartikel, übertrieben deutliche Aussprache.

»Sie haben dich dazu gebracht«, sagte Louis.

»Aber ich glauben.«

»Jeder wünscht sich, ein Gott zu sein.« Jeder wollte die Macht, doch ohne die Verantwortung, und Louis kannte die Worte nicht.

»Dann kam Zweiköpfiger. Er hatte Maschine?«

»Er hatte den Tasp.«

»Tasp.« Sie sprach das Wort übertrieben genau nach. »Ich haben gedacht. Tasp machen ihn Gott. Er verloren Tasp, er nicht länger Gott. Sein Zweiköpfiger tot?«

Schwer zu sagen. »Er würde es als dumm empfinden«, erwiderte Louis.

»Dumm Kopf abschneiden lassen«, sagte Prill. Ein Scherz. Sie hatte versucht, einen Scherz zu machen.

Allmählich interessierte sie sich wieder für andere Dinge: Sex und Sprachunterricht und die Landschaft der Ringwelt. Sie flogen über vereinzelt glitzernde Spiegelblumen. Prill hatte noch nie Spiegelblumen gesehen. Sie landeten. Sie wichen den hektischen Versuchen der Pflanzen aus, sie abzuschießen, gruben ein fußhohes Exemplar aus und pflanzten es auf dem Dach der Unwahrscheinlich wieder ein. Anschließend bogen sie scharf in Richtung Spin ab, um größere, dichter stehende Ansammlungen von Spiegelblumen zu umgehen.

Irgendwann ging ihnen die Nahrung aus, und Prill verlor das Interesse an dem Puppenspieler. Louis betrachtete sie als geheilt.

In der nächsten Stadt mit Eingeborenen versuchten sich Prill und der Kzin im Gottspielen. Louis wartete besorgt über ihnen und hoffte, daß Der-zu-den-Tieren-spricht mit seiner Rolle zurechtkommen würde. Er hätte sich am liebsten den Kopf geschoren und zu den beiden gesellt. Doch sein Wert als Akolyth war gleich null. Nach vielen Tagen Übung hatte er noch immer nur geringe Kenntnisse der Sprache.

Sie kamen mit Opfergaben zurück. Und mit Essen.

Aus Tagen wurden Wochen. Sie taten es wieder und wieder. Sie waren gut darin. Das Fell des Kzin wuchs zusehends, so daß er wieder zu einem orangefarbenen Tiger wurde, »einer Art Kriegsgott«. Auf Louis’ Rat hin hielt er die Ohren flach an den Kopf gelegt.

Es machte ihm merkwürdig zu schaffen, einen Gott zu spielen. Eines Nachts sprach er darüber.

»Es stört mich nicht, einen Gott zu spielen«, sagte er. »Was mich vielmehr stört ist, daß ich einen schlechten Gott abgebe.«

»Wie meinen Sie das?«

»Sie stellen uns Fragen, Louis. Die Frauen wenden sich an Prill, und Prill antwortet ihnen. Im allgemeinen verstehe ich weder das Problem noch die Lösung. Die Männer sollten sich ebenfalls an Prill wenden, weil Prill menschlich ist und ich nicht. Aber sie fragen mich. Mich! Warum müssen sie sich an einen Alien um Hilfe in ihren Angelegenheiten wenden?«

»Sie sind männlich, Sprecher. Ein Gott ist eine Art Symbol, selbst wenn er Fleisch geworden ist. Sie sind ein männliches Symbol, Sprecher.«

»Lachhaft. Ich habe nicht einmal außenliegende Fortpflanzungsorgane, im Gegensatz zu Ihnen, wie ich annehme.«

»Sie sind groß und stark und hinterlassen einen gefährlichen Eindruck. Das macht Sie ganz automatisch zu einem männlichen Symbol. Ich glaube nicht, daß Sie daran etwas ändern könnten, ohne Ihr Gottsein ganz zu verlieren, Sprecher.«

»Wir brauchen einen kleinen Funkempfänger und einen Sender. Dann können Sie die merkwürdigen und peinlichen Fragen für mich beantworten.«

Prill überraschte sie. Die Unwahrscheinlich war ein ehemaliges Polizeigebäude. In einem der Lagerräume fand Prill Polizeifunkgeräte mit Kopfhörern und Mikrophonen, die ihre Energie direkt aus den Generatoren des Gebäudes bezogen. Als sie fertig waren, funktionierten zwei der insgesamt sechs Geräte wieder.

»Du bist schlauer, als ich zuerst gedacht habe«, verriet Louis ihr in der darauffolgenden Nacht. Dann zögerte er; er wußte nicht genug von ihrer Sprache, um taktvoll zu sein. »Schlauer, als man von einer Schiffshure eigentlich erwarten kann.«

Prill lachte. »Du dummer Junge! Du hast mir selbst gesagt, daß eure Schiffe sehr viel schneller sind als unsere.«

»Das sind sie«, sagte Louis. »Unsere Schiffe sind schneller als das Licht.«

»Ich denke, du übertreibst.« Sie lachte erneut. »Unsere Theorien sagen, daß nichts schneller sein kann als das Licht.«

»Vielleicht liegen unseren Antrieben andere Theorien zugrunde.«

Sie wirkte erstaunt. Louis hatte gelernt, ihre unwillkürlichen Muskelbewegungen statt ihres anscheinend ausdruckslosen Gesichts zu interpretieren. Sie entgegnete: »Langeweile ist gefährlich, wenn ein Schiff Jahre benötigt, um zwischen den Welten zu kreuzen. Es muß viele unterschiedliche Wege geben, sich die Zeit zu vertreiben. Eine Schiffshure muß sich in Medizin und Psychologie auskennen, muß die Liebe vieler Männer erwidern und die seltene Fähigkeit zur Konversation besitzen. Wir müssen uns mit der Technik an Bord auskennen, damit wir keine Unfälle verursachen. Wir müssen gesund sein. Die Vorschrift der Gilde besagt auch, daß wir wenigstens ein Instrument beherrschen müssen.«

Louis starrte sie mit offenem Mund an. Prill lachte wohlklingend und berührte ihn wieder einmal hier und dort…

Die Funkgeräte arbeiteten einwandfrei, trotz der Tatsache, daß die Ohrhörer für menschliche und nicht für Kzintiohren geschaffen waren. Louis entwickelte eine Fähigkeit zu improvisieren. Er war der Mann hinter dem Kriegsgott. Wenn er Fehler beging, dann sagte er sich, daß die Unwahrscheinlich noch immer schneller war als die größtmögliche Geschwindigkeit, mit der sich auf der Ringwelt Nachrichten verbreiteten. Jeder Kontakt war ein Erstkontakt.

Monate vergingen.

Das Land stieg allmählich an und wurde öde.

Die Faust Gottes war bei Tageslicht sichtbar, und sie wuchs mit jedem weiteren Tag. Routine hatte sich in Louis Denken breitgemacht. Es dauerte eine Zeitlang, bis er merkte, was geschah.

Es war hellichter Tag, als er zu Prill ging. »Es gibt da etwas, das du wissen solltest«, sagte er. »Hast du je von induziertem Strom gehört?« Er erklärte ihr, was er meinte.

Dann: »Man kann sehr kleine elektrische Ströme durch das Gehirn schicken und damit auf direktem Weg Schmerz oder Freude erzeugen.« Er erklärte auch dies.

Und schließlich: »Genau so funktioniert der Tasp.«

Es hatte vielleicht zwanzig Minuten gedauert. Prill sagte: »Ich wußte, daß er eine Maschine hatte. Warum beschreibst du mir jetzt, wie sie funktioniert?«

»Wir lassen die Zivilisation hinter uns. Wir werden nicht mehr viele Dörfer oder Städte finden, also auch keine Nahrung mehr, bis wir unser Raumschiff erreichen. Ich wollte, daß du über den Tasp Bescheid weißt, bevor du irgendeine Entscheidung triffst.«

»Was für eine Entscheidung?«

»Sollen wir dich in der nächsten Siedlung absetzen? Oder möchtest du mit uns bis zur Liar kommen und dann die Unwahrscheinlich übernehmen? Wir können dich auch dort mit Nahrung versorgen.«

»Ihr habt genug Platz für mich an Bord«, sagte sie mit Bestimmtheit.

»Sicher, aber…«

»Ich habe die Wilden satt. Ich will zurück in die Zivilisation.«

»Du könntest Schwierigkeiten haben, dich an unsere Kultur anzupassen. Zum Beispiel die Haare. Wir tragen sie so wie ich.« Louis Haare waren inzwischen lang und dicht. Er hatte seinen Zopf abgeschnitten. »Du wirst eine Perücke benötigen.«

Prill schnitt eine Grimasse. »Ich kann mich anpassen.« Plötzlich lachte sie auf. »Würdest du ohne mich nach Hause zurückkehren? Der große Orangefarbene kann keine Frau ersetzen.«

»Das ist ein Argument, dem ich mich noch nie verschließen konnte.«

»Ich kann deiner Welt helfen, Louis. Dein Volk weiß nur sehr wenig über Sex.«

Eine Feststellung, auf die Louis klugerweise keine Antwort gab.

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