In der Mathematik des Hyperraumes existieren Singularitäten. Jede genügend große Masse im Einsteinschen Universum wird von einer derartigen Singularität umgeben. Außerhalb dieser Singularitäten können Raumschiffe schneller als das Licht reisen. Innerhalb dieser Bereiche verschwinden sie, wenn sie es versuchen.
Die Long Shot befand sich ungefähr acht Lichtstunden von der Sonne entfernt und hatte sich deren Singularität entzogen.
Louis Wu befand sich im freien Fall.
Er spürte Anspannung in den Lenden und Unbehagen im Zwerchfell, und sein Magen drohte sich umzustülpen. Die Sinneseindrücke würden vergehen. Er verspürte einen paradoxen Drang zu fliegen…
Louis war schon häufig in der Schwerelosigkeit geflogen, in der großen transparenten Blase des Outbound Hotels im Orbit des irdischen Mondes. Hier, an Bord der Long Shot, würde er sicher irgendein lebenswichtiges Ausrüstungsteil beschädigen, sobald er auch nur die Arme ausbreitete.
Er hatte das Schiff mit einer Beschleunigung von unter zwei g aus dem Sonnensystem gesteuert. Für eine Zeitspanne von fünf Tagen hatte er auf seiner Liege gearbeitet, gegessen und geschlafen. Trotz der hervorragenden hygienischen Einrichtungen der Liege fühlte er sich schmutzig und ungepflegt. Trotz fünfzig Stunden Schlaf war Louis vollkommen erschöpft.
Louis hatte eine dumpfe Vorahnung, was seine Zukunft betraf. Für ihn würde die Expedition größtenteils aus Unbehagen bestehen.
Die Schwärze des Alls unterschied sich nicht sehr vom Nachthimmel auf dem irdischen Mond. Im Sonnensystem trugen die Planeten nicht viel zur Helligkeit bei, wenn man das Firmament mit bloßem Auge betrachtete.
Ein besonders heller Stern glänzte im galaktischen Süden. Dieser Stern war die Sonne.
Louis betätigte die Schwungradkontrollen. Die Long Shot drehte sich um ihre Achse, und Sterne glitten unter Louis’ Füßen hinweg.
Siebenundzwanzig-dreihundertundzwölf-eintausend — so lauteten die Koordinaten, die Nessus ihm gegeben hatte, ehe Louis den Deckel über der Liege des Puppenspielers geschlossen hatte. Die Koordinaten bezeichneten die Position, wo sich die Völkerwanderung der Puppenspieler augenblicklich befand. Louis wurde bewußt, daß die Koordinaten nicht auf einem Kurs zu einer der Magellanschen Wolken lagen. Der Puppenspieler hatte ihn belogen.
Allerdings, dachte Louis, liegen die Koordinaten ungefähr zweihundert Lichtjahre vom irdischen Sonnensystem entfernt. Und sie lagen auf der Verlängerung der galaktischen Achse. Vielleicht hatten die Puppenspieler sich entschlossen, die Milchstraße auf dem kürzesten Weg zu verlassen und dann über der Ebene der Galaxis die kleine Magellansche Wolke anzusteuern. Auf diese Weise würden sie interstellare Trümmer vermeiden: Dunkelsonnen, Staubwolken und Wasserstoffkonzentrationen…
Das alles war nur von nebensächlichem Interesse. Louis’ Hände schwebten über dem Kontrollpunkt wie die eines Pianisten, der auf seinen Einsatz wartete.
Und sanken herab.
Die Long Shot verschwand.
Louis vermied es, auf den transparenten Boden zu sehen. Er wunderte sich schon längst nicht mehr, warum all die durchsichtigen Flächen nicht mit Blenden oder Jalousien versehen waren. Der Anblick des Blinden Flecks hatte schon manchen Piloten in den Wahnsinn getrieben, doch es gab auch Männer, die ihn ertrugen. Der erste Pilot der Long Shot mußte so ein Mann gewesen sein.
Louis konzentrierte sich statt dessen auf den Massendetektor: eine transparente Kugel über der Instrumentenkonsole. Von ihrem Mittelpunkt ging eine Reihe blauer Linien aus. Der Detektor war ungewöhnlich groß, trotz der beengten Verhältnisse in der Kabine. Louis lehnte sich zurück und beobachtete die Linien.
Sie veränderten sich deutlich sichtbar. Louis konnte eine Linie fixieren und zusehen, wie sie langsam über die Kugelschale wanderte. Es war ein ungewöhnlicher und entnervender Anblick. Bei den gewohnten Hyperraumgeschwindigkeiten blieben die Linien stundenlang an der gleichen Stelle fixiert.
Louis’ linke Hand schwebte immer in der Nähe des Notschalters.
Die Küchenautomatik zu seiner Rechten lieferte merkwürdig schmeckenden Kaffee und, später, eine Mahlzeit, die sich in seiner Hand in Schichten aus Fleisch, Käse, Brot und irgendeinem Blattsalat auflöste. Die Reprogrammierung des Automaten war anscheinend seit Jahrhunderten überfällig. Radiallinien im Massendetektor wuchsen zu breiten Bändern, bewegten sich wie die Sekundenzeiger einer Uhr hinauf zum Scheitelpunkt und schrumpften zu einem Nichts zusammen. Eine verwaschene blaue Linie am Boden der Kugel wurde länger und länger, wuchs immer weiter… Louis hämmerte auf den Notschalter.
Ein roter Riese glühte unter seinen Füßen.
»Zu schnell«, knurrte Louis, »tanj zu schnell!« In einem Schiff mit normalem Hyperraumantrieb mußte man den Massenanzeiger nur alle sechs Stunden oder so überprüfen. In der Long Shot durfte man das Ding nicht eine Sekunde aus den Augen lassen!
Louis starrte auf die hellrote Scheibe vor dem sternenübersäten Hintergrund.
»Tanj! Wir sind bereits jenseits des Bekannten Weltraums!«
Er drehte das Schiff, um die Sterne zu betrachten. Ein fremder Himmel strömte vorbei. »Sie gehören mir, mir ganz allein!« kicherte Louis und rieb sich die Hände. Im Sabbatjahr war Louis sein eigener Entertainer.
Die rote Riesensonne kam wieder in Sicht, und Louis schwenkte das Schiff noch einmal um neunzig Grad. Er war mit der Long Shot zu dicht an den Stern gekommen. Jetzt mußte er einen Ausweichkurs steuern.
Sie waren erst anderthalb Stunden im Hyperraum gewesen.
Weitere drei Stunden im Hyperraum, und Louis brach erneut hervor.
Die fremden Sterne machten ihm nichts aus. Auf der Erde waren über den hell erleuchteten Städten überhaupt keine Sterne zu sehen, und Louis war als Flatlander großgeworden. Er hatte keine Sterne gesehen, bis er sechsundzwanzig war. Er überprüfte die Instrumente, um sich zu vergewissern, daß er im freien Raum war, schloß die Deckel über den Konsolen und streckte sich schließlich.
»Wow! Meine Augen fühlen sich an wie gekochte Zwiebeln!«
Er löste sich aus dem Sicherheitsnetz, schwebte hoch und massierte seine Linke. Drei Stunden hatte er die Hand krampfhaft über dem Notschalter gehalten. Vom Ellbogen bis zu den Fingerspitzen war das Fleisch taub.
Unter der Decke befanden sich Leitersprossen für isometrische Übungen. Er trainierte, bis die Verkrampfung sich gelöst hatte, doch die Müdigkeit blieb.
Hmmm. Teela aufwecken? Es wäre nett, sich jetzt mit ihr zu unterhalten. Eine verlockende Idee. Das nächste Mal, wenn ich zu meinem Sabbatjahr aufbreche, nehme ich eine Frau in Stasis mit. Das Beste aus beiden Welten. Doch im Augenblick kam er sich vor wie eine hochgeschwemmte Leiche auf einem überfluteten Friedhof. Nicht fit für nette Gesellschaft. O ja.
Er hätte nicht zulassen dürfen, daß Teela an Bord der Long Shot kam!
Nicht zu seinem persönlichen Vergnügen. Die zwei Tage nach seiner Geburtstagsfeier waren recht angenehm gewesen. Als hätte jemand die Romanze zwischen Louis Wu und Paula Cherenkow noch einmal geschrieben — diesmal mit einem Happy End. Vielleicht hätte er es besser dabei belassen sollen.
An Teela war etwas Seichtes. Es lag nicht nur an ihrer Jugend. Louis’ hatte Freundinnen in allen Altersgruppen, und viele jüngere waren alles andere als oberflächlich. Ganz bestimmt litten sie mehr als die älteren. Schmerz gehört nun einmal zum seelischen Reifeprozeß.
Nein, Teela besaß einen Mangel an Einfühlungsvermögen. Ihr ging die Fähigkeit ab, jemand anderes Schmerzen zu spüren…
Doch sie spürte Freude, sie reagierte auf Freude, und sie schuf Freude. Als Liebhaberin war sie hinreißend — so schön, daß es beinahe schmerzte, herzhaft erfrischend und unverbraucht, sinnlich wie eine Katze und erstaunlich hemmungslos…
Nichts von alledem qualifizierte sie als Abenteurerin.
Teelas Leben war unbeschwert und langweilig gewesen. Zweimal hatte sie sich verliebt, und zweimal war sie der Affäre als erste überdrüssig geworden. Sie war noch nie einer ernsthaften Belastungsprobe ausgesetzt gewesen, war noch nie richtig verletzt worden. Wenn der Zeitpunkt kam, wenn Teela sich zum erstenmal in richtiger Gefahr befand, würde sie wahrscheinlich die Nerven verlieren.
»Ich habe sie als Geliebte mitgenommen«, sagte Louis zu sich selbst. »Verdammter Nessus!« Nessus hätte sie bestimmt nicht als Kandidatin ausgewählt, wenn sie schon einmal in Not geraten wäre. Er hätte sie als Pechvogel abgetan.
Es war ein Fehler gewesen, sie mitzunehmen. Sie würde nur eine Belastung für Louis werden. Er würde zuviel Zeit damit verbringen, sie zu beschützen, wenn er besser daran tat, sich selbst zu schützen.
Welche Gefahren mochten sie erwarten? Die Puppenspieler waren ausgezeichnete Geschäftsleute. Sie zahlten niemals zuviel. Die Long Shot war ein Preis von unschätzbarem Wert. Louis überkam das fröstelnde Gefühl, daß sie sich diesen Preis schwer verdienen mußten…
»Bis jetzt sieht es jedenfalls ganz danach aus«, brummte Louis und legte sich wieder auf die Liege. Er aktivierte das Headset und schlief eine Stunde. Nach dem Aufwachen schwang er das Schiff herum und ging wieder in den Hyperraum.
Fünfeinhalb Stunden hinter Sol fiel die Long Shot erneut in den Normalraum.
Die Koordinaten des Puppenspielers definierten einen kleinen Kugelausschnitt mit Sol als Mittelpunkt, plus einem Entfernungsvektor. Am Ende des Vektors lag ein Würfel mit einer Kantenlänge von einem halben Lichtjahr. Irgendwo in diesem Würfel befand sich — voraussichtlich — eine riesige Flotte von Raumschiffen. Und irgendwo in diesem Würfel — vorausgesetzt, die Instrumente logen nicht — befanden sich auch Louis Wu und die Long Shot.
Irgendwo weit hinter ihnen lag eine Ansammlung von Sternen, ungefähr siebzig Lichtjahre im Durchmesser. Der Bekannte Weltraum war klein und unendlich weit entfernt.
Es hatte keinen Sinn, nach der Flotte zu suchen. Louis wußte gar nicht, nach was er Ausschau halten mußte. Er ging, um Nessus zu wecken…
Nessus hielt sich mit den Zähnen an einer Gymnastiksprosse fest und spähte Louis über die Schulter. »Ich brauche ein paar Sterne als Bezugspunkte. Zentrieren Sie diesen grünweißen Riesen dort drüben und legen Sie ihn auf die Peilung.«
Die Brücke war überfüllt. Louis beugte sich über die Instrumentenkonsole und schützte die Knöpfe und Schalter vor den achtlosen Hufen des Puppenspielers.
»Spektralanalyse… ja. Und nun den blauen und gelben Doppelstern auf zwei Uhr…
Jetzt habe ich meine Peilung. Drehen Sie auf 348,72!«
»Nach was genau muß ich suchen, Nessus? Eine Ansammlung von Fusionsflammen? Nein, ihr Puppenspieler verwendet ja Thruster.«
»Benutzen Sie das Teleskop! Wenn Sie es sehen, werden Sie es wissen.«
Auf dem Teleskopschirm flimmerten ein paar anonyme Sterne. Louis drehte an der Bildvergrößerung, bis… »Fünf Punkte, in einem regelmäßigen Fünfeck angeordnet. Ist das richtig?«
»Das ist unser Bestimmungsort.«
»Gut. Warten Sie, ich messe die Entfernung… Tanj! Das kann nicht richtig sein, Nessus! Die Punkte sind viel zu weit weg!«
Keine Antwort.
»Das können unmöglich Raumschiffe sein, selbst wenn der Entfernungsmesser nicht richtig arbeitet! Die Flotte der Puppenspieler bewegt sich fast mit Lichtgeschwindigkeit. Wir müßten die Bewegung erkennen!«
Fünf blasse Sterne in einem gleichseitigen Pentagramm. Sie waren ein Fünftel Lichtjahr entfernt und für das bloße Auge noch nicht sichtbar. Nach der augenblicklichen Vergrößerung handelte es sich um ausgewachsene Planeten. Einer davon schimmerte in einem blassen Blau und war ein wenig dunkler als die anderen.
Eine Kemplerer-Rosette. Eigenartig.
Man nehme drei oder mehr gleiche Massen und setze sie auf die Eckpunkte eines gleichseitigen Polygons. Dann gebe man ihnen die gleiche Winkelgeschwindigkeiten um das gemeinsame Massezentrum.
Das Gebilde besitzt ein stabiles Gleichgewicht.
Die Umlaufbahnen der Einzelmassen können kreisförmig oder elliptisch sein; das gemeinsame Zentrum kann mit einem weiteren Körper besetzt sein oder auch nicht. Es spielt keine Rolle. Das Gebilde ist stabil wie paarweise zueinander gehörende Trojanische Punkte.
Es gibt verschiedene natürliche Wege, wie ein Massenkörper von einem Trojanischen Punkt eingefangen werden kann (wie zum Beispiel die Trojanischen Asteroiden in der Umlaufbahn des Jupiter). Aber es ist beliebig unwahrscheinlich, daß fünf gleich große Massenkörper sich zufällig zu einer Kemplerer-Rosette vereinigen.
»Das ist verrückt!« murmelte Louis. »Einmalig! Niemand hat jemals eine natürliche Kemplerer-Rosette entdeckt…« Er brach ab.
Woher kam das Licht, das die Objekte erhellte? »O nein, das schaffen Sie nicht!« sagte Louis Wu. »Sie werden mich nicht dazu bringen, das da zu glauben! Halten Sie mich eigentlich für einen Idioten?«
»Was wollen Sie nicht glauben, Louis?«
»Sie wissen tanj genau, wovon ich rede!«
»Wie Sie meinen. Das dort ist jedenfalls unser Ziel, Louis. Wenn Sie uns näher heranbringen, wird man ein Schiff senden, das sich unserer Geschwindigkeit anpaßt.«
Das Rendezvousschiff besaß eine Mark-Drei-Hülle, ein in der Mitte abgeflachter Zylinder mit runden Enden. Der Rumpf war leuchtend pinkfarben und wies keine Fenster auf. Es gab nirgendwo Antriebsöffnungen. Die Maschinen arbeiteten wahrscheinlich reaktionslos: Thruster, wie Menschen sie auf ihren Schiffen verwendeten, oder eine Weiterentwicklung davon.
Auf Nessus Anweisung hin hatte Louis dem fremden Schiff das Manövrieren überlassen. Die Long Shot mit ihrem Fusionsantrieb hätte Monate gebraucht, um ihre Geschwindigkeit der Puppenspieler-»Flotte« anzupassen. Dem Schiff der Puppenspieler gelang dieses Manöver innerhalb fünfzig Minuten, nachdem es längsseits der Long Shot mit ausgefahrenem Kopplungsschlauch materialisiert war und der transparente Schlauch wie eine gläserne Schlange auf die Luftschleuse der Long Shot zustrebte.
Das Umsteigen würde zu einem Problem werden. Es war nicht genügend Raum vorhanden, um alle Besatzungsmitglieder zugleich aus der Stasis zu entlassen. Wichtiger noch: Hier bot sich die letzte Gelegenheit für den Kzin, die Kontrolle über das Schiff zu erlangen.
»Meinen Sie, er wird sich meinem Tasp fügen, Louis?«
»Nein. Ich schätze, er wird einen letzten Versuch wagen, die Long Shot zu stehlen. Ich habe einen Plan…«
Sie unterbrachen die Verbindung zwischen der Instrumentenkonsole und den Fusionsmotoren. Es war nichts, das der Kzin nicht mühelos wieder in Ordnung hätte bringen können — mit ein wenig Zeit und einer gewissen technischen Intuition, wie sie jeder Mechaniker besaß. Doch der Kzin würde nicht die Zeit haben…
Louis beobachtete, wie der Puppenspieler durch den Schlauch schwebte. Nessus trug den Druckanzug des Kzin bei sich. Er hatte die Augen fest geschlossen — eine Schande, denn die Aussicht war wundervoll.
»Schwerelosigkeit«, seufzte Teela, als Louis ihre Crashliege öffnete. »Ich fühle mich nicht gut. Du mußt mich stützen, Louis. Was ist los? Wo sind wir?«
Arm in Arm schwebte Louis mit Teela zur Luftschleuse und schilderte ihr in kurzen Worten die Lage. Sie hörte ihm zu, doch Louis hatte das Gefühl, als konzentrierte sie sich mehr auf das Loch in ihrem Magen. Sie sah tatsächlich nicht gut aus. »Auf dem anderen Schiff gibt es Schwerkraft«, tröstete Louis sie.
Er deutete auf die winzige Rosette. Sie war inzwischen mit bloßem Auge zu erkennen, ein Pentagon aus weißen Sternen. Teela drehte sich mit erstauntem Fragen im Blick zu Louis um. Die Bewegung war nichts für ihren Gleichgewichtssinn, und Louis sah gerade noch, wie sich ihr Gesichtsausdruck änderte, bevor sie in Richtung Luftschleuse davonschoß.
Kemplerer-Rosetten waren eine Sache, und Weltraumkrankheit eine ganz andere. Louis blickte Teela hinterher, während sie sich vor dem Hintergrund der unvertrauten Sterne entfernte.
Louis klappte den Deckel über der Stasisliege des Kzin auf und knurrte: »Machen Sie keine Dummheiten! Ich bin bewaffnet!«
In dem orangefarbenen Gesicht des Kzin zuckte kein Muskel. »Sind wir am Ziel?«
»Ja, das sind wir. Ich habe den Fusionsantrieb abgeklemmt. Sie werden den Schaden nicht rasch genug reparieren können, um zu verschwinden. Zwei große Rubinlaser sind auf uns gerichtet.«
»Und wenn ich in den Hyperraum verschwinde? Nein, mein Fehler. Wir sind wahrscheinlich im Bereich einer Singularität.«
»Lassen Sie sich überraschen! Es sind fünf Singularitäten!«
»Fünf? Tatsächlich? Aber Sie haben gelogen, was die Laser betrifft, Louis! Schämen Sie sich!«
Der Kzin stieg friedlich von seiner Liege. Louis folgte ihm mit schlagbereitem Schwert. In der Luftschleuse hielt der Kzin überrascht inne, als er das rasch größer werdende Fünfeck aus Sternen erblickte.
Der Anblick war tatsächlich atemberaubend.
Die Long Shot hatte sich der »Flotte« der Puppenspieler im Hyperraum genähert und eine halbe Lichtstunde vor ihr gestoppt: in etwas geringerer Entfernung als der mittleren Distanz zwischen Erde und Jupiter. Doch die »Flotte« bewegte sich mit ungeheurer Geschwindigkeit und folgte ihrem eigenen Licht dichtauf, so daß das Licht, das die Long Shot erreichte, aus weit größerer Entfernung kam. Als die Long Shot zum Stillstand kam, war die Rosette noch zu weit entfernt gewesen, um sie mit bloßem Auge zu erkennen. Sie war gerade erst sichtbar geworden, als Teela die Schleuse verließ. Doch jetzt war sie beeindruckend groß und wuchs mit enormer Geschwindigkeit.
Fünf blaßblaue Punkte, zu einem Fünfeck angeordnet, die sich blitzschnell auseinanderzogen, immer größer wurden, wuchsen…
Einen winzigen Augenblick war die Long Shot von fünf Welten umgeben. Dann waren sie verschwunden; nicht geschrumpft, sondern im wahrsten Sinne des Wortes verschwunden. Das von ihnen ausgehende Licht war rotverschoben bis zur Unsichtbarkeit. Und Derzu-den-Tieren-spricht hielt das Varioschwert.
»Bei Finagles Augen!« explodierte Louis. »Sind Sie denn niemals neugierig?«
Der Kzin dachte nach. »Ich kenne Neugierde. Aber mein Stolz ist größer.« Er ließ die Drahtklinge einfahren und gab Louis das Schwert zurück. »Eine Drohung ist immer zugleich eine Herausforderung. Gehen wir?«
Das Puppenspielerschiff war ein Roboter. Hinter der Luftschleuse befand sich das Lebenserhaltungssystem. Es war ein einziger großer Raum. Vier Crashliegen, den Körperformen ihrer voraussichtlichen Benutzer angepaßt, waren im Kreis um eine Erfrischungskonsole angeordnet.
Es gab keine Fenster.
Zu Louis’ Erleichterung gab es Schwerkraft. Sie entsprach nicht ganz irdischen Verhältnissen, genausowenig wie die Luft. Der Druck war ein wenig zu hoch. Gerüche erfüllten den Raum, eigenartig, aber nicht unangenehm. Louis roch Ozon, Kohlenwasserstoffe, Puppenspieler — Dutzende von Puppenspielern — und andere Dinge, die er nicht identifizieren konnte und auch nicht zu identifizieren erwartete.
Es gab keine Ecken. Die gekrümmten Wände gingen ohne Übergang in Decke und Boden über. Die Liegen und die Erfrischungskonsole sahen aus, als wären sie halb geschmolzen und dann wieder erstarrt. In der Welt der Puppenspieler gab es nichts Scharfes oder Kantiges, nichts, an dem man sich stoßen oder verletzen konnte.
Nessus lag zusammengesunken auf seiner Couch. Er wirkte beinahe haarsträubend lächerlich und entspannt.
»Er will nicht reden.« Teela lachte.
»Natürlich nicht«, flötete der Puppenspieler. »Ich hätte alles zweimal erzählen müssen, weil Louis und Der-zu-den-Tierenspricht jetzt erst eingetroffen sind. Zweifellos haben Sie sich gefragt, was es mit den…«
»… fliegende Welten!« unterbrach ihn der Kzin.
»Eine Kemplerer-Rosette«, sagte Louis. Ein fast unhörbares Summen informierte ihn, daß das Schiff sich in Bewegung gesetzt hatte. Teela reichte ihm lächelnd einen roten, fruchtigen Drink in einem Quetschbehälter.
»Wieviel Zeit werden wir brauchen?« fragte Louis den Puppenspieler.
»Eine Stunde bis zur Landung. Dann erhalten Sie Aufschluß über unser endgültiges Ziel.«
»Schön. Das sollte reichen. In Ordnung, klären Sie uns auf. Warum ganze Welten? Irgendwie scheint es mir ziemlich waghalsig, bewohnte Planeten so sorglos durch das All zu schleudern.«
»Ganz im Gegenteil, Louis!« Der Puppenspieler war todernst. »Viel sicherer als dieses Raumschiff beispielsweise, und dieses Schiff ist im Vergleich zu den meisten von Menschen konstruierten Modellen äußerst sicher! Wir besitzen viel Übung im Rangieren von Planeten.«
»Übung? Woher?«
»Dazu muß ich weiter ausholen. Ich muß von Abwärme erzählen und von… Geburtenkontrolle. Ich trete Ihnen hoffentlich nicht zu nahe?«
Alle verneinten. Louis besaß genügend Takt, um nicht zu lachen. Teela kicherte.
»Bei uns ist Geburtenkontrolle ein sehr schwieriges Problem. Für uns gibt es nur zwei Methoden, Nachkommen zu vermeiden. Entweder ein chirurgischer Eingriff oder völlige Enthaltsamkeit…«
Teela war schockiert. »Aber das ist ja entsetzlich!«
»Es ist ein Handikap. Verstehen Sie mich nicht falsch. Der chirurgische Eingriff ist kein Ersatz für Abstinenz — er erzwingt sie. Heutzutage ist der Prozeß reversibel; in der Vergangenheit war das unmöglich. Nur wenige meiner Artgenossen würden sich freiwillig einer derartigen Operation unterziehen.«
Louis pfiff. »Kann ich mir denken. Also hängt Ihre Geburtenkontrolle von Willenskraft ab?«
»Ja. Abstinenz hat unangenehme Nebenerscheinungen, bei uns genauso wie bei den meisten Lebewesen. Das Resultat war traditionellerweise Überbevölkerung. Vor einer halben Million Jahre zählte unsere Bevölkerung nach Ihrem menschlichen Zahlensystem noch fünfhundert Milliarden. Nach dem Zahlensystem der Kzinti…«
»Ich bin ganz gut in Mathematik«, entgegnete der Kzin. »Mir scheint allerdings, daß Ihre Probleme nichts mit Ihrer ungewöhnlichen Raumflotte zu tun haben.« Es war eine Feststellung, keine Frage. Der-zu-den-Tieren-spricht hatte sich aus der Erfrischungskonsole eine zweihändige Kanne in Kzinti-Design gezogen, die gut eineinhalb Liter faßte.
»Doch, das haben sie, Sprecher-zu-den-Tieren. Eine halbe Billion zivilisierter Wesen erzeugen viel Wärme als Abfallprodukt ihrer Zivilisation.«
»Ist Ihre Zivilisation denn schon so alt?« fragte Louis.
»Sicher. Welche primitive Kultur könnte eine so große Bevölkerung ernähren? Das Ackerland war uns schon lange ausgegangen, und wir waren gezwungen, zwei Planeten unseres Sonnensystems landwirtschaftlich zu terraformieren. Dazu mußten wir diese Planeten in eine sonnennähere Kreisbahn schieben. Sie verstehen?«
»Ihre ersten Erfahrungen im Rangieren von Planeten. Ich nehme an, Sie setzten robotergesteuerte Schiffe ein?«
»Natürlich… Das Problem der Nahrungsmittelerzeugung war damit gelöst. Auch Lebensraum war kein Problem. Wir bauten schon damals in die Höhe, und wir lieben Gesellschaft.«
»Herdeninstinkt, wie? Ist das der Grund, warum dieses Schiff wie eine Herde Puppenspieler riecht?«
»Ja, Louis. Es ist beruhigend, wenn wir unseresgleichen riechen können. Unser einziges ungelöstes Problem war zur damaligen Zeit die Wärme.«
»Wärme?«
»Wärme als Abfallprodukt der Zivilisation.«
»Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht.
Louis als Flatlander verstand um so besser, doch er verkniff sich einen Kommentar. (Die Erde war sehr viel dichter besiedelt als Kzin.)
»Ein Beispiel. Sie würden sich doch nachts sicher eine Lichtquelle wünschen, nicht wahr, Sprecher-zu-den-Tieren? Ohne Licht müßten Sie schlafen, auch wenn Sie Besseres zu tun hätten.«
»Licht ist elementar.«
»Nehmen wir einmal an, Sie besäßen eine perfekte Lichtquelle, das heißt, sie strahlt nur in einem Spektrum, das für Kzinti sichtbar ist. Trotzdem wird alles Licht, das nicht durch die Fenster ins Freie entweicht, von Wänden und Möbeln absorbiert. Es wird in Wärme umgewandelt.
Ein anderes Beispiel. Die Erde erzeugt nicht genügend Frischwasser für ihre achtzehn Milliarden Bewohner. Meerwasser muß destilliert werden. Dabei fällt Wärme an. Unsere Welt, die noch viel dichter besiedelt ist, würde zugrunde gehen, wenn die Destillationsanlagen nur einen Tag stillstehen.
Ein drittes Beispiel. Fortbewegung involviert Änderungen in der Geschwindigkeit, die stets Abwärme produzieren. Raumschiffe, mit Getreide von den Agrarwelten beladen, produzieren Hitze beim Wiedereintritt und verteilen sie weitläufig in der Atmosphäre. Beim Start wird noch mehr Wärme frei.«
»Aber die Kühlsysteme…«
»Die meisten Kühlsysteme pumpen nur Wärme umher und produzieren dabei noch mehr Wärme, weil sie Energie benötigen.«
»Ich beginne zu verstehen. Je mehr Puppenspieler, desto mehr Wärme wird erzeugt.«
»Begreifen Sie dann auch, daß die Wärmeproduktion unserer Zivilisation unsere Welt unbewohnbar zu machen drohte?«
Smog, dachte Louis Wu. Verbrennungsmotoren. Atombomben und Fusionsraketen in der Atmosphäre. Industrieabfälle in Seen und Meeren. Oft genug standen wir dicht davor, in unserem eigenen Müll zu ersticken. Würde die Erde auch an unserer Abwärme ersticken, wenn wir keine Geburtenkontrolle hätten?
»Unglaublich«, fauchte Der-zu-den-Tieren-spricht. »Warum haben Sie Ihre Welt nicht verlassen?«
»Wer setzt sein Leben schon freiwillig den zahlreichen Gefahren des Alls aus? Nur ein Verrückter wie ich! Sollten unsere Kolonien von Verrückten besiedelt werden?«
»Sie könnten Raumschiffe mit tiefgefrorenen befruchteten Eiern schicken. Lassen Sie die Verrückten die Schiffe steuern.«
»Diskussionen über Sex sind unangenehm. Unsere Biologie hat sich nie mit diesen Methoden befaßt. Zweifellos könnten wir etwas Entsprechendes entwickeln… aber wozu? Unsere Bevölkerung bliebe dieselbe, und unser Heimatplanet würde immer noch an seiner eigenen Hitze ersticken.«
»Ich möchte die Sterne sehen«, unterbrach Teela zusammenhanglos.
»Sind Sie sicher?« erkundigte sich der Puppenspieler erstaunt. »Haben Sie denn keine Angst?«
»In einem Schiff der Puppenspieler?«
»Nun ja. Die Gefahr wird nicht größer, nur weil wir nach draußen sehen. Also gut.« Nessus flötete musikalisch in seiner eigenen Sprache, und das Schiff verschwand.
Sie schwebten auf vier Liegen im Nichts, in der Mitte die Erfrischungskonsole. Alles andere war schwarzes All, bis auf fünf Welten, die hinter Teelas dunklem Haar prachtvoll schimmerten.
Sie waren alle gleich groß: vielleicht doppelt so groß wie der irdische Vollmond, und sie bildeten ein Pentagramm. Vier der Welten wurden von Ketten aus winzigen, gleißenden Lichtern umkreist — von Sonnensatelliten, die künstliches gelb-weißes Licht abstrahlten. Die vier Welten glichen sich auch in Farbe und Aussehen: wolkenverhangene blaue Kugeln, deren Kontinente auf diese Entfernung nicht zu erkennen waren.
Die fünfte Welt besaß keine künstlichen Sonnen. Sie erglühte im eigenen Licht. Ihre Kontinente leuchteten in den Farben von Sonnenlicht. Zwischen den hellen Flecken der Kontinente herrschte eine Schwärze wie das umgebende All und diese Schwärze war genau wie das umgebende All mit Sternen durchsetzt.
»Ich habe noch nie etwas so Schönes gesehen«, sagte Teela ehrfürchtig. Louis, der in seinem Leben weit herumgekommen war, neigte dazu, ihr zuzustimmen.
»Unglaublich«, fauchte der Kzin. »Ich kann es nicht glauben! Sie haben Ihre Welten mitgenommen!«
»Puppenspieler vertrauen keinen Raumschiffen«, murmelte Louis geistesabwesend. Er dankte seinem Schicksal, daß er das sehen durfte, und daß Nessus ausgerechnet ihn ausgewählt hatte. Sonst wäre er vielleicht gestorben, ohne auch nur etwas von der PuppenspielerRosette zu ahnen.
»Wie haben Sie das…?« flüsterte Teela.
»Ich hatte bereits erklärt, daß unsere Zivilisation an ihrer eigenen Wärme zu ersticken drohte«, nahm Nessus den Faden wieder auf. »Die völlige Umwandlung von Energie hatte uns von allen Abfallprodukten der Zivilisation befreit, bis auf dieses. Uns blieb keine andere Wahl, als unsere Welt in eine höhere Umlaufbahn um die Sonne zu schieben.«
»War das nicht gefährlich?«
»Und ob! In jenem Jahr wurden viele wahnsinnig, und deshalb ist es als denkwürdig in unsere Geschichte eingegangen. Wir hatten einen reaktionslosen, trägheitsfreien Antrieb von den Outsidern gekauft. Sie können sich vorstellen, welchen Preis sie verlangten. Wir zahlen heute noch Raten.
Wir hatten zwei Landwirtschaftsplaneten bewegt, und wir hatten Erfahrungen mit anderen, für unser System nutzlosen Welten gesammelt, an denen wir den Antrieb der Outsider testeten.
Jedenfalls schafften wir es. Wir bewegten unsere Welt.
In späteren Jahrtausenden erreichte unsere Bevölkerung die Zahl von einer Billion. Der Mangel an natürlichem Sonnenlicht hatte uns gezwungen, unsere Straßen auch während des Tages zu beleuchten. So erzeugten wir noch mehr Wärme. Unsere Sonne fing an, verrückt zu spielen.
Kurz und gut, wir mußten erkennen, daß die Sonne eher eine Belastung als einen Segen darstellte. Wir schoben unsere Welt ein Zehntel Lichtjahr nach draußen und benutzten die Sonne nur noch als Massenanker. Wir brauchten unsere Landwirtschaftsplaneten, und es wäre zu gefährlich gewesen, unsere Welt aufs Geratewohl durch das All wandern zu lassen. Sonst hätten wir schon damals überhaupt keine Sonne mehr benötigt.«
»So«, sagte Louis Wu. »Das ist also der Grund, warum bisher niemand die Welt der Pierson-Puppenspieler entdeckt hat.«
»Zumindest einer der Gründe.«
»Wir suchten sämtliche gelben Sonnen im Bekannten Weltraum ab und zusätzlich eine ganze Reihe außerhalb davon. Warten Sie, Nessus. Irgend jemand hätte Ihre Landwirtschaftsplaneten entdecken müssen! In einer Kemplerer-Rosette.«
»Louis, Sie haben die falschen Sonnen abgesucht.«
»Was? Sie entstammen zweifellos einem System mit einer gelben Sonne!«
»Stimmt. Unsere Spezies entwickelte sich unter einer gelben Sonne ähnlich Procyon. Aber wie Sie sicherlich wissen, wird Procyon in ungefähr einer halben Million Jahren zu einem roten Riesen expandieren.«
»Finagles schwere Hand! Ist Ihre Sonne etwa zu einem roten Riesen geworden?«
»Ja. Kurz nachdem wir unsere Welt auf der höheren Umlaufbahn geparkt hatten, fing unsere Sonne an sich auszudehnen. Ihre Vorfahren, Louis, benutzten noch die Oberschenkelknochen von Antilopen, um sich gegenseitig die Köpfe einzuschlagen. Als Menschen anfingen nachzudenken, wo unsere Welt sein könnte, suchten sie die falschen Umlaufbahnen um die falschen Sonnen ab.
Inzwischen hatten wir geeignete Planeten aus benachbarten Sonnensystemen herangeschafft und die Zahl unserer Landwirtschaftswelten auf vier erhöht. Wir setzten sie zu einer Kemplerer-Rosette zusammen. Wir mußten alle Planeten gleichzeitig bewegen, als unsere Sonne sich auszudehnen begann, und sie mit ultravioletten Strahlungsquellen umgeben, um das ins Rote verschobene Sonnenspektrum auszugleichen. Sie können sich vorstellen, daß wir bestens auf unsere Völkerwanderung vorbereitet waren, als vor zweihundert Jahren der Zeitpunkt gekommen war, die Galaxis zu verlassen.«
Die Rosette der fünf Welten war inzwischen immer größer geworden. Jetzt leuchtete die Heimatwelt der Pierson-Puppenspieler unter ihren Füßen und wuchs und wuchs, als wollte sie die Besucher verschlingen. Die verstreuten Sterne in den schwarzen Meeren zwischen den Kontinenten hatten sich zu einem glitzernden Schwärm kleiner Inseln ausgedehnt. Die Kontinente strahlten hell wie Sonnen.
Vor langer Zeit hatte Louis am Rand des endlosen Abgrunds von Mount Lookitthat gestanden. Der Long Fall River dieser Welt endete dort im größten Wasserfall des Bekannten Weltraums. Louis’ Augen waren ihm nach unten gefolgt, so weit sie den Dunst des Nichts hatten durchdringen können. Das formlose Weiß des Nebels selbst hatte an seinem Verstand gezerrt, und halb hypnotisiert hatte sich Louis Wu geschworen, ewig zu leben. Wie sonst konnte er alles sehen, was es im Universum zu sehen gab?
Jetzt bestätigte sich diese Entscheidung wieder einmal. Die Welt der Puppenspieler wuchs unter seinen Füßen heran.
»Ich bin überwältigt«, sagte Der-zu-den-Tieren-spricht. Der nackte rosa Schweif zuckte aufgeregt, obwohl das pelzige Gesicht und die rauhe Stimme keine Emotionen verrieten. »Ihr Mangel an Mut hatte unsere Verachtung verdient, Nessus, aber unsere Verachtung hat uns blind gemacht. Die Pierson-Puppenspieler sind tatsächlich gefährlich. Hättet ihr uns genug gefürchtet, ihr hättet unser Volk ausgelöscht. Eure Macht ist furchtbar. Wir hätten euch nichts entgegensetzen können!«
»Ein Kzin wird sich doch nicht vor einem Blätteresser fürchten?«
Nessus hatte den Kzin nicht verspotten wollen, doch Der-zu-denTieren-spricht reagierte wütend. »Welches intelligente Wesen würde sich nicht vor solch gewaltiger Macht fürchten?«
»Sie machen mich besorgt. Furcht ist die Schwester des Hasses. Ein Kzin pflegt doch alles anzugreifen, was er fürchtet?«
Die Unterhaltung wurde brenzlig. Die Long Shot befand sich Millionen von Meilen hinter ihnen, und der Bekannte Weltraum lag Hunderte von Lichtjahren entfernt. Sie waren in den Händen der Puppenspieler. Und wenn die Puppenspieler meinten, sich vor ihnen fürchten zu müssen…
Ein anderes Thema, schnell! dachte Louis.
»He!« sagte Teela. »Ihr redet andauernd von Kemplerer-Rosetten. Was ist eine Kemplerer-Rosette?«
Die beiden setzten gleichzeitig zu Erklärungen an, und Louis fragte sich, warum er Teela für oberflächlich gehalten hatte.