7. Kapitel



Die erste ungewöhnliche Begebenheit, die ihm als Kind widerfahren war und an die er sich am besten erinnern konnte, hatte sich einige Tage nach seinem vierten Geburtstag ereignet. Seine Eltern arbeiteten damals zu Hause an in getrennten Räumen stehenden Terminals und waren sich sicher, nicht gestört zu werden, weil jeder vom anderen glaubte, er würde auf Hewlitt aufpassen. Deshalb gingen beide davon aus, daß ihr Sprößling sein Zimmer nicht unbeobachtet verlassen könnte.


Normalerweise hätte es damit auch keine Probleme gegeben, denn er war an seinem eigenen kleinen Computerterminal viel zu beschäftigt, um auf dumme Gedanken zu kommen. Er experimentierte mit dem Malprogramm und dem neuesten Bildungsabenteuerspiel, das er zum Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Doch an jenem Tag war er unruhig und gelangweilt, denn der Lerninhalt des Spiels nahm überhand und behinderte die Abenteuerlust, und das hohe, weit offen stehende Zimmerfenster verhieß weit unterhaltsamere Dinge zu versprechen, die man im Garten treiben könnte.


Unglücklicherweise waren seine Eltern von zwei weiteren falschen Voraussetzungen ausgegangen: erstens, daß er nicht aus dem Fenster klettern würde, weil er so etwas noch nie zuvor getan hatte, und zweitens, daß ihr Garten, falls er es dennoch ausprobieren sollte, außerdem einen kindersicheren Zaun hatte.


Hinter dem Gartenzaun war die Welt sehr aufregend und, was er zu jenem Zeitpunkt noch nicht wußte, zudem sehr gefährlich. Die ganze Gegend war durch eine große Schlacht im Bürgerkrieg verwüstet worden, der einst ausgelöst worden war, als die aufbegehrende Planetenbevölkerung die Regierung stürzen wollte, die einen interplanetarischen Krieg geführt und verloren hatte. Die bewußt irregeleitete Bevölkerung hatte einen solchen Krieg, bei dem etliche Einheimische während der Schlachten verletzt oder gar getötet worden waren, niemals gewollt.Nachdem man die Gegend mit Sensoren abgesucht und alle scharfen Geschütze und einsatzfähigen Kriegsfahrzeuge entfernt hatte, waren einige der zertrümmerten Häuser von außerplanetarischen Beratern und Wiederaufbauspezialisten, zu denen auch Hewlitts Eltern gehörten, instandgesetzt und bezogen worden. Die kaputten und vor sich hin rostenden Überreste hatte man einfach an Ort und Stelle stehen- und liegenlassen. Wie die Häuserruinen waren sie nicht nur rasch von den wildwachsenden Pflanzen erobert worden, die am Ende stets die Sieger aller Kriege sind, sondern auch von einem kleinem Jungen.


Er stapfte durch das anscheinend allgegenwärtige hohe Gras und wanderte fröhlich zwischen den Bäumen und Sträuchern umher, stieg über Pflastersteine und erkundete schließlich eine der Ruinen, in der sich kleine Pelztiere befanden, die vor ihm davonliefen. Doch eins mit einem langen, dicken Schwanz kletterte in die Dachbalken und zischte und fauchte ihn so lange an, bis er sich lieber verdrückte. Stets achtete er darauf, die renovierten Häuser zu meiden, weil diese möglicherweise nicht von Terrestriern bewohnt wurden. Bei dem einzigen Spaziergang, auf den er von seinen Eltern auch außerhalb des Gartens mitgenommen worden war, hatten sie ihm nämlich erzählt, daß in der Nachbarschaft extraterrestrische Familien wohnen würden, deren Nachwuchs beim Spielen mit Kindern anderer Spezies unberechenbare und vielleicht sogar gefährliche Dinge anstellen könnte, ohne ihn dabei absichtlich verletzen zu wollen.


Es war nicht nötig, ihn an den Vorfall zu erinnern, als er beim Schwimmenlernen im gemeinschaftlichen Freibad von einem melfanischen Kind in seinem Alter, das ihn auch für ein amphibisches Wesen gehalten hatte, zum Spielen auf den Grund gezogen worden war. Seitdem hatte Hewlitt vor Extraterrestriern gehörige Angst, ganz unabhängig davon, welche Gestalt oder Größe sie hatten, und er sah sich vor, unter keinen Umständen in ihre Nähe zu gelangen.


Außerdem gab es sowieso viel aufregendere Orte zu erforschen als die Gärten anderer Leute, in denen womöglich freche extraterrestrische Kinder spielten. Überall um ihn herum waren die Umrisse der herumliegendenPanzerfahrzeuge zu erkennen, die unter dem saftigen Grün rostrot glänzten. Einige davon sahen sogar so aus, als ob sie überhaupt nicht kaputt wären und jeden Augenblick losfahren könnten, wohingegen andere auf die Seite gekippt waren und eins sogar verkehrt herum lag. Bei den meisten Fahrzeugen standen oder hingen die Türen offen, und in einigen befanden sich Löcher, die größer als die Türen selbst waren, doch die Kanten waren scharf und hätten ihm beim Hineinklettern das Hemd zerrissen. Bei einem Panzer hing das Kanonenrohr sogar tief genug herab, um sich daran hinaufzuschwingen. Eine der Ketten war gerissen und lag wie ein schmaler Rostteppich auf dem Boden, durch den sich Gras und Blumen ans Sonnenlicht gekämpft hatten. Die kleinen Tiere, die sich in einigen der Fahrzeuge versteckt hielten, sausten jedesmal davon, wenn er hineinkletterte. Aus einem anderen Panzer drang der Klang von Insekten hervor, und er wußte ganz genau, daß er beim Erkunden dieses Wracks gestochen werden könnte. Dann entdeckte er ein Fahrzeug, das weder von Insekten noch von Tieren bewohnt war. Durch die offenen Luken fiel genug Sonnenlicht herein, um einen Schalensitz, ein gegenüber befindliches Schaltpult und einige Bildschirme erkennen zu können. Der Fahrersitz war weich und schmutzig und viel zu groß für ihn, so daß er sich auf die Kante setzen mußte, um an die Schalthebel zu gelangen. Mit Ausnahme der von klebrigem Staub bedeckten Plastikschalter war alles rostig. Um erkennen zu können, welche Farbe sie hatten, mußte er die Schalter mit den Fingern abreiben. Weder Staub und Rost, die sich mittlerweile über Hemd und Hose verteilt hatten, noch der vor ihm befindliche defekte Hauptbildschirm konnten ihn daran hindern, mit diesem Panzer Schlachten zu führen.


Einst war dieses Gefährt eine echte Kampfmaschine mit einem richtigen Soldaten darin gewesen, und in Hewlitts Phantasie füllte sich der Bildschirm mit grellen Bildern von feindlichen Panzern und Flugzeugen, die noch greller explodierten, sobald sie ihn angriffen, denn sein Gefährt war ein ganz besonderer Geheimpanzer, mit dem er unbesiegbar war. Zwar hörte er seine Eltern des öfteren über die Zeiten reden, als solche Schlachten tatsächlich stattgefunden hatten, doch fanden sie diese weder aufregend noch interessant und verhielten sich stets so, als ob sämtliche Beteiligtennicht ganz bei Verstand gewesen wären.


Dennoch ließ er sich davon nicht beirren und schoß im Moment auf alles, was er sich in seiner Phantasie vorstellen konnte – Sturzkampfbomber, angreifende Raumschiffe oder auch furchterregende außerirdische Soldaten, die zwischen den Bäumen auftauchten und ihn bedrohten. Von lautem Gebrüll begleitet, schoß er sie vom Himmel ab oder machte sämtliche Feinde im allerletzten Augenblick zunichte. Seine Eltern waren nicht da, um ihm das Kampfgeschrei zu verbieten und ihn wie sonst üblich zu ermahnen, daß man nicht einmal in der Phantasie auf andere Wesen schießen dürfe, da es sich selbst bei den furchterregendsten Monstern stets um Lebewesen handle.


Zwar zeigten seine Eltern durchaus Verständnis dafür, daß er einige extraterrestrische Nachbarn tatsächlich als solche furchterregenden Monster empfand, doch hatten sie ihm auch erklärt, daß Aliens schnell beleidigt reagieren und eventuell sogar nie wiederkommen könnten, falls sie ihn zu Hause am Computer beim Abschießen von Wesen beobachten sollten, die womöglich wie sie selbst aussahen. Erwachsene schienen überhaupt keinen Spaß zu verstehen.


Allmählich gingen ihm die imaginären Feinde aus, die er hätte zerstören können. Die Sonne schien nicht mehr in das Fahrzeug hinein, und das rostige Metall sah schon fast schwarz anstatt rot aus. Es war zwar albern, aber als er sich darüber Gedanken zu machen begann, was das Wesen, das den Panzer einst gefahren hatte, mit ihm anstellen könnte, wenn es zurückkommen und ihn hier drinnen beim Spielen ertappen würde, kletterte er so schnell hinaus, daß er sich nun auch noch die Hose zerriß.


Die Sonne war hinter den Bäumen bereits untergegangen, doch der Himmel war blau und klar, und es war immer noch hell genug. Allerdings konnte er in der Nähe nichts entdecken, was er hätte erforschen wollen, und außerdem bekam er allmählich Hunger. Es war Zeit für ihn, wieder nach Hause zu gehen, sich in sein Zimmer zurückzuschleichen und etwas zu essen, doch konnte er nichts als Bäume und hohes Gras um sich herum sehen.Als er auf das Dach des größten Fahrzeugs stieg, das er entdecken konnte, hatte er eine bessere Sicht. Nicht weit entfernt stand am Rand einer tiefen Schlucht ein großer Baum mit vielen dicken, blättrigen Ästen, die knapp über dem Boden wuchsen, und mit einem Haufen dünnerer Zweige, die fast bis zur Baumkrone reichten und an denen Früchte hingen. Von dort oben müßte er das Haus sehen können.


Das Hinaufklettern war wieder einmal ein Abenteuer nach seinem Geschmack; dieses Mal war es jedoch ein echtes und kein ausgedachtes. Er war nicht ängstlich, nur hungrig und mutterseelenallein, und er wollte sehen, wo sein Zuhause war, damit er dieses Spiel beenden, zurücklaufen und endlich etwas essen konnte. Während er höher kletterte, konnte er durch die Zweige hindurch auf den Boden der Schlucht sehen, wo noch mehr rostrote Wracks zu .erkennen waren, zu denen auch ein riesiges, rundes Gefährt gehörte, das sich direkt unter ihm befand. Dann stieg er ins Sonnenlicht hinauf, so daß er geblendet wurde und die Schlucht nur noch dunkel und verschwommen wahrnahm.


Immer noch konnte er keine Häuser erkennen, weil ihm nun anstelle des hohen Grases kleinere Bäume die Sicht versperrten, also kletterte er noch höher. Als er an das Ende eines Zweiges griff, an dem Früchte hingen, sah er plötzlich sein Zuhause. Zu seinem Erstaunen war das Haus ein ganzes Stück näher, als er es erwartet hatte, und auf halbem Weg befand sich ein Wegweiser in der Form eines kleinen Baums mit sonderbar gewundenen Zweigen. Seine Arme und Beine wurden jedoch immer müder, ihm war heiß, und er hatte Hunger und Durst, und diese Früchte hingen direkt über ihm und wippten sanft im Wind, der gerade eingesetzt hatte und durch die oberen Zweige blies.


Nach seinem Dafürhalten stand ihm am Ende eines großen Abenteuers eine Belohnung zu, und diese Früchte sollten es sein.


Der Ast, auf dem er saß, war dick und stark, und einer der Ausleger befand sich in Reichweite einer Fruchttraube. Plötzlich war Hewlitt nicht mehr müde. Er krabbelte auf dem Ast entlang und griff dabei vorsichtig nach den daran wachsenden Zweigen, um einen besseren Halt zu haben.Die Sonne ging immer weiter hinter den Bäumen unter, so daß die niedrigeren Äste und Zweige unter ihm nur noch schwer zu erkennen waren und sich die Schlucht als ein dunkelgrüner, verschwommener Fleck darstellte. Als die Fruchttraube beinahe seinen Kopf berührte, blickte er nicht mehr nach unten, und während er versuchte, eine der Früchte abzureißen, zerquetschte er sie versehentlich. Mit der zweiten war er vorsichtiger, und sie löste sich in einem Stück.


Die Frucht sah wie eine große Birne aus, doch keine der Birnen, die er auf Videobändern über die Erdvegetation gesehen hatte, hatte dunkelgrüne und gelbe Streifen, die senkrecht vom Stengel bis zum breiten Ende verliefen. Durch das Zerquetschen der einen Frucht wußte er bereits, daß sie mit Saft gefüllt war, und diese war so schwer und matschig, daß sie sich wie ein mit Wasser gefüllter Luftballon anfühlte. Der Saft, der ihm über die Hand gelaufen war, begann zu trocknen, und Hewlitt beobachtete, wie der letzte feuchte Fleck auf dem Handgelenk verdunstete.


Er hatte immer noch Hunger, und er wollte etwas Festes essen, andererseits hatte er nach all der Kletterei auch viel Durst, so daß ein kaltes Fruchtsaftgetränk auch nicht zu verachten gewesen wäre. Also klammerte er sich nur mit den Beinen am Ast fest und nahm die Frucht in beide Hände.


Der Saft hatte einen komischen Geschmack, weder gut noch widerlich. Da sich Hewlitt nicht schmutzig machen wollte, biß er ein kleines Loch in die Haut und saugte die Frucht leer. Als er mit den Fingern das Loch erweitern wollte, brach die Schale entlang einer der grün-gelben Linien auf, und er entdeckte, daß sie innen noch gar nicht leer war. Neben dem Saft befand sich darin eine gelbe, schwammige Masse, die in der Mitte schwarze Kerne enthielt. Während er den Inhalt aß, spuckte er die Kerne aus, weil sie auf der Zunge brannten. Das Fruchtfleisch schmeckte zwar genauso wie der Saft, füllte aber seinen Magen besser aus.


Noch während er darüber nachdachte, ob er die Frucht mochte oder nicht und ob er noch eine weitere essen sollte, bekam er in regelmäßigen Abständen Magenschmerzen, die von Mal zu Mal schlimmer wurden.


Zum ersten Mal, seit er das Haus verlassen hatte, bekam er es mit derAngst und wollte heim. Er begann rückwärts auf dem Zweig in Richtung des Baumstamms zu rutschen, um von dort aus nach unten zu klettern, aber die Magenschmerzen waren inzwischen so schlimm, daß er laut aufschrie und weinen mußte, und wegen der vielen Tränen konnte er kaum sehen, was er tat. Dann spürte er einen solch stechenden Schmerz, daß er sich instinktiv mit beiden Händen an den Bauch faßte und seitlich abrutschte. Für einen Augenblick hing er kopfüber am Ast, denn mit den Beinen klammerten er sich noch immer fest darum. Als er jedoch versuchte, sich wieder nach oben zu ziehen, wurden die Schmerzen so stark, daß er an nichts anderes mehr denken konnte. Er ließ los und fiel hinunter.


Er sah, wie sonnige und schattige Blätter an ihm vorbeipeitschten, und fühlte, wie ihm Zweige gegen Rücken, Arme und Beine schlugen. Dann war es für einen kurzen Moment völlig still und dunkel. Er wußte erst wieder, wo er war, als er auf den steilen Hang der Schlucht aufschlug und weiter nach unten rollte. Auf einmal taten ihm Arme, Beine und Rücken genauso weh wie sein Magen. Dann schlug er mit der rechten Schläfe und Körperseite gegen etwas, das unter seinem Gewicht zerbrach, und auf einmal waren seine Bauchschmerzen und alles andere um ihn herum verschwunden.


Beim Klang vieler Stimmen, von denen zwei zu seinen Eltern gehörten, und beim Scheinwerferlicht, das ringsherum die Schlucht bis auf den Grund beleuchtete, erwachte er wieder. In dem Lichtstrahl konnte er einen Erwachsenen erkennen, der eine Monitorkorpsuniform trug und mit einem Antischwerkraftgürtel zu ihm herabschwebte. Seine Eltern und einige Leute anderer Spezies kletterten auf Händen und Füßen oder was auch immer den Hang herunter.


Der Monitoroffizier landete direkt neben ihm, kniete sich hin und sagte: »Na prima, junger Mann, du bist also bei Bewußtsein, wie? Was hast du bloß angestellt? Aber erst mal sag mir, wo's weh tut.«


»Im Moment tut nichts weh«, antwortete Hewlitt, wobei er mit einen Hand gegen die Magengrube drückte und dann die Schläfe abtastete. »Es tut nirgendwo weh.«»Sehr schön«, sagte der Mann und holte aus einem Beutel, den er an der Schulter trug, ein flaches Gerät hervor, das auf einer Seite einen kleinen leuchtenden Bildschirm hatte, und bewegte es langsam über Hewlitts Kopf, Gliedmaßen und Körper.


»Ich habe ein paar Früchte von dem Baum dort oben gegessen«, berichtete Hewlitt. »Davon habe ich schreckliche Bauchschmerzen bekommen und bin dann vom Ast gefallen.«


»Das ist aber ein sehr großer Baum«, sagte der Mann in demselben Ton, den sein Vater immer anschlug, wenn er glaubte, Hewlitt würde ihm ein Lügenmärchen auftischen. »Nimm deine Hände wieder runter, und beweg dich nicht, bis ich mit der Untersuchung fertig bin. Bist du nach dem Sturz irgendwann einmal eingeschlafen?«


»Ja, aber ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen habe. Als ich runterfiel, ging die Sonne gerade unter. Sie haben mich aufgeweckt.«


»Bewußtlos für vier, vielleicht fünf Stunden«, murmelte der Mann mit besorgter Stimme. »Wenn ich dir jetzt beim Hinsetzen helfe, sag mir, ob irgend etwas weh tut, in Ordnung? Ich möchte deinen Kopf scannen.«


Dieses Mal bewegte der Monitoroffizier den Scanner sehr langsam über das ganz Gesicht, an den Schläfen entlang bis zum Hinterkopf und über den Nacken. Dann packte er das Gerät wieder in den Beutel und stand auf. Bevor Hewlitt noch etwas sagen konnte, waren bereits seine Eltern eingetroffen. Seine Mutter kniete neben ihm nieder und nahm ihn so fest in beide Arme, daß er kaum noch Luft bekam, und sie schluchzte vor Erleichterung, während sein Vater dem Mann mit der Uniform Fragen stellte.


»Der junge Mann hat sehr viel Glück gehabt«, hörte Hewlitt den Monitorarzt leise antworten. »Wie Sie sehen können, ist seine Kleidung zwar völlig zerfetzt, wahrscheinlich vom Spielen inmitten des Kriegsschrotts und von der langen Strecke, die er hier in die Schlucht hinuntergerutscht ist, aber ansonsten hat er keinen Kratzer abbekommen. Er hat mir erzählt, daß er etwas Obst von dem Pessinithbaum dort oben gegessen und davonMagenkrämpfe bekommen habe. Dann sei er vom Baum runtergefallen und seit Sonnenuntergang bewußtlos gewesen. Nun, es ist zwar nicht meine Art, mich mit einem Kind zu streiten, das übermäßig viel Phantasie besitzt, aber die Tatsachen stellen sich wohl doch anders dar. Die Magenverstimmung ist verschwunden, und ein Sturz aus der Baumkrone hätte Schnittwunden, Prellungen, Brüche und eine Gehirnerschütterung zur Folge haben müssen, aber seine Haut ist nicht einmal abgeschürft. Eine vier- bis fünfstündige Bewußtlosigkeit müßte irgendwelche traumatischen Folgen haben, die ich aber nicht feststellen konnte.


Vom Zustand der Kleidung her«, fuhr der Monitor fort, »würde ich sagen, daß er zwischen den Wracks so lange gespielt hat, bis er völlig übermüdet war und einfach eingeschlafen ist, als er hier hinunterklettern wollte. Durch die Magenschmerzen und den angeblichen Sturz möchte er wahrscheinlich nur an ihr Mitleid appellieren, um so vom elterlichen Zorn abzulenken.«


Seine Mutter hörte auf zu weinen und fragte Hewlitt, ob ihm wirklich nichts fehle, dennoch hörte er dazwischen seinen Vater sagen, daß sie viel zu froh seien, ihn heil und gesund wiedergefunden zu haben, als daß sie ihm Vorwürfe machen könnten.


»Manchmal machen sich Kinder nun mal selbständig und verirren sich dabei, doch häufig endet solch ein Abenteuer nicht so glücklich«, meinte der Monitor. »Wir werden Ihren Sohn lieber mit unserem G-Schlitten nach Hause transportieren, weil er noch immer etwas übermüdet sein könnte. Ich werde morgen bei Ihnen vorbeischauen und ihn noch einmal untersuchen, obwohl das eigentlich nicht notwendig ist, denn Ihr Kind ist in guter Verfassung. Sie haben einen sehr gesunden Jungen, und es fehlt ihm absolut nichts …«


Das warme Gefühl durch die Umarmung seiner Mutter, der Anblick der lichtdurchfluteten Schlucht und der enorm gesprächige Monitorarzt verschwanden und wurden durch die vertraute Umgebung von Station sieben und einen anderen Monitoroffizier ersetzt, der ihn schweigend anschaute.



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