7

Henri Waiden trägt Wildlederpantoffeln mit Vliesfutter, die auf dem Teppich kein Geräusch erzeugen, als sie wie eine schwarze Geistergestalt auf den hellbraunen Ohrensessel gegenüber dem Sofa zugleitet.

»Ich habe geduscht«, verkündet sie, kauert sich auf die Sesselkante und schlägt die schlanken Beine unter.

Kurz erhascht Benton den ihm absichtlich dargebotenen Blick auf junge Haut und die bleichen Einbuchtungen oben an den Oberschenkeln. Aber anders als die meisten Männer reagiert er nicht darauf.

»Ich habe dich mit jemandem reden hören«, meint sie.

»Das ist ein Problem«, entgegnet er und sieht ihr über den Brillenrand hinweg in die Augen. Wie vorhin liegt der Notizblock auf seinem Schoß, es sind weitere Einträge hinzugekommen, nämlich »schwarzer Ferrari« und »ohne Erlaubnis« und »wahrscheinlich ist ihr jemand vom Ausbildungslager aus gefolgt« und »Kontaktpunkt schwarzer Ferrari«.

»Ein Privatgespräch ist das, was der Name besagt«, meint er. »Also müssen wir wohl noch einmal über unsere Abmachung reden, Henri. Erinnerst du dich, wie die lautete?«

Sie zieht die Pantoffeln aus und lässt sie auf den Teppich fallen. Ihre zarten nackten Füße ruhen auf dem Sesselpolster, und als sie sich vorbeugt, um sie zu betrachten, klafft ihr roter Morgenmantel leicht auseinander. »Nein.« Ihre Stimme ist kaum zu hören, und sie schüttelt den Kopf.

»Ich weiß, dass du dich erinnerst, Henri.« Benton wiederholt häufig ihren Namen, um ihr vor Augen zu halten, wer sie ist, und um wieder persönlich zu machen, was entpersönlicht und bis zu einem gewissen Grade unwiederbringlich beschädigt wurde. »Wir haben Respekt vereinbart, schon vergessen?«

Sie beugt sich noch weiter vor und spielt an einem unlackierten Zehennagel herum; den Blick starr auf ihre Beschäftigung gerichtet, bietet sie ihm ihre Nacktheit unter dem Bademantel dar.

»Und zu Respekt gehört, seinen Mitmenschen eine Privatsphäre zuzugestehen. Und sich nicht aufdringlich zu entblößen«, fährt er ruhig fort. »Wir haben viel über Grenzen gesprochen. Wer anderen seine Nacktheit aufdrängt, verletzt ihre Grenzen.«

Ihre freie Hand kriecht zur Brust hinauf und zieht den Bademantel zusammen, während sie weiter ihre Zehen betrachtet und an ihnen herumspielt. »Ich bin eben erst aufgestanden«, erwidert sie, als wäre das eine Erklärung für ihren Exhibitionismus.

»Danke, Henri.« Es ist wichtig für sie zu glauben, dass Benton sie nicht sexuell begehrt, nicht einmal in seinen Phantasien. »Aber du bist nicht eben erst aufgestanden. Du bist aufgestanden, reingekommen, wir haben geredet, und dann hast du geduscht.«

»Ich heiße nicht Henri«, sagt sie.

»Wie soll ich dich sonst nennen?«

»Gar nicht.«

»Du hast zwei Namen«, spricht er weiter. »Du hast den Namen, den du bei deiner Geburt bekommen hast, und den, den du als Schauspielerin benutzt hast und immer noch benutzt.«

»Gut, dann bin ich eben Henri«, gibt sie nach und betrachtet ihre Zehen.

»Also nenne ich dich Henri.«

Sie nickt und schaut unverwandt ihre Zehen an. »Wie nennst du sie?«

Benton weiß, wen sie meint, aber er antwortet nicht.

»Du schläfst mit ihr. Lucy hat mir alles darüber erzählt.« Sie betont das Wort alles.

Benton spürt, wie kurz Wut in ihm aufsteigt, doch er lässt es sich nicht anmerken. Lucy hätte Henri nie alles über seine Beziehung mit Scarpetta verraten. Henri will ihn wieder provozieren und seine Grenzen austesten. Nein, sie durchbricht sie sogar gewaltsam.

»Warum ist sie nicht hier bei dir?«, fragt sie. »Du hast doch Urlaub, oder? Und sie ist nicht hier. Viele Leute haben nach einer Weile keine Lust mehr auf Sex. Das ist der Grund, warum ich keine feste Beziehung will, wenigstens keine lange. Kein Sex. Die meisten Leute haben nach einem halben Jahr keinen Sex mehr. Sie ist nicht hier, weil ich hier bin.« Henri starrt ihn an.

»Das stimmt«, erwidert er. »Sie ist nicht hier, weil du hier bist, Henri.«

»Sie muss sauer gewesen sein, als du ihr gesagt hast, dass sie nicht kommen kann.«

»Sie versteht das«, entgegnet er, doch jetzt ist er nicht ganz ehrlich.

Scarpetta hat es einerseits verstanden, andererseits aber auch nicht. Du kannst im Moment nicht nach Aspen kommen, hat er ihr eröffnet, nachdem er Lucys panischen Anruf erhalten hatte. Ich fürchte, ich habe einen neuen Fall, um den ich mich kümmern muss.

Dann bleibst du also nicht in Aspen, hat Scarpetta gemutmaßt.

Ich darf über den Fall nicht sprechen, erwiderte er, und wie er annimmt, vermutet sie ihn zurzeit überall, nur nicht in Aspen.

Das ist wirklich unfair, Benton, hat sie erwidert. Ich habe diese beiden Wochen extra für uns freigehalten. Ich habe auch Fälle.

Bitte hab Geduld mit mir, antwortete er. Ich verspreche, dir später alles zu erklären.

Ausgerechnet jetzt, beklagte sie sich. Der Moment ist ausgesprochen ungünstig. Wir brauchen die Zeit für uns.

Damit hat sie Recht gehabt, und trotzdem sitzt er jetzt hier mit Henri zusammen. »Erzähl mir, was du letzte Nacht geträumt hast. Erinnerst du dich daran?«, wendet er sich jetzt an sie.

Ihre geschmeidigen Finger betasten ihre linke große Zehe, als wäre sie verletzt. Benton steht auf. Beiläufig nimmt er die Glock und durchquert das Wohnzimmer in Richtung Küche. Dort öffnet er einen Schrank, legt die Pistole in ein oberes Fach, nimmt zwei Tassen heraus und schenkt Kaffee ein. Er und Henri trinken ihn schwarz.

»Er ist vielleicht ein bisschen stark. Aber ich kann auch neuen kochen.« Mit diesen Worten setzt er ihre Tasse auf einem Beistelltisch ab und kehrt zu seinem Platz auf dem Sofa zurück. »Vorletzte Nacht hast du von einem Ungeheuer geträumt. Du hast es als ›die Bestie‹ bezeichnet, richtig?« Sein aufmerksamer Blick richtet sich auf ihre traurigen Augen. »Hast du das Ungeheuer letzte Nacht wieder gesehen?«

Sie antwortet nicht. Ihre Stimmung hat sich im Vergleich zu vorhin drastisch verändert. In der Dusche muss irgendetwas vorgefallen sein, doch damit wird er sich später befassen.

»Wir müssen nicht über das Ungeheuer sprechen, wenn du nicht möchtest, Henri. Aber je mehr du mir über den Mann erzählst, desto besser kann ich ihn finden. Du willst doch, dass ich ihn finde, oder?«

»Mit wem hast du vorhin telefoniert?«, fragt sie in derselben leisen Kinderstimme. Doch sie ist kein Kind und alles andere als unschuldig. »Du hast über mich geredet«, beharrt sie; der Gürtel ihres Morgenmantels lockert sich, und mehr nackte Haut ist zu sehen.

»Ich schwöre, ich habe nicht über dich geredet. Niemand weiß, dass du hier bist. Niemand außer Lucy und Rudy. Ich dachte, du vertraust mir, Henri.« Er hält inne und schaut sie an. »Ich dachte, du vertraust Lucy.«

Ihr Blick wird zornig, als sie Lucys Namen hört.

»Ich dachte, du vertraust uns, Henri«, fährt Benton fort. Er sitzt ruhig da, die Beine übereinander geschlagen und die Hände auf dem Schoß verschränkt. »Ich möchte, dass du dich richtig anziehst, Henri.«

Sie zupft ihren Morgenmantel zurecht, steckt ihn zwischen den Beinen fest und strafft den Gürtel. Benton weiß genau, wie ihr nackter Körper aussieht, aber er stellt ihn sich nicht vor. Er kennt die Fotos, und er wird sie sich erst wieder mit Kollegen anschauen. Irgendwann vielleicht auch mit ihr selbst, falls sie jemals dazu bereit sein wird. Im Augenblick hält sie – entweder absichtlich oder unabsichtlich – die Einzelheiten des Verbrechens zurück und gebärdet sich stattdessen in einer Art und Weise, die schwächere Menschen, die ihre Tricks nicht verstehen, entweder verführen oder ihnen den letzten Nerv rauben würde. Ihre unablässigen Versuche, Benton ins Bett zu kriegen, haben nicht nur einfach etwas mit Übertragung zu tun, sondern sind ein Beweis dafür, wie narzisstisch sie ist. Sie ist nur glücklich, wenn sie jeden Menschen, der es wagt, sie zu mögen, kontrollieren, beherrschen, demütigen und zerstören kann. Henris Verhalten und ihre Reaktionen haben ihre Wurzeln in Selbsthass und Wut.

»Warum hat Lucy mich weggeschickt?«, fragt sie.

»Kannst du mir das nicht selbst sagen? Warum erzählst du mir nicht, wieso du hier bist?«

»Weil …« Sie wischt sich mit dem Ärmel des Morgenmantels über die Augen. »Die Bestie.«

Benton hält seinen sicheren Posten auf dem Sofa und lässt sie nicht aus den Augen. Die Aufzeichnungen in seinem Notizblock sind von ihrem Platz aus nicht zu lesen und außerhalb ihrer Reichweite. Er drängt sie nicht zu sprechen und übt sich in Geduld wie ein Jäger im Wald, der reglos verharrt und atemlos abwartet.

»Die Bestie ist ins Haus gekommen. Ich erinnere mich nicht.«

Benton beobachtet sie schweigend.

»Lucy hat sie ins Haus gelassen.«

Benton hat zwar nicht vor, Druck auf sie auszuüben, doch Fehlinformationen und unverfrorene Lügen kann er nicht dulden. »Nein, Lucy hat sie nicht ins Haus gelassen«, verbessert er sie. »Niemand hat sie ins Haus gelassen. Die Bestie konnte eindringen, weil die Hintertür nicht verschlossen und die Alarmanlage nicht eingeschaltet war. Weißt du, warum?«

Sie starrt auf ihre Zehen. Ihre Hände bewegen sich nicht.

»Wir haben doch schon über den Grund gesprochen«, fährt er fort.

»Ich hatte die Grippe«, erwidert sie und fixiert eine andere Zehe. »Ich war krank, und sie war nicht zu Hause. Ich habe gefroren und bin deshalb raus in die Sonne gegangen und habe dann vergessen, die Tür abzuschließen und die Alarmanlage wieder einzuschalten. Ich habe nicht dran gedacht, weil ich Fieber hatte. Und jetzt gibt Lucy mir die Schuld.«

Benton trinkt einen Schluck Kaffee. »Hat Lucy gesagt, dass es deine Schuld ist?«

»Sie denkt es.« Jetzt schaut Henri an ihm vorbei aus den Fenstern hinter seinem Kopf. »Für sie bin immer nur ich schuld.«

»Mir hat sie nie gesagt, dass sie dir die Schuld gibt«, erwidert er. »Du wolltest mir doch von deinen Träumen erzählen«, kehrt er zum ursprünglichen Thema zurück. »Deinen Träumen von letzter Nacht.«

Sie blinzelt und reibt wieder ihre große Zehe.

»Hast du Schmerzen?«

Sie nickt.

»Das tut mir Leid. Soll ich dir was dagegen geben?«

Sie schüttelt den Kopf. »Das würde nichts nützen.«

Sie meint zwar nicht ihre rechte große Zehe, doch sie stellt eine Verbindung her; dazwischen, dass diese gebrochen ist, und dem Umstand, dass sie sich jetzt hier befindet, mehr als tausendfünfhundert Kilometer entfernt von Pompano Beach, Florida, wo sie beinahe ihr Leben verloren hätte. Henris Augen blitzen auf.

»Ich ging einen Pfad entlang«, beginnt sie. »Auf einer Seite waren Felsen, eine nackte Felswand ganz dicht am Weg. Sie hatte Risse, Risse zwischen den Steinen. Ich weiß nicht, warum, aber ich habe mich hineingequetscht und bin stecken geblieben.« Ihr Atem stockt, und als sie sich das blonde Haar aus dem Gesicht schiebt, zittert ihre Hand. »Ich klemmte zwischen den Felsen fest … Ich konnte mich nicht bewegen, ich konnte nicht atmen. Und ich konnte nicht raus. Niemand hat es geschafft, mich zu befreien. Beim Duschen ist mir der Traum wieder eingefallen. Das Wasser schlug mir ins Gesicht, und als ich die Luft angehalten habe, habe ich mich an den Traum erinnert.«

»Hat jemand versucht, dich rauszuholen?« Benton geht nicht auf ihre Angst ein und fällt auch kein Urteil darüber, ob sie echt oder nur gespielt ist. Er kann es nicht sagen. Es gibt so vieles, was er an ihr nicht versteht.

»Du hast gerade erzählt, niemand hätte es geschafft, dich zu befreien«, sagt Benton im gelassenen Ton des Therapeuten. »War denn noch jemand da? Vielleicht mehrere Leute?«

»Ich weiß nicht.«

Er wartet.

»Ich erinnere mich nicht. Keine Ahnung, warum, aber einen Moment lang habe ich geglaubt, dass jemand … es ist mir eingefallen, in meinem Traum, dass jemand die Felsen vielleicht weghacken könnte. Und dann dachte ich, nein. Das Gestein ist viel zu hart. Niemand schafft das. Ich werde sterben. Ich wusste, dass ich sterben würde. Und dann hielt ich es nicht mehr aus, und der Traum war zu Ende.« Ihre verworrene Schilderung endet so schlagartig, wie es vermutlich auch bei dem Traum der Fall war. Henri holt tief Luft, und ihre Verkrampfung lockert sich. Ihr Blick richtet sich auf Benton. »Es war schrecklich.«

»Ja«, erwidert er. »Es muss entsetzlich gewesen sein. Ich kann mir nichts Beängstigenderes vorstellen, als keine Luft mehr zu bekommen.«

Sie legt die flache Hand aufs Herz. »Meine Brust konnte sich nicht bewegen. Ich habe keine Luft mehr gekriegt.«

Möglicherweise hat der Angreifer versucht, sie zu ersticken oder zu erwürgen. Benton stellt sich die Fotos vor und hält in Gedanken eines nach dem anderen hoch, um Henris Verletzungen in Augenschein zu nehmen und zu verstehen, was sie gerade gesagt hat. Er sieht Blut, das ihr aus der Nase läuft, auf ihren Wangen verschmiert ist und das Laken unter ihrem Kopf befleckt, als sie bäuchlings auf dem Bett liegt. Ihr Körper ist nackt und nicht zugedeckt; die Arme sind, mit den Handflächen nach unten, über den Kopf gestreckt, die Beine gebeugt, eines mehr als das andere.

Gerade ruft sich Benton ein anderes Foto ins Gedächtnis, als Henri aus ihrem Sessel aufsteht. Sie murmelt, dass sie sich einen Kaffee holen will. Benton hört ihre Ankündigung und denkt an die Pistole, die sich im Küchenschrank befindet. Allerdings weiß sie nicht, in welchem, weil sie ihm den Rücken zugekehrt hat, als er die Waffe verschwinden ließ. Er beobachtet sie und interpretiert, was sie tut, während er gleichzeitig die Hieroglyphen ihrer Verletzungen und der seltsamen Spuren auf ihrem Körper zu deuten versucht. Ihre Handrücken waren rot, weil er oder sie – Benton hat sich, was den Täter angeht, noch nicht auf ein Geschlecht festgelegt – sie gequetscht hat. Es befanden sich dort frische Blutergüsse, und sie hatte auch einige gerötete Stellen oben am Rücken. In den Tagen danach verfärbten sich die Rötungen, die von geplatzten subkutanen Blutgefäßen herrührten, in ein kräftiges Violett.

Benton sieht zu, wie Henri sich Kaffee eingießt. Er denkt an die Fotos ihres besinnungslosen Körpers am Tatort. Dass dieser Körper schön ist, ist für Benton nur insofern von Bedeutung, als dass alles an ihrem Aussehen und Verhalten die gewalttätige Reaktion des Menschen, der sie töten wollte, ausgelöst haben könnte. Henri ist schlank, aber ganz eindeutig nicht androgyn. Sie hat Brüste und Schamhaare und wäre für einen Pädophilen ganz sicher nicht anziehend. Zur Zeit des Überfalls hatte sie eine sexuelle Beziehung.

Er beobachtet, wie sie, beide Hände um die Kaffeetasse gelegt, zum Ledersessel zurückkehrt. Ihre Rücksichtslosigkeit stört ihn nicht, auch wenn ein höflicher Mensch wahrscheinlich gefragt hätte, ob er vielleicht auch noch einen Kaffee möchte. Aber Henri ist vermutlich die egoistischste und gefühlloseste Person, die Benton je begegnet ist. Sie war schon vor dem Überfall so und wird es immer bleiben. Es wäre wünschenswert, wenn sie sich in Zukunft von Lucy fern hielte. Doch er hat, wie er sich sagt, nicht das Recht, das zu verlangen.

»Henri«, sagt Benton. Er steht auf und holt sich selbst einen Kaffee. »Fühlst du dich heute Morgen in der Lage, die Fakten durchzugehen?«

»Ja. Aber ich kann mich nicht erinnern.« Ihre Stimme folgt ihm in die Küche. »Ich weiß, dass du mir nicht glaubst.«

»Wie kommst du darauf?« Er schenkt sich Kaffee ein und kehrt ins Wohnzimmer zurück.

»Der Arzt hat mir auch nicht geglaubt.«

»Oh, ja, der Arzt. Er sagte, dass er dir nicht glaubt«, meint Benton und nimmt wieder auf dem Sofa Platz. »Und obwohl du weißt, was ich von diesem Arzt halte, werde ich es noch einmal wiederholen. Für ihn sind alle Frauen hysterisch, und er mag sie nicht. Er empfindet eindeutig keinen Respekt vor ihnen, und das liegt daran, dass er Angst vor ihnen hat. Außerdem ist er Arzt in der Notaufnahme und hat keine Ahnung von Gewaltverbrechen und deren Opfern.«

»Er denkt, ich hätte mir die Verletzungen selbst zugefügt«, meint Henri zornig. »Er glaubt wohl, ich hätte nicht gehört, was er zu der Krankenschwester gesagt hat.«

Benton überlegt, wie er darauf reagieren soll. Henri rückt mit einer neuen Information heraus, und er kann nur hoffen, dass sie auch stimmt. »Erzähl es mir«, fordert er sie auf. »Mich würde brennend interessieren, was er zu der Krankenschwester gesagt hat.«

»Ich sollte das Arschloch verklagen«, fügt sie hinzu.

Benton wartet und trinkt seinen Kaffee.

»Vielleicht verklage ich ihn wirklich«, spricht sie trotzig weiter. »Er dachte, ich könnte ihn nicht hören, weil ich die Augen zuhatte, als er ins Zimmer kam. Ich lag im Halbschlaf da, die Schwester stand in der Tür, und dann erschien er. Also habe ich so getan, als wäre ich weggetreten.«

»Du hast dich schlafend gestellt«, meint Benton.

Sie nickt.

»Du bist ausgebildete Schauspielerin. Es war einmal dein Beruf.«

»Das ist es immer noch. Man hört nicht einfach auf, Schauspielerin zu sein. Ich bin zurzeit nur an keiner Produktion beteiligt, weil ich anderes zu tun habe.«

»Ich kann mir vorstellen, dass du schon immer eine gute Schauspielerin warst«, erwidert er.

»Ja.«

»Und du warst schon immer gut darin, dich zu verstellen.« Er hält inne. »Tust du häufig so als ob, Henri?«

Als sie ihn ansieht, wird ihr Blick hart. »Im Krankenhaus habe ich mich schlafend gestellt, um zu hören, was der Arzt sagt. Ich habe jedes Wort mitgekriegt. Er meinte: ›Es gibt nichts Besseres, als Vergewaltigung zu schreien, wenn man sauer auf jemanden ist. Dann muss er so richtig bluten.‹ Und anschließend hat er gelacht.«

»Ich kann gut verstehen, dass du ihn verklagen willst«, meint Benton. »Und das war in der Notaufnahme?«

»Nein, nein, in meinem Zimmer. Später am Tag, als sie mich nach den Untersuchungen auf eine Station verlegt haben. Ich weiß nicht mehr, auf welche.«

»Das ist ja noch schlimmer«, sagt Benton. »Er hätte gar nicht in dein Zimmer kommen dürfen. Schließlich arbeitet er in der Notaufnahme und nicht auf einer der Stationen. Er hat nur vorbeigeschaut, weil er neugierig war, und das ist nicht in Ordnung.«

»Ich werde ihn verklagen. Ich hasse ihn.« Wieder reibt sie ihre Zehe. Die Blutergüsse auf Zehe und Handrücken sind zu einem Nikotingelb verblasst. »Dann hat er eine Bemerkung über Dextro-Junkies gemacht. Ich weiß nicht, was das ist, aber er hat mich jedenfalls beleidigt.«

Wieder eine neue Information. In Benton wächst die Hoffnung, dass sie sich mit der Zeit und mit viel Geduld an mehr erinnern oder zumindest näher bei der Wahrheit bleiben wird. »Ein Dextro-Junkie ist jemand, der opiathaltige Allergie- und Grippemedikamente oder Hustensäfte missbraucht. Bei Jugendlichen sehr beliebt.«

»Dieses Arschloch«, murmelt sie und zupft an ihrem Morgenmantel herum. »Kannst du denn nichts tun, damit er Schwierigkeiten kriegt?«

»Henri, hast du irgendeine Ahnung, warum er angedeutet hat, du wärst vergewaltigt worden?«, fragt Benton.

»Ich weiß nicht. Ich glaube nicht, dass es so war.«

»Erinnerst du dich an die Schwester?«

Sie schüttelt langsam den Kopf.

»Du wurdest in ein Untersuchungszimmer neben der Notaufnahme gebracht, wo eine Ausrüstung zur Sicherstellung von Beweisen benutzt wurde. Du weißt doch, was das ist, oder? Als du die Schauspielerei damals satt hattest, bist du zur Polizei gegangen. Dann, vor ein paar Monaten im Herbst, hat Lucy dich in Los Angeles kennen gelernt und dich eingestellt. Also hast du Erfahrung mit dem Nehmen von Abstrichen und dem Einsammeln von Haaren und Fasern und so weiter.«

»Ich hatte es nicht satt, sondern brauchte nur eine Pause, um etwas anderes zu tun.«

»Meinetwegen. Aber erinnerst du dich an die Sicherstellung der Beweise?«

Sie nickt.

»Und die Schwester? Man hat mir gesagt, sie sei sehr nett. Sie heißt Brenda. Sie hat dich auf Verletzungen durch ein Sexualverbrechen und auf Spuren untersucht. Da in diesem Raum auch Kinder behandelt werden, gibt es dort Plüschtiere. Die Tapete hat Winnie-Puh-Motive mit Bärchen, Honigtöpfen und Bäumen. Brenda trug keine Schwesterntracht, sondern hatte einen hellblauen Hosenanzug an.«

»Du warst nicht dabei.«

»Sie hat es mir am Telefon erzählt.«

Henri betrachtet ihre nackten Füße auf dem Sesselpolster. »Du hast sie gefragt, was sie anhatte?«

»Sie hat haselnussbraune Augen und kurzes schwarzes Haar«, versucht Benton freizulegen, was Henri tatsächlich oder angeblich verdrängt hat. Es ist Zeit, über die Sicherstellung der Spuren zu sprechen. »Es wurde keine Samenflüssigkeit gefunden, Henri. Keine Hinweise auf einen sexuellen Übergriff. Doch Brenda hat Fasern entdeckt, die an deiner Haut klebten. Offenbar hattest du irgendeine Lotion oder ein Körperöl aufgetragen. Weißt du noch, ob du dich an diesem Morgen eingecremt hast?«

»Nein«, erwidert sie leise. »Aber ich könnte auch nicht behaupten, dass es nicht so war.«

»Deine Haut war fettig«, sagt Benton. »Laut Brenda. Sie hat auch einen Geruch wahrgenommen, einen angenehmen Duft wie von einer parfümierten Körperlotion.«

»Er hat mich nicht eingerieben.«

»Er?«

»Es muss doch ein Er gewesen sein. Oder glaubst du, es war eine Sie?«, meint sie in einem gekünstelt hoffnungsfrohen Tonfall, sodass sich ihre Stimme anhört wie die eines Menschen, der entweder sich selbst oder anderen etwas vormachen will. »Eine Sie kann es nicht gewesen sein. Eine Frau. Frauen tun so was nicht.«

»Frauen tun alles Mögliche. Im Augenblick wissen wir noch nicht, ob es ein Mann oder eine Frau war. Auf der Matratze im Schlafzimmer wurden einige Kopfhaare gefunden. Schwarz, lockig und etwa fünfzehn bis achtzehn Zentimeter lang.«

»Tja, dann erfahren wir es ja bald, stimmt’s? Man kann aus den Haaren die DNS herauslösen und feststellen, dass es keine Frau war«, sagt sie.

»Ich fürchte, das geht nicht. Die durchgeführte DNS-Untersuchung kann das Geschlecht nicht bestimmen. Vielleicht die Rasse, aber nicht das Geschlecht. Und sogar das wird mindestens einen Monat dauern. Glaubst du, du könntest die Körperlotion selbst aufgetragen haben?«

»Nein. Aber er war es auch nicht. Das hätte ich nie zugelassen. Ich hätte mich gegen ihn gewehrt, wenn das möglich gewesen wäre. Vielleicht wollte er es ja tun.«

»Und du hast dich auch nicht selbst eingecremt?«

»Ich habe doch schon nein gesagt, genügt das denn nicht? Außerdem geht es dich nichts an.«

Benton versteht. Wenn Henri die Wahrheit sagt, hat die Lotion nichts mit dem Übergriff zu tun. Als er an Lucy denkt, wird er gleichzeitig von Mitleid und Wut ergriffen.

»Erzähl du es mir«, fordert Henri ihn auf. »Erzähl mir, was deiner Ansicht nach mit mir passiert ist. Du schilderst mir, was geschehen ist, und ich sage dann, ob es stimmt oder nicht.« Sie lächelt plötzlich.

»Lucy kam nach Hause«, beginnt Benton. »Es war ein paar Minuten nach zwölf Uhr mittags, und als sie die Vordertür aufschloss, bemerkte sie sofort, dass die Alarmanlage nicht eingeschaltet war. Sie hat nach dir gerufen, und als du nicht geantwortet hast und sie hörte, wie die Hintertür, die zum Pool führt, gegen den Türpfosten schlug, ist sie dorthin gelaufen. In der Küche sah sie, dass die Tür zum Pool weit offen stand.«

Henri starrt wieder mit aufgerissenen Augen an Benton vorbei und aus dem Fenster. »Ich wünschte, sie hätte ihn getötet.«

»Sie hat ihn nie zu Gesicht bekommen. Vermutlich hat die Person gehört, wie sie in ihrem schwarzen Ferrari vorfuhr, und ist abgehauen …«

»Er war doch bei mir im Zimmer und musste zuerst die vielen Stufen hinunter«, unterbricht Henri, während sie weiter ins Leere blickt. Diesmal hat Benton das Gefühl, dass sie die Wahrheit sagt.

»Lucy hat nicht in der Garage geparkt, da sie nur kurz vorbeikommen wollte, um nach dir zu sehen«, spricht Benton weiter. »Also hat sie die Vordertür rasch erreicht und ist hereingekommen, während er durch die Hintertür geflüchtet ist. Sie hat ihn nicht verfolgt, weil er zu schnell für sie war. Außerdem hat sich Lucy in diesem Moment mehr für dich interessiert als für den Menschen, der ins Haus eingedrungen ist.«

»Das stimmt nicht«, meint Henri, beinahe triumphierend.

»Dann erzähl mir, wie es war.«

»Sie ist nicht in ihrem schwarzen Ferrari gekommen. Der stand in der Garage. Sondern mit dem blauen. Der parkte vor dem Haus.«

Weitere neue Informationen. Benton bleibt ruhig und gibt sich lässig. »Bist du sicher, dass du weißt, mit welchem Auto sie an diesem Tag gefahren ist?«

»Das weiß ich immer. Sie hat den schwarzen Ferrari nicht gefahren, weil er beschädigt war.«

»Wie ist das passiert?«

»Er hat auf einem Parkplatz was abgekriegt«, erwidert Henri und betrachtet wieder ihre lädierte Zehe. »Du kennst doch das Fitness-Studio in der Atlantic Avenue, oben in Coral Springs, wo wir manchmal trainieren gehen.«

»Weißt du, wann das geschehen ist?«, erkundigt sich Benton, ohne sich seine Aufregung anmerken zu lassen. Diese Information ist neu und wichtig, und er ahnt, wohin sie führen wird. »Der schwarze Ferrari wurde beschädigt, während du im Fitness-Studio warst?«, drängt er sie, die Wahrheit zu sagen.

»Ich habe nie gesagt, dass ich im Fitness-Studio war«, zischt sie, und ihr feindseliger Ton bestätigt seinen Verdacht.

Sie ist mit Lucys schwarzem Ferrari ins Fitness-Studio gefahren, und zwar offenbar ohne Lucys Erlaubnis. Niemand darf den schwarzen Ferrari benutzen, nicht einmal Rudy.

»Erzähl mir von dem Schaden«, sagt Benton.

»Er war zerkratzt, mit einem Autoschlüssel oder so. Jemand hat ein Bild hineingeritzt.« Sie starrt auf ihre Füße und fummelt an der gelblich angelaufenen großen Zehe herum.

»Was stellte das Bild dar?«

»Danach wollte sie ihn nicht mehr fahren. Man fährt nicht in einem zerkratzten Ferrari herum.«

»Bestimmt war Lucy sauer«, meint Benton.

»Das kann man doch reparieren. Alles kann man reparieren. Wenn sie ihn umgebracht hätte, brauchte ich nicht hier zu sein. Jetzt muss ich den Rest meines Lebens Angst haben, dass er mich wieder aufspürt.«

»Ich tue mein Bestes, damit du dir deshalb keine Sorgen zu machen brauchst, Henri. Aber du musst mir helfen.«

»Vielleicht erinnere ich mich ja nie.« Sie sieht ihn an. »Dagegen kann ich nichts tun.«

»Lucy ist drei Treppen hinauf ins Schlafzimmer gerannt. Dort warst du«, sagt Benton. Dabei mustert er sie eindringlich, um sicherzugehen, dass sie seine Schilderung verkraftet, auch wenn sie diesen Teil schon mal gehört hat. Die ganze Zeit über hat er befürchtet, dass es keine Schauspielerei ist und dass alles, was sie sagt und tut, der Wahrheit entspricht. Aber was ist, wenn es sich nicht so verhält? Genauso gut könnte sie endgültig mit der Realität brechen, psychotisch werden und vollständig durchdrehen. Sie hört zwar zu, aber ihr Verhalten ist merkwürdig. »Als Lucy dich fand, warst du bewusstlos, doch Atmung und Herzschlag waren normal.«

»Ich hatte nichts an.« Dieses Detail stört sie nicht. Es macht ihr Spaß, ihn an ihren nackten Körper zu erinnern.

»Schläfst du oft nackt?«

»Das tue ich gerne.«

»Erinnerst du dich, ob du deinen Pyjama ausgezogen hast, bevor du an diesem Vormittag wieder ins Bett gegangen bist?«

»Wahrscheinlich schon.«

»Also war es nicht der Angreifer. Mal angenommen, dass es ein Mann ist.«

»Das brauchte er nicht mehr. Allerdings bin ich sicher, dass er es getan hätte.«

»Lucy sagt, als sie dich zuletzt gesehen hat, also gegen acht Uhr morgens, hättest du einen roten Satinpyjama und einen hellbraunen Morgenmantel aus Frottee angehabt.«

»Stimmt. Weil ich rausgehen wollte. Ich habe mich in einen Liegestuhl am Pool in die Sonne gesetzt.«

Wieder neue Informationen, und er schiebt eine Frage hinterher: »Um wie viel Uhr war das?«

»Gleich nachdem Lucy weg war, glaube ich. Sie ist im blauen Ferrari losgefahren. Tja, nicht gleich«, verbessert sie sich in ausdruckslosem Tonfall und starrt in die schneebedeckte Landschaft hinaus, die in der Morgensonne funkelt. »Ich war sauer auf sie.«

Benton steht langsam auf und legt einige Scheite ins Feuer. Funken stieben im Kamin, und die Flammen lecken gierig am staubtrockenen Holz. »Sie hat dich gekränkt«, meint er und zieht das Kamingitter zu.

»Lucy ist nicht sehr nett, wenn man krank wird«, entgegnet Henri und wirkt wieder konzentrierter und sachlicher. »Sie wollte mich nicht pflegen.«

»Was ist mit der Körperlotion?«, fragt er. Er kann sich zwar seinen Teil denken und ist sicher, dass seine Theorie stimmt, hält es jedoch für klug, auf Nummer sicher zu gehen.

»Na und? Ist doch nicht weiter wichtig, oder? Das war nur ein Gefallen. Weißt du, wie viele Leute danach lechzen würden, es zu tun? Ich habe sie gelassen, um ihr einen Gefallen zu tun. Sie macht nämlich nur das absolute Minimum, und auch das bloß, wenn es ihr in den Kram passt. Und dann hat sie genug davon, sich um mich zu kümmern. Ich hatte Kopfschmerzen, und wir haben uns gestritten.«

»Wie lange hast du am Pool gesessen?«, erkundigt sich Benton. Er gibt sich Mühe, sich nicht durch Gedanken an Lucy ablenken zu lassen und sich nicht zu fragen, wo sie nur ihren Kopf hatte, als sie Henri Waiden begegnete. Gleichzeitig jedoch ist ihm klar, welchen Charme Soziopathen versprühen können und dass sie selbst Menschen um den Finger wickeln, die es eigentlich besser wissen müssten.

»Nicht lange, es ging mir nicht gut.«

»Eine Viertelstunde? Eine halbe?«

»Schätzungsweise eine halbe Stunde.«

»Hast du andere Leute gesehen? Oder Boote?«

»Mir ist nichts aufgefallen. Vielleicht waren da ja auch keine. Was hat Lucy gemacht, als sie in mein Zimmer kam?«

»Sie hat die Notrufnummer gewählt, immer wieder nachgesehen, ob du noch lebst, und auf den Rettungswagen gewartet«, erwidert Benton. Er beschließt, ein weiteres Detail hinzuzufügen, obwohl das gefährlich ist. »Und sie hat fotografiert.«

»Hatte sie eine Pistole?«

»Ja.«

»Ich wünschte, sie hätte ihn getötet.«

»Du sagst immer ›er‹.«

»Und sie hat Fotos gemacht? Von mir?«, fragt Henri.

»Du warst zwar bewusstlos, aber dein Zustand war stabil. Also hat sie dich fotografiert, bevor sie dich weggebracht haben.«

»Weil ich aussah, als ob ich angegriffen worden wäre?«

»Weil dein Körper in einer ungewöhnlichen Stellung dalag, Henri. Und zwar so.« Er streckt die Arme aus und hält sie über den Kopf. »Du hast auf dem Bauch gelegen, die Arme von dir gestreckt und mit den Handflächen nach unten. Außerdem hattest du Nasenbluten und warst voller Blutergüsse, wie du ja weißt. Und deine rechte große Zehe war gebrochen, auch wenn das erst später festgestellt wurde. Offenbar weißt du nicht mehr, wie du sie dir gebrochen hast.«

»Vielleicht habe ich sie mir gestoßen, als ich die Treppe runtergegangen bin«, sagt sie.

»Erinnerst du dich daran?«, fragt er, da sie bis jetzt im Zusammenhang mit ihrer Zehe nichts erzählt hat. »Wann könnte das passiert sein?«

»Als ich beim Pool war. Die Steinstufen. Kann sein, dass ich über eine Stufe gestolpert bin, wegen der vielen Medikamente oder weil ich Fieber hatte. Ich weiß noch, dass ich geweint habe. Daran erinnere ich mich. Weil es wehgetan hat. Ich habe überlegt, ob ich sie anrufen soll, es dann aber gelassen. Sie mag es nicht, wenn ich krank bin.«

»Du hast dir die Zehe auf dem Weg zum Pool gebrochen und hast überlegt, ob du Lucy anrufen sollst, es aber nicht getan.« Er will keine Missverständnisse aufkommen lassen.

»Stimmt«, entgegnet sie spöttisch. »Wo waren mein Pyjama und mein Morgenmantel?«

»Ordentlich zusammengefaltet auf einem Stuhl neben dem Bett. Hast du sie zusammengefaltet und dort hingelegt?«

»Vermutlich. War ich zugedeckt?«

Er weiß, worauf sie hinauswill, aber es ist wichtig, ihr die Wahrheit zu sagen. »Nein«, antwortet er. »Die Decke war zum Fußende des Bettes gezogen worden und hing von der Matratze.«

»Ich hatte nichts an, und sie hat mich fotografiert«, sagt Henri, und ihr Gesicht ist ausdruckslos, als sie ihn mit harten, undurchdringlichen Augen ansieht.

»Ja«, erwidert Benton.

»Typisch für sie, so was zu tun. Sie ist und bleibt ein Cop.«

»Du bist auch ein Cop, Henri. Was hättest du an ihrer Stelle getan?«

»Typisch für sie«, wiederholt sie nur.

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