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Unerbittlich klingelte das Telefon, bis Dana Evans schließlich aufwachte. Mühsam setzte sie sich auf und blickte mit verquollenen Augen auf den Wecker am Nachttisch. Es war fünf Uhr morgens. Sie nahm den Hörer ab. »Hallo?«

»Dana ...«

»Matt?«

»Sehen Sie zu, dass Sie so schnell wie möglich ins Studio kommen.«

»Was ist passiert?«

»Ich weihe Sie ein, sobald Sie hier sind.«

»Bin schon unterwegs.«

Eine Viertelstunde später klopfte Dana, die sich in aller Eile angezogen hatte, an der Wohnungstür der Whartons, ihrer Nachbarn.

Dorothy Wharton öffnete im Morgenmantel die Tür. Beunruhigt blickte sie Dana an. »Dana, was ist los?«

»Ich tu Ihnen das ungern an, Dorothy, aber ich wurde dringend ins Studio zitiert. Würde es Ihnen etwas ausmachen, Kemal zur Schule zu bringen?«

»Oh, natürlich nicht. Das mach ich doch gern.«

»Vielen, vielen Dank. Er muss um Viertel vor acht da sein, und vorher braucht er noch etwas zum Frühstück.«

»Keine Sorge. Ich kümmere mich um ihn. Sputen Sie sich lieber.«

»Danke«, sagte Dana.

Abbe Lasmann war bereits in ihrem Büro, wirkte aber noch ziemlich verschlafen. »Er erwartet Sie schon.«

Dana ging in Matts Büro.

»Ich habe eine schreckliche Nachricht«, sagte er. »Gary Winthrop wurde heute Morgen ermordet.«

Dana sank wie vom Donner gerührt auf einen Sessel. »Was? Wer -?«

»Offenbar wurde sein Haus ausgeraubt. Als er die Einbrecher stellte, brachten sie ihn um.«

»O nein! Er war so ein wunderbarer Mensch!« Dana, die an die freundliche und herzliche Art des attraktiven Wohltäters und Kunstmäzens denken musste, war tief betroffen.

Matt schüttelte ungläubig den Kopf. »Mein Gott, das ist schon der fünfte Todesfall.«

Dana war verdutzt. »Der fünfte Todesfall? Was meinen Sie damit?«

Matt blickte sie erstaunt an, dann begriff er. »Natürlich -Sie waren ja in Sarajevo. Ich nehme an, bei den Kriegswirren da drüben haben die Ereignisse um die Winthrops nicht unbedingt Schlagzeilen gemacht. Aber Sie wissen doch sicher über Taylor Winthrop Bescheid, Garys Vater.«

»Er war Botschafter in Russland. Er und seine Frau sind vergangenes Jahr bei einem Brand ums Leben gekommen.«

»Richtig. Zwei Monate später wurde ihr älterer Sohn Paul bei einem Verkehrsunfall getötet. Und sechs Wochen danach kam ihre Tochter Julia bei einem Skiunfall um.« Matt hielt einen Moment lang inne. »Und nun, heute Morgen, auch noch Gary, der letzte Spross der Familie.«

Dana schwieg betroffen.

»Dana, die Winthrops genießen einen geradezu sagenhaften Ruf. Wenn es in diesem Land eine Königsfamilie gäbe, hätten sie die Krone getragen. Sie strahlten etwas ganz Besonderes aus. Sie waren weltberühmt für ihre Stiftungen und Schenkungen und die Dienste, die sie der Regierung leisteten. Gary wollte in die Fußstapfen seines Vaters treten und sich um einen Sitz im Senat bewerben, was ihm zweifellos gelungen wäre. Alle mochten ihn. Und nun ist er tot. In anderthalb Jahren wurde eine der vornehmsten Familien der Welt völlig ausgelöscht.«

»Ich - ich weiß nicht, was ich sagen soll.«

»Dann sollten Sie sich schleunigst etwas einfallen lassen«, sagte Matt energisch. »In zwanzig Minuten sind Sie auf Sendung.«

Die Nachricht von Gary Winthrops Tod löste weltweit Bestürzung aus. Auf sämtlichen Fernsehkanälen nahmen Staatsmänner aus aller Herren Länder dazu Stellung.

»Wie in einer griechischen Tragödie .«

»Unfassbar .«

»Das Schicksal geht aberwitzige Wege ...«

»Die Welt hat einen schrecklichen Verlust erlitten .«

»Die Beliebtesten und die Besten, und nun sind sie alle tot .«

Der Mord an Gary Winthrop war in aller Munde. Es hatte den Anschein, als ob das ganze Land in Trauer versänke, zumal durch dieses Verbrechen auch die Erinnerungen an die anderen tragischen Todesfälle in der Familie wieder wach wurden.

»Das darf einfach nicht wahr sein«, sagte Dana zu Jeff. »Es muss eine so wunderbare Familie gewesen sein.«

»Das waren sie. Gary war ein echter Sportsfreund und ein großer Fan.« Jeff schüttelte den Kopf. »Kaum zu glauben, dass irgendwelche miesen kleinen Gauner einen so prachtvollen Menschen ausgelöscht haben.«

»Übrigens«, sagte Jeff, als sie am nächsten Morgen zum Studio fuhren, »Rachel ist in der Stadt.«

Übrigens? So beiläufig. Viel zu beiläufig, dachte Dana.

Jeff war einst mit Rachel Stevens, einem Topmodel, verheiratet gewesen. Dana hatte in der Fernsehwerbung und auf Illustrierten Fotos von ihr gesehen. Sie sah unglaublich gut aus. Aber vermutlich hat sie nicht einen Funken Verstand im Kopf. Andererseits braucht sie mit dem Gesicht und der Figur auch keinen Verstand.

Dana hatte sich schon früher mit Jeff über Rachel unterhalten. »Was ist aus eurer Ehe geworden?«

»Am Anfang war alles ganz großartig«, erklärte ihr Jeff. »Rachel hat mich in jeder Hinsicht unterstützt. Obwohl sie Baseball nicht ausstehen konnte, kam sie zu sämtlichen Spielen, nur um mich zu sehen. Davon abgesehen, hatten wir eine Menge gemeinsam.«

Davon bin ich überzeugt.

»Sie ist eine ganz wunderbare Frau, ganz und gar nicht zickig. Sie hat für ihr Leben gern gekocht. Wenn Rachel bei Aufnahmen war, hat sie die anderen Models bekocht.«

Na prima, so wird man die Konkurrenz los. Vermutlich sind sie umgefallen wie die Fliegen.

»Was?«

»Ich habe nichts gesagt.«

»Jedenfalls waren wir fünf Jahre lang verheiratet.«

»Und dann?«

»Rachel war sehr erfolgreich. Sie war ständig ausgebucht, und durch ihre Arbeit kam sie auf der ganzen Welt herum. Sie war in Italien . in England . auf Jamaika . in Thailand . Japan . Überall. Inzwischen habe ich im ganzen Land gespielt. Wir haben uns nicht mehr allzu oft gesehen. Nach und nach ist der Zauber dann verblasst.«

Die nächste Frage drängte sich förmlich auf, da Jeff Kinder über alles liebte. »Wieso habt ihr keine Kinder?«

Jeff lächelte ironisch. »Nicht gut für die Figur bei einem Model. Eines Tages ließ sie dann Roderick Marshall, einer der Spitzenregisseure von Hollywood, zu sich kommen. Rachel ging nach Hollywood.« Er stockte. »Eine Woche später hat sie mich angerufen und mir mitgeteilt, dass sie sich scheiden lassen will. Sie hatte das Gefühl, dass wir uns zu sehr auseinander gelebt hätten. Ich musste ihr Recht geben. Ich habe in die Scheidung eingewilligt. Kurz danach habe ich mir den Arm gebrochen.«

»Und bist Sportreporter geworden. Was ist mit Rachel? Hat sie’s im Filmgeschäft nicht geschafft?«

Jeff schüttelte den Kopf. »Sie hatte keine richtige Lust dazu. Aber sie kommt prima zurecht.«

»Und ihr seid nach wie vor befreundet?« Eine heikle Frage.

»Ja. Ehrlich gesagt, habe ich ihr sogar von uns erzählt, als sie mich anrief. Sie möchte dich kennen lernen.«

Dana runzelte die Stirn. »Jeff, ich glaube nicht -«

»Sie ist wirklich ausgesprochen nett, Schatz. Lass uns morgen gemeinsam zu Mittag essen. Sie wird dir gefallen.«

»Ganz bestimmt«, erwiderte Dana. Nie und nimmer, dachte sie. Aber man kommt nicht allzu oft mit einem Hohlkopf ins Gespräch.

Der Hohlkopf war, wie sich herausstellte, eher noch schöner, als Dana befürchtet hatte. Rachel Stevens war groß und schlank, hatte lange, üppige blonde Haare, eine makellos gebräunte Haut und ein hinreißendes Gesicht. Dana konnte sie auf den ersten Blick nicht ausstehen.

»Dana Evans, das ist Rachel Stevens.«

Hätte es nicht heißen müssen, Rachel Stevens, das ist Dana Evans?, dachte Dana.

». bei jeder Gelegenheit Ihre Berichte aus Sarajevo angesehen«, sagte Rachel Stevens gerade. »Sie waren unglaublich. Man konnte förmlich spüren, wie Ihnen zu Mute war, und daran teilhaben.«

Wie reagiert man auf ein ehrlich gemeintes Kompliment? »Vielen Dank«, sagte Dana lahm.

»Wo wollen wir denn zu Mittag essen?«, fragte Jeff.

»Es gibt ein wunderbares Restaurant namens Straits of Malaya«, schlug Rachel vor. »Ist nur zwei Straßen vom Dupont Circle entfernt.« Sie wandte sich an Dana. »Mögen Sie thailändische Küche?«, fragte sie.

Als ob es ihr darauf ankäme. »Ja.«

Jeff lächelte. »Prima. Probieren wir’s aus.«

»Es ist nur ein paar Blocks von hier entfernt«, sagte Rachel. »Wollen wir zu Fuß gehen?«

Bei dieser Eiseskälte? »Klar«, sagte Dana tapfer. Vermutlich läuft sie auch nackt im Schnee herum.

Sie spazierten in Richtung Dupont Circle. Dana kam sich mit jeder Sekunde hässlicher vor. Inzwischen bereute sie bitterlich, dass sie die Einladung angenommen hatte.

Das Restaurant war völlig überlaufen; an der Bar warteten bereits zig Leute darauf, dass ein Tisch frei wurde. Der Oberkellner eilte zu ihnen.

»Einen Tisch für drei Personen«, sagte Jeff.

»Haben Sie reservieren lassen?«

»Nein, aber wir -«

»Tut mir Leid, aber -« Dann erkannte er Jeff. »Mr. Connors, freut mich, Sie zu sehen.« Er blickte zu Dana. »Miss Evans, es ist mir eine Ehre.« Er verzog kurz das Gesicht. »Ich fürchte, Sie werden sich etwas gedulden müssen.« Sein Blick wanderte zu Rachel, und er strahlte sichtlich auf. »Miss Stevens! Ich habe gelesen, dass Sie zu Aufnahmen in China waren.«

»War ich auch, Somchai. Aber ich bin wieder zurück.«

»Wunderbar.« Er wandte sich an Dana und Jeff. »Selbstverständlich haben wir einen Tisch für Sie.« Er führte sie zu einem Tisch mitten im Gastraum.

Ich hasse sie, dachte Dana. Ich hasse sie von ganzem Herzen.

»Du siehst gut aus, Rachel«, sagte Jeff, als sie Platz genommen hatten. »Was du auch machst, es scheint dir gut zu bekommen.«

Und wir dürfen alle raten, was es ist.

»Ich bin viel auf Reisen gewesen. Ich glaube, ich werde eine Zeit lang etwas kürzer treten.« Sie schaute Jeff in die Augen. »Erinnerst du dich noch an den Abend, als wir zwei-«

Dana blickte von der Speisekarte auf. »Was ist udang go-reng

Rachel warf Dana einen kurzen Blick zu. »Das sind gebratene Krabben. Schmeckt hier sehr gut.« Sie wandte sich wieder an Jeff. »Den Abend, an dem wir zwei beschlossen, dass wir -«

»Und laksa?«

»Das ist eine pikante Nudelsuppe«, sagte Rachel geduldig. Sie wandte sich wieder an Jeff. »Du hast gesagt, du willst -«

»Und poh pia

Rachel blickte Dana an. »Das sind Teigröllchen gefüllt mit gedünstetem Gemüse und jicama«, erwiderte sie liebenswürdig.

»Wirklich?« Dana entschied sich, lieber nicht zu fragen, was jicama war.

Doch als sie eine Weile zusammensaßen, stellte Dana erstaunt fest, dass ihr Rachel Stevens trotz aller Vorbehalte allmählich sympathisch wurde. Sie war charmant und herzlich, und im Gegensatz zu anderen weltberühmten Schönheiten war sie allem Anschein nach völlig unbefangen, was ihr Aussehen anging, und machte keinerlei Aufhebens von ihrer Person. Sie war intelligent, wusste sich auszudrücken, und als sie beim Kellner auf Thai ihr Essen bestellte, geschah dies ohne jede Überheblichkeit. Wie konnte Jeff sie nur ziehen lassen?, fragte sich Dana.

»Wie lange sind Sie in Washington?«, erkundigte sie sich.

»Ich muss morgen wieder weg.«

»Wo geht’s diesmal hin?«, wollte Jeff wissen.

Rachel zögerte. »Nach Hawaii. Aber ich fühle mich regelrecht ausgelaugt, Jeff. Ich habe mir sogar schon überlegt, ob ich die Sache absagen soll.«

»Aber das machst du doch eh nicht«, sagte Jeff wissend.

Rachel seufzte. »Nein. Das mache ich nicht.«

»Wann kommen Sie wieder zurück?«, fragte Dana.

Rachel blickte sie lange an. »Ich glaube nicht, dass ich nach Washington zurückkommen werde, Dana«, sagte sie dann leise. »Ich hoffe, Sie und Jeff werden glücklich miteinander.« In ihren Worten lag eine unausgesprochene Botschaft.

»Ich muss ein paar Besorgungen machen«, sagte Dana, als sie nach dem Essen draußen vor dem Restaurant standen. »Geht ihr zwei doch schon mal vor.«

Rachel ergriff Danas Hand. »Ich bin sehr froh darüber, dass wir uns kennen gelernt haben.«

»Ich auch«, sagte Dana, und zu ihrer eigenen Überraschung stellte sie fest, dass sie es ernst meinte.

Dana blickte Jeff und Rachel hinterher, als sie die Straße entlanggingen. Ein hinreißendes Paar, dachte sie.

Da es bereits Anfang Dezember war, bereitete sich ganz Washington auf die Feiertage vor. Die Straßen der Hauptstadt waren mit Weihnachtsbeleuchtung und Stechpalmenkränzen geschmückt, und an fast jeder Straßenecke stand ein Weihnachtsmann der Heilsarmee, schellte mit seiner Glocke und bat um ein Almosen. Auf den Gehsteigen wimmelte es von Menschen, die ihre Einkäufe erledigten und tapfer dem eisigen Wind trotzten.

Es ist wieder soweit, dachte Dana. Allmählich muss ich mich auch um meine Einkäufe kümmern. Dana dachte an die Menschen, für die sie Geschenke besorgen wollte. Für ihre Mutter, Kemal, Matt, ihren Chef, und natürlich für den wunderbaren Jeff. Dana sprang in ein Taxi und ließ sich zu Hecht’s fahren, einem der größten Kaufhäuser von Washington. Dort wimmelte es von Menschen, die sich zur Einstimmung auf das besinnliche Weihnachtsfest rücksichtslos und unter allerlei Ellenbogeneinsatz durch das Gedränge kämpften.

Als Dana ihre Einkäufe erledigt hatte, begab sie sich zurück zu ihrer Wohnung, um ihre Geschenke abzuladen. Das Apartment lag an der Calvert Street in einer ruhigen Wohngegend. Es war geschmackvoll eingerichtet und bestand aus einem Schlafzimmer, einem Wohnzimmer, einer Küche, einem Badezimmer und einem Arbeitszimmer, in dem Kemal schlief.

Dana verstaute die Geschenke in einem Kleiderschrank. Wenn Jeff und ich heiraten, müssen wir uns eine größere Wohnung besorgen, dachte sie erwartungsvoll, während sie sich in dem Apartment umblickte. Als sie zur Tür gehen wollte, um ins Studio zurückzukehren, klingelte das Telefon. Verflixt. Dana nahm ab. »Hallo.«

»Dana, mein Schatz.«

Es war ihre Mutter. »Hallo, Mutter. Ich war gerade am Gehen -«

»Meine Freunde und ich haben uns gestern Abend deine Sendung angesehen. Du warst sehr gut.«

»Vielen Dank.«

»Allerdings fanden wir, dass du die Nachrichten ein bisschen freundlicher gestalten hättest können.«

Dana seufzte. »Die Nachrichten freundlicher gestalten?«

»Ja. Die Sachen, über die du sprichst, sind alle so deprimierend. Gibt’s denn nichts Erfreulicheres zu berichten?«

»Ich will zusehen, was sich machen lässt, Mutter.«

»Das wäre sehr nett. Übrigens, ich bin diesen Monat ein bisschen knapp bei Kasse. Ob du mir wohl noch mal unter die Arme greifen könntest?«

Danas Vater war vor Jahren verschwunden. Mittlerweile wohnte Danas Mutter in Las Vegas und war ständig knapp bei Kasse. Die monatliche Unterstützung, die Dana ihrer Mutter zukommen ließ, reichte offenbar nie aus.

»Spielst du etwa, Mutter?«

»Selbstverständlich nicht«, versetzte Mrs. Evans entrüstet. »Las Vegas ist eine sehr teure Stadt. Übrigens, wann kommst du denn mal hierher? Ich möchte Kimbal gern kennen lernen. Du solltest ihn mal mitbringen.«

»Er heißt Kemal, Mutter. Ich kann momentan nicht weg.«

Am anderen Ende herrschte einen Moment lang Schweigen. »Du kannst nicht weg? Meine Freunde sagen alle, wie froh du sein kannst, weil du einen Beruf hast, bei dem du nur ein, zwei Stunden am Tag arbeiten musst.«

»Ich nehme an, ich habe eben einfach Glück«, sagte Dana.

Als Nachrichtenmoderatorin trat Dana jeden Morgen um neun Uhr im Fernsehstudio an und brachte den Großteil des Tages am Telefon zu, um sich in internationalen Konferenzschaltungen die neuesten Nachrichten aus London, Paris, Italien und anderen Brennpunkten des Weltgeschehens zu besorgen. In der übrigen Zeit waren Konferenzen angesetzt, bei denen die Nachrichtenblöcke zusammengestellt und beschlossen wurde, was wann und in welcher Reihenfolge ausgestrahlt werden sollte. Immerhin hatte sie zwei Sendungen pro Abend.

»Ist doch schön, dass du so einen angenehmen Beruf hast, mein Schatz.«

»Danke, Mutter.«

»Du kommst doch bald mal vorbei und besuchst mich, nicht?«

»Ja, bestimmt.«

»Ich kann’s kaum erwarten, den süßen kleinen Jungen kennen zu lernen.«

Auch Kemal wird es gut tun, wenn er sie kennen lernt, dachte Dana. Dann hat er auch eine Großmutter. Und wenn Jeff und ich verheiratet sind, hat Kemal wieder eine richtige Familie.

Als Dana auf den Flur ihres Mietshauses trat, kam Mrs. Wharton aus der Tür.

»Ich möchte mich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie sich vorgestern Morgen um Kemal gekümmert haben, Dorothy. Ich bin Ihnen dafür sehr verbunden.«

»Hab ich doch gern gemacht.«

Dorothy Wharton und ihr Mann Howard waren vor einem Jahr in das Haus gezogen. Sie waren Kanadier, beide um die fünfzig und ein reizendes Paar. Howard Wharton war Bauingenieur und auf das Restaurieren von Denkmälern spezialisiert.

»Was meine Arbeit angeht«, hatte er Dana eines Abends beim Essen erklärt, »gibt’ s auf der ganzen Welt keine bessere Stadt als Washington. Wo krieg ich denn sonst so viele Aufträge?« Und er hatte die Frage gleich selbst beantwortet. »Nirgendwo.«

»Howard und ich lieben Washington«, hatte ihr Mrs. Wharton anvertraut. »Wir werden niemals wegziehen.«

Als Dana in ihr Büro zurückkam, lag die neueste Ausgabe der Washington Tribune auf ihrem Schreibtisch. Die erste Seite war voller Fotos und Textbeiträge über die Winthrops. Dana schaute sich die Bilder eine ganze Weile an. Ihre Gedanken überschlugen sich. Alle fünf innerhalb von anderthalb Jahren ums Leben gekommen. Unfassbar.

Der Anruf erfolgte über einen Privatanschluss der Geschäftsleitung im Verwaltungshochhaus der Washington Tribune Enterprises.

»Ich habe gerade die Anweisungen erhalten.«

»Gut. Sie warten schon. Was sollen sie mit den Bildern machen?«

»Verbrennen.«

»Allesamt? Die sind Millionen von Dollar wert.«

»Alles ist bestens gelaufen. Wir dürfen keinerlei Anhaltspunkte hinterlassen. Verbrennt sie sofort.«

Olivia Watkins, Danas Sekretärin, meldete sich über die Gegensprechanlage. »Ein Anruf für Sie auf Anschluss drei. Er hat schon zweimal angerufen.«

»Wer ist dran, Olivia?«

»Mr. Henry.«

Thomas Henry war der Rektor der Theodore Roosevelt Middle School.

Dana rieb sich mit der Hand über die Stirn, um die Kopfschmerzen zu vertreiben, die sich gerade ankündigten. Sie griff zum Telefon. »Guten Tag, Mr. Henry.«

»Guten Tag, Miss Evans. Könnten Sie vielleicht kurz bei mir vorbeikommen?«

»Selbstverständlich. In ein, zwei Stunden bin ich -«

»Ich schlage vor, dass Sie sofort kommen, wenn das möglich ist.«

»Ich komme.«

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